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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 186. Sitzung Bonn, den 26. September 1968 Inhalt: Amtliche Mitteilung . . . . . . . . 10065 A Fragestunde (Drucksache V/3277 [neu]) Frage des Abg. Meister: Preisbindung und Preisrichtsätze beim landwirtschaftlichen Grundstücksverkehr 10065 B Fragen des Abg. Dr. Hauser (Sasbach) : Ausgleichsabgabe für Frischfleisch Höcherl, Bundesminister . . . . 10065 C, D Fragen des Abg. Reichmann: Pflaumen- und Zwetschenerzeugung in Haus- und Kleingärten — Geschenk- und Sozialinterventionen auf Grund des EWG-Fonds Höcherl, Bundesminister . 10066 A, B, C, D, 10067 A Reichmann (FDP) . . . 10066 D, 10067 A Frage des Abg. Weigl: Erzeugerpreise für Schweinefleisch . . 10067 B Frage des Abg. Weigl: Berechnung des Unfallgenossenschaftsbeitrages 10067 B Frage des Abg. Weigl: Berücksichtigung der Steigerung der Beiträge bei Rentenanpassungen . . . 10067 C Frage der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Strafaussetzung zur Bewährung oder Umwandlung in Geldstrafen bei Freiheitsstrafen-Urteilen gegen Kraftfahrer wegen Alkoholeinfluß am Steuer Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister . 10067 C Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 10067 D Fragen des Abg. Fritz (Wiesbaden) : Haftvorschriften des § 112 StPO Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister 10068 A, B Abg. Fritz (Wiesbaden) (SPD) . . 10068 B Fragen des Abg. Krammig: Lohnsteuerfreiheit des Haustrunkes und der Tabakdeputate Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 10068 C Frage des Abg. Opitz: Kraftfahrzeugpauschale 10068 D Frage des Abg. Genscher: Novellierung des Mehrwertsteuergesetzes Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 10069 A, B, C, D, 10070 A Genscher (FDP) 10069 B, C Frau Funcke (FDP) . . 10069 C, 10070 A Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 10070 A . II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. September 1968 Frage des Abg. Genscher: Arbeits- und Kostenbelastung durch die Einführung der Mehrwertsteuer Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 10070 B, C, D Genscher (FDP) 10070 C, D Frage des Abg. Dr. Imle: Mehrwertsteuer auf die Kurtaxe Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 10070 D, 10071 B, C Dr. Imle (FDP) 10071 A, B Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 10071 B Frau Funcke (FDP) 10071 C Frage des Abg. Dr. Abelein: Finanzielle Unterstützung für Unwettergeschädigte Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 10071 D Frage des Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern) : Vorschläge der EWG-Kommission über Erleichterungen im Reiseverkehr . . 10072 A Fragen des Abg. Kaffka: Leiter des Korruptionsreferats im Bundesverteidigungsministerium . . . . 10072 B Frage des Abg. Peiter: Zweite Standortverwaltung für den Standort Koblenz Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 10072 D, 10073 A Peiter (SPD) 10073 A, B Frage des Abg. Peters (Poppenbüll) : Dienstwohnungen in den Marine-Standorten Schleswig-Holsteins Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 10073 A Peters (Poppenbüll) (FDP) . . . . 10073 B Fragen des Abg. Barche: Zurückstellung vom Wehrdienst Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 10073 C, 10074 A Barche (SPD) 10074 A Frage des Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern) : Provokatorische Maßnahmen von SDS-Angehörigen in der Bundeswehr Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 10074 A, B, C, D Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) . 10074 B, C Moersch (FDP) 10074 D Fragen der Abg. Dr. Apel und Dr. Meinecke: Fluglärmbelästigung am Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . 10074 D, 10075 A, B, C, D, 10076 A, B, C, D Dr. Apel (SPD) . . . 10075 A, D 10076 C Rawe (CDU/CSU) . . . . . . 10075 B, C Dr. Meinecke (SPD) 10076 A, B Frage des Abg. Franke (Osnabrück):: Autobahnkreuz HansaLinie/ Europa-Straße 8 Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 10076 D, 10077 B Franke (Osnabrück) (CDU/CSU) . 10077 A, B Frage des Abg. Freiherr von Gemmingen: Ausbau der Bundesfernstraße 3 südlich Heidelberg Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 10077 C Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Brückenpfeiler der Eisenbahnbrücke über die Bundesstraße 43, westlich Bischofsheim Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 10077 D Fragen des Abg. Dr. Enders: Vergabe von Verkehrs- und Kraftfahrzeugversorgungsbetrieben auf der Autobahn „Rhönlinie" Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 10077 D, 10078 A Memmel (CDU/CSU) 10078 A Frage des Abg. Peters (Poppenbüll) : Eiderbrücke bei Tönning Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . 10078 B, C Peters (Poppenbüll) (FDP) . . . 10078 B, C Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. September 1968 III Frage des Abg. Peters (Poppenbüll) : Schienengleiche Bahnübergänge im Zuge der B 201 10078 D Frage des Abg. Ramms: Ordnung der Straßenbaulast Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . 10079 A, B Ramms (FDP) . . . . . . . . 10079 A, B Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Barzel (CDU/CSU) 10079 C, 10101 C, D, 10102 A Schmidt (Hamburg) (SPD) 10088 B, 10103 C Scheel (FDP) 10098 B Berkhan (SPD) 10106 C Dr. von Merkatz (CDU/CSU) . . 10102 D Kiep (CDU/CSU) . . . . . . 10103 A Petersen (CDU/CSU) 10106 D Dr. Birrenbach (CDU/CSU) . . . 10107 B Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . . 10108 B Brandt, Bundesminister 10109 B Stücklen (CDU/CSU) 10116 B Genscher (FDP) . . . . . . . 10119 C Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . 10120 A Nächste Sitzung 10120 C Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 10121 A Anlage 2 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD zu der Erklärung der Bundesregierung vom 25. September 1968 (Umdruck 505) 10121 D Anlage 3 Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zu der Erklärung der Bundesregierung vom 25. September 1968 (Umdruck 506) 10122 D Anlage 4 Schriftliche Erklärung des Abg. Mick (CDU/CSU) Punkt 2 der Tagesordnung 10123 D Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Schmidhuber betr. Aufforderung an die Vorstände der Zechengesellschaften an der Ruhr zum Beitritt zu der Gesamtgesellschaft . . . . 10124 B Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Hirsch betr. Konvention zum Schutze vor Luftpiraterie . . 10124 C Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Rollmann betr. Berlin-Flugtarife 10124 D Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. September 1968 10065 186. Sitzung Bonn, den 26. September 1968 Stenographischer Bericht Beginn 9.01 Uhr.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Aigner * 26. 9. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 27. 9. Bading * 27. 9. Bals 13. 10. Bauer (Würzburg) ** 27. 9. Berger 27. 9. Berkhan** 27. 9. Biechele 28. 9 Blumenfeld** 27. 9. Brück (Holz) ** 27. 9. Dr. Bucher 27. 9. Corterier 26. 9. Cramer 28. 9. Dr. Dahlgrün 27. 9. van Delden 28. 9. Dr. Dittrich* 28. 9. Draeger** 27. 9. von Eckardt 27. 9. Dr. Elbrächter 28. 9. Flämig** 27. 9. Frieler 7. 10. Dr. Furler** 27. 9. Haage (München) 27. 9. Hahn (Bielefeld) * 27. 9. Hellenbrock 31. 10. Frau Herklotz** 27. 9. Herold** 27. 9. Hilbert 27. 9. Hösl** 27. 9. Jacobi (Köln) 26. 9. Dr. Jaeger 28. 9. Kahn-Ackermann** 27. 9. Dr. Kempfler** 27. 9. Frau Klee** 27. 9. Dr. Kliesing (Honnef) ** 27. 9. Klinker * 27. 9. Dr. Koch 26. 9. Koenen (Lippstadt) 5. 10. Dr. Kopf ** 27. 9. Dr. Kübler** 27. 9. Lautenschlager* 4. 10. Lemmrich** 27. 9. Lenze (Attendorn) ** 27. 9. Dr. Lohmar 4. 10. Matthöfer 27. 9. Maucher 27. 9. Mauk* 27. 9. Frau Dr. Maxsein** 27. 9. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 5. 10. Dr. von Merkatz** 27. 9. Dr. Mühlhan 27. 9. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an einer Tagung der Beratenden Versammlung des Europarats Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Müller (Aachen-Land) * 28. 9. Dr. Müller (München) ** 27. 9. Neumann (Stelle) 28. 9. Peters (Norden) 5. 10. Pöhler** 27. 9. Rehs 4. 10. Richter** 27. 9. Dr. Rinderspacher** 27. 9. Dr. Rutschke** 27. 9. Russe (Bochum) 4. 10. Sander** 27. 9. Dr. Schmidt (Offenbach) ** 27. 9. Schmidt (Würgendorf) ** 27. 9. Dr. Schulz (Berlin) ** 27. 9. Dr. Schulze-Vorberg 26. 9. Dr. Serres ** 27. 9. Steinhoff 27. 9. Dr. Steinmetz 27. 9. Stooß 27. 9. Dr. Süsterhenn 4. 10. Vogt** 27. 9. Wächter 5. 10. Dr. Wahl ** 27. 9. Walter 12. 10. Wendelborn 28. 9. Weiland 5. 10. Frau Wessel 31. 12. Wienand** 27. 9. Anlage 2 Umdruck 505 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD zu der Erklärung der Bundesregierung vom 25. September 1968, Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag stellt fest: 1. Der Deutsche Bundestag hat stets die Bemühungen der Bundesregierungen um eine konsequente und wirksame Friedenspolitik gegenüber allen Staaten unterstützt. Diese Politik ist auf eine europäische Friedensordnung gerichtet. Sie wird fortgesetzt, obgleich sie durch den Einmarsch in die Tschechoslowakei einen empfindlichen Rückschlag erlitten hat. 2. Der Deutsche Bundestag verurteilt den Einmarsch in die Tschechoslowakei als einen völkerrechtswidrigen Gewaltakt. Die Besetzung der CSSR ist ein schweres Hindernis auf dem Wege zu einer europäischen Friedensordnung. 3. Der Einmarsch in die Tschechoslowakei ist auf die einhellige Empörung der ganzen Welt gestoßen. Die Sowjetunion versucht, ihre Verantwortung für die Besetzung der Tschechoslowakei auf andere, auch auf die Bundesrepublik Deutschland, abzuschieben. Ihre haltlosen Beschuldigungen sollen offenkundig von der sowjetischen Aggression ablenken. 10122 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. September 1968 4. Die Angriffe der Sowjetunion richten sich gegen lebenswichtige Positionen der deutschen Politik, die vertraglich und politisch gemeinsam von den USA, Großbritannien, Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland vertreten werden. 5. Der Deutsche Bundestag wird zu keiner Zeit und unter keinen Umständen davon abgehen, daß das Selbstbestimmungrecht der Völker zentraler Grundsatz der internationalen Politik sein muß und durch keine militärische Macht gebeugt werden darf. Die USA, Großbritannien, Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland haben sich im Deutschlandvertrag völkerrechtlich bindend verpflichtet, bis zum Abschluß einer friedensvertraglichen Regelung zusammenwirken, um mit friedlichen Mitteln ihr gemeinsames Ziel zu verwirklichen: Ein wiedervereinigtes Deutschland, das eine freiheitliche, demokratische Verfassung besitzt und in die Gemeinschaft ,der europäischen Völker eingebettet ist. Die Völker Europas werden einen dauerhaften und gerechten Frieden nicht finden, solange unserem Volke ,die Teilung aufgezwungen bleibt. 6. Unsere Verbündeten und die ganz überwiegende Mehrheit der Völker haben bekundet, das sie die Bundesregierung als die einzige deutsche Regierung ansehen, die frei und rechtmäßig gebildet ist. Sie spricht auch für jene, ,denen mitzuwirken bisher versagt ist. Die Anerkennung des anderen Teiles Deutschlands als Ausland oder als zweiter souveräner Staat deutscher Nation kommt nicht in Betracht. 7. Der Deutsche Bundestag wird alle Verhandlungen und Maßnahmen der Bundesregierung unterstützen, die zum Wohle der Menschen im gespaltenen Deutschland und im Interesse des Zusammenhaltes der Nation möglich sind. 8. Der Deutsche Bundestag hält fest am Viermächtestatus für ganz Berlin und weist Versuche, das freie Berlin politisch und rechtlich zu isolieren, zurück. Der Deutsche Bundestag fördert die Bemühungen der Bundesregierung, die drei Westmächte bei ,der Ausübung ihrer Verantwortlichkeiten für die Erhaltung des ungehinderten freien Zugangs nach Berlin sowie der Sicherheit und Lebensfähigkeit der Stadt zu unterstützen. Desgleichen tritt er ,dafür 'ein, daß die engen gewachsenen Bindungen zwischen Berlin und dem Bund gewahrt und gefördert werden. 9. Der Deutsche Bundestag bekräftigt die Erklärung der Bundesregierung vom 13. 12. 1966 über unseren Willen zur Aussöhnung und zum friedlichen Zusammenleben des deutschen Volkes mit dem polnischen Volke und mit den Völkern der CSSR. 10. Sicherheit und Freiheit der Bundesrepublik Deutschland beruhen auf dem atlantischen Bündnis. Der Deutsche Bundestag wird deshalb alle notwendigen Anstrengungen der Bundesregierung unterstützen, die atlantische Allianz zu festigen und zu stärken. Er spricht die Erwartung aus, daß einseitige Verminderungen der Streitkräfte der Allianz in Europa unterbleiben. 11. Der Deutsche Bundestag tritt für internationale Vereinbarungen über gleichwertige Maßnahmen zur Rüstungskontrolle, Rüstungsbegrenzung und Abrüstung ein. Die Bundesrepublik Deutschland hat gegenüber ihren Bündnispartnern von atomaren, biologischen und chemischen Waffen verzichtet und sich entsprechenden internationalen Kontrollen unterworfen. Sie strebt keine nationale Verfügungsgewalt über Atomwaffen und keinen nationalen Besitz an solchen Waffen an. 12. Das Grundgesetz verbietet die Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker und den Angriffskrieg. Die Bundesrepublik Deutschland richtet ihre Politik an den Grundsätzen der Satzung der Vereinten Nationen aus. Der Deutsche Bundestag lehnt Gewalt als Mittel der Politik ab. 13. Kein anderer Staat hat das Recht, sich in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik Deutschland einzumischen oder gar mit Gewalt zu intervenieren. Gegen eine sowjetische Bedrohung schützt uns das nordatlantische Bündnis. 14. Die bestehenden europäischen Gemeinschaften müssen im Innern ausgebaut, miteinander verschmolzen und erweitert werden. 15. Nur in enger Zusammenarbeit aller Völker Europas wird unser Kontinent eine Ordnung des Friedens schaffen und seinen politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Einfluß in ,der Welt wahren und stärken können. Dann erst kann Europa ,den Beitrag zur Lösung der großen Probleme dieser Welt leisten, der von unserem Kontinent erwartet wird. Bonn, den 25. September 1968 Dr. Barzel und Fraktion Schmidt (Hamburg) und Fraktion Anlage 3 Umdruck 506 Antrag der Fraktion der FDP zu der Erklärung der Bundesregierung vom 25. September 1968. Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag stellt fest: 1. Der Deutsche Bundestag hat stets die Bemühungen der Bundesregierungen um eine konsequente und wirksame Friedenspolitik gegenüber allen Staaten unterstützt. Diese Politik ist auf eine europäische Friedensordnung gerichtet: Sie wird fortgesetzt, obgleich sie durch den Einmarsch in die Tschechoslowakei einen empfindlichen Rückschlag erlitten hat. 2. Der Deutsche Bundestag verurteilt den Einmarsch in die Tschechoslowakei als einen völ- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. September 1968 10123 kerrechtswidrigen Gewaltakt. Die Besetzung der CSSR ist ein schweres Hindernis auf dem Wege zu einer europäischen Friedensordnung. 3. Der Einmarsch in die Tschechoslowakei ist auf die einhellige Empörung der ganzen Welt gestoßen. Die Sowjetunion versucht vergeblich, ihre Verantwortung für die Besetzung der Tschechoslowakei auf andere, auch auf die Bundesrepublik Deutschland, abzuschieben. Ihre haltlosen Beschuldigungen sollen offenkundig von der sowjetischen Aggression ablenken. 4. Die Angriffe der Sowjetunion richten sich gegen lebenswichtige Positionen der deutschen Politik, die vertraglich und politisch gemeinsam von den USA, Großbritannien, Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland vertreten werden. 5. Der Deutsche Bundestag wird zu keiner Zeit und unter keinen Umständen davon abgehen, daß das Selbstbestimmungsrecht der Völker zentraler Grundsatz der internationalen Politik sein muß und durch keine militärische Macht gebeugt werden darf. Die USA, Großbritannien, Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland haben sich im Deutschlandvertrag völkerrechtlich bindend verpflichtet, bis zum Abschluß einer friedensvertraglichen Regelung zusammenzuwirken, um mit friedlichen Mitteln ihr gemeinsames Ziel zu verwirklichen: Ein wiedervereinigtes Deutschland, das eine freiheitliche, demokratische Verfassung besitzt und in die Gemeinschaft der europäischen Völker eingebettet ist. Die Völker Europas werden einen dauerhaften und gerechten Frieden nicht finden, solange unserem Volke die Teilung aufgezwungen bleibt. 6. Es entspricht dem Willen des ganzen deutschen Volkes und dem Verfassungsauftrag des Grundgesetzes, daß die Bundesrepublik Deutschland den anderen Teil Deutschlands nicht völkerrechtlich als Ausland anerkennt. 7. Der Deutsche Bundestag wird alle Verhandlungen und Maßnahmen der Bundesregierung unterstützen, die zum Wohle der Menschen im gespaltenen Deutschland und im Interesse des Zusammenhaltes der Nation möglich sind. 8. Der Deutsche Bundestag hält fest am Viermächtestatus ganz Berlins und weist Versuche, das freie Berlin politisch und rechtlich zu isolieren, zurück. Der Deutsche Bundestag fördert die Bemühungen der Bundesregierung, die drei Westmächte bei der Ausübung ihrer Verantwortlichkeiten für die Erhaltung des ungehinderten freien Zugangs nach Berlin sowie der Sicherheit und Lebensfähigkeit der Stadt zu unterstützen. Desgleichen tritt er dafür ein, daß die engen Bindungen zwischen Berlin und dem Bund gewahrt und gefördert werden. 9. Der Deutsche Bundestag bekräftigt die Erklärung der Bundesregierung vom 13. 12. 1966 über unseren Willen zur Aussöhnung und zum friedlichen Zusammenleben des deutschen Volkes insbesondere mit dem polnischen Volke und mit den Völkern der CSSR. 10. Sicherheit und Freiheit der Bundesrepublik Deutschland beruhen auf dem atlantischen Bündnis. Der Deutsche Bundestag wird deshalb alle notwendigen Anstrengungen der Bundesregierung unterstützen, die atlantische Allianz zu festigen und zu stärken. Er spricht die Erwartung aus, daß einseitige Verminderungen der Streitkräfte der Allianz in Europa unterbleiben. 11. Der Deutsche Bundestag tritt für internationale Vereinbarungen über gleichwertige Maßnahmen zur Rüstungskontrolle, Rüstungsbegrenzung und Abrüstung ein. Die Bundesrepublik Deutschland hat gegenüber ihren Bündnispartnern auf die Herstellung von atomaren, biologischen und chemischen Waffen verzichtet und sich entsprechenden internationalen Kontrollen unterworfen. Sie strebt keine nationale Verfügungsgewalt über Atomwaffen und keinen nationalen Besitz an solchen Waffen an. 12. Das Grundgesetz verbietet die Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker und den Angriffskrieg. Die Bundesrepublik Deutschland richtet ihre Politik an den Grundsätzen der Satzung der Vereinten Nationen aus. Der Deutsche Bundestag lehnt Gewalt als Mittel der Politik ab. 13. Kein anderer Staat hat das Recht, sich in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik Deutschland einzumischen oder gar mit Gewalt zu intervenieren. Gegen eine sowjetische Bedrohung mit Gewalt schützt uns das nordatlantische Bündnis. 14. Die bestehenden europäischen Gemeinschaften müssen im Innern ausgebaut, miteinander verschmolzen und erweitert werden. 15. Nur in enger Zusammenarbeit aller Völker Europas wird unser Kontinent eine Ordnung des Friedens schaffen und seinen politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Einfluß in der Welt wahren und stärken können. Dann erst kann Europa den Beitrag zur Lösung der großen Probleme dieser Welt leisten, der von unserem Kontinent erwartet wird. Bonn, den 26. September 1968 Mischnick und Fraktoin Anlage 4 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Mick (CDU/CSU) zu Punkt 2 der Tagesordnung. Als ich am heutigen Morgen das Bundeshaus durch den Eingang I betreten wollte, standen dort zwei junge Männer, auf Brust und Rücken ein Pla- 10124 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. September 1968 kat, in einer Hand eine Sammelbüchse für Spenden für die Verhungernden in Biafra. Ich sah, daß neben dem Bundesaußenminister viele prominente Politiker dieses Hauses ihre Brieftasche oder ihre Geldbörse zückten und überdies den jungen Leuten die Hand gaben. Auf einem, den Abgeordneten überreichten Flugblatt wurde die Bitte geäußert, bei der heutigen Debatte über die Außenpolitik, die ein Beitrag zur internationalen Friedenspolitik sein soll, den Menschenmord in Biafra nicht auszuklammern, weil dadurch noch Millionen Menschenleben zu retten wären. In dem Flugblatt heißt es wörtlich: 1. Verstärkung der humanitären Hilfe. Das Diakonische Werk, die Caritas und das Rote Kreuz haben ein Verpflegungsprogramm gestartet, auf das die biafranische Bevölkerung angewiesen ist. Dazu genügen nicht 5 Millionen DM im Dezember. Um 500 000 Flüchtlingen einen Monat lang täglich eine Mahlzeit geben zu können, werden 221/2 Millionen DM benötigt. Sie brauchen diese Mahlzeit jetzt. 2. Durchsetzung einer wirksamen internationalen Kontrolle zur Vermeidung der befürchteten Massaker und der Aushungerung. Es ist erwiesen, daß die nigerianischen Soldaten von Massakern Abstand nehmen, wenn ausländische Beobachter zusehen können. Die Bundesregierung muß in einer konzertierten Aktion die Zulassung vieler internationaler Beobachter im Kriegsgebiet durchsetzen. Sie sollte Verbindungen zu England, Frankreich, der Schweiz, Osterreich und anderen Staaten aufnehmen, um gemeinsam die mit Sicherheit eintretenden Greueltaten beim und nach dem Überrollen Rest- Biafras zu verhindern. (Wir erinnern an Ekot Ekpene.) Weil ich mir die Meinung dieser jungen Leute und des hinter ihnen stehenden Aktionskomitees Biafra voll zu eigen mache, sehe ich mich verpflichtet, diese Meinung auch dem Deutschen Bundestag mitzuteilen. Deshalb habe ich mich in diese außenpolitische Debatte eingedrängt. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 26. September 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Schmidhuber (Drucksache V/3277 Fragen 52 und 53) : Trifft es zu, daß das Bundeswirtschaftsministerium die Vorstände der Zechengesellschaften des Steinkohlenbergbaugebietes an der Ruhr aufgefordert hat, bis zum 15. September 1968 definitiv zu erklären, ob ihre Gesellschaften der Gesamtgesellschaft beitreten werden? Ist diese Aufforderung so zu verstehen, daß ein Beitritt zur Gesamtgesellschaft nach dem 15. September 1968 nicht mehr möglich ist? Dies trifft nicht zu. Der Verhandlungskreis „Gesamtgesellschaft" hat am 14. Juni 1968 für den 15. September 1968 lediglich festgelegt, daß die einzelnen Unternehmen des Ruhrbergbaus bis dahin sich im Grundsatz zu den Modalitäten für die Bildung einer Gesamtgesellschaft erklären. Der Termin „15. September" war deshalb gewählt worden, um nach weiteren drei Monaten die notwendige Orientierungshilfe über die Beteiligungsbereitschaft des Ruhrkohlenbergbaues an der Gesamtgesellschaft zu erhalten. Daraus folgt, daß die Bereitschaftserklärung auch jetzt noch möglich ist. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 26. September 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Hirsch (Drucksache V/3277 [neu] Fragen 81 und 82) : Ist die Bundesregierung bereit, die Bemühungen des Internationalen Piloten-Verbandes für den Abschluß einer Konvention zum Schutze vor Luftpiraterie zu unterstützen? Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, bis zum Inkrafttreten einer solchen Konvention oder entsprechender international wirksamer Maßnahmen deutsche Flugmannschaften, Passagiere und Flugzeuge gegen Piraterieversuche zu schützen? Die Frage wird mit „Ja" beantwortet. Der Internationale Piloten-Verband hat im Hinblick auf den Schutz vor Flugzeugentführungen die weltweite Annahme des „Abkommens über strafbare und bestimmte andere an -Bord von Luftfahrzeugen begangene Handlungen" und des „Internationalen Paktes über staatsbürgerliche und politische Rechte" gefordert. Das Zustimmungsgesetz zu dem Abkommen liegt dem Bundestag zur Beschlußfassung vor. Mit der Unterzeichnung des Paktes durch die Bundesregierung ist noch in diesem Jahre zu rechnen. An Bord von Luftfahrzeugen und vor Beginn des Fluges auf den Flughäfen lassen sich keine wirksamen und zugleich praktisch durchführbaren Maßnahmen zur Verhinderung von Flugzeugentführungen treffen, wie dies schon in der schriftlichen Antwort vom 14. August 1968 auf die Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Marx ausgeführt worden ist. Insbesondere würde der Widerstand der Flugzeugbesatzung im allgemeinen zu einer größeren Gefährdung von Flugzeug und Insassen führen als die Entführung selbst. Um Flugzeugentführungen entgegenzuwirken, wird sich die Bundesregierung für eine strenge Ahndung dieses Deliktes einsetzen. Soweit die Täter nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen, wird sie auf diplomatischem Wege für ihre Bestrafung eintreten. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 26. September 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Rollmann (Drucksache V/3277 [neu] Fragen 90, 91 und 92) : Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. September 1968 10125 Aus welchem Grunde wurde eine tarifliche Sonderregelung für den zivilen Luftverkehr auf der Strecke Hannover—Berlin eingeführt? Ist die Bundesregierung bereit, Möglichkeiten für eine allgemeine Senkung der Berlin-Flugtarife zu prüfen und dem Deutschen Bundestag in Kürze darüber Bericht zu erstatten? Ist die Bundesregierung bereit, falls sich eine allgemeine Berlintarif-Senkung nicht realisieren läßt, wenigstens für die Westberliner Bevölkerung als Ausgleich für deren beschränkte Reisemöglichkeiten umfassendere Flugvergünstigungen als bisher zu schaffen? Die Bundesregierung will mit der Verbilligung des Luftverkehrs auf der Strecke Berlin—Hannover möglichst für jedermann im Verkehr von und nach Berlin eine echte Freizügigkeit ohne Kontrollen sicherstellen. Der aus dieser Erwägung festgelegte Flugpreis lehnt sich an den Eisenbahnfahrpreis 2. Klasse an. Die Bundesregierung hat die erhöhten Zuschüsse auf die Strecke Berlin—Hannover beschränkt, weil die hierfür erforderlichen Haushaltsmittel auf dieser Verkehrsrelation den höchsten Nutzen bringen. Der Grundsatz, öffentliche Mittel sparsam und wirtschaftlich mit dem größtmöglichen Nutzen zu verwenden, würde bei erhöhten Zuschüssen für die übrigen Berlin-Strecken nicht gewahrt sein, weil die hierfür erforderlichen Haushaltsmittel das Mehrfache des für die Hannover-Strecke benötigten Betrages ausmachen würden. Wie aus den beiden vorhergehenden Antworten ersichtlich, ist die Bundesregierung der Ansicht, daß mit der weiteren Verbilligung des Luftverkehrs Berlin—Hannover auch für den Berliner mit relativ geringem Einkommen eine echte Freizügigkeit auf der Grundlage des Eisenbahntarifs 2. Klasse geschaffen wurde, und zwar unter Wahrung des Grundsatzes der größtmöglichen Sparsamkeit bei der Verwendung öffentlicher Mittel. Die Bundesregierung ist ferner der Auffassung, daß bei dieser Sachlage nicht von beschränkten Reisemöglichkeiten im Berlin-Reiseverkehr gesprochen werden kann, da auf vielen Verkehrsrelationen — beispielsweise Berlin einerseits, Köln, Frankfurt und Hamburg andererseits — die Fahrzeit im gebrochenen Luft-Eisenbahnverkehr über Hannover diejenige des direkten Eisenbahnverkehrs von und nach Berlin nicht übersteigt, teilweise sogar darunter bleibt. Die Bundesregierung sieht deshalb zur Zeit keinen Anlaß, umfassendere Flugvergünstigungen zu ermöglichen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rainer Barzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    (Sehr gut! in der Mitte.)

