Rede von
Dr.
Udo
Giulini
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In später Stunde ein letztes Wort von seiten eines Abgeordneten, der nicht bei der Landwirtschaft zu tun hat. Ich glaube, in einer solchen Debatte wie hier sollten nicht nur Landwirte über Landwirtschaft vor Landwirten, sondern auch einmal Abgeordnete aus anderen Berufs- und Wirtschaftszweigen sprechen.
In eigener Sache ist man nämlich immer ein schlechter Anwalt. Ich möchte nur über drei Punkte kurz sprechen. Es wird nur einige Minuten dauern.
Meine Damen und Herren, heute ist mit Recht gesagt worden, daß die Landwirtschaft ein Teil der Wirtschaft ist. Es ist doch eine alte Geschichte, daß vor Tausenden von Jahren die Wirtschaft meist nur die Landwirtschaft, die Jägerei und die Fischerei waren und daß bei uns durch die Industrialisierung sich die Sache etwas verschoben hat. Das heißt aber nicht, daß die Wirtschaft jetzt nicht die Landwirtschaft in der jetzigen Situation — im wahrsten Sinne des Wortes — unterhaken sollte.
Wir erkennen doch eines an, meine Damen und Herren. Wenn ich als Industrieller, als Landwirt oder überhaupt als Betriebswirt etwas habe und es selbst herstellen kann, dann — hol's der Teufel! — kann man das gerade auch immer billig zukaufen. Habe ich etwas nicht oder muß ich es mit Umständen auswärts besorgen, kostet es viel Geld. Ich behaupte, daß die Tatsache, daß ich etwas habe und dadurch die Möglichkeit besteht, es billig zuzukaufen, in der Mischung, im Mischpreis billiger ist, als alles zuzukaufen. Das kann man auf die Landwirtschaft anwenden, das kann man auf die Kohle anwenden, das kann man auf die Verkehrsindustrie anwenden. Wir in der Industrie sollten wissen: wenn wir die Landwirtschaft verrecken ließen, müßten wir ganz übel zukaufen. Wir haben eine leistungsfähige Landwirtschaft. Wenn bei uns auf einen Landwirt zwanzig Ernährte kommen, ist das doch eine ganz stolze Zahl. Ich meine, daß der Mischpreis, den wir jetzt zu zahlen haben, auch in der EWG, günstiger ist, als wenn wir alles von draußen kaufen.
Zweiter Gedanke! In der EWG wird im Augenblick ein Großversuch exerziert, das ist die Landwirtschaft. Es läuft der Großversuch, ob man im Rahmen von sechs Ländern auch später auf dieselbe Methode die ganze EWG wirtschaftlich arbeiten lassen kann. Wir sollten uns darüber im klaren sein — ich sage das aus vielen blutigen Erfahrungen —, daß die ersten Kosten die billigsten sind, daß die ersten Schwierigkeiten die einfachsten sind. Wir sollten die Wirtschaft auffordern, nicht zu sagen: „Die Landwirtschaft muß, die Landwirtschaft muß", — nein, wir müssen jetzt mithelfen, daß die ersten Schäden, möchte ich einmal sagen, die ersten fehlgegangenen Wege so klein wie möglich gehalten werden. Denn später, wenn die ganze Wirtschaft auf die EWG umgestellt werden soll, ist es
wesentlich teurer, wenn man einen Fehler macht.
Dritter Gedanke! Ich behaupte, daß man Geld immer nicht eben durch Geist ersetzen kann. Der Herr Finanzminister hat es heute schon mit Recht gesagt. Ich meine, es könnte einem ja auch noch einiges Neues einfallen. Mir ist heute der Gedanke gekommen — als die Herren über Neben- und Zuerwerbsbetriebe sprachen —, ob man nicht sogar Bundesmittel, wie man sie in die private Industrie gibt, daran binden sollte, daß man diese Neben-und Zuerwerbsbetriebe mit einbaut. Ich habe in meiner eigenen Firma seit Jahren die Sache mit den Fliegergeschichten, die ja noch aus einer schlechten Zeit stammten, auch bei Neuanlagen gemacht, daß in der Umgebung eben die Landwirte das Gefühl haben: Ich habe den Rücken an der Wand, ich kann mir immer mein Brot verdienen, ich kann aber auch noch etwas dazu- oder nebenerwerben.
Ich meine, diesem Gedanken ist noch mehr Rechnung zu tragen, strukturell auf jeden Fall.
Ich will Schluß machen. Ich möchte nochmals sagen, es muß doch möglich sein, daß gutes deutsches Brot, daß guter pfälzischer oder Mosel- oder sonst ein deutscher Wein, daß ein guter deutscher Apfel mindestens genau denselben guten Ruf in der Welt hat wie französischer Camenbert oder italienischer Chianti.
Ich möchte die deutsche Wirtschaft aufrufen: haken wir die Landwirtschaft in der jetzigen Situation unter!