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    Deutscher Bundestag 180. Sitzung Bonn, den 20. Juni 1968 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Krammig und von Eckardt . . . . 9693 A Die Abg. Blachstein und Stingl legen ihr Mandat nieder , . 9693 A Abg. Dr. Arndt (Hamburg) tritt in den Bundestag ein 9693 A Überweisung des Jahresberichts 1967 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages an den Verteidigungsausschuß 9693 B Überweisung von Vorlagen der Bundesregierung an die zuständigen Ausschüsse 9693 B Amtliche Mitteilungen 9693 C Fragestunde (Drucksache V/3012) Frage des Abg. Moersch: Sonderbriefmarke „Bauhaus" Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . 9725 D Moersch (FDP) 9726 A Frage des Abg. Strohmayr: Architektenwettbewerb für den deutschen Ausstellungspavillon in Osaka 1970 Dr. Langer, Staatssekretär . . . . 9726 B Strohmayr (SPD) . . . . . . . 9726 D Josten (CDU/CSU) . . . . . . . 9727 A Frage des Abg. Weigl: Schleuderpreisangebote von Betrieben der Bauwirtschaft Dr. Langer, Staatssekretär . . . . 9727 B Frage des Abg. Borm: Rückgang des innerdeutschen Handels Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 9727 C Dorn (FDP) 9727 D Fragen des Abg. Ziegler: Kartellrechtliche Untersuchung des Wirtschaftszweiges Margarine in der Europäischen Gemeinschaft — Verbraucherpreise — Preisbildung Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 9728 A Ziegler (CDU/CSU) 9728 C Fragen des Abg. Junghans: Strukturprogramme für Ruhr, Saar und Zonenrandgebiete Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 9728 D Junghans (SPD) 9728 D Porsch (FDP) 9728 D Weigl (CDU/CSU) . . . . . . 9729 A Strohmayr (SPD) 9730 D II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1968 Fragen des Abg. Strohmayr: Weltausstellungen als Forum zur Werbung für die Bundesrepublik Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 9731 A Strohmayr (SPD) . . . . . . 9731 A Jung (FDP) 9731 B Schmidt (Braunschweig) (SPD) . . 9731 C Dorn (FDP) 9731 D Frage des Abg. Ollesch: Bau von Steinkohlekraftwerken und Einsatz von Steinkohle zur Stromerzeugung Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 9732 A Ramms (FDP) 9732 B Frage des Abg. Ollesch: Kohlestrom aus Großkraftwerken preiswerter als Atomstrom? Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 9732 B Fragen des Abg. Weiland: Folgen der geplanten Änderung der Kundensatzverordnung für den Spediteursammelgutverkehr Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 9732 C Weiland (CDU/CSU) 9732 D Ramms (FDP) 9733 B Frage des Abg. Moersch: Meinung des stellv. Sprechers der Bundesregierung über die Zusammenarbeit Bund-Länder und den Bedeutungsverlust des Bundestages Diehl, Staatssekretär . . . . . . 9733 D Moersch (FDP) . . . . . . . . 9733 D Frage des Abg. Dorn: Aufenthalt "des französischen Staatspräsidenten de Gaulle in Baden-Baden Diehl, Staatssekretär 9734 B Dorn (FDP) 9734 B Moersch (FDP) 9734 C Frage des Abg. Jung: Situation der freischaffenden Architekten Freiherr von und zu Guttenberg, Parlamentarischer Staatssekretär . 9735 A Frage des Abg. Jung: Wunsch der Architekten und Ingenieure nach einem zentralen Gesprächspartner — Frage einer Umorganisation des Bundesministeriums für wissenschaftliche Forschung Freiherr von und zu Guttenberg, Parlamentarischer Staatssekretär 9735 B Dorn (FDP) 9735 C Fragen des Abg. Walter: Niederländische Ausfuhrerstattung für Schlachtgeflügel Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 9736 A Wächter (FDP) . . . . . . . . 9736 B Dr. Ritz (CDU/CSU) 9736 D Reichmann (FDP) . . . . . . 9737 A Fragen des Abg. Dr. Stammberger: Erstattung einzeln nachgewiesener Kfz-Kosten des Arbeitnehmers . . . 9737 B Frage des Abg. Rollmann: Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission für eine Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Freizonen . . . . . . . 9737 B Frage des Abg. Dröscher: Nachteilige Wirkung der Mehrwertsteuer für Gebrauchtwagen auch auf den Fiskus Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 9737 C Dröscher (SPD) . . . . . . . 9737 D Ott (CDU/CSU) 9738 A Müller (Worms) (SPD) 9738 C Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Berlinhilfegesetzes (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache V/3019) — Erste Beratung — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abg. Burgemeister, Gewandt, Illerhaus Lampersbach, Müller (Berlin) u. Gen. betr. Lage und Erwartungen der Berliner Wirtschaft (Drucksache V/2970) Dr. h. c. Kiesinger, Bundeskanzler . 9694 C Franke (Hannover) (SPD) . . . . 9696 A Borm (FDP) 9696 D Schütz, Regierender Bürgermeister von Berlin 9698 B Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1968 III Burgemeister (CDU/CSU) . . . . 9701 B D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . . 9701 D, 9702 B Rasner (CDU/CSU) . . . . . . . 