    In demselben Memorandum warnte dieser mutige Mann vor Funktionärsherrschaft, vor der Rückkehr zum Stalinismus, und er lobte ,die Entwicklung in der Tschechoslowokei.
    Das war im Juni. Dann kam der August. Und nun erleben wir mit einem gefährlichen, spannungsreichen September 'das Ende der 'ersten Runde einer westlichen Entspannungspolitik, die sich plötzlich ohne Gegenüber sieht, die ohne ,Adressaten dasteht, die sich als Monolog empfinden muß.
    Keiner weiß, ob Sacharow mit seinen Mahnungen an die Öffentlichkeit trat, nur um zu bekennen — das wäre schon etwas — oder etwa auch, um zu warnen; ob dies noch ,der 'letzte Notruf eines früher



    Dr. Barzel
    Wissenden war oder schon der Zuruf an die ganze Welt, daß es auch in Moskau Bekenner der Vernungft geben werde, wenn die mächtigen Bürokraten erneut Verdunkelung für die Vernunft bef oh-len haben würden.

    (Beifall in der Mitte.)

    Wie immer das sei, wir wissen es nicht. Aber wir können deshalb sagen, wir sprechen nicht nur im eigenen Namen, wenn wir erklären: Unsere Sympathie gilt dem Volk der Tschechoslowakei und unser Protest denen, die die Selbstbestimmung dieses Volkes gewaltsam unterbanden.
    Was geschah, war ein politischer Exzess, — einer Weltmacht unwürdig. So offenbarte — ich kann diese boshafte Bemerkung nicht unterdrücken — die Sowjetunion selbst ihre Meinung zu der von einigen Propagandisten, z. B. von den Werbereisenden in Sachen Nonproliferation, verbreiteten Meinung, Nuklearmacht sei eigentlich ein Synonym für Friedfertigkeit, Vernunft und Redlichkeit; so offenbarte sie selbst dieses Gerücht als einen höchst liederlichen Umgang mit den Fakten, meine Damen und Herren,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    mit den Fakten, soweit es diese Nuklearmacht betrifft.
    Was geschah, war noch mehr: es war eine Beleidigung des Zeitgeistes, der Gedankenfreiheit und Gewaltlosigkeit will. Es war eine zynische Verhöhnung des internationalen Rechts, und es war eine Provokation aller Europäer, die zusammenstehen, zusammen leben und nicht gegeneinander gestellt werden wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    „Gedanken kann man nicht erschießen", das schrieb „Literarny Listy" zum Abschied. Aber dieser Satz ist in meinem Ohr mehr als ein Abschied. „Gedanken kann man nicht erschießen", — darin klingt ein Stück Hoffnung auf einen neuen Frühling mit.
    Wir haben deshalb zwei Realitäten als erstes festzuhalten: Einmal die brutale Gewalt in den Händen imperialistischer Reaktionäre und dann den Willen der Völker. Noch war die Gewalt stärker.
    Diese Okkupation in ein Nachbarland hat die militär-politische Lage verändert — der Herr Bundeskanzler hat das gestern dargetan — und sie hat einige Erkenntnisse verdeutlicht. Außerdem sind wir nach unseren Konsequenzen gefragt. Um es gleich zu sagen: Unsere Konsequenzen sollten mit Bedacht abgewogen und so gezogen werden, daß wir nicht etwa in die offenen Messer der kommunistischen Propaganda laufen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Aber andererseits haben wir nicht mehr und nicht weniger zu vertreten, als unsere Lebensinteressen verlangen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dies ist der Gesichtspunkt, und diese Lebensinteressen müssen wir vertreten gegenüber jedermann
    — auch gegenüber dem, der sie in Frage stellt —,
    wir müssen sie vertreten. Denn nicht nur die Teilung der Menschheit — wie Sacharow sagt —, sondern vorzüglich die Teilung einer Nation ist „Irrsinn und Verbrechen", meine Damen und Herren.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.) Und dessen wollen wir nicht schuldig werden.

    Die militärpolitische Lage und damit unsere Sicherheitsbedürfnisse sind verändert, weil einmal die Rote Armee nun auch direkt an der Grenze zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei steht, weil zum anderen, was zuwenig bedacht wird, eine im Gelände eingeprobte vermehrte Kampfkraft — und nicht nur eine erhöhte Zahl von Divisionen, sondern auch eine solche von Flugzeugen — uns gegenübersteht.
    Die Lage ist schließlich verändert — es tut mir leid, dies sagen zu müssen —, weil offenkundig und offenbar die Moskauer Entscheidungen mit den Methoden und Maßstäben der Interessenanalyse und der Rationalität, wie wir sie im Westen zu vollziehen uns angewöhnt haben, nicht zu berechnen sind. Dieses Unwägbare müssen wir nun einrechnen.
    Wir müssen auch noch zwei andere Fakten einrechnen. Einmal: die Sowjetunion hat — und das kann man in der Literatur heute schon nachlesen — eine sehr starke militärische Transportkapazität aufgebaut, also ein Potential auch für diplomatischen Druck und politische Intervention. Ich sprach jetzt gar nicht vom Militär; aber der Zusammenhang militärischen Potentials mit politischem Druck und diplomatischen Offensiven ist ja wohl offenkundig.
    Das andere Faktum ist, daß in der Sowjetunion, wie der Professor John Erickson an der Universität Edingburgh — um einen ganz unverdächtigen Zeugen zu zitieren — nachweist, etwas diskutiert wird, was er die „nichtnukleare Option" nennt. Professor Erickson schreibt:
    Man macht sich
    — er meint das alles im Blick auf Moskau —
    Gedanken über den politischen Nutzen der militärischen Machtmittel, jedoch nicht nur der strategischen nuklearen Machtmittel: Begrenzte konventionelle Kampfhandlungen ohne nukleare Eskalation sind denkbar, konventionelle Streitkräfte sind nicht zuletzt dort nützlich, wo die direkte Anwendung strategischer nuklearer Machtmittel weder glaubwürdig noch vorteilhaft wäre. In einem größeren Rahmen sichert die gleiche strategische Macht, auf die das sowjetische Regime sich in der Hauptsache verläßt, ihm schon an sich eine Handlungsfreiheit, bei der Machtmittel von viel geringerem Ausmaß, jedoch größerer Flexibilität sowohl für militärische als auch für politische Zwecke eingesetzt oder zu Demonstrationen benutzt werden können.
    So weit dieses professorale Zeugnis.
    Meine Damen und Herren, es tut mir leid — es ist nicht unser Wille, sondern es ist unsere Pflicht als Verantwortliche, die Lage zu sehen und zu schildern, wie sie ist —: wir können hier kein



    Dr. Barzel
    heiteres Bild der Lage entwerfen. Die Fakten sprechen ihre eigene, realistische Sprache.

    (Zustimmung.)

    Ich hoffe, daß — bei der Betrachtung der Fakten — hier im Hause keiner vergessen hat, wie eigentlich die letzte Krise um Berlin, die die letzte Debatte hier im Hause ausgelöst hat, vorbereitet wurde. Es begann mit einer propagandistischen Offensive gegen uns alle, sie wurde dann etwas spezialisiert auf die NPD, und dann wurde auf den Zugangswegen von und nach Berlin sortiert nach politischer Gesinnung und 'nach politischer Stellung. So begann das, was dann endete, wie wir alle wissen.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Auch dies ist ein Faktum, das wir einrechnen müssen, wenn wir die Lage richtig beurteilen wollen. —
    Meine Damen und Herren, halten wir uns bei der Lage nicht so lange auf. Wir haben durch den Einmarsch in die Tschechoslowakei Lehren erhalten. Wir konnten und wir können erkennen, daß die Achtung der Kommunisten vor dem Recht auch untereinander nicht weit entwickelt ist — ich will darauf verzichten, den Art. 8 des Warschauer Paktes noch einmal zu zitieren —.
    Wir konnten und mußten leider erkennen, daß ein bemerkenswert russischer Imperialismus mit einer kräftigen Ideologisierung der Moskauer Politik Hand in Hand geht. Da kann man streiten, was mehr ist — wir müssen beides sehen und müssen uns auf beides als Möglichkeit einrichten.
    Wir konnten und können erkennen, daß die Sowjetunion starke eigene militärische Kräfte auch benötigt, um ihren Machtbereich zu sichern; daß sie glaubt, innerhalb dieses nuklear von ihr beherrschten Machtbereichs Gewalt, konventionelle Gewalt als zweckmäßiges und erlaubtes Mittel der Politik anwenden zu können.
    Wir mußten erkennen, daß Walter Ulbricht nicht nur ein Gewaltregime nach innen repräsentiert, sondern auch nach außen; daß gegenwärtig die Teilung Europas, die mitten durch Deutschland und durch Berlin geht, eine Realität ist, welche nur mit langem Atem und großer Zähigkeit verändert werden kann.
    Wir konnten erkennen, was alles unserem Wunsch nach Wiedervereinigung entgegensteht, wie hart das ist.
    Wir konnten und mußten erkennen, daß es für uns nur in der NATO Sicherheit gibt, und alle Europäer mußten sehen, daß es in der Krise allein auf die Weltmächte ankam, daß alle Europäer —einschließlich der europäischen Atommächte — nur Objekt waren.
    Wir wären unverantwortlich, wenn wir nicht auch dies ganz ungeschminkt erkennen und aussprechen würden. Aus unserer Sicht ergibt sich: Die Aktion der Sowjetunion gegen unser Nachbarland steht sicherlich auch im großen Zusammenhang mit der Moskauer Deutschland-Politik. Sie dient ganz bestimmt auch als ein Mittel der psychologischen und politischen Kriegführung der Sowjetunion gegen die
    Bundesrepublik Deutschland; ich denke, keiner bestreitet, daß es so etwas gibt. Die Absicht, uns einzuschüchtern, ist leider ebenso unverkennbar wie der Wille, unsere Friedenspolitik als politische Aggression zu diffamieren.
    Diese veränderte Lage und diese — ob neuen oder alten, ist hier nicht so wichtig -- auf dem Tisch liegenden Erkenntnisse müssen die Konsequenzen bestimmen, die wir zu ziehen haben. Und wir haben Konsequenzen zu ziehen! Wir wenigstens finden es unerträglich uneuropäisch und in unglaublichem Maße inhuman und zynisch, wenn da so die aalglatten Achselzucker kommen und sagen: Na, was ist denn eigentlich passiert? So sei eben die Welt! Meine Damen und Herren, die so denken und sprechen, machen sich mitverantwortlich für Gewaltpolitik.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Nicht nur der berühmte Mantel der Geschichte, von dem in diesem Hause seit zwanzig Jahren oft gesprochen wird, soll die Eigenschaft haben, in einem Leben nur einmal ergreifbar zu sein. Ich glaube, daß auch die Lehren der Geschichte nicht immer wiederkommen und eigentlich mehr für die Verantwortlichen als für geschichtliche Seminare bestimmt sind. Wer heute geschichtliche Lehrstunden verschläft, der darf sich nicht wundern, wenn morgen die Geschichte. ihn unsanft weckt, — um über ihn hinwegzugehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    An der Okkupation der Tschechoslowakei waren Truppen beteiligt, die auf das Kommando Walter Ulbrichts zu hören gezwungen sind. Wir protestieren gegen diesen Mißbrauch deutscher Menschen und des deutschen Namens.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das deutsche Volk, auch drüben, will keine Gewaltpolitik. Wir haben drüben keine Abstimmungen und keine freien demoskopischen Erhebungen. Aber wir haben die zuverlässige Nachricht von einer Schulklasse aus dem anderen Teil Deutschlands, in der in einem Aufsatz von 34 Schülern 28 gegen diese Beteiligung Ulbrichts den Mut hatten zu schreiben. Dies sind auch Realitäten in Deutschland, die uns in die Pflicht nehmen, meine Damen und meine Herren.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Nun, welche Konsequenzen scheinen uns, der CDU/CSU, angebracht? — Wir sehen sie in fünf Punkten: in der Verteidigung, in der politischen Solidarität, im freien Europa, in der Ost-Politik und im Nichtverbreitungsvertrag.
    Erstens zu den Verteidigungsanstrengungen: Meine Damen und Herren, hier in diesem Hause ist sicher keiner, der nicht mit dem Blick auf unsere Sicherheit die fortdauernde und unverminderte Anwesenheit befreundeter Truppen für essentiell und für schlechthin vital hält.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)




    Dr. Barzel
    Wenn wir dies aber sagen, dann müssen wir hier, glaube ich, noch etwas hinzufügen. Wir wissen, was das für die USA bedeutet. Und wir danken — wir danken erneut und in aller Form von dieser Stelle — diesen Soldaten, ihren Familien hier und drüben und ihrer Regierung, die das möglich machen,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    und wir wissen, gegen welche Widerstände und um welchen Preis dieses stetige Engagement geleistet wird. Freilich wissen wir auch, daß es im gemeinsamen Interesse geschieht. Aber wir finden es empörend, unbegründet und beleidigend, wenn immer wieder unverantwortliche und geschwätzige Schwachköpfe gelegentlich die glaubhafte Entschlossenheit dieses Engagements in Zweifel ziehen. Meine Damen und Herren, die Lage Deutschlands und Europas wäre doch fundamental anders, wenn dieses Engagement unehrenhaft, unredlich und unwirksam wäre.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Weil wir dies so sehen, ermuntern wir die Bundesregierung, an die Stelle der jährlichen Auseinandersetzungen um die Lösung der Devisenprobleme eine langfristigere Offset-Abmachung treten zu lassen. Da es sich um die Sicherheit nicht nur des freien Deutschland, sondern um die Sicherheit des freien Europa handelt, sollten andere Europäer, die mit uns den Nutzen haben, auch mit uns die Aufwendungen teilen.
    Wir sitzen alle in einem Boot. Es kann uns Europäer nicht gleichgültig lassen, wenn in den USA — nicht nur des Wahlkampfs wegen — die Frage diskutiert wird, eine ernste Frage, ob man etwa den inneren Frieden dem äußeren geopfert habe; wenn man dort — nach Nelson Rockefeller — 15 Milliarden Dollar je Jahr dringend notwendig braucht, um die allen bekannten Probleme zu lösen, — Probleme, auf die manche Taktlosen auch noch überheblich hinweisen, meine Damen und Herren. Das geht uns auch an, weil doch eine etwa virulente innere Labilität der westlichen Führungsmacht so oder so auf alle ausstrahlen würde.
    Wenn ich, meine Damen und Herren — was jetzt kommt, sage ich für mich persönlich —, alljährlich sehe, welche Vorteile wir aus den Rückflüssen eines Teils der Marschallplan-Gelder für unsere Gesellschaft ziehen, wenn ich dabei bedenke, daß in den USA vieles, was wir hier tun, nicht möglich ist,

    (Zurufe von der Mitte: Sehr richtig!)

    dann frage ich mich manchmal, ob wohl alle Europäer schon das rechte Bewußtsein der wechselseitigen Solidarität entwickelt und die Konsequenzen daraus gezogen haben!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, sicher hat das Dollar-Problem viele Ursachen. Die US-Truppen in Deutschland sind nur ein Teilaspekt. Auch sollte hier keiner etwa allein mit dem Blick auf die Handelsbilanzen arbeiten; denn man darf nicht übersehen, daß die Strukturen anders sind. Wir Deutsche müssen, anders als die USA, müssen importieren und exportieren. Das Bruttosozialprodukt der USA ist um das Vielfache größer als das unsere; aber dort beträgt der Anteil von Import und Export am Bruttosozialprodukt rund je 4 %, bei uns rund je 16 %. Dies allein gibt also noch nicht genug her.
    Alle diese Fragen — ich spreche das alles unter der Überschrift „Sicherheit" an — müssen politisch erörtert und im Gesamtzusammenhang im Bündnis besprochen und gelöst werden. Die Frage, ob wir unsere Verteidigungsanstrengungen im engeren Sinne steigern müssen, ist eine Frage an die Bündnispartner, ist natürlich auch eine Frage — so wie der Kanzler sie gestern gestellt hat — an die Sowjetunion. Das Problem ist da; nicht wir haben es erfunden, die Sowjetunion hat es auf den NATO-Tisch gelegt. Wenn alle Bündnispartner gesteigerte Anstrengungen für nötig halten, werden wir, die CDU/CSU, uns nicht versagen. Aber das genügt nicht. Da wir am meisten gefährdet sind, wird es unsere Pflicht sein — und ich bin froh, das aus den Worten des Kanzlers von gestern entnehmen zu können —, dafür zu sorgen, daß die jüngsten Erfahrungen und die nötigen Konsequenzen nicht etwa im Bündnisalltag untergehen.
    Mir scheint, daß hier zunächst nicht ein Quantitätsproblem zu lösen ist, sondern ein Qualitätsproblem. Auch hier gilt es noch einmal zu sagen, daß Haushaltszahlen und Truppenstärken allein noch nichts sagen. Die Effizienz, die Wirksamkeit der Anstrengungen, — das ist der Gesichtspunkt, auf den es hier vor allem anderen ankommt. Wir müssen in diesem Haus sehen, daß auf unserem Tisch schon wehrpolitische Fragen lagen, die dringend der Beantwortung bedurften, bevor die jüngsten Ereignisse eintraten. Wir hatten hier Bundeswehrprobleme, und vielleicht sollten wir sie schleunigst lösen. Ich nenne die Wehrgerechtigkeit, die vierte Laufbahn, die Schwerpunktbildung, die Unteroffiziere, die Personalplanung, die neuen Beschaffungen und so fort.
    Meine Damen und Herren, nicht weil wir es so wollen, sondern weil die Sowjetunion erneut eine feindselige Haltung bestätigt hat, müssen wir hier militärische und politische Vorsorge treffen. Dabei dürfen wir uns nicht von der mutmaßlichen oder vermeintlichen Absicht leiten lassen — wie man da irren kann, hat man mit unterschiedlichen Graden wohl erfahren —, sondern wir müssen uns allein von dem vorhandenen Potential der Sowjetunion leiten lassen. Dies muß der Maßstab der eigenen Anstrengungen und der des Bündnisses sein.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, der Herr Bundeskanzler hat gestern mit unserer Zustimmung — ich brauche es deshalb nicht zu wiederholen — der Bundeswehr gedankt, die unser aller Freiheit und Sicherheit dient. Ohne sie gäbe es hier keine Sicherheit, und deshalb fügen wir nur noch eines hinzu: Sollten wirklich ein paar heißspornige Wirrköpfe versuchen, einen Angriff in die Bundeswehr und gegen sie zu tragen, dann muß dies im Interesse dieser Menschen, im Interesse der Familien und im



    Dr. Barzel
    Interesse von uns, die wir diese Wehrpflicht zu verantworten haben, den entschiedenen Widerstand von uns allen finden. —

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die zweite Konsequenz betrifft das, was wir politische Solidarität nennen. Meine Damen und Herren, sowohl das bisherige Schicksal des Nichtverbreitungsvertrages wie auch der Ausfall des Gesprächs zwischen Präsident Johnson und Ministerpräsident Kossygin machen doch offenkundig, daß uns diese Frage gestellt ist, die Frage: Welchen Rang hat das Bündnis, das wichtig ist und bleibt, und welchen Rang hat der weltpolitische Kooperationsdialog der Weltmächte, der gleichfalls wichtig ist und bleibt? So unverständlich dieses Zugleich immer noch manchem erscheint: Beides ist — wie die Dinge im Nuklear-Zeitalter liegen — für den Frieden unerläßlich. Also muß es eine Abstimmung der Partner des Bündnisses für beide Bereiche geben! Dieses Zugleich funktioniert nur, wenn man im Bündnis den Dialog und beim Dialog das Bündnis nicht vergißt!
    Sollte sich aus den Erörterungen im Bündnis als eine Konsequenz vermehrte, auch militärisch vermehrte, Arbeitsteilung ergeben, so muß dem eine vermehrte politische Zusammenarbeit entsprechen, mit sichtbarerer politischer Solidarität, und ich finde eigentlich, hier ist eine gute Stelle, wo wir dem Lebensgefühl mancher Menschen unserer Zeit Ausdruck geben können, wenn wir in diesem Zusammenhang das Wort „Mehr Mitbestimmung" laut rufen, meine Damen und Herren.
    Politische Solidarität allein an der Kasse — das genügt nicht. Wir üben sie schon reichlich. Und ich habe manchmal den Eindruck, daß die Bankpräsidenten der freien Länder ein entwickelteres Gefühl für die notwendige Solidarität miteinander und untereinander haben als manche Politiker.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Und dabei, meine Damen und Herren, sind doch Währungsprobleme meistens Ausfluß von Handlungen der Politiker. Warum sprechen nicht die Politiker mindestens so häufig und so gründlich miteinander wie die, die am Schluß manchmal währungspolitisch operieren müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Unsere Geschicke sind gemeinsam. Das Wort von dem einen Boot mag keiner hören, aber es ist die Tatsache. Und deshalb ist unsere Verantwortung für den Weltfrieden gemeinsam. Deshalb muß die Politik wechselseitig erörtert, konsultiert werden, und sie muß sich natürlich nicht so völlig konform, aber schon in einer gemeinsamen Richtung bewegen. Und einer muß vom anderen wissen. Und da die Welt eine Einheit geworden ist, muß der eine vom anderen wissen, nicht nur, wenn wir von Berlin sprechen und dort einen Wunsch haben, sondern auch, wenn andere an anderen Stellen der Welt einen Wunsch haben oder etwas zu unternehmen gedenken.
    Meine Damen und Herren, wenn wir — und ich hoffe, wir alle wollen dies — eine zweite Runde westlicher Entspannungspolitik herbeiführen wollen, wenn wir wollen, daß drüben ein Adressat entsteht, ein Gegenüber, daß der Monolg zum Dialog wird, dann, glaube ich, sollten wie hier erst einmal die Zeit nutzen, um im Westen die Position wieder etwas fester zu fügen.
    Wir haben nun als Deutsche unter dem Gesichtspunkt politischer Solidarität noch etwas Besonderes, und auch dies nicht etwa, weil wir gern besonderes sein wollen, o nein, sondern weil die Sowjetunion das so bewirkt und wir ein gespaltenes Land sind. Und das ist nun sehr ernst. Die Moskauer Angriffe gegen das freie Deutschland sind ja nicht nur, wie manche zu meinen scheinen, ein aktuelles Ablenkungsmanöver der Propaganda, sondern sie sind Teil einer Politik, 'die seit langer Zeit erkennbar ist, einer Politik, die Bundesrepublik Deutschland zu diskreditieren und zu isolieren, auf ihre politischen Entscheidungen Einfluß zu gewinnen, sich eine Einwirkungsmöglichkeit offenzuhalten und so eine politische Position aufzubauen, in welcher das freie Deutschland zu Zugeständnissen an die sowjetrussische Politik gefügig wird.
    Während die Botschafter der Sowjetunion nach der Okkupation der Tschechoslowakei — der Kanzler hat gestern sorgfältig darüber berichtet — in anderen westlichen Hauptstädten im wesentlichen zu beruhigen versuchten, mußten wir Drohungen anhören. Dabei scheinen die Verantwortlichen in Moskau zu übersehen, daß sie Positionen einer deutschen Politik kritisieren und bekämpfen, welche rechtlich und tatsächlich von den USA, Frankreich, Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland gemeinsam garantiert und verantwortet werden. Die Stellung des freien Berlin, die Nichtanerkennung der „DDR", die Regelung der Grenzfragen erst durch einen Friedensvertrag und der deutsche Verteidigungsbeitrag — dies alles sind doch, zum Beispiel, politische Positionen, für die wir mit unseren Freunden gemeinsan stehen. Wie sollte es auch anders sein, da doch der Deutschlandvertrag es so bestimmt!
    Aber die Sowjetunion nimmt sich uns heraus, um uns so in die Lage der Zitrone zu bringen, — von anderen losgelöst. Sie hat uns nicht nur in den letzten Monaten immer wieder, sondern auch schon vor den jüngsten Ereignissen auf das Potsdamer Abkommen hingewiesen. Sie hat sich immer wieder
    — vor diesen Ereignissen — im Zusammenhang mit dem Gewaltverzichtsdialog auf die angebliche Feindstaatenklausel der UNO-Satzung berufen. Sie hat nicht nur in diesem Sommer den Dialog über Gewaltverzicht — was viele schon vergessen haben
    — brüsk und wider alle Usancen durch Veröffentlichung der Dokumente öffentlich beendet; sie hat nicht nur im Juni eine das Recht verletzende Zuspitzung um Berlin vom Zaune gebrochen; sondern hier, wie wir gestern vom Kanzler gehört haben, während des Dramas durch ihren Botschafter erklären lassen, wir sollten unsere „feindselige Haltung" und alle Versuche aufgeben, die Lage in Europa zu verändern.