9702 A Große Anfrage der Abg. Majonica, Dr. Marx (Kaiserslautern), Kiep, Baron von Wrangel und Fraktion der CDU/CSU betr. Außenpolitik (Drucksachen V/2978, V/3016) Brandt, Bundesminister . 9702 C, 9764 C Dr. Gradl (CDU/CSU) 9706 B Dr. Eppler (SPD) . . . . . . 9709 A Mischnick (FDP) . . . . 9713 B, 9749 C Baron von Wrangel (CDU/CSU) . 9718 D Genscher (FDP) 9720 C Wehner, Bundesminister 9738 C Dr. Barzel (CDU/CSU) 9744 C Mattick (SPD) 9750 B Dr. Jaeger, Vizepräsident . 9753 D Petersen (CDU/CSU) 9753 D Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) 9755 B, 9766 D Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . . 9757 C Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 9758 D Freiherr von Gemmingen (FDP) . . 9761 A Dr. Birrenbach (CDU/CSU) . . . . 9761 D Prinz von Bayern (CDU/CSU) . . 9763 A Majonica (CDU/CSU) 9767 A Entwurf eines Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Richterwahlausschusses (Drucksache V/884) ; Schriftlicher Bericht des Vorstandes des Deutschen Bundestages (Drucksache V/2926) — Zweite und dritte Beratung — . . . 9767 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zolltarifgesetzes (Drucksache V/2923) — Erste Beratung — 9767 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 19. Mai 1967 mit der Republik Ghana über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksache V/2924) — Erste Beratung — 9767 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gasöl-Verwendungsgesetzes — Landwirtschaft (FDP) (Drucksache V/2814) — Erste Beratung — 9767 D Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, II. Teil — Finanzänderungsgesetz 1967 (Umdruck 330, Drucksache V/2903) . . 9767 D Nächste Sitzung 9768 Berichtigungen 9768 Anlagen 9769 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1968 9693 180. Sitzung Bonn, den 20. Juni 1968 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    Berichtigungen Es ist zu lesen: 174. Sitzung, Seite 9367 C, Zeile 6 statt wollte: mußte 178. Sitzung, Seite 9603 D, Zeile 7 statt bedenklich: unbedenklich Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Abelein 21. 6. Dr. Achenbach * 20. 6. Adorno 20. 6. Dr. Aigner * 20. 6. Frau Albertz 21. 6. Dr. Apel * 21.6. Arendt (Wattenscheid) * 20.6. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 21. 6. Dr. Artzinger * 21. 6. Bading * 20. 6. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 20.6. Bauer (Würzburg) ** 20. 6. Behrendt * 20.6. Bergmann * 20. 6. Dr. Burgbacher * 20.6. Corterier * 21. 6. Deringer * 21. 6. Dichgans * 20. 6. Diekmann 21. 6. Dr. Dittrich * 21. 6. Dröscher * 20. 6. Frau Dr. Elsner * 21. 6. Faller * 20. 6. Fellermaier * 20. 6. Dr. Frey 30. 6. Frieler 21.6. Dr. Furler * 20. 6. Frau Geisendörfer 21.6. Geldner 20. 6. Gerlach * 20. 6. Gscheidle 21. 6. Haar (Stuttgart) 21. 6. Haase (Kellinghusen) 21. 6. Hahn (Bielefeld) * 20. 6. Hamacher 1. 7. Frau Dr. Hubert 1. 7. Illerhaus * 20. 6. Dr. Imle 20. 6. Kiep 22. 6. Klinker * 20. 6. Kriedemann * 21. 6. Freiherr von Kühlmann-Stumm 20. 6. Kulawig * 21. 6. Kunze 1. 7. Kurlbaum 21. 6. Frau Kurlbaum-Beyer 22. 6. Lautenschlager * 21. 6. Lenz (Brühl) * 20. 6. Dr. Lindenberg 21. 6. Dr. Löhr * 20. 6. Lücker (München) * 20. 6. Mauk * 20. 6. * Für die Teilnahme an einer Tagung des Westeuropäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Beratenden Versammlung des Europarats Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Memmel * 20. 6. Metzger * 20. 6. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 20. 6. Dr. Müller-Hermann 21. 6. Riedel (Frankfurt) * 20. 6. Rösing 21.6. Dr. Rutschke ** 20. 6. Springorum* 20. 6. Dr. Starke (Franken) * 20. 6. Dr. Stecker 21.6. Steinhoff 1. 7. Stooß 21.6. Unertl 22. 6. Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell** 21. 6. Dr. Wahl ** 20. 6. Welke 21.6. Wienand 20. 6. Dr. Zimmermann 22. 6. b) Urlaubsanträge Frau Kleinert 28. 6. Koenen (Lippstadt) 30. 6. Dr. Sinn 30. 6. Anlage 2 Umdruck 496 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD zur Großen Anfrage der Abgeordneten Majonica, Dr. Marx (Kaiserslautern), Kiep, Baron von Wrangel und der Fraktion der CDU/CSU betr. Außenpolitik - Drucksachen V/2978, V/3016 - Der Bundestag wolle beschließen: 1. Die Friedenspolitik der Bundesregierung ist undenkbar ohne die Unterstützung durch Freunde und Verbündete. Daher fordert der Bundestag die Bundesregierung auf, sich weiterhin um die Festigung der westlichen Zusammenschlüsse auf wirtschaftlichem und militärischem Gebiet zu bemühen. 2. Der Bundestag billigt die von der Bundesregierung auf der Grundlage ihrer Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 geführte Politik des Friedens und damit auch der Verständigung mit allen Mitgliedern des Warschauer Paktes. 3. Eine europäische Friedensordnung ist nur zu erreichen, wenn alle Beteiligten bereit sind, ihren Beitrag zu leisten. Der Bundestag bedauert daher, daß die Friedenspolitik der Bundesregierung in einigen Hauptstädten Mittel- und Osteuropas nach wie vor mißverstanden, verzerrt dargestellt oder durch provokatorische Gegenmaßnahmen gestört wird. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf, sich dadurch nicht beirren zu lassen. Bonn, den 19. Juni 1968 Dr. Barzel und Fraktion Schmidt (Hamburg) und Fraktion 9770 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1968 Anlage 3 Schriftliche Erklärung der Abgeordneten Frau Dr. Wolf (CDU/CSU) zu Punkt 3 der Tagesordnung. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf die Frage, ob die Entwicklungshilfe fortgeführt oder sogar erweitert werden muß, erkennen lassen, daß sie der Entwicklungshilfe eine entscheidende Bedeutung für die Zukunft zuerkennt und ihr damit auch einen Vorrang in bezug auf finanzielle Fragen zuweist. Zur Begründung hat sie darauf hingewiesen, daß die Entwicklungshilfe ein Beitrag zur Sicherung des Weltfriedens sein soll, ein Mittel, um den großen Unterschied zwischen Armen und Reichen zu verringern, und ein Zeichen der Zusammenarbeit zwischen den Geberländern. Gleichzeitig wird die Entwicklungshilfe verstanden als Grundlage einer Partnerschaft zwischen Industrieland und Entwicklungsland, einer Partnerschaft, bei der in den Entwicklungsländern das Verständnis auch für unsere nationalen Probleme und Ziele geweckt und eine Unterstützung bei ihrer Durchsetzung vorbereitet wird. Diese Erklärung ist zu begrüßen, wenn sie auch auf die Gegenüberstellung der Notwendigkeit, Hilfe für die armen Länder zu geben und den dringenden Aufgaben im eigenen Land zu entsprechen, nicht eingeht. Dieser Gegensatz, den die Fragestellung andeutet und der in unserer Gesellschaft bis vor kurzem eine so große Rolle gespielt hat, besteht in Wirklichkeit nicht. Gerade das letzte Jahr hat gezeigt, daß eigene wirtschaftliche Schwierigkeiten in unserem Lande durch die Unterstützung an die Entwicklungsländer überwunden werden konnten. Aus dem Bericht der Bundesregierung über die deutsche Entwicklungshilfe im Jahre 1967, der der OECD für die Jahresprüfung in der vorigen Woche vorgelegt wurde, ergab sich, daß sich die deutschen Leistungen im Jahre 1967 so vermehrt hatten, daß sie das von der Welthandelskonferenz 1964 empfohlene Ziel, 1 % des Volkseinkommens jährlich für die Entwicklungshilfe zu verwenden, erheblich überschritten haben. Die öffentlichen Leistungen in Kapitalhilfe und technischer Hilfe haben zugenommen, aber die außerordentliche Steigerung liegt im Bereich der Privatwirtschaft, deren Nettoleistungen um 1,3 Milliarden DM zugenommen haben. Auf diesem Hintergrund ist es verständlich, daß bei der Prüfung in Paris in Gesprächen zu hören war, die Zeiten seien vorüber, in denen Notstandsarbeiten im eigenen Land über wirtschaftliche Krisen hinweghülfen, weil es jetzt Möglichkeiten eines weltweiten Ausgleichs gebe. Eine solche Verbindung zwischen eigenen Problemen und Bedürfnissen der Entwicklungsländer läßt sich vielleicht auch bei einer anderen dringenden Aufgabe in unserem Land herstellen. Ich denke an die Lage der Landwirtschaft, mit der wir uns in der nächsten Woche beschäftigen werden. In den letzten Monaten hat sich mehr und mehr die Ansicht durchgesetzt, daß die Hilfe für die Landwirtschaft heute Priorität in der Entwicklungshilfe hat. Diese Feststellung wird verständlich, wenn man daran denkt, daß in fast allen Entwicklungsländern mehr als 70 % der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig sind und die Entwicklung sicher auch bei ihnen ansetzen muß. Es besteht auch Übereinstimmung, daß unsere Unterstützung Hilfe zur Selbsthilfe sein muß. Die Menschen müssen lernen, wie sie ihre Landwirtschaft entwickeln und wie Fehler, die vor allem in der falschen Ernährung liegen, vermieden werden. Bisher hat man gemeint, daß eine unmittelbare Nahrungsmittelhilfe sich auf Katastrophenfälle beschränken sollte. Nach Gesprächen mit dem neuen Generaldirektor der FAO ist auch hier ein Umdenken notwendig. Die Nahrungsmittelhilfe muß darüber hinaus eingesetzt werden, um eine große Anzahl von Entwicklungshilfeprojekten überhaupt erst zu ermöglichen und die Menschen in den Stand zu setzen, die Neuerungen durchzuführen. Die Ansicht, daß diese Hilfe die Untätigkeit vermehren könnte, die jetzt weitgehend auf dem schlechten Gesundheitszustand beruht, ist wohl überholt. Es wird deshalb richtig sein, auch diese Frage im Blick auf die Interessen der Entwicklungsländer und unserer eigenen zu prüfen. In der Antwort der Regierung wird festgestellt, daß „unsere Entwicklungshilfe über unsere wirtschaftlichen und politischen Entfaltungsmöglichkeiten entscheidet" . Mir scheint, daß auch hier wieder die gesellschaftspolitischen Entfaltungsmöglichkeiten gleichwertig neben diesen anderen stehen. Wenn gesagt wird, „Entwicklungshilfe hat in den vergangenen Jahren das Bild entscheidend mitgeprägt, nach dem wir in der Welt beurteilt werden", so bedeutet das doch wohl an erster Stelle, daß dieses Bild abhängt von dem Verhalten der Menschen, die sich in den Entwicklungsländern oder