    -

    Dr. Barzel
    Diese gegen uns gerichtete Politik — und ich spreche jetzt von politischer Solidarität; das Militärische haben wir ja eben abgehandelt —, diese gegen uns gerichtete Politik der Sowjetunion ist schon niedergelegt in der „Karlsbader Erklärung" vom 24. April 1967, einer Erklärung, auf die die Bundesregierung mit Recht — ich erinnere mich an manche Erklärungen des Kanzlers, des Außenministers, des gesamtdeutschen Ministers — seit langer Zeit immer wieder hingewiesen hat. Wir haben in der Bundestagsdebatte vom 14. März 1968 erneut den ganzen Text hier, soweit er uns betrifft, in die Debatte und damit auch in die Protokolle einbezogen. Denn in diesem Dokument werden nicht nur die bekannten politischen Ziele der Kommunisten Europas formuliert, da wird nicht nur — das ist ein Hohn, wenn man sich das heute durchliest — ein Europa der Gewaltlosigkeit und der Nichteinmischung beschrieben, sondern da wird dann, nachdem das gesagt ist, das freie Deutschland davon ausgenommen. Da heißt es dann: Die „Erfahrungen der Geschichte und die entsprechenden internationalen Abkommen nach dem zweiten Weltkrieg" gäben den anderen Völkern das Recht, auf die Entwicklung „in der Bundesrepublik Deutschland einzuwirken".
    Die Bundesrepublik Deutschland ist also nicht nur aktueller Prügelknabe der kommunistischen Propaganda, um von eigenen Taten und Untaten abzulenken, sondern schon seit langem das Ziel einer berechneten und konsequenten Politik und einer konsequent berechneten Pression. Mit viel Mühe wird nun der rechtswidrige Versuch unternommen, eine politische Interventionsposition aufzubauen. Meine Damen und Herren, in der Abwehr aller politischen Pressionsversuche der Sowjetunion haben, so meinen wir, Regierung und Parlament, Koalition und Opposition, Deutsche und Alliierte eine gemeinsame Verpflichtung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

    Die Sowjetunion muß wissen: Auf Druck reagieren wir mit geschlossener Festigkeit, meine Damen und Herren,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und auf Drohung mit Einmütigkeit. Wir wollen niemanden versuchen, etwa sich selbst in die Lage zu bringen, über dem Essen noch mehr Appetit zu bekommen.
    Natürlich bleiben wir bereit zum Gespräch, das hat der Bundeskanzler gesagt. Das gilt für uns; ich komme darauf gleich. Aber zunächst gilt es doch einanal, eine ganz feste Position aufzubauen, damit sich keiner die Illusion macht, die Pression würde uns hier der Kapitulation in der Politik näherbringen.
    Meine Damen und Herren, um das auch noch einmal zu sagen, damit es hier völlig klar ist: Natürlich gibt es kein Interventions recht der Sowjetunion gegen uns. Der sowjetrussische Anspruch findet im internationalen Recht keine Stütze. Aber wir wären blind, wenn wir übersähen, daß die Nuklearmacht Sowjetunion einen solchen Anspruch gleichwohl erhebt. Also wären wir unverantwortlich, wenn wir diesem politischen Anspruch nicht politisch begegneten und unsere Sicherheitsvorkehrungen entsprechend gestalteten. Hier sind nicht nur die Deutschen, hier ist das Bündnis angesprochen. Und die Antwort liegt nicht nur in der militärischen, sondern auch in ,der politischen Solidarität. Wir danken denen, die sie uns schon in diesen Wochen so kräftig bekundet haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, mir liegt nun heute gar nichts am Polemisieren, und ich warte ja 'immer noch, wie sich die Opposition endgültig zu unserer Anregung, zu dem Antrag einer gemeinsamen Resolution stellen wird. Ich bin ein bißchen in Schwierigkeiten, mich dazu jetzt endgültig zu äußern. Ich hatte hier so nette Worte laufgeschrieben, Herr Kollege Mischnick. Die kann ich nun leider nicht sagen; denn 'ich habe wirklich den Eindruck, daß Sie offenbar dem Drang nicht widerstehen können, diese Große Koalition fester zusammenzufügen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Na, wir werden sehen, was sich da noch ergibt, meine Damen und Herren.
    Dritter Punkt: Europa! Meine Damen und Herren, dieser Deutsche Bundestag — ich sage, dieser Bundestag; ich hoffe, daß ich da keinem zu nahe trete — ist seit langem mit dem Stand der Entwicklung im freien Europa unzufrieden.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Wir sehen — der Herr Bundeskanzler hat dies
    gestern unmißverständlich hier ausgesprochen; wir
    sind 'ihm 'dankbar, daß er das so nüchtern dartat —,

    (sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    daß die Europäer immer noch Objekt der Weltpolitik sind. Wir empfinden in vielen Bereichen einen schmerzhaften Rückstand gegenüber den USA, unserem Partner. Dabei wissen wir, daß unsere Zukunft von der Vereinigung der Europäer abhängt. Machen wir auch hier niemandem etwas vor! Wir müssen die Lage nehmen, wie sie ist. Die Wahrheit im freien Europa heißt eher Stagnation als Fortschritt.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Dabei 'enthalten sich die Europäer selbst den Rang vor, der ihnen an sich weltpolitisch zukommen müßte.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Wir ,als Deutsche dürfen, glaube ich, weil wir so oft wegen anderer Sachen 'geprügelt werden, sagen: diesmal sind die Deutschen nirgendwo die Bremser 'in 'der europäischen Entwicklung.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir haben ja häufig über die europäischen Fragen diskutiert. Ich will davon nichts wiederholen und weise auf den einmütigen Beschluß dieses Hauses hin, als wir vor kurzer Zeit hier, ähnlich wie vier andere Parlamente in Europa, die Resolution des Aktionskomitees der Vereinigten Staaten für Europa verabschiedet haben.



    Dr. Barzel
    Meine Damen und Herren, sagen wir es noch eine Nuance deutlicher: Wir alle in Europa leben mit der Chance, den größten Markt der Welt zu realisieren und den Zusammenschluß des freien Europas voranzutreiben. Wir leben leider ebenso mit der Realität, daß diese Chance nicht wahrgenommen wird.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Wir vermögen nicht zu verstehen, wie man zugleich vom unabhängigen und größeren Europa sprechen, aber die Schritte dahin nicht mit vollziehen mag.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das Wort von der Kooperation — ich möchte im Klartext sprechen, also von der „cooperation" —

    (Heiterkeit)

    ist doch rundum gemeint und nicht nur in einer Himmelsrichtung.
    Es gibt doch Blöcke, mindestens im wirtschaftlichen Sinne, auch im freien Europa. Fangen wir doch da an, wo die Politik der Kooperation und der Blocküberwindung Chancen hat! Die Beitrittswilligen stehen doch zur Kooperation bereit vor der Türe. Fangen wir mit dem an, was jetzt hier möglich ist, meine Damen und Herren!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir haben die Politik der europäischen Vereinigung nie als exklusiv, sondern immer als offen begriffen, auch nach dem Osten. Davon ist in der Entschließung, von der ich eben sprach, auch die Rede. Aber ich meine, je offener wir alle für Beitrittswillige sind, desto glaubhafter wird, daß diese europäische Vereinigung nicht gegen andere, sondern für uns selbst, für alle Europäer gemeint ist.
    Meine Damen und Herren, wir haben Sorgen. Wir haben sie hier sehr offen auf den Tisch gelegt. Die Lage ist verändert, auch für Frankreich verändert. Deutschland und Frankreich sollten zusammen Konsequenzen ziehen, wie es unsere Freunde in Bad Berneck so deutlich gesagt haben. Diese Konsequenzen ziehen kann doch nur heißen: mehr europäische Wirklichkeit.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Wir wollen das alles mit Frankreich zusammen tun. Wir sehen, wie neue Gebiete, die zwingend zur europäischen Zusammenarbeit drängen, Gebiete, die nicht von den Römischen Verträgen voll umfaßt sind, europäische Antworten verlangen. Wir wollen nichts ohne Frankreich. Aber wir müssen fragen: Können wir das auch, meine Damen und Herren?
    Dieses Europa muß weiterkommen. Und unser deutsch-französischer Vertrag ist als ein Dienst an der Vereinigung Europas konzipiert.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, ich komme damit zum vierten Punkt, zur Ostpolitik.
    Ich glaube, es ist in der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers und auch in dem insoweit übereinstimmenden Willen der Fraktionen dieses Hauses deutlich geworden, daß niemand uns durch Druck oder Drohungen hindern wird, unsere Politik nach unseren Einsichten und nach unseren Interessen zu betreiben.
    Was will unsere Friedenspolitik? Das ist eine Frage, die heute erörtert werden muß, und ich bin froh, daß der Herr Bundeskanzler sie hier auch so deutlich erörtert hat. Denn das ist ein guter Zeitpunkt, zu bekräftigen, was man damit meint. Diese Friedenspolitik wollte und will, gestützt auf unsere Sicherheit, angelehnt an gleich handelnde Freunde — und nur unter diesen Voraussetzungen — eine bessere politische Landschaft für ganz Europa erreichen; Bausteine zu einer neuen Ordnung fügen. Sie will allen Europäern bewußt machen, daß Deutschland nicht die Ursache, sondern das Opfer der Spannung ist, daß folglich allein die Lösung dieser Spannung allen Entspannung bringen kann.
    Diese Politik wollte und will die gefährliche ,atomare und politische Konfrontation abbauen durch partielle und regionale Kooperation mit dem Ziel einer dauerhaften europäischen Friedensordnung. Wir sagen ja „Friedensordnung" aus gutem Grunde: „Sicherheitssystem" involviert den Status quo. Friedensordnung heißt: Lösung der Spannungsfragen vorher, meine Damen und Herren.
    Das Bemühen dieser Politik war und 'ist, Felder gemeinsamen Interesses zu finden, zu entkrampfen, zu entspannen, zu entspalten. Diese Politik verzichtet, wie wir sehen, auf Propaganda, und sie wartet auf die Bereitschaft der Angesprochenen, miteinander alle Streitfragen friedlich zu regeln, alle Beziehungen zu normalisieren und pfleglich zu entwickeln, Gewalt als Mittel der Politik in aller Form auszuschließen und für alle Europäer das Zusammenleben an die Stelle des Gegeneinander-Gestellt-
    Werdens treten zu lassen.
    Durch ihre Sprache, durch ihr Entgegenkommen, durch viele Fingerzeige, durch menschliche Begegnungen, durch ihre friedliche Beharrlichkeit suchte diese Politik ihre Ernsthaftigkeit wie 'ihren guten Willen immer wieder zu beweisen.
    So gelang es — und das muß man heute festhalten —, 'daß alle europäischen Völker — das darf man heute sagen — die kommunistische Propagandabehauptung, die Bundesrepublik Deutschland 'sei friedensgefährdend, einfach nicht glauben. Durch den Einmarsch auch von DDR-Truppen in die Tschechoslowakei offenbarte sich zudem weltweit, wer in Deutschland Frieden und Verzicht auf Gewalt repräsentiert und wer das Gegenteil. Ulbricht hat sich dekuvriert als der Störenfried in Mitteleuropa.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Diese Friedenspolitik, 'die manche in Frage stellen wollen, entspricht unserer Meinung, sie ,entspricht der Vernunft, der Verantwortung für den Weltfrieden und unseren Interessen, unserer mühsam erarbeiteten Erkenntnis. Dies ist unsere Wahrheit. Wir können, wenn einen anderen 'diese Wahrheit stört, nicht zu einer Lüge zurückkehren, um vielleicht einer Lüge zu helfen.

    (Beifall.)




    Dr. Barzel
    So müßte man uns schon sagen, was daran „feindselig" sein soll, wenn wir anderen die Hand ausstrecken.
    Unsere Fraktion hat verschiedentlich, z. B. in ,der Bundestagsdebatte vom 14. März 1968, eine Frage aufgeworfen, die nicht und nie gegen die Perspektive 'dieser Politik gerichtet war. Aber es war eine Frage, die an die Methode dieser Politik gerichtet war, nämlich die Frage, ob es zweckmäßig sei, mit gleicher zeitlicher und sachlicher Intensität zugleich sich um Ostberlin, die Länder Ost- und Mitteleuropas und ,die Sowjetunion zu bemühen. Diese Frage muß nun erneut — freilich nicht hier, sondern in interner Beratung—geprüft und beantwortet werden.
    Wir legen auch Wert darauf, eine andere Frage erneut zu stellen, die wir am 14. März 1968 von dieser Stelle, ich glaube, in einer Antwort auf. Sie, Herr Kollege Eppler, so formuliert hatten: Wir haben damals — ich will dies eben noch in die Debatte einführen — gesagt:
    Für uns ist es eine prinzipielle Überlegung, immer von West nach Ost auf Gegenleistung zu sehen. Es wird nicht immer möglich sein, die Gegenleistung gleichzeitig und gleichrangig zu erhalten. Es wird auch Situationen geben, in denen man getrost einmal einen Schritt vorangehen kann. Aber prinzipiell und methodisch bleibt die Frage nach der Gegenleistung zu stellen, und das Ziel, sie zu erreichen, bleibt eine Aufgabe für die deutsche Politik.
    Das wollten wir auch noch einmal festhalten, meine Damen und Herren,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    auch deshalb, weil wir inzwischen doch alle um diese Erfahrung reicher sind: Auch die befristete Vorleistung in Sachen Zeitungseinfuhr, die dieses Haus beschlossen hat, ist doch von denen drüben überhaupt nicht akzeptiert worden, obwohl

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU. — Zuruf von der CDU/CSU: Im Gegenteil!)

    die Gegenleistung hier erst später ins Gespräch gebracht werden sollte.
    Meine Damen und Herren, In so einer Stunde, wo man die Lage offen schildert und sagt, wo die Konsequenzen sind, möchten wir auch noch ein Wort zu kritischen Einwänden gegen diese Ostpolitik sagen. Wir halten uns dazu für verpflichtet, weil wir nach dem 21. August ja miteinander mancherlei Erklärungen abgegeben haben, daß diese Politik fortgesetzt werde. Diese Einlassung ist, wenn ich es recht sehe, fünf Einwänden begegnet, zu denen ich ganz kurz etwas sagen möchte.
    Da ist zunächst der Einwand — das kann ich ganz kurz machen, weil ihn der Bundeskanzler gestern selbst abgehandelt hat —, die Ostpolitik dieser Bundesregierung und dieser Koalition — ich glaube, wenn ich es recht verstehe, ist das eine Politik, die das ganze Haus unterstützt — sei gescheitert.
    Dieser Vorwurf ist unberechtigt; denn wir haben niemals erklärt oder die Erwartung gefördert, daß diese Politik schnell und bequem zum Ziele führe. Immer haben wir dies als die Politik des langen Atems und der Geduld bezeichnet. Der Kanzler hat es gestern dargetan, und die Bundesregierung hatte sehr wohl recht, wenn sie am 28. August erklärte: Die Vorgänge in Osteuropa haben gezeigt, daß es mehr denn je notwendig ist, rücksichtslose Machtpolitik durch eine dauerhafte Friedensordnung zu ersetzen, die allen europäischen Staaten Sicherheit verbürgt. Denen, die diesen Einwand erheben, stehen wir gern zu einer internen Diskussion — nicht zu einer lauten — über die Frage zur Verfügung, wer eigentlich welche Niederlage erlitten hat.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Andere wenden ein — das ist der zweite Einwand —, nun sei offenkundig nochmals bewiesen, daß es keinen Zweck habe, Verträge mit Kommunisten abzuschließen oder zu erstreben.
    Hierzu ist zu sagen, daß das an unserer Politik vorbeigeht; denn unsere Politik war doch nie, einen irgendwie wunderwirkenden Vertrag zu erreichen, sondern unsere Politik ist doch gerade, eine reale Lage mit veränderten Interessen, mit partiell gefundenen gemeinsamen Interessen zu füllen, um dann, gestützt auf solche Realitäten, auf solche Garantien in den Realitäten, vielleicht auch etwas Vertragliches darüberzubauen. Hier kann doch ein Vertrag, unter „gelernten Marxisten", nur ein Überbau sein, meine Damen, meine Herren.
    Dann meinen andere — das ist der dritte Einwand —, wir müßten mehr an unsere Sicherheit denken und sollten nichts von unserer Substanz preisgeben.
    Meine Damen und Herren, hierzu sage ich nur: Unsere Politik war und ist nicht — das zeigen die Fakten bis zu dieser Stunde —, etwa unter Gefährdung unserer Sicherheit oder zu Lasten der westlichen Verflechtung des freien Deutschlands oder gar um den Preis einer dem Kommunismus angenäherten inneren Ordnung weiterzukommen. Dies war nie unsere Politik, und deshalb geht auch dieser Einwand ganz an uns vorbei. Wir wollen in ganz Europa ein für die Wiedervereinigung förderliches Klima bewirken und eine neue Lage auf beiden Seiten der Trennungslinie Europas erreichen.
    Schließlich kommt ein vierter Einwand — den muß man vorsichtig abhandeln —, indem uns einige ermuntern, „härter" — wie sie das nennen — aufzutreten.
    Meine Damen und Herren, ich will hier nicht darüber diskutieren, ob unsere Politik mit den Vokabeln „hart" oder „weich" überhaupt zu fassen ist. Ich will vielmehr die Frage stellen: Ist es vielleicht so, daß für manchen Kommunisten die Politik des „roll back" oder des „containment" leichter zu ertragen war als unsere Friedenspolitik? Dies ist nicht nur eine theoretische Frage. Es kann sehr wohl so sein, daß die Lage so komplex ist, daß dieselbe Handlung von dem einen als „weich" und von dem andern als „hart" empfunden wird. Hier ist deshalb niemandem gedient, wenn der eine meint, um eine Bestätigung mehr, und der andere meint, um eine



    Dr. Barzel
    Hoffnung ärmer geworden zu sein. Die angedeutete Komplexität ist kein Feld, das sich rechthaberisch auflösen ließe.
    Schließlich gibt es — es sind ganz wenige, und sie sind auch nur außerhalb des Hauses — die Patentrezeptler, die sich jetzt auf die Schenkel klopfen und rufen: Wir müssen zurück in den Anfang der 50er Jahre. Wie immer das da war — vielleicht erscheinen sie uns heute, wo wir vergessen haben, wie hart das damals war, als eine Idylle —, die Geschichte erlaubt nicht den Weg zurück in den Anfang der 50er Jahre; denn die Bedingungen, z. B. die Bedingungen des Friedens im Atomzeitalter, sind verändert. Es gibt kein Zurück in Jahre, die endgültig vergangen sind.
    Wir bleiben deshalb — und wir legen Wert darauf, das so deutlich hier zu sagen, Herr Bundeskanzler — bei der Politik, die an die Stelle der Konfrontation die Kooperation, an die Stelle der Rivalität die Partnerschaft und an die Stelle der Hegemonie die Gleichberechtigung setzt. Mit dieser Politik ist der Zeitgeist, mit dieser Politik ist die Geschichte, — selbst wenn einzelne Kommunisten die Koexistenz nicht aushalten und sich als Reaktionäre des Zeitgeistes erweisen.
    Ich kann es nicht unterlassen: Es scheint, daß den Propagandisten in Moskau so langsam ihr Arsenal ausgeht. Wie wäre es denn, wenn sie sich einmal aus dem Füllhorn der Wahrheit bedienten? Da wäre doch z. B. das Thema „Militarismus in der ,DDR' " besonders reizvoll.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Oder, meine Damen und Herren, man könnte Herrn Wiesenthal auffordern, über Nazis in Pankow und Antisemitismus dort zu schreiben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir sind doch imstande, über Jahre täglich alle Spalten von „Prawda" und „Iswestija" zu füllen allein mit Beweisen der Verletzung der Menschenrechte drüben.
    Fünftens und letztens aus den Konsequenzen: Nichtverbreitungsvertrag. Wir sind dankbar, daß der Herr Bundeskanzler auch diesen Punkt in seiner Regierungserklärung angesprochen hat. Ich meine, jeder vernünftige und gerecht denkende Mensch in der Welt wird verstehen, daß wir dieses Thema einfach in unsere Konsequenzen einbeziehen müssen, nicht weil wir so wollen, wir müssen dies tun. Ich habe eingangs eine Frage gestellt: wie es sich verhielte mit dem Synonym zwischen Vernunft und Nuklearmacht, wenn man diese Nuklearmacht betrachtet.
    Nun etwas anderes: Unsere Lage, die des freien Deutschland, ist einzigartig. Auch die des ganzen Deutschland ist einzigartig. Wir haben in aller Form und bindend verzichtet, atomare, biologische und chemische Waffen — trotz unserer Bedrohung-
    hier zu erzeugen. Aller Welt haben wir weiter in der Friedensnote erklärt, solche Waffen auch nicht in nationaler Verfügung haben zu wollen. Es entspricht — damit sich kein Mensch irgendwelchen
    Unterstellungen hingibt — unserem Willen, der CDU/CSU Willen, in den Versuch der gemeinsamen Resolution diesen Punkt aufzunehmen und diese Position zu bekräftigen. Ich hoffe, daß das gemeinsam geschehen wird, weil es der Bundesregierung natürlich international das Leben erleichtert.
    Aber ebenso einzigartig für alle Welt ist, daß die Sowjetunion gegen den Willen der Deutschen einen Teil unseres Landes nicht nur besetzt, sondern dort ein fremdes gesellschaftliches System aufzwingt. Leider ist es auch einzigartig — wenn wir an andere Partner im Bündnis denken —, daß die Sowjetunion den freien Teil unseres Landes einzuschüchtern, zu verketzern, zu isolieren sucht und Interventionsdrohungen gegen uns erhebt.
    Wer dies alles gerecht würdigt und die Verantwortung für dieses Land hat, der kann nicht, der muß verstehen, daß wir auch diesen Vertrag im Lichte der jüngsten Erfahrungen kritisch betrachten, zumal auch noch ein anderer Punkt der „Vertragsphilosophie" einen schweren Schlag bekommen hat, — wenigstens soweit ihn die Werbereisenden verbreitet haben, nämlich das Gerücht, daß offenbar alle Gefahr der Welt von den Kleinen käme.
    Meine Damen und Herren, unsere Haltung in dieser Frage ist seit langem bekannt, und sie ist konsequent. Wir haben diese Problematik nach den Ereignissen vom 21. August erneut sorgfältig erörtert und haben dabei das bestätigt, was von dieser Stelle aus in der letzten außenpolitischen Debatte dieses Hauses — und der Herr Außenminister war so freundlich, darauf konstruktiv zu antworten —, in der Debatte vom 20. Juni 1968, verbindlich für die Bundestagsfraktion der CDU/CSU gesagt worden ist. Wir haben schon damals die Frage nach diesen Interventionspositionen gestellt. Wir haben die Frage gestellt, wie es eigentlich ist mit einer Verzichtleistung gegenüber einer Macht, die uns bedroht. Wir haben die vier Kategorien bekräftigt, die der Herr Außenminister im April vorigen Jahres hier bezogen hat, und darauf hingewiesen, daß vor der Vorlage aller Dinge im amerikanischen Senat überhaupt keine Situation sei, in der man die Meinungsbildung verdichten könne. Ich sage hier — und dies mit allem Bedacht —: Ohne die befriedigende Klärung der genannten Probleme kann eine deutsche Unterschrift unter diesen Vertrag nicht in Erwägung gezogen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, wir wissen uns dabei nicht nur mit unseren Positionen bisher einig, sondern auch mit einer fundamentalen Position der Bundesregierung, die am 19. Mai 1967 in aller Form der Welt in einer Note folgendes übermittelt hat:
    Die Regelung der Nichtverbreitung von Kernwaffen sollte die bestehenden internationalen Spannungen vermindern und eine der Voraussetzungen zur Verbesserung der Beziehungen zwischen allen Vertragsstaaten schaffen. Im Anwendungsbereich des Vertrages sollten die beteiligten Staaten -ihr Verhältnis zueinander als entlastet ansehen, in diesem Bereich auf gegenseitige Beschuldigungen verzichten und



    Dr. Barzel
    sich dem gemeinsamen Ziel der umfassenden allgemeinen und kontrollierten Abrüstung zuwenden.
    So weit die Not vom Mai 1967.
    Die Realität nach den jüngsten Ereignissen ist weit davon entfernt, dieser Erwartung und Voraussetzung zu entsprechen. Das Gegenteil ist der Fall.
    Ich muß hier zu diesem Punkt noch eine neue Problematik hinzufügen, die jetzt im vollen Gewicht jedermann erkennbar ist. Im Juni 1968 haben die USA, Großbritannien und die Sowjetunion allen Nichtkernwaffenstaaten eine Sicherheitsgarantie über die UNO gegeben. Es ist bekannt, daß wir das für uns nie als ausreichend empfunden haben, weil wir unsere geographische Lage kennen und weil wir die Praxis mit dem Veto der Sowjetunion im Weltsicherheitsrat kennen. Der Text dieser Garantieerklärung spricht von „mit der Anwendung von Kernwaffen verbundener Aggression" beziehungsweise von Aggression, „in der Kernwaffen verwendet werden". — Die Okkupation der Tschechoslowakei war die Aggression einer Nuklearmacht, in der Kernwaffen nicht verwendet wurden. Aber — und das ist die Frage — kann man das alles eigentlich trennen? Stand nicht dieses ganze Potential dahinter, als dieser Gewaltakt passierte, meine Damen und Herren?

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Dies ist eine Frage, die nun zusätzlich noch zu erörtern ist.
    Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. In den letzten Wochen mußten viele wieder und andere neu erkennen, daß die Lage ernst ist. Da war dann plötzlich in vielen Gesprächen ein Name wieder da: Konrad Adenauer. So möchte ich mit einem Satz dieses unvergeßbaren Mannes schließen, der hier am 9. Oktober 1962 folgendes sagte:
    Möge auch die Sowjetunion erkennen, daß ihr nicht damit gedient ist, anderen Menschen eine fremde Lebensordnung aufzuzwingen. Sie gewinnt auf diese Weise keine Freunde, sie gewinnt nicht an Ansehen, und sie gewinnt dabei — im Gegensatz zu dem äußeren Anschein — auch nicht an Macht.

    (Langanhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Walter Scheel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Kollege Schmidt.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helmut Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als in den Sommerferien diese Debatte ins Auge gefaßt wurde, handelte es sich eigentlich darum, daß wir der Überzeugung waren, die Veröffentlichung des. deutschsowjetischen Notenwechsels über den von uns vorgeschlagenen Nichtangriffsvertrag oder Gewaltverzichtsaustausch mache eine Bewertung und eine Stellungnahme in diesem Hause notwendig. Inzwischen ist eine Lageveränderung eingetreten durch jenen Akt gewaltsamer Völkerrechtsverletzung, der in seiner Kollektivität — fünf Staaten marschieren über Nacht in einen kleinen Staat ein — in der europäischen Geschichte ohne Beispiel ist.
    Herr Barzel hat soeben zum Schluß, quasi zusammenfassend, einen Satz von Bundeskanzler Adenauer zitiert. Wir haben manches von dem, was Adenauer getan hat, kritisiert. Unter manchem haben wir gelitten. Manches haben wir anerkannt. Dieser Satz, Herr Barzel, kann jeder, muß jeder in diesem Hause unterschreiben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich möchte in einem Satz an die Tage um den 21. August herum erinnern. Wo auch immer damals Deutsche miteinander redeten, redeten sie in Mitgefühl und Sorge über das, was sie täglich, ja stündlich im Rundfunk, in den Zeitungen und im Fernsehen erfuhren. Die Ereignisse in der Tschechoslowakei haben einen Schock ausgelöst.
    Wir müssen uns hier frei von dem Schock fragen, ob diese Ereignisse .für unsere Außen-, Sicherheits- und Deutschlandpolitik eine neue Lage ergeben haben. Wir müssen dies nüchtern, gelassen, abwägend tun, aber ebensosehr zur Festigkeit entschlossen.
    Ich habe die Absicht, zunächst rein analysierend einige Feststellungen zu treffen. Auch wenn sich manches mit dem überschneidet, was soeben der Vorredner und gestern die Regierung erklärt haben, sowie mit dem, was die FDP noch zu erklären wünscht, so sollten doch meines Erachtens Wiederholungen in dieser Debatte nicht vermieden werden; denn es ist notwendig, daß die grundlegende Einigkeit und Geschlossenheit dieses Hauses deutlich wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ehe ich mich der Analyse zuwende, komme ich zu einer Vorbemerkung, die ich mit Genugtuung mache. Zur innenpolitischen Bewältigung des 21. August und der folgenden Tage wäre es in jenen Tagen durchaus denkbar gewesen, daß verschiedene Politiker und verschiedene Parteien in der Besorgnis, was die nächste Nacht für Europa und seine Völker bringen würde, je ihre eigene neue Position zu formulieren versucht hätten, z. B. unter dem Schock. Aber das ist nicht geschehen. Opposition und Koalition, Regierung und Parlamentarier, die sich im Auswärtigen Ausschuß, im Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen und in den Fraktionsvorständen mit der Lage befaßten, waren sich einig in der Fortsetzung der Friedenspolitik.
    Jeder von uns hat gewußt und oft genug gesagt, daß unsere Friedenspolitik einen sehr langen Atem brauche. Die Vorstellung ist uns so geläufig, daß wir gar nicht mehr merken, wie wir dieses Wort geradezu selbstverständlich benutzen. Soeben hat es der Vorredner wieder getan. Wir wollten uns nicht durch Rückschläge beirren lassen. Gestern hat das der Bundeskanzler mit Recht in die allgemeine Erinnerung zurückgerufen.
    Ich darf in diesem Zusammenhang zustimmend die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" zitieren — ich weiß nicht, ob einer ihrer Journalisten im Augen-



    Schmidt (Hamburg)

    blick auf der Tribüne sitzt —, in der Alfred Rapp gestern schrieb, daß wir Deutschen gewiß heute in einer schlechteren Lage wären, wenn wir nicht in den letzten Jahren diese eindeutige Friedenspolitik geführt hätten.
    Wir Sozialdemokraten haben in einer langen Oppositionszeit dieses Mindestmaß an Gemeinsamkeit immer wieder verlangt. Ich darf ausnahmsweise mich selbst zitieren:
    Einmütigkeit und Geschlossenheit in der entschiedenen Abwehr sowjetischer Drohungen sowie Einverständnis unter den politischen Kräften der Bundesrepublik über die Notwendigkeiten unserer Außenpolitik bedingen sich gegenseitig.
    Ich sehe im Augenblik nicht, ob Herr Kollege Schulz im Saal ist. — Aha, da ist er. Sie sind derjenige, Herr Schulz, der genau weiß, in welchem Buch das steht; der Satz ist acht Jahre alt. Diese Gemeinsamkeit — und alle Sozialdemokraten haben auf ihre Weise danach verlangt, genauso wie es auf Ihrer Seite und in der Mitte des Hauses solche Stimmen gab — heißt, in den Grundfragen zusammenzustehen. Sie heißt nicht, daß man in allen Einzelheiten zusammenstehen muß. Das -wird ja auch durch den Ablauf der heutigen Debatte wieder klarwerden.
    Aber es wäre auch fehlerhaft, meine Damen und Herren, dem deutschen Volk zu verschweigen, daß es zwei völlig andere Stimmen gegeben hat, zum einen die NPD,

    (Sehr wahr! in der Mitte)

    die am 23. August in ihrem Parteiorgan einen Aufsatz unter dem Titel „Deutsche, Russen und Tschechen" veröffentlichen ließ, einen Aufsatz, in dem man sich der Sowjetführung an den Hals warf und behauptete — ich zitiere —, ein neues Deutschland habe „die Aufgabe, gegebenenfalls Rußland den Rücken zu decken, und zwar wirksamer als heute Ulbricht, Dubcek und Gomulka".

    (Hört! Hört! bei den Regierungsparteien.)

    Zugleich wurde dort das völkerrechtliche Prinzip des Selbstbestimmungsrechts für einige der Völker Europas verleugnet. Denn die nationaldemokratische Zeitung verstieg sich bis zu dem überheblichen Anspruch, alle realen Interessengegensätze mit der Sowjetunion dadurch zu beseitigen, daß sich Deutschland und die Sowjetunion auf Kosten der übrigen ost- und mitteleuropäischen Völker miteinander verständigen würden. Dann beruft man sich dabei fälschlicherweise auf Bismarck, während man doch in Wahrheit bloß von den alten machtpolitischen Motiven des Hitler-Stalin-Paktes ausgeht.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und Abgeordneten der FDP.)

    Das ist Herrenvolkarroganz, die wenig dazugelernt hat.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Es ist kein Zufall, daß die andere grundsätzlich abweichende Stimme diejenige der KPD war, die von Ostberlin aus sich in liebedienerischer Weise zum Lautsprecher Ulbrichts macht und den gewaltsamen Einmarsch in ein Land des „sozialistischen Lagers" — wie es dort ja heißt — als eine Tat des „proletarischen Internationalismus" feiert. Die Herren in Ostberlin machen es wahrhaftig den wenigen Kommunisten, die es in der Bundesrepublik Deutschland noch gibt, außerordentlich schwer, Kommunisten zu bleiben und doch in Übereinstimmung mit ihrem Gewissen zu sein.

    (Sehr gut! bei den Regierungsparteien.)