auch bei uns begegnen. Das Geld oder auch die Produktionsmittel, die wir liefern, können nicht entscheidender sein als die Menschen, die nicht als Touristen, sondern als Berater, Gutachter und Entwicklungshelfer hinausgehen. Die Aufnahme des Fremden in unsere Gesellschaft wird das Bild prägen, das er später in seine Heimat zurücknimmt. Dieser menschlichen Begegnung, die sonderbarerweise unter dem Stichwort „technische Hilfe" in der Entwicklungshilfe erscheint, sollte von der Regierung weiter besondere Sorgfalt zugewandt werden, sie sollte mehr Aufmerksamkeit in unserer Gesellschaft finden; denn im Rahmen der Außenpolitik liegt hier ein besonderes Gewicht zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern. Es genügt nicht, jungen deutschen Menschen die Möglichkeit zu eröffnen, in einem Entwicklungsland zu arbeiten, wie es in dem Entwicklungshelfergesetz vorgesehen ist, das Entwicklungsdienst an die Stelle von Wehrdienst setzt. Es ist notwendig, daß die Phasen, Vorbereitung, Aufenthalt und Rückkehr, so sorgfältig beachtet werden, daß eine echte Partnerschaft entstehen kann. Ich möchte hier anmerken, daß heute unter den jungen Menschen, die sich für die Entwicklungshilfe zur Verfügung stellen, besonders viele aus Vertriebenen- und Flüchtlingsfamilien sind. Während wir uns große Sorgen, um die Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge gerade im gesellschaftspolitischen Bereich machen, haben Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1968 9771 diese jungen Menschen den Schritt in eine neue gemeinsame Zukunft gewagt. Entwicklungspolitik ist mehr als der Versuch eines Ausgleichs zwischen Reichen und Armen, auch wenn es manchmal bei uns so scheint, als ob sie auf diese wirtschaftlichen Fragen verengt werden sollte. Sie bedeutet auch sehr viel mehr, als Diskussionen unserer Studenten erscheinen lassen. Der Appell an die deutsche Jugend, von dem heute bereits gesprochen wurde, um ihr ein neues Ziel zu geben, ist in Wirklichkeit die Aufforderung zu einem Wettbewerb auf vielen Ebenen, einem Wettbewerb auch — im Sinne des Beginns dieser Diskussion — zwischen den Industrieländern mit unterschiedlichen Regierungs- und Wirtschaftsformen. Ich bin überzeugt, daß dieser Wettbewerb über unsere nationalen Aufgaben mitentscheiden wird. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Neef vom 31. Mai 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Budde (Drucksache V/2936, Fragen 48, 49 und 50) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen des von der EWG-Kommission ausgearbeiteten „Vorschlags einer Verordnung über die gemeinsame Marktorganisation für Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse" auf die Verbraucherpreise, namentlich bei Produkten, deren Nachfrage die EWG-Länder nur zu einem kleinen Teil aus eigener Produktion decken konnen? Trifft die Befürchtung zu, daß bei solchen in Frage 48 erwähnten Konserven — etwa Champignons, US-Pfirsische und Ananas — mit einer Preissteigerung von 50 % bis 100 % gerechnet werden muß? Ist der extreme Außanschulz, den der in Frage 48 erwähnte Vorschlag der EWG-Kommission gegenüber Drittländern vorsieht, nach Auflassung der Bundesregierung mit den Bestimmungen des EWG-Vertrages vereinbar, der sowohl die preisgünstige Versorgung der Verbraucher mit Nahrungsmitteln als auch die Pflege der traditionellen Handelsbeziehungen zu den bisherigen Lieferländern verlangt? Die Bundesregierung, wie übrigens auch die Regierungen anderer Mitgliedsländer, haben ihre Delegationen beauftragt, bei der Beratung in Brüssel für jedes einzelne Erzeugnis die Eigenerzeugung, die jährlichen Einfuhren und die Preisentwicklung feststellen zu lassen, weil sonst eine zuverlässige Beurteilung der Auswirkungen des Kommissionsvorschlages nicht möglich ist. Die positiven Erfahrungen mit der bereits am 1. 7. 1967 in Kraft getretenen Teilregelung für zukkerhaltige Zubereitungen aus Obst und Gemüse berechtigten zu der Annahme, daß mit einer Steigerung der Verbraucherpreise bei den übrigen Verarbeitungserzeugnissen, als Folge etwa einer umfassenden Handelsregelung, überhaupt nicht gerechnet zu werden braucht. Die Bestimmungen des vorliegenden Verordnungsentwurfes enthalten keinerlei Anhaltspunkte für die oft zu hörende Befürchtung, daß Preissteigerungen von 50 % oder gar 100 % eintreten könnten oder gar beabsichtigt seien. Im übrigen ist die Bundesregierung angesichts der unablässig sich ausweitenden Produktion von Obst- und Gemüsekonserven innerhalb und außerhalb der EWG-Gemeinschaft der Auffassung, daß der seit über 10 Jahren festzustellende Preisdruck auf diese Waren auch in Zukunft anhalten wird und daß daran auch irgendwelche Gemeinschaftsregelungen nichts ändern dürften. Immer wird das Angebot die Nachfrage bei weitem übertreffen. Außerdem enthält der Verordnungsentwurf der Kommission auch wesentliche liberale Bestimmungen, z. B. die Liberalisierung der Einfuhren aus Drittländern und den Verzicht auf jegliche Kontingentierung, so daß eine preisgünstige Versorgung der Verbraucher sowie die Pflege der traditionellen Handelsbeziehungen durchaus gesichert blieben. Preise für einige wichtige Obst- und GemüseKonservenarten 1/1-Dosen Durchschnittliche Durchschnittliche Einstandspreise Einzelhandelsverkaufs-Preise für Importware Champignons 2,80 / 4,20 DM 3,50 / 6,50 DM Pfirsiche 0,84 / 1,05 DM 1,18 / 1,85 DM Ananas 0,92 / 1,08 DM 1,30 / 1,80 DM Erbsen 0,72 / 1,28 DM 0,85 / 1,60 DM Bohnen 0,78 / 0,92 DM 0,95 / 1,30 DM Spargel 2,20 / 4,40 DM 3,75 / 7,25 DM Die Preisschwankungen beruhen auf unterschiedlichen Qualitäten, Art der Zubereitung (z. B. bei Ananas, Pfirsichen, Pilzen und Spargel: Scheiben, ganze / halbe Frucht, Stücke) und bei Erbsen auf der „Siebung", die von „extra fein" bis „Gemüseerbsen" reicht. Außerdem werden die Preise in den Einzelhandelsgeschäften maßgeblich von der Art des Geschäftes und seiner Lage bestimmt. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Leicht vom 31. Mai 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Dr. Tamblé (Drucksache zu V/2936, Fragen 118 und 119) : Welche Auswirkungen für die Wirtschaft in Schleswig-Holstein erwartet die Bundesregierung, wenn die dänische Regierung den Zollfreibetrag bei der Einfuhr von Waren aus der Bundesrepublik Deutschland kürzt? Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um die von der dänischen Regierung angekündigte Kürzung des Zollfreibetrages zu verhindern? Eine Kürzung des dänischen Zollfreibetrages würde sicherlich ungünstige Auswirkungen für die Wirtschaft Schleswig-Holsteins haben. Die dänischen Einkäufe im deutschen Grenzgebiet haben einen nicht geringen Umfang. Sie würden bei einer Kürzung des dänischen Zollfreibetrages sicherlich 9772 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1968 zurückgehen, was zu Umsatzeinbußen insbesondere des grenznahen Einzelhandels führen würde. Dänemark ist vertraglich nicht verpflichtet, an seinen gegenwärtigen nationalen Zollregelungen für Reisende festzuhalten. Im Jahre 1966 ist aber abgesprochen worden, daß sich die deutsche und die dänische Regierung vor etwaigen Einschränkungen der Zollvergünstigungen für den Reiseverkehr konsultieren. Solche Konsultationen sind für Juni in Aussicht genommen. Ich bitte um Nachsicht, wenn ich mit Rücksicht auf diese Gespräche davon absehe, auf Einzelheiten einzugehen.
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    Rede von Herbert Wehner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohl ich wohl davon ausgehen darf, daß der Bundesminister des Auswärtigen und der Bundeskanzler im Verlauf dieser Debatte noch zu einer ganzen Reihe jener Fragen und Bemerkungen selbst Stellung nehmen werden, muß ich jetzt doch einige Bemerkungen zu Ausführungen der Kollegen Mischnick, Genscher und ebenso von Wrangel und Gradl machen, nämlich soweit sie sich auf die Problematik der unbehinderten Zufahrtswege von und nach Berlin beziehen. Ich fürchte, das könnte im weiteren Verlauf der Debatte, die sich dann auffächern wird, unter Umständen zu kurz kommen, obwohl eigentlich diese Frage, um die es jetzt ging, durch das Vorzeichen, unter das diese Debatte gestellt ist — Ausgangspunkt war eine Große Anfrage, die offensichtlich erst einmal unter ganz anderen Gesichtspunkten entworfen werden konnte; dann hat sich aber die Debatte durch bestimmte Umstände, wie gesagt, weiterentwickelt —, eine erhebliche Rolle spielt.
    Ich denke, Sie werden es mir nachsehen, wenn ich wenigstens sage, daß ich als Minister für gesamtdeutsche Fragen zu manchen dieser Dinge, die hier mit der Berlin-Problematik, mit dem Berlinhilfegesetz und mit dem, was dazu angemerkt worden ist, zusammenhängen, eigentlich einiges sagen möchte: Aber das muß man sich bei dieser Fülle von Fragen natürlich leider verkneifen.
    Bei dem am 11. Juni dieses Jahres verkündeten und unverzüglich auch in Vollzug gebrachten Akt von Maßnahmen, die den Paß- und Visazwang und erhebliche Auflagen für den Personen- und Güterverkehr im getrennten Deutschland angehen, handelt es sich — ich möchte das noch einmal betonen, weil es in der Debatte ein wenig in Frage gestellt worden ist, wie sich das eine nun mit dem anderen reime — um die Verwirklichung einer lange gehegten Absicht.
    Was immer Sie sonst, meine Damen und Herren, die Sie sich dazu geäußert haben, davon meinen mögen — ob nun unsere Seite, wenn es sich um eine lange gehegte Absicht handelte, genügend rasch ihre Reaktionen habe eintreten lassen oder nicht —: wenn es darüber Meinungsverschieden-



    Bundesminister Wehner
    heiten gibt — und es gibt sie natürlich, wie man hat hören können —, so sollte doch damit nicht die Tatsache abgeschwächt werden, daß es sich um einen lange vorbereiteten Akt handelt. Denn seit einigen Jahren ist von dieser Notwendigkeit, und zwar mit verschiedener Betonung, immer wieder gesprochen worden.
    Hier haben wir einmal tatsächlich Schubladenverordnungen, die praktiziert werden, vor uns gehabt. Es ist pikant — aber das braucht man hier nur am Rande zu bemerken —, daß das von einer Seite geschieht, die umgekehrt versucht hat, mit dem Terminus „Schubladenverordnungen" sehr viel hier bei uns in Bewegung zu bringen.
    Der Herr Dickel, der dort für die DDR-Regierung in der Volkskammer diese Maßnahmen begründet hat, hat am Schluß seiner Begründung sehr betont gesagt: „Die Maßnahmen werden die Autorität der Deutschen Demokratischen Republik erhöhen." Autorität soll in diesem Zusammenhang verstanden werden als die Zuständigkeit, darüber zu befinden, unter welchen Bedingungen und in welchen Formen Reisen und der Transport von Gütern nach und von Berlin und innerhalb des getrennten Deutschlands vor sich zu gehen haben. Die Regierung, für die Herr Dickel das gesagt hat, leitet diese Zuständigkeit aus Abkommen ab, die sie mit der Sowjetregierung im September 1955 und im Juni 1964 geschlossen hat. Sie betrachtet sich als zuständig für die Regelung des deutschen Verkehrs. Das ist also der Sachverhalt, mit dem wir es zu tun haben.
    Ich hatte ja gesagt, welche Ausführungen mich veranlassen, von dieser Stelle aus einiges zu sagen. Man käme nicht weiter — und man käme den Dingen noch nicht einmal auf den Grund —, wenn man annähme, daß auf unserer Seite angekündigte oder vereinbarte Reaktionen unterblieben seien. Man käme auch nicht weiter, ich möchte nebenbei sagen: höchstens bestätigte man — und das würde dann in jedem Fall sicher ungewollt sein — die Tendenz der Propaganda der SED, wenn man die Frage, was eigentlich hätte getan werden sollen und nicht getan worden ist — wie es häufig gesagt wird —, zu einer Art Ausgangspunkt oder Schwerpunkt der Erörterungen machte.
    Ich nehme etwa eine Presseagenturmeldung zum Anlaß, die in breiterer Ausführung darstellt, waswie es so häufig heißt — gutinformierte Kreise in einer der großen westlichen Hauptstädte zu diesem Ereignis meinen. Da gibt es also etwa einen solchen Satz: Da die neuen Verordnungen jedoch den deutschen Zivilverkehr berühren, und da dieser Verkehr — wenn auch mit Störungen — weitergeht, überwiegt die Auffassung, daß es Sache der Bundesregierung sei, bei den Überlegungen über Gegenmaßnahmen den Ton anzugeben. — Ich halte das für eine durchaus nicht im Einklang mit den rechtlichen Tatbeständen stehende Interpretation, und sie ist um so böser in der Wirkung und um so bitterer — wenn man sich das überlegt —, als sie eben von einer der maßgebenden Hauptstädte sozusagen lanciert wird. Ich halte das nicht für die Meinung der dortigen Regierung und des Präsidenten. Der
    Herr Bundeskanzler hat ja hier die Botschaft des amerikanischen Präsidenten dankend erwähnt, und dazu besteht bei der Gesamtsituation zweifellos Anlaß. Aber Meinungen setzen sich ja häufig aus vielen Bestandteilen zusammen, und wenn man sich nicht rechtzeitig dazu äußert oder wenn man sich so äußert, wie ich es leider von vielen Kommentatoren hier gehört und gelesen habe, als sei dem so, dann, so muß ich sagen, wird die Sache sehr schwierig.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Denn dann leistet man etwas Vorschub, das so nicht gesehen werden muß und nicht gesehen zu werden braucht und auch nicht gesehen werden darf.
    In dieser Darstellung gab es dann — und das ergibt sich natürlich daraus, wenn man so ansetzt -eine bestimmte Überlegung; aber es ist eine Überlegung, zu der ich mich hier nicht breit äußern will, denn das trifft genau in das Gebiet hinein, über das hier der Bundesminister des Auswärtigen gesprochen hat, und ich nehme an, daß er auch noch einmal auf die in der Debatte dazu zum Vorschein gekommenen Meinungen zu sprechen kommen wird. Da heißt es nämlich: Wenn also in dieser Hauptstadt bei den laufenden Beratungen Bonn der Vortritt gelassen werde, so spiele dabei die Überlegung eine Rolle, daß es letztlich Sache der Bundesregierung sein müsse, die auf lange Sicht wesentliche Entscheidung darüber zu treffen, inwieweit sie ihre ganze Entspannungspolitik in Osteuropa durch weitgehende Gegenmaßnahmen mit einer neuen Hypothek belasten könne und wolle. Hier wird plötzlich alles auf den Kopf gestellt,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Genau!)

    so, als ob es unsere Sache sei, zu überlegen, ob wir Entspannungspolitik treiben oder nicht treiben wollen,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    obwohl klar ist: wir müssen sie treiben, wir wollen sie demgemäß auch treiben. Das ist eine nationale Existenzfrage. Und so sehen wir unsere Pflicht, in Europa in diesem so schwierigen Prozeß doch allmählich einander näher zu kommen, so daß wir diese Politik machen müssen. Das ist vom Bundeskanzler heute deutlich gesagt worden, das ist vom Außenminister deutlich gesagt worden.
    Hier plötzlich stehen die Dinge auf dem Kopf, so daß dann der Schluß einer solchen Darstellung — einer die Dinge völlig verzeichnenden Darstellung — darin bestehen kann: Die Hoffnungen, daß die geplanten alliierten Protestschritte in Moskau etwas Positives bewirken könnten, seien in jener Hauptstadt gering. Schluß. So sieht das dann aus.
    Ohne hier den einen oder anderen Kollegen, der sich mit Recht mit diesen Fragen herumplagt, anzusprechen — das wollte ich ein wenig zur Illustration dessen gesagt haben, was ich ausdrücken wollte, indem ich bemerkte: man kommt nicht weiter und man kommt nicht einmal den Dingen auf den Grund, wenn man annimmt, hier seien Versäumnisse zu rügen.



    Bundesminister Wehner
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Problematik liegt einmal darin, daß Viermächteabkommen und Viermächteregelungen in der Auslegung im Laufe der Zeiten gewissen Entwicklungen unterworfen sind, auf die man immer scharf aufpassen muß und zu denen man sich melden muß, weil man ja auch sozusagen in diesen Entwicklungen selber steht, dazu gehört und sie mit in Richtungen zu bringen versuchen muß, die für alle Beteiligten gut sind.
    Aber — da muß ich an etwas anknüpfen, was Herr Kollege Genscher sagte — es gibt einfach für uns kein Entweder-Oder, also nicht die. Möglichkeit, entweder an die Alliierten zu appellieren oder — ich habe es nur sinngemäß mitgeschrieben — den freiwerdenden, durch die drei oder durch die vier Mächte freigegebenen Raum mit deutscher Politik zu füllen. Ich sehe das nicht als eine mögliche Alternative des Entweder-Oder an.
    Dazu möchte ich noch einiges sagen. Proteste gegen die Maßnahmen selbst und gegen die etwa durch gepfefferte Gebühren unterstrichene bürokratische Anmaßung beantwortet die DDR-Regierung teils mit der Bemerkung, dergleichen pflege sich an allen Grenzen abzuspielen — und dann wird in Klammern dazugesagt, es liege ja bei uns, die kulanteste Form der Grenzübergangsregulierungen durch entsprechende vertragliche Regelungen zu erwirken —, und teils wird das mit dem höhnischen Hinweis darauf abgetan, daß es sich ja nur um papierene Proteste handele.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Jetzt komme ich wieder zu einer Bitte: auf unserer Seite dieses Schlagwort, das genau der Tendenz der Gegenseite entspricht, nicht in einer Weise zu strapazieren, daß sich die Gegenseite gewissermaßen bestätigt fühlt. Das hören Sie heute schon in den Sendungen von 904 — ich will dafür keine Schleichwerbung treiben, was Sie wohl verstehen werden.
    Die andere Seite scheint sich darauf zu verlassen, daß ihre eigene Papieraktion — diese Formularkrönung von Mauer und entsprechenden Trenngräben —, nämlich die Verursachung zusätzlicher Unbequemlichkeiten und zusätzlichen Ärgers mit Formularen und Gebühren, lediglich Einwände auf dem Papier von Protestnoten auslösen werde.
    Die Garantiemacht der DDR-Regierung, die Sowjetregierung selbst, zieht sich, wie man sieht, aus der Affäre, indem sie erklären läßt, die Verbindungswege nach und von Berlin seien ja nicht gesperrt, es handle sich lediglich darum, unter Beachtung welcher Bestimmungen und Formalitäten sie benutzbar seien; dafür aber sei eben die DDR-Regierung zuständig. Die Rechte der in Berlin residierenden und stationierten Truppen und Einrichtungen der drei Westmächte würden durch diese Maßnahmen im übrigen nicht berührt oder eingeschränkt. — Das etwa ist das, was die Sowjetregierung dazu sagt oder schreiben und sagen läßt.
    Diese Arbeitsteilung zwischen DDR-Regierung und Sowjetregierung entspricht den Sprachregelungen, die beide in den Abkommen von September
    1955 und von Juni 1964 getroffen haben, auf die man sich beruft. Der Streit darüber, ob die Sowjetregierung berechtigt sei, eigene Verpflichtungen in die Zuständigkeit der DDR-Regierung zu geben, wird wohl .und mag noch lange geführt werden. Die drei Westmächte haben sowohl 1955 als auch 1964 in bestimmter Form bestritten, daß die Sowjetregierung sich auf solche Weise Verantwortlichkeiten entziehen könne. Das haben sie auch jetzt neuerdings getan. Der Bundeskanzler hat mit Recht auf diese Erklärung zur Rechtslage von 1964 hingewiesen.
    Nun, es scheint eine Art Ermessensfrage zu sein — so sieht es für Dritte aus —, wann und ob man unter solchen Umständen von einer Berlinkrise sprechen könne. Ich will mich hier jetzt nicht in Schlagzeilen verfitzen. Die einen sagen, aus, es gebe keine; die anderen sagen, es werde keine geben. Nun, solange die beiden tatsächlichen Partner, die drei Westmächte auf der einen Seite, die Sowjetregierung auf der anderen Seite, sich der Auffassung hingeben, es geschehe ja im Grunde genommen nichts Schlimmes, nichts Schlimmeres jedenfalls, als daß die beiden deutschen Seiten sich über die Bedingungen stritten, unter denen der deutsche Verkehr, der also für sich genommen wird, sich vollziehe, so lang kann offenbar formal behauptet werden, es gebe keine Berlinkrise. Aber ich halte das für eine schwere, schlimme Selbsttäuschung unter Umständen aller Beteiligten,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    unter Umständen aller Beteiligten, bei den einen früher auf Grund dieser Erscheinung, bei den anderen später.
    Herr Kollege Genscher — wenn ich das mal eingeklammert sagen darf —, mich hat es sehr getroffen, als Sie — das war nicht in diesem Haus geschehen — im April einmal öffentlich vor Presse-vertretern sagten, diese Bundesregierung verberge eine sich entwickelnde schwere Berlinkrise. Die Begründung, die Sie damals geben ließen, war die bevorstehende Wahl in Baden-Württemberg. Das ist eine Behauptung, die nicht ohne Zurückweisung bleiben durfte. Hier geht ,es nicht darum, etwas durch Beschönigung oder dadurch, daß man es nicht zu schnell beim Namen nennt, ein wenig leichter zu machen, als es ist. Nein, ich möchte hier ganz klar sagen — jetzt wieder zurück auf das, was ich allgemein meine in bezug auf dieses formale Erklären, es gebe keine Berlinkrise oder es werde keine geben, und zu meiner Feststellung, das sei Selbsttäuschung —: schließlich werden sich alle, die das tun, dabei selbst täuschen; denn der Anspruch der DDR-Regierung auf Autorität in diesem Falle kann ja, wenn er in dieser Form hingenommen wird, wenn .er nicht zum Anlaß wirklich ernster nicht nur Überlegungen, sondern auch politischer Schritte der Beteiligten gemacht wird, für sich drastischer geltend gemacht werden. Er enthält schon die Elemente einer Krise, die gradweise gesteigert wird, jedenfalls gesteigert werden kann. Denn wenn jemand sagt, er erteile Visen, so sagt er damit auch, er erteilt sie, wenn er will, auch nicht. Wenn er bestimmt, wer sie mit welchen Ge-



    Bundesminister Wehner
    bühren bekommt, dann sagt er auch, wer sie nicht bekommt ungeachtet dessen, daß er die Gebühren zahlen würde, wenn er sie bekäme.
    In diesem Zusammenhang muß man die Rede sehen, auf die heute vormittag der Regierende Bürgermeister Schütz dankenswerterweise ausführlich zu sprechen gekommen ist, indem er sie hier sozusagen zu Protokoll gegeben hat, jene Rede des Staatsratsvorsitzenden Ulbricht vom 1. Dezember 1967 mit diesen eigentümlichen Definitionen, bezogen auf die Abkommen von 1955 und von 1964, aber mit dieser Zuspitzung. Diese Rede muß man in diesem Zusammenhang sehen.
    Der Herr Kollege Gradl hat heute morgen gesagt, Ulbricht verhalte sich so, als ob der Rechtsstatus Berlins in diesem Falle gar nicht existiere oder nicht mehr existiere. Es ist nicht meine Sache, Sie hier zu korrigieren. Aber ich finde, es ist noch raffinierter, wie es gemacht wird. Denn es gibt wiederholte Äußerungen, die gerade auch in der letzten Zeit zitiert werden, die DDR-Regierung habe das „Zugeständnis" gemacht, daß sie, solange die Verhältnisse so seien, wie sie seien, entsprechend den Abkommen von 1955 und 1964 den freien Zugang nach Berlin-West und umgekehrt den freien Ausgang von Berlin-West gewährleiste. Aber wie — dafür sei sie eben zuständig. Hier wird von einem „Zugeständnis" gesprochen.
    Nun, wenn man die Dinge nimmt, wie sie sind, muß man sagen: es sind nach keiner Richtung hin Wunder zu erwarten. Es ist unvermeidlich, daß sich alle Beteiligten darüber klar werden, wohin die Reise geht, wenn sich nicht alle Beteiligten aufraffen, für die Ordnung — ich meine: das Zueinander-Ordnen — zu sorgen, in der wenigstens vermieden werden kann, daß im Herzen Europas die Entwicklungen außer jeder Kontrolle geraten werden. Das ist das Entscheidende, auf das wir hinzuweisen haben und wofür wir, wenn es gut geht, die große, breite Mehrheit dieses unseres Volkes, gleichgültig, wo sie lebt oder leben muß, im Einvernehmen sich bewegen und auch äußern sehen möchten.
    In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal sagen: Das wiederholt bekräftigte Angebot des Bundeskanzlers im Brief vom 28. September 1967 ist ein Ansatzpunkt. Herr Genscher, Sie haben heute einige Male darauf hingewiesen; was ich gesagt habe, ist ja eine Interpretation jenes Briefes, in der Sie sogar die entscheidenden Begriffe finden, nämlich „zu Verhandlungen über ein gemeinsam zu entwerfendes" — also nicht von uns allein oder von denen aufgemutztes — „und gemeinsam zu verwirklichendes Programm" zu kommen, das — und da wird man ganz nüchtern und realistisch — wenigstens, solange die staatliche Spaltung dauert, die Bürde dieser Spaltung für unsere Menschen in ganz Deutschland erleichtern kann. Das ist ein Programm, das bis jetzt die Gegenseite nur polemisch öffentlich abzuwerten versucht hat.
    Der Bundeskanzler hat ja, wenn ich mich nicht irre, am 11. März in seinem Bericht über die Lage der Nation hier nicht nur die Sache noch einmal bekräftigt, sondern auch gesagt: Wenn es zu solchen Gesprächen und Verhandlungen kommt, dann würde dabei auch das Thema Gewaltverzicht seinen Platz haben und seine Rolle spielen können. Ich habe das neuerdings noch einmal weiterentwickelt gehört. Der Bundeskanzler hat bei seinem Besuch in Berlin offensichtlich eine