    Man sieht, die Extremisten arbeiten sich immer mal wieder gegenseitig in die Hände. Die SED-Führung hat sogar — Herr Barzel hat, glaube ich, soeben darauf hingewiesen — bei ihren scheinheiligen Begründungen für die Teilnahme ihrer Truppen auch den angeblichen Zionismus angeführt, der sich in Prag betätigt habe. Auch dies ist nur die Wiederaufnahme des Antisemitismus der Nazis, diesmal aus der anderen Himmelsrichtung.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    In Wirklichkeit — damit komme ich zu den Feststellungen zur Lage — ist das Moskauer Wunschbild eines einheitlichen proletarischen Internationalismus längst tot. Dies ist eine wichtige Feststellung. Es gibt keinen sogenannten Weltkommunismus, weder im Sinne des Moskauer Führungsanspruchs über die Kommunisten in der Welt noch etwa im Sinne primitiver antikommunistischer Ideologie. Es gibt keinen Weltkommunismus. Es gibt vielmehr vielerlei verschiedene gesellschaftliche und staatliche Systeme und Zielsetzungen der Kommunisten. Es gibt rechtsstaatlich gesonnene und autokratisch motivierte, es gibt demokratisch gesonnene Kommunisten, und es gibt allerdings bürokratisch-diktatorisch gesonnene. Es gibt nicht nur die Moskauer und die Pekinger Spielart, es gibt Belgrad und Bukarest und Havanna. Es gibt die kommunistischen Parteien Westeuropas, die sich jetzt Togliattis politisches Testament gewiß noch sorgfältiger zu Herzen nehmen als damals. 1964 schrieb Togliatti:
    Wir wissen aber, daß das Nationalgefühl auch nach der Eroberung der Macht ... eine Konstante der sozialistischen Arbeiterbewegung bleibt. Die wirtschaftlichen Fortschritte löschen es nicht aus, sondern geben ihm Nahrung. Auch im sozialistischen Lager muß man sich vielleicht vor der erzwungenen äußeren Uniformität hüten und daran denken, daß die Einheit in der Vielfalt bei voller Autonomie der einzelnen Länder sichergestellt und bewahrt werden muß.
    Manche werden sich in den kommunistischen Lagern an die Worte des toten italienischen kommunistischen Führers jetzt wohl erinnern. Es ist offenkundig geworden: es gibt Kommunisten, die in der Auseinandersetzung mit anderen Kommunisten sogar ihr Leben riskieren wollen, um ihren eigenen politischen Weg gehen zu dürfen. Das erleichtert die Lage Europas keineswegs, sondern macht sie komplizierter. Deshalb ist es gar kein Grund für uns, die wir im Kampf mit dem Kommunismus stehen, in Schadenfreude auszubrechen.
    Eine nächste Feststellung: Der in seinen militärischen Einzelheiten offenbar sehr lange und sehr sorgfältig geplante, in seinen politischen Einzelhei-



    Schmidt (Hamburg)

    ten jedoch keineswegs umsichtig geplante Einmarsch sowie der Zeitpunkt des Einmarsches lassen auf wechselnde Absichten und auf ein Andauern verschiedenartiger Einschätzungen in der obersten sowjetischen Führung schließen. Offenkundig — darauf ist schon hingewiesen worden — hat sich Moskau in der Beurteilung der politischen Situation in der Tschechoslowakei tiefgreifend geirrt. Man muß, auch das wiederhole ich, die Wiederholung falscher Lagebeurteilungen durch die sowjetische • Führung für möglich halten und einkalkulieren.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Mit anderen Worten: Gegenwärtig ist das Tun oder Lassen der sowjetischen Führung schwerer vorherzusehen, als es vordem manchem geschienen haben mag. Noch anders gesagt: Die Moskauer Politik erscheint heute weniger kalkulierbar als vordem.
    Vor allem im Lichte dieser Erkenntnis der geminderten Kalkulierbarkeit gewinnen die Veränderungen der militärischen Lage in Europa ihre politische Bedeutung. Die Veränderungen sind einseitig zugunsten der Sowjetunion erfolgt, und zwar in zwei Etappen:
    Im Zusammenhang mit dem zweiten Sinai-Krieg im vorigen Jahr hat die Sowjetunion an der Südflanke Europas Fuß gefaßt, in Syrien, in der Vereinigten Arabischen Republik und in Algerien. Sie hat eine bedeutende Flotte im Mittelmeer stationiert.
    Zum anderen hat die Sowjetunion in diesem Jahr unter der kaum ernst gemeinten Tarnung fortgesetzter Manöver die Zahl ihrer westlich des eigenen sowjetischen Territoriums stationierten Truppen zunächst um die Hälfte vermehrt. Man muß dazu wissen, daß früher 20 sowjetische Divisionen in der DDR gestanden waren, zwei in Polen und vier in Ungarn. Dieses Potential ist jetzt etwa um die Hälfte vermehrt. Diese Vermehrung heißt noch nicht, daß die sowjetischen Streitkräfte insgesamt vermehrt sind; vielleicht sind dafür jetzt in Sowjetrußland entsprechend weniger Truppen. Ich kann das so genau nicht übersehen; dafür gibt es andere, die das zu prüfen haben, Einrichtungen, die wir haben und die wir im Bündnis gemeinsam haben. Wir wissen auch noch nicht, wie viele der sowjetischen Divisionen endgültig in der CSSR bleiben werden. Jedenfalls aber bedeutet die räumliche Vorverlegung derjenigen, die dort bleiben werden, eine Verkürzung der Aufmarschzeiten für den theoretisch zu denkenden Fall eines militärisch ausgetragenen Ost-West-Konfliktes. Demgegenüber hat es sicher auf seiten des Nordatlantikpaktes keinerlei Veränderung der bisherigen Dislozierung der Truppen gegeben, auch keine Verstärkung in Mitteleuropa.
    Man muß deshalb am heutigen Tage die Verteilung der militärischen Kräfte auf beiden Seiten Europas als zuungunsten des Westens verändert beurteilei. An diese Feststellung muß aber die zweite unmittelbar anschließen; beide zusammen ergeben erst den Überblick: Insgesamt besteht, insbesondere im Hinblick auf die globalen strategischen Waffen der Sowjetunion und der Vereinigten Staaten, das Gleichgewicht der auf Europa wirkenden östlichen
    und westlichen militärischen Kräfte fort, so wie es vorher bestand.
    Was aber die westlichen militärischen Kräfte angeht: Der entscheidende Teil, oder sagen wir: ein entscheidender Teil, mehrere entscheidende Teile befinden sich außerhalb Europas und geographisch weit von Europa entfernt. Deswegen hängt das Gleichgewicht entscheidend von der Glaubwürdigkeit des Einsatzes dieser entfernten Kräfte zugunsten der gemeinsamen Verteidigung Europas ab. Diese Abhängigkeit ist gar nicht neu; aber sie ist jetzt noch sichtbarer geworden, als sie es für manche in den letzten Jahren gewesen ist.
    Deshalb also die erneuten Erklärungen des amerikanischen Präsidenten vom 9. und 10. September, die wir begrüßen. Der Bundeskanzler hat gestern zitiert, was Präsident Johnson am 10. September sagte — ich wiederhole es —:
    Was uns angeht, — uns Amerikaner —
    so habe ich unmißverständlich klargemacht, daß wir in Gebieten unserer gemeinsamen Verantwortung, wie z. B. Berlin, den Gebrauch von Gewalt und die Drohung mit Gewalt nicht dulden werden.
    So weit Präsident Johnson. — Ich glaube, daß diese Feststellung der amerikanischen Regierung zur Beurteilung der gegenwärtigen Lage durchaus hinzugehört, weil sie nämlich zur Glaubwürdigkeit die Eindeutigkeit hinzufügt. Wir sind für die ausdrückliche Betonung Berlins, die gestern schon Herr Kiesinger hervorgehoben hat, besonders dankbar; denn sie gibt uns Gewißheit, daß die Deutschen in ihrer Treue zu Berlin und zu den Berlinern auch heute nicht allein stehen in der Welt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich habe in den Vereinigten Staaten nirgendwo Anlaß gefunden, daran zu zweifeln, daß die Staaten auch nach der November-Wahl an dieser Position festhalten wollen und festhalten werden, gleichgültig, ob nun Richard Nixon oder ob Hubert Humphrey ins Weiße Haus einziehen wird. Diese Kontinuität ist besonders wichtig, weil die neue Lage eben auch durch die Interventionsdrohungen der Sowjetunion gekennzeichnet ist, die Moskau seit dem vorigen November in zunehmendem Maße gegen uns richtet. Der Versuch einer gewaltsamen Intervention der Sowjetunion gegen die Bundesrepublik oder Berlin träfe auf die Beistandsgarantien aus den Artikeln 5 und 6 des Nordatlantik-Vertrages, gleichgültig, ob sich ein solcher Interventionsversuch auf den künstlichen Anschein eines Rechtes aus den Artikeln 53 und 107 der UNO-Charta oder auf das Potsdamer Abkommen zu stützen sucht. Die USA, England und andere haben das dankenswerterweise gerade in der vorigen Woche ganz klargemacht.
    Im übrigen hat bisher niemand das Potsdamer Abkommen, das ja ein Abkommen zwischen den zunächst dreien, dann später vieren der damaligen Siegermächte war, schlimmer verletzt als die So-



    Schmidt (Hamburg)

    wjetunion selbst, indem sie die DDR zur aktiven Beteiligung an der militärischen Besetzung eines souveränen Staates verleitet hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Was die sogenannten Feindstaatenartikeln 53 und 107 der UNO-Charta angeht: sie gewähren niemandem ein zusätzliches Recht. Ihr einziger Zweck damals 1945 war, die von den Siegermächten gegründete UNO nicht mit den Problemen der Waffenstillstände und der Friedensverträge mit Rumänien, Ungarn, Italien, Deutschland oder Japan zu belasten. Einer der höchsten UNO-Beamten in New York hat mir vor einigen Tagen, als ich drüben war, gesagt: Eine Begründung einer gewaltsamen sowjetischen Intervention mit Hilfe dieser Artikel sei absurd. Und er hat hinzugefügt: Das könne man doch schon daran sehen, daß sonst mit gleichem Recht die Vereinigten Staaten z. B. gegen Ungarn intervenieren könnten. Und ich füge hinzu: wahrscheinlich mit noch viel mehr Recht gegen die DDR wegen ihres Völkerrechtsbruches gegenüber der Tschechoslowakei.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die sowjetische Interventionsdrohung ist denn auch — der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU hat das eben sehr aufgefächert klargemacht — vornehmlich als ein Mittel ihrer psychologischen Kampagne gegen die Bundesrepublik Deutschland zu verstehen, die nicht unterschätzt werden darf. Die Sowjetunion versucht uns stärker als zuvor von unseren Freunden und Verbündeten zu isolieren. Freilich war das schon immer im Rahmen der von Moskau erhofften Zersetzung der NATO ein Ziel der Moskauer Politik.
    Gegenwärtig ist diese Kampagne für Moskau aus zusätzlichen Gründen noch wichtiger geworden, um nämlich von den Ereignissen in der Tschechoslowakei abzulenken. Die Ereignisse in der Tschechoslowakei sind ja nicht abgeschlossen, da geschieht ja jeden Tag immer noch etwas, jeden Tag, und morgen kann wieder etwas geschehen, das uns beunruhigt und das andere beunruhigen muß, und davon will man ablenken, um die Intervention wenigstens nachträglich mit der Behauptung zu rechtfertigen, Prag sei durch den angeblichen „westlichen Imperialismus" oder durch die „aggressive Bundesrepublik" — oder wie sie es nennen — bedroht gewesen. Sie' brauchen die Kampagne aber vor allem, um die offiziell noch nicht zugegebene Absicht zu begründen, einen Teil der sowjetischen Truppen auf unbestimmte Zukunft in der CSSR zu belassen, und schließlich brauchen sie die Kampagne, um die Völker in den Staaten des Warschauer Paktes wenigstens durch die künstlich neu angefachte Furcht vor den Deutschen zu einigen.
    Diese letztere Absicht führt mich zu einigen Bemerkungen zur Lage in Osteuropa. Unsere Friedenspolitik, die aktive Friedenspolitik, die mit der sogenannten Friedensnote des damaligen Außenministers Gerhard Schröder am 26. März 1966 unter der Beteiligung und später auch der parlamentarischen Zustimmung der damaligen sozialdemokratischen Opposition zunächst noch tastend begonnen worden ist, die dann seit dem Dezember 1966 durch Außenminister Willy Brandt ausgeweitet, vertieft wurde und ihren heutigen eindeutigen Umriß erhielt, hat in der ganzen Welt Früchte getragen, auch im Osten.
    Ich habe schon im Sommer 1966, das war noch unter dem Regiment des Antonin Novotny, in Prag keinen hohen KP- oder Staatsfunktionär getroffen, der tatsächlich irgendeine Angst vor uns Deutschen gehabt hätte, obwohl seine offizielle Propaganda genau das Gegenteil sagte. Inzwischen gilt das nun genauso für die kommunistischen Führer in vielen anderen Städten und Staaten Osteuropas. Sie tun so, als ob sie Angst haben müßten vor uns und suggerieren das ihrer öffentlichen Meinung, obwohl sie selber in Wahrheit vor uns keine Angst haben. Und längst, wie wir wissen, gilt für die italienischen oder französischen, für die holländischen oder schwedischen Kommunisten, daß ihnen kein Mensch erzählen kann, Europa müsse Angst vor der Bundesrepublik Deutschland haben.
    Es ist richtig, daß die Abwesenheit von Furcht vor Deutschland jene von Nation zu Nation, von Staat zu Staat sich verschiedenartig abspielenden geistigen, politischen, wirtschaftspolitischen Entwicklungen in den kommunistischen Staaten und Parteien begünstigt hat. Tatsächlich ist die jeweilige nationale Entwicklung der kommunistischen Parteien in Osteuropa allerdings schon lange im Gange. Der Wille zur Selbstbestimmung der Völker an Stelle von Fremdbestimmung, der Wille zur Souveränität und zur eigenständigen Ausprägung von Gesellschaft und Staat ist eben auf die Dauer nicht zu beseitigen. Das Zentralkomitee des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens hat Ende August erklärt:
    Die Besetzung der CSSR ist kein zufälliger Irrtum, sondern das Ergebnis hartnäckiger Bemühungen, die innerhalb des Sozialismus bestehenden Widersprüche und Konflikte, die sich um das Wesen, um den Charakter und um die Entwicklungsaussichten der sozialistischen Gesellschaftsbeziehungen sowie um die Politik der sozialistischen und antiimperialistischen Kräfte auf internationaler Ebene konzentrieren, durch wachsende Anwendung der Gewalt aus der Welt zu schaffen, um auf diese Weise die bereits überlebten Verhältnisse und Einrichtungen weiter zu erhalten.
    Ich zitiere diese Feststellungen aus kommunistischem Munde über andere Kommunisten wegen der darin geradezu selbstverständlich erscheinenden Erwähnung der Verschiedenartigkeit gesellschaftlicher Konzepte innerhalb des Kommunismus. Die Konzepte müssen ja verschieden sein, die Probleme in den Völkern und Staaten sind ja verschieden, die geistige Tradition ist verschieden, die nationale Geschichte ist verschieden, und ebenso sind die jeweilige Wirtschaftsstruktur, der Technisierungsstand oder, marxistisch gesprochen — Sie



    Schmidt (Hamburg)

    haben auch marxistisch geredet, Herr Barzel, heute morgen, zu unserem Erstaunen — —

    (Abg. Dr. Barzel: An einer Stelle!) — einmal, ich mache es auch nur einmal! —,


    (Heiterkeit)

    die Produktionsverhältnisse verschieden. Auch die Kommunisten in Europa, meine Damen und Herren, können auf die Dauer Gedankenfreiheit, Freiheit der Information, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Reisefreiheit sehr schlecht entbehren.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Und weil das so ist, deswegen erleiden heute — nach dem Einmarsch in die Tschechoslowakei, wo sich doch alles dies zu entwickeln schien — die kommunistischen Parteien Westeuropas so schwere Beeinträchtigungen und — das sollten wir nicht übersehen — sind heute und wohl auch in Zukunft die kommunistischen Parteien Westeuropas nicht mehr länger geeignet, als Instrumente sowjetischer Außenpolitik benutzt zu werden.
    Wir müssen wohl zur Kenntnis nehmen, .daß durch ,die Ergebnisse in der Tschechoslowakei diese Entwicklungen in einer Reihe östlicher Staaten zunächst unterbrochen werden. Ich meine die Entwicklung zu etwas mehr Freiheit, etwas moderneren Wirtschaftssystemen. Wir wissen nicht, wie lange diese Unterbrechung dauern wird, und wir können auch gar nichts tun, um die Frist dieser Unterbrechung abzukürzen. Wir dürfen in diesem Sinne gar nichts tun wollen, denn wir dürfen und wir wollen uns ja in 'niemandes Angelegenheiten einmischen, so wie wir auch nicht dulden wollen, daß andere sich in unsere Angelegenheiten einmischen.
    Es zeigt sich an dieser Stelle erneut, daß die Aufspaltung Europas in zwei Lager der sowjetischen Führung in dem Lager, in dem sie dominiert, in dem sie ihre Hegemonie ausübt, sehr viel Spielraum gibt für die Anwendung ihrer Macht. Das war 1956 in Ungarn so, und das ist 1968 noch nicht anders. Und etwas, was viele Menschen vielleicht nicht verstehen, muß man in diesem Zusammenhang betonen: Auch die NATO kann daran nichts ändern; die NATO ist ein Bündnis zur Selbstverteidigung und nicht zur Verteidigung von Dritten.
    Die Aufspaltung der Welt in zwei Lager ist ein Übel für die Menschheit; sie bedroht auf die Dauer die Existenz; sie kann ,auf die Dauer nicht unsere letzte Weisheit bleiben. Deshalb sind wir und bleiben wir für gleichwertige und gleichzeitige Beschränkung und Kontrolle der Rüstungen. Es ist wider die Vernunft, daß in Europa heute das höchste Maß an Zerstörungskraft angesammelt ist, das es hier jemals gegeben hat, einschließlich des zweiten Weltkrieges jeweils gegeben hat.
    Aber niemand wird uns ,dazu verleiten, im Vorwege einseitig unsere Bündnisgenossen zu verlassen und einseitig unsere Sicherheit aufs Spiel zusetzen. Aus einer ähnlichen Erkenntnis hatten ja auch die kommunistischen Führer in der CSSR keineswegs im Sinn, ihr Bündnissystem zu verlassen. Und 'der Außenminister hat im Juni hier in diesem Hause gesagt: „So, wie die Dinge in der Welt liegen, erklären wir denen, die es hören wollen, mit allem Freimut, daß wir für das Bedürfnis der CSSR, an ihren Bündnisbindungen festzuhalten, durchaus Verständnis haben."
    Die Tschechoslowaken wollten innerhalb der sowjetischen Interessensphäre sein. Wie aber auch immer die Sowjetunion ihre Interessensphäre verstehen mag: niemand darf — ich nehme Gedanken auf, die der Bundesaußenminister in Genf aussprach —, die universalen Prinzipien des Völkerrechts verletzen: Souveränität, territoriale Integrität, Gewaltlosigkeit, Selbstbestimmungsrecht und Menschenrechte. Solange die sowjetischen Divisionen auf dem Boden der CSSR bleiben, ,die sie nicht eingeladen hat — für diese Einladung ist der Beweis ja immer noch nicht einmal versucht worden —, solange die Truppen 'auf dem Boden der CSSR stehen, bleiben diese Prinzipien des Völkerrechts verletzt.
    Es gibt also in Europa eine Sphäre, ich würde nicht sagen, sowjetischer Interessen, es gibt eine Sphäre sowjetischer Dominanz. Das ist ganz klargeworden. Und ihr steht gegenüber nicht eine Sphäre amerikanischer Dominanz in Europa, wohl aber eine Sphäre westlicher gemeinsamer Verteidigungsinteressen. In dieser Sphäre gemeinsamer westlicher Interessen hat in den letzten Jahren ein spürbare und bedenkliche Beeinträchtigung der politischen Zusammenarbeit stattgefunden, die gleichzeitig von einer parallelen Erscheinung im Osten begleitet war. Wir erinnern uns an das Stichwort von der Erosion der Allianzen, wir erinnern uns unter diesem Stichwort vor allen Dingen an das Stagnieren der EWG, an die Verweigerung des britischen Beitritts, an den Rückzug der französischen Streitkräfte aus der militärischen Organisation des Bündnisses — nicht aus dem Bündnis selbst —, und wir erinnern uns an die innerwestlichen Auseinandersetzungen um unsere deutschen Interessen im Zusammenhang mit dem Non-Proliferations-Vertrag.
    Alles deutet jetzt darauf hin, daß der Erosionsprozeß im Warschauer Pakt und im Comecon der kommunistischen Staaten, der ja ohnehin langsamer vor sich ging als der Auflösungsprozeß hier im Westen, daß der östliche Erosionsprozeß jetzt zunächst zum Stillstand gebracht worden ist. Um so mehr müssen wir mithelfen, daß der westliche Erosionsprozeß zum Stillstand gebracht wird. Denn wir bleiben auf die Funktionstüchtigkeit unseres westlichen Bündnisses angewiesen. Wir kennen dabei die besondere Situation Frankreichs in diesem Bündnis. Wir sind innerhalb des Bündnisses diejenigen, die die engste Verbindung mit Frankreich halten müssen. Nur wir können das tun.
    Mit Interesse habe ich gelesen, wie Herr Kollege Strauß mit Hartnäckigkeit in seinem soeben erschienenen Buch sich erneut für das „Modell", wie er sagt, einer „Europäischen Verteidigungsgemeinschaft" einsetzt, wobei er keineswegs auf das amerikanische Bündnis verzichten will. Mit Interesse verfolgen wir ebenso den an den Präsidenten de Gaulle gerichteten Appell der CSU aus Bad Berneck. Es gibt wohl kaum einen Kollegen in diesem Hause, dessen Hoffnungen nicht in Richtung auf ein poli-



    Schmidt (Hamburg)

    tisch vereinigtes Europa gingen. Ich sage: Hoffnung. Es tut uns weh, daß wir statt dessen nicht Erwartungen sagen können. Auch im Lichte der CSSR-Krise haben wir, Herr Stücklen, bisher aus Paris nichts vernommen, das uns in dieser Beziehung zu realen Erwartungen berechtigen könnte. Auf Hoffnungen und Appelle allein, meine lieben Kollegen aus Bad Berneck, kann man unsere Sicherheit nicht gründen.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Stücklen: Das wollen wir auch nicht!)

    — Ich weiß, daß Sie das nicht wollen. Ich möchte nur, daß wir in dem, was wir als Fürsprecher der deutschen Politik sagen, immer wägen, wie weit auch möglich gemacht werden kann, was wir sagen, wie weit es realistisch ist, wie weit es konkret möglich ist.

    (Abg. Stücklen: Sie haben doch bei der aktiven Friedensoffensive auch den Optimismus, daß Sie trotz aller Schwierigkeiten irgendwann und irgendwie zum Ziel kommen! Warum geben Sie das in Richtung Westen auf?)

    - Lieber Herr Stücklen, ich will nicht polemisieren. Ich wehre mich dagegen, in diesem Zusammenhang ein Optimist zu sein. Ich will auch kein Pessimist sein. Ich meine, man soll sehr sorgfältig und nüchtern die Tatsachen und die Wirklichkeiten ins Auge fassen und sie weder durch eine rosarote noch durch eine schwarze Brille betrachten.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der SPD: Blau-weiß!)

    Was konkret gegenüber den Franzosen möglich sein sollte — lassen Sie mich dazu etwas sagen —, das wäre eine gemeinsame, eine bilaterale deutschfranzösische Anstrengung zur Analyse der neuen Sicherheitslage, zur Überprüfung der bisherigen Pläne und Absichten. Ich höre, daß die Außenminister der beiden Länder darüber im Gespräch sind. Wir wünschen ernstlich solch ein Gespräch und den Willen zum gegenseitigen Verständnis. Es wird sich ja schon an diesem Wochenende zeigen, wie weit die französische Regierung zu diesen und jenen Vorschlägen Interesse bekundet.
    Meine Freunde und ich haben in den letzten Jahren viele Male in diesem Hause verlangt, daß jede Möglichkeit genutzt werde, um zu einer engen Verzahnung mit Frankreich, z. B. auf konventionellmilitärischem Gebiet oder auf rüstungstechnischem Gebiet, zu kommen. Aber es tut mir leid, heute hinzufügen zu müssen, daß die Chancen dafür augenblicklich noch kleiner erscheinen als früher, wenn ich nach Paris schaue und höre, was dort gesprochen wird.
    Wir verstehen sehr gut die französische Überzeugung, daß das Denken in Blöcken und Lagern die Zukunft nicht fruchtbarer machen kann als die Gegenwart. Aber ebenso untauglich ist — das sagen wir unseren französischen Freunden — die Vorstellung, daß jeder Staat oder nur einige Staaten oder nur ein einziger Staat des Westens allein das Denken und die Struktur der Blöcke und Lager überwinden kann. Wir können uns den Luxus nicht leisten, den sterilen Streit darüber fortzuführen, ob Europa eine Addition seiner Staaten sei oder ob es erst aus deren Integration erwachsen werde. Europa würde sonst das Objekt der Interessenentscheidung der Supermächte, meine Damen und Herren,

    (Beifall bei den Regierungsparteien) oder des Ausgleichs ihrer Interessenkonflikte.

    Europa ist mehr — in dieser Überzeugung treffen wir uns doch mit den französischen Nachbarn — als ein bloß historischer oder geographischer Begriff. Die Staaten auf diesem Kontingent bedürfen heute mehr denn je der Bereitschaft, miteinander zusammenzuarbeiten, wobei die bisher geschaffenen und bestehenden Institutionen niemand hemmen müssen und wobei deren geographische Begrenztheit auch keine Grenze sein muß.
    Die Bundesregierung hat sich gestern zum Fortschritt in den westeuropäischen Institutionen erklärt. Wir sind einverstanden und unterstreichen
    mit großem Nachdruck die Notwendigkeit des Beitritts Englands, Dänemarks, Norwegens und aller, die beitreten wollen. Schon in den letzten Jahren, aber gegenwärtig wieder, besteht in Europa die Gefahr — das möchte ich in diesem Zusammenhang auch sagen dürfen —, daß sich einige im Westen, daß sich andere im Norden und vielleicht wieder andere im Süden Europas zu der Illusion verleiten lassen, ihre Sicherheit, die Sicherheit ihrer Staaten sei nicht sonderlich berührt, wenn etwa das westliche Mitteleuropa vom Osten her unter zunehmenden Druck geriete.
    Mit Interesse hören wir deshalb gerade heute von jüngsten englischen Erwägungen, unabhängig von dem organisatorischen Rahmen der nordatlantischen Organisation in einen Meinungsaustausch auf dem Verteidigungsgebiet einzutreten, um, wie es in London offenbar geheißen hat, auf diesem Gebiet eine europäische Identität anzustreben. Wie wir hörten, wird dort erwogen, einen solchen Meinungsaustausch notfalls auch ohne französische Beteiligung anzuregen. Vielleicht — ich sage das mit allem Bedacht — ist dies ein Anlaß, unserem französischen Partner zu sagen, auch wir in Bonn könnten uns eines Tages gezwungen sehen — unabhängig von unserem tiefverwurzelten inneren Willen, unser besonderes Verhältnis zu Frankreich aufrechtzuerhalten —, auf bestimmten Gebieten eine engere Zusammenarbeit mit anderen europäischen Staaten einzuleiten;

    (Beifall bei der SPD und bei der FDP)

    denn unsere eigene Lage verbietet uns, so zu handeln, als käme es auf diese anderen Staaten und als käme es auf das Bündnis nicht mehr an.

    (Beifall bei der SPD und bei der FDP.)

    Auf jeden Fall muß das Westbündnis als Ganzes seine Lage prüfen. Erst wenn man gemeinsam die neue militärische Lage geprüft hat, kann man gemeinsam zu Konsequenzen kommen. Es ist möglich, daß die Franzosen bei der Prüfung der Lage nicht mitmachen wollen oder daß sie bei den Konsequenzen nicht mitziehen wollen. Die Sicherheit



    Schmidt (Hamburg)

    unseres Landes und die Sicherheit unserer Bündnispartner würde uns in einem solchen Falle zwingen, auch ohne französische Beteiligung zu Beschlüssen zu gelangen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Bei der Prüfung ist mir die protokollarische Ebene, auf der sie geschieht, weniger wichtig als die Aufgabenstellung an sich und die gemeinsame Einsicht in ihre Notwendigkeit.
    Dabei ist von vornherein unzweifelhaft, daß die amerikanische Regierung gleicherweise von dieser Notwendigkeit ausgeht. Ebenso aber ist klar zu erkennen — und ich bewege mich hier sehr weitgehend auf denselben Linien, auf denen soeben der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU über Amerika sprach —, daß viele Amerikaner Sorge haben vor einem möglichen ,,Overcommitment", wie sie es nennen, oder um es ins Deutsche zu übertragen: Sie haben Sorge vor allzu weitreichenden Verpflichtungen. Sie wollen keine zusätzlichen Kastanien aus dem Feuer zu holen verpflichtet werden.
    Bei manchen Amerikanern kann diese Sorge, die sich nicht zuletzt aus dem für Amerika selbst immer weniger erträglichen Krieg in Vietnam ergibt, in einen neuen Isolationismus einmünden. Wer eine solche Entwicklung vermeiden helfen will — und wir müssen das wollen —, der wird Verständnis dafür aufzubringen haben, daß die Amerikaner generell dann für die gemeinsame Verteidigung mehr tun wollen, wenn auch ihre europäischen Partner mehr tun.
    In diesem Sinne haben uns allerdings in den letzten Wochen und Tagen die Amerikaner nahezulegen versucht, daß die Bundesrepublik Deutschland bei einer erneuten Festigung des Bündnisses innerhalb Europas eine Art von Führung übernehmen solle. Wir hielten das allerdings aus mehreren Gründen für falsch, und das müssen unsere amerikanischen Freunde verstehen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Amerikaner leiden nicht nur an Vietnam, ohne bisher klar zu sehen, wie sie diesen Krieg beenden können oder wie der nächste Präsident es kann. Sie stehen auch vor schweren inneren Problemen, die ihre Kraft erfordern. Sie stehen außerdem mit ihrer Zahlungsbilanz wegen des großen außeramerikanischen Engagements vor sehr erheblichen Sorgen. Herr Barzel hatte völlig recht mit den Hinweisen auf diesem Gebiet. Auch ich meine, auch wir meinen, daß das Zahlungsbilanzproblem innerhalb der Allianz, das durch Verteidigungsanstrengungen zugunsten des gemeinsamen Bündnisses außerhalb des jeweiligen Heimatlandes entsteht, in Zukunft nicht mehr wie bisher als ein finanztechnisches Problem behandelt werden darf. Man muß es vielmehr als ein Strukturproblem des Bündnisses von hohem politischem Stellenwert sehen.
    In diesem Zusamenhang, da ich über Amerika spreche, lassen Sie mich eine Bemerkung über die Abgeordnetendiplomatie machen, meine Damen und Herren.

    (Heiterkeit.)

    Es hat ja gestern auch ein anderer über dieses Thema extemporiert; es wird mir deswegen nicht` versagt sein. Ich glaube, daß es in bezug auf Länder, zu dienen ein Staat diplomatische Beziehungen hat, amtliche Einrichtungen geben sollte, wenn man mit diesen Regierungen irgend etwas klären will.

    (Beifall bei der SPD.)

    Zweitens glaube ich, es ist unerhört wichtig, daß Abgeordnete dieses Hauses nicht nur mit den Ländern, mit denen wir Beziehungen haben, sondern auch mit solchen, mit denen wir keine oder noch keine Beziehungen haben, Kontakte und Gespräche pflegen.

    (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP.)

    Das ist beides notwendig, nur sollte man dabei dramatische Effekte vermeiden.

    (Abg. Dr. Althammer: Sich vor allem nicht vorzeitig in der Öffentlichkeit äußern!)

    — Können Sie Ihren Zuruf noch 'etwas präzisieren? Das würde mir das Vergnügen der Antwort vergrößern.

    (Heiterkeit. — Abg. Dr. Althammer: Sie . wissen wohl, was ich gemeint habe!)

    — Nein, ich weiß nicht, was Sie gemeint haben; Sie müssen schon präzise werden.

    (Abg. Dr. Althammer: Es war gemeint, ob eine gemeinsame Verlautbarung der Westmächte hinsichtlich der sowjetischen Interventionsklausel verhindert wurde!)

    — Jetzt verstehe 'ich Sie gar nicht mehr, und ich muß sagen — —

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Weitermachen!)

    - Wenn er auf dem Gebiet Sorgen hat, soll er sie
    doch ausbreiten. Wenn Sie meinen, Herr Kollege,
    daß sie nicht hier ,auszubreiten wären, dann müssen Sie sie im Auswärtigen Ausschuß lausbreiten.

    (Abg. Dr. Althammer: Gerne!)

    Ich will zu meinen Schlußfolgerungen kommen.
    Erstens. Wir müssen erwarten und darauf hinwirken, daß 'die anderen Bündnispartner und wir gemeinsam die veränderte Lage in Europa prüfen. Wenn diese Prüfung dazu führt, daß z. B. auf dem Gebiet der gemeinsamen Verteidigungsplanung Konsequenzen gezogen werden müssen, dann müssen 'auch wir zu 'diesen Konsequenzen bereit sein. Aber wir sehen keinen Sinn darin, heute Milliardenbeträge .für zusätzliche Rüstungsanstrengungen zu nennen, ehe die im Bündnis vereinigten Regierungen miteinander gesprochen haben und ehe es einen Beschluß im Rahmen des Bündnisses gibt über das, was nötig ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wenn es im Rahmen des Bündnisses zu Beschlüssen kommt, .so wird der Deutsche Bundestag dazu bereit sein müssen — und das darf ich hier für meine Fraktion ausdrücklich erklären —, unser Teil auf uns zu nehmen und das zu tun, was dann notwen-



    Schmidt (Hamburg)

    dig ist, und zwar — um ein Wort des Bundesverteidigungsministers, das er im gleichen Zusammenhang gebraucht hat, hier hinzuzufügen — „Nicht mehr, aber auch nicht weniger". Ich warne vor voreiligen großen Worten oder Zahlen. Die Sozialdemokratie hält den gestern vom Bundeskanzler erwähnten Kabinettsentschluß, wonach der Verteidigungsetat in der mittelfristigen Finanzplanung insofern unter einem Vorbehalt steht, für angemessen und gegenwärtig auch für ausreichend.
    Zweitens. Wir sind gewiß, daß das militärische Gleichgewicht gewahrt bleiben kann und gewahrt bleiben wird und daß deshalb unsere 'Sicherheit, die Sicherheit unseres Volkes und unserer Verbündeten, auch in Zukunft nicht geringer sein wird, als sie bisher war.
    Drittens. Wir bekräftigen den Beschluß des Deutschen Bundestages vom 20. Juni dieses selben Jahres, der in prägnanter Kürze die Bundesregierung aufgefordert hat, sich um die Festigung der westlichen Zusammenschlüsse auf wirtschaftlichem und militärischem Gebiet zu bemühen, und der in ebenso eindeutiger Prägnanz darauf hingewiesen hat, daß eine europäische Friedensordnung nur erreichbar ist, wenn alle Beteiligten bereit sind, ihren Beitrag zu leisten.
    Dieser Beschluß wurde vor der tschechoslowakischen Krise gefaßt. Er ist unverändert gültig. Der Bundestag hat damals bedauert, daß unsere Friedenspolitik in einigen Hauptstädten des Ostens nach wie vor mißverstanden, verzerrt dargestellt, durch provokatorische Gegenmaßnahmen entstellt wird, und die Bundesregierung aufgefordert, sich nicht beirren zu lassen. Das war im Juni richtig und das ist heute genauso richtig.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Viertens. Wir wissen, daß die Chancen zur Normalisierung unserer Beziehungen mit einigen Staaten in Osteuropa für eine gegenwärtig noch nicht absehbare Zeit verringert sind. Ähnlich wie Staatspräsident de Gaulle und andere Staatsmänner des Westens es in den letzten Wochen ausgesprochen haben, gehen auch wir von der Überzeugung aus, daß es zutiefst unvernünftig wäre, das Ziel der Normalisierung, das Ziel einer europäischen Friedensordnung aufzugeben. Wir unterstreichen die Regierungserklärung in diesem Punkte nachdrücklich.
    Fünftens. Der Friede muß organisiert werden. Solange der Osten Europas zur Kooperation, zur Zusammenarbeit mit dem übrigen Europa bei der Organisierung des Friedens nicht imstande ist, muß das übrige Europa versuchen, jenes Maß an eigener innerer Zusammenarbeit zu erreichen, das notwendig ist, um nicht nur die Koexistenz mit dem Osten zu gewährleisten, sondern auch um darüber hinaus Ansätze und vorbereitete Positionen zu schaffen für spätere, stärker auf Kooperation angelegte Beziehungen auch zu Osteuropa.

    (Zuruf rechts: Sehr gut!)

    Auf jeden Fall müssen die Ereignisse der letzten
    Wochen im Norden, im Süden und im Westen
    Europas jede Regierung mindestens zu einem intensiven Meinungsaustausch unter den Regierungen und, so möchten wir wünschen, zu gegenseitiger Abstimmung des Handelns unter den Regierungen führen, auch wenn es dafür einen institutionalisierten Rahmen weder gibt noch geben muß, meine Damen und Herren.
    Sechstens. Wir würden dem Staatsratsvorsitzenden in Ostberlin einen kostenlosen Gefallen tun, wenn wir unsere Bereitschaft zu Gesprächen mit Regierungsvertretern der DDR kategorisch widerriefen.

    (Zuruf rechts: Sehr richtig!)

    Wer Gefahrenherde sieht, muß selbst unter Überwindung größten eigenen Widerwillens es für seine Pflicht halten, zur Beseitigung der Gefahrenherde alles zu tun, was ihm selbst möglich ist. Das liegt auch im Interesse unserer Nachbarn. Kollege Wehner hat jüngst gesagt:
    Wir brauchen uns dabei nicht auf den Kopf zu stellen und nicht zu heucheln. Wir müssen uns nichts vormachen, was wir von diesen Leuten halten.
    Ich möchte dem zustimmen, ebenso wie meine Fraktion der Bundesregierung zustimmt, die gestern durch den Mund des Regierungschefs erklärt hat, an ihren Vorschlägen gegenüber der DDR-Regierung festhalten zu wollen.
    Wir wissen, daß unsere Landsleute in beiden Teilen des Vaterlandes von der jüngsten Entwicklung tief bekümmert und besorgt sind. Darin sind wir gerade in diesen Tagen in beiden Teilen des Landes sehr nahe beieinander.
    Siebtens. Wer Normalisierung und wer Frieden will, darf sich nicht zu Handlungen oder zu Worten hinreißen lassen, die andere herausfordern könnten, selbst dann nicht, wenn der andere uns herausfordern will. Nichts könnte der Propaganda Moskaus oder Ostberlins mehr nützen, als wenn wir in der Bundesrepublik durch unser Reden und unser Tun den Anschein zuließen, als ob auch nur ein Anflug von Wahrheit diesen Anschuldigungen zugrunde läge. Deswegen sind wir besonders dankbar für den Ton und die Sprache, die die Regierungserklärung gestern gefunden hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich füge hier ein, daß es aus dem gleichen Grunde vernünftig war, z. B. das Manöver „Schwarzer Löwe" mehr in das Innere des Landes zu verlegen, obgleich es das gute Recht jedes Staates ist, auf seinem eigenen Gelände Manöver abzuhalten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Verlegung der Manöver hat übrigens der Bundeswehr zusätzliche Leistungen abgefordert. Um so mehr verdienen die Manöverergebnisse die Anerkennung, die hier schon mehrfach ausgesprochen worden ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Achtens. Wer die Spaltung Europas und die Spaltung unserer Nation schließlich überwinden will, kann dies nur erreichen, wenn seine eigene Politik stetig und konsequent und kalkulierbar für die an-



    Schmidt (Hamburg)

    deren bleibt. Das ist doch die Kehrseite unserer Klage über die abnehmende Kalkulierbarkeit der sowjetischen Politik, daß wir wissen: Unsere eigene POlitik muß vorhersehbar bleiben für die, die mit uns im politischen Wechselspiel stehen.
    Deshalb erklären wir: Sosehr wir Sozialdemokraten auf der einen Seite alles tun werden, was für die Sicherheit unsere Volkes notwendig sein wird, sosehr halten wir auf der anderen Seite an den Vorschlägen für einen allgemeinen Gewaltverzicht in Europa und für eine europäische Friedensordnung fest.
    Ich möchte hier nachdrücklich die Ausführungen unterstreichen, welche die Bundesregierung durch den Mund des Außenministers am 3. September auf der Konferenz der Nichtkernwaffenstaaten in Genf gemacht hat:
    Die Bundesregierung hat sich dafür eingesetzt, daß aus Europa eine Zone der Entspannung wird als Vorstufe einer dauerhaften Friedensordnung. Sie hat vorgeschlagen: Abbau der Konfrontation, wechselseitigen Verzicht auf Gewalt, Normalisierung der Beziehungen mit den Staaten Ost- und Südosteuropas, geregeltes Nebeneinander auf deutschem Boden, erleichterten Austausch in Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft.
    Der Außenminister hat dann weiter ausgeführt:
    Diesen Bemühungen ist ein schwerer Schlag versetzt worden. Dennoch bleiben wir bereit, für eine europäische Zone friedlicher Nachbarschaft zu wirken, die allmählich zu konstruktivem Miteinander führt und in der die gefährliche Konfrontation abgebaut werden kann. Wir befürworten daher weiterhin einen ausgewogenen gegenseitigen Abbau der Truppenkontingente, mit dem auch eine angemessene Regelung des Problems der in dieser Region stationierten Kernwaffen verbunden werden könnte.
    Ich darf feststellen, daß die einhellige Zustimmung, die diese Genfer Rede des Außenministers vor den Regierungsvertretern von über 90 Staaten der Welt fand, ein deutliches Zeichen dafür ist, wie sehr eben die ganze Welt die Stetigkeit unserer Friedenspolitik auch gerade nach der tschechoslowakischen Krise begrüßt und für notwendig hält.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Neuntens. Ein Wort zum Nonproliferationsvertrag. Die CDU/CSU-Fraktion hat ihre Worte hier sehr sorgfältig gewählt, und wir tun das auch.
    Die Bundesregierung hat am 27. April 1967 vor diesem Hause erklärt — Herr Barzel hat daran erinnert —, welche Kriterien für ihre Unterschrift maßgebend sein werden. Wir wollen an diesen Kriterien nichts ändern. Jedoch erscheint uns die gegenwärtige Situation in Europa heute noch weniger geeignet, auf diesen Vertrag einzugehen, als sie es schon vorher wegen der bis dahin noch nicht ganz klaren Interpretationen war. Verträge kann man nur im Vertrauen darauf schließen, daß ihr Inhalt gegenseitig respektiert wird. Wo schon der Inhalt noch nicht ganz klar ist und wo es darüber hinaus gar am Willen zur Respektierung des Rechts zu fehlen scheint, kann die Geschäftsgrundlage für einen internationalen Vertrag ernsthaft in Frage gestellt sein. Das gilt, wie wir in Genf erfahren haben, ganz gewiß nicht nur für unser Land allein. Ich möchte aber in diesem Zusammenhang jedermann nachdrücklich davor warnen, gegenwärtig endgültige Erklärungen über die Unterschrift oder Nichtunterschrift abzugeben.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Scheel: Sehr richtig!)

    So viel zu den Schlußfolgerungen zur äußeren Lage.
    Wir müssen uns jedoch auch wohl fragen, ob die gegenwärtige äußere Lage uns zu innenpolitischen Konsequenzen führen muß. Ich denke: nicht nur die wirtschaftspolitische, sondern auch die innenpolitische Situation insgesamt ist zur Zeit in unserem Lande von guter Stabilität. Es gibt gewiß die eine und die andere wichtige Ausnahme. Ich muß hier nochmals auf die NPD zu sprechen kommen. Der Einzug von NPD-Abgeordneten in einige unserer Landtage und die Gefahr ihres Einzugs in den Deutschen Bundestag beeinträchtigen in zunehmender und gefährlicher Weise bei unseren Freunden und Verbündeten — —

    (Abg. Lücke: Wahlrechtsreform!)

    — Lassen Sie mich bitten den Satz zu Ende sprechen; ich will nachher gern auf einen Zwischenruf eingehen. — Es besteht die Gefahr, daß sich das ausdehnt. Dadurch wird die Freundschaft und die Vertrauensbasis gefährdet, auf der unser Bündnis mit unseren Partnern beruht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das Ausmaß von Besorgnis in den uns verbündeten Staaten wegen dieser Entwicklung kann sich vielleicht mancher unserer Bürger zu Hause nicht richtig vorstellen, und deswegen muß es ihm von dieser Stelle aus gesagt werden. Egal in welchem Wahlgang, ob zum Rathaus oder zum Landtag oder hier zum Deutschen Bundestag: jede für die NPD abgegebene Stimme zerstört Vertrauen bei unseren Verbündeten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir brauchen aber dieses Vertrauen unserer Verbündeten. Ohne Freunde und ohne Bündnisgenossen könnten wir weder unsere Sicherheit noch unsere Freiheit in Europa aufrechterhalten.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wer sich auf dem ultrarechten Flügel einbildet, die Bundesrepublik Deutschland könne auf eigene Faust ihre Sicherheit aufrechterhalten, der ist ein gefährlicher Narr.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Das sollte jeder wissen, der zur Wahl geht, ehe er solche Narren wählt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der FDP.)




    Schmidt (Hamburg)

    Lassen Sie mich zu der Frage zurückkommen, ob unsere innenpolitische Struktur auch auf die Dauer solchen außenpolitischen Belastungen gewachsen ist, wie wir sie in diesem Sommer erleben. Wir alle wissen, daß dies nicht die letzte Belastung ist, die wir erleben werden.
    Viele Deutsche haben in den letzten Wochen — das will ich hier einflechten — Hochachtung vor der freiwilligen Disziplin und vor der Klugheit empfunden, die unsere tschechoslowakischen Nachbarn unter schwerster Belastung aufgebracht haben. Die Tschechen und die Slowaken hatten die innere Gewißheit, daß die politische Führung ihres Landes eindeutig und für jedermann im Lande durchsichtig auf dem Wege des Fortschreitens zu mehr Freiheit und Gerechtigkeit war. Diese Überzeugung hat die Einigkeit von Volk und politischer Führung bewirkt, unabhängig davon, ob der einzelne Kommunist war oder ob er es nicht war.
    Es kann sein, daß für uns in den nächsten Monaten und vielleicht in den nächsten Jahren außenpolitische Fortschritte nicht möglich sind. Deshalb sollten wir uns vielleicht mehr noch als bisher auf den Fortschritt im Innern unseres Hauses konzentrieren. Wir müssen unserem eigenen Volk noch mehr als bisher die Gewißheit geben, daß wir auf einem stetigen Wege zu mehr Freiheit sind, zu mehr Gerechtigkeit, zu mehr Teilhabe des einzelnen am Ganzen. Keiner von uns darf sich den großen gesellschaftspolitischen Aufgaben verschließen, die uns bewegen: die gerechte Verteilung des wirtschaftlichen Wachstums und damit der Vermögen, das Mitreden und Mitbestimmen der vielen, die Hochschul- und die Studienreform oder die Fragen der Wissenschaft und der Bildung. Alle unsere Bemühungen um Sicherheit und Frieden haben auf die Dauer nur dann Erfolg, wenn es uns gelingt, die innere Ordnung zu wahren und Freiheit und Gerechtigkeit für den einzelnen zu mehren.

    (Beifall bei der SPD.)

    Stabilität eines Staates nach außen hängt ab von der Stabilität im Innern, und Stabilität der Demokratie hängt ab von dem Fortschritt der Gesellschaft, die demokratisch verfaßt ist. Alle Gesellschaften haben in ihrer Entwicklung immer wieder mit schwerwiegenden Konflikten zu tun. Viele Gesellschaften heute z. B. haben an ihren Hochschulen ungelöste Konflikte. Wir sind darin keineswegs allein. Das kann uns nicht darüber trösten, daß uns auf dem Gebiet offenbar noch nicht sehr viel gelungen ist. Wenn man ins Ausland kommt, so ist dieses Universitätsthema für einen deutschen Politiker in vielen Fällen eines der wichtigsten Gesprächsthemata. Ich will im Zusammenhang damit sagen, daß es mir wohltut, im Ausland häufig zu hören, daß die deutsche akademische Jugend heute offenbar zwar mancherlei seltsame und unbequeme politische Zielsetzungen im Sinn habe, wie gut es aber doch sei, daß sie jedenfalls nicht einen Rückfall in die Pseudoideale des nationalsozialistischen Unrechtsstaates im Sinne habe.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der Mitte: Sie schwankt von einem Extrem ins andere!)

    Ich möchte zum Schluß auf die Erklärung der Bundesregierung zurückkommen, Herr Bundeskanzler, der wir zustimmen und in der Sie wiederholt haben, daß wir ebenso wie unsere Verbündeten eine weitschauende Entspannungspolitik nur auf der Grundlage der eigenen Freiheit und Sicherheit und auf der Grundlage des Atlantischen Bündnisses führen können.
    Dazu darf ich zitieren, was der Abgeordnete Herbert Wehner am 30. Juni 1960 von dieser Stelle aus gesagt hat:
    Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands geht davon aus, daß das europäische und das atlantische Vertragssystem, dem die Bundesrepublik Deutschland angehört, Grundlage und Rahmen für alle Bemühungen der deutschen Außen- und Wiedervereinigungspolitik ist.
    Das galt damals, und das gilt heute, und, ich nehme an, das galt damals und gilt heute unter Einschluß aller Fraktionen dieses Hauses, so wie die Lage damals war und wie sie heute immer noch ist.
    Es mag sein — Herr Barzel hat das, quasi im Vorwege für die FDP sprechend, angekündigt —, daß wir im übrigen nicht in allen Punkten einig sein werden, wenn wir heute abend auseinandergehen. Es ist der sehr ernsthafte Versuch gemacht worden, zwischen allen drei Fraktionen in der gegenwärtigen Phase der deutschen Sicherheits- und außenpolitischen Gefährdung eine gemeinsame Plattform des Deutschen Bundestages zu erarbeiten. Wir waren beinahe so weit, daß wir die Hoffnung hatten, wir könnten uns voll und ganz einigen. Jetzt stellt sich heraus, daß in einem Punkt das wohl doch nicht möglich ist.
    Vielleicht sollten wir bei der Gelegenheit einmal einen Blick auf die Schwierigkeit werfen, eine Einigkeit unter zwei Parteien herzustellen, die einer Regierungskoalition angehören.

    (Lachen in der Mitte.)

    Um so schwieriger muß es sein, unter Dreien eine Einigung zu finden mit einer Opposition, die diese Koalition gar nicht schön findet.

    (Abg. Dr. Barzel: Aber die übt erst noch!)

    Es ist ein schwieriges Unterfangen, auch wenn man sich ganz ernsthaft und gutwillig von allen drei Seiten bemüht, eine gemeinsam zu akzeptierende Plattform zu finden. Das ist ein schwieriges Unterfangen. Ich bin gleichwohl sehr froh darüber, daß offenbar die FDP-Fraktion ihren Dissens nur auf einen einzigen unter insgesamt 15 Punkten beziehen will.

    (Zuruf von der FDP: Es ist der wichtigste!)

    — Nein, das ist nicht der wichtigste. Jetzt überschätzen Sie wirklich in einer Lage, in der Deutschland bedroht und gefährdet ist, die langfristigen Aspekte einer Politik, die doch erst dann wieder Früchte tragen kann, Herr Kollege, wenn die gegenwärtige Bedrohung zurückgenommen sein wird.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Aber ich wollte die Bedeutung Ihrer Bedenken damit nicht verkleinert haben; ich nehme Sie ernst, und ich nehme Ihre Bedenken ernst.



    Schmidt (Hamburg)

    Lassen Sie mich abschließend sagen — und ich glaube, daß auch dies Gedanken sind, in denen wir völlig miteinander übereinstimmen, ob wir in der Mitte, auf der Linken oder auf der Rechten dieses Hauses sitzen —: Wir alle haben Vertrauen in die Urteilsfähigkeit unseres Volkes in außenpolitischen Konflikten wie in innenpolitischen Konflikten. Wir setzen unser Vertrauen darein, daß dieses Volk sich nicht von den Ultrarechten oder von den Ultralinken zu Experimenten mit seiner Freiheit und seiner Sicherheit verleiten lassen wird. Die Demokratie ist heute im Bewußtsein unseres Volkes stärker verankert als jemals in früheren Generationen.
    Diese Verankerung der Demokratie im Bewußtsein der heute lebenden Deutschen steht und fällt ganz gewiß nicht mit einer zeitbedingten Koalition in diesem Hause. Die Zeit der gegenwärtigen Koalition wird in einem Jahr abgelaufen sein. Aber nicht abgelaufen wird sein und nicht zu Ende gehen darf die gemeinsame Bemühung aller Demokraten um die Bewahrung der Sicherheit und der Freiheit unserer Demokratie nach innen und nach außen.

    (Allgemeiner Beifall.)

    Unser Volk stimmt in seiner überwältigenden Mehrheit mit der Friedenspolitik überein, die wir hier heute gemeinsam bekunden. Unser Volk will vor neuen Kriegen sicher sein. Wir haben zu viele Kriege erlebt. Dieses Volk will den Frieden.

    (Anhaltender lebhafter Beifall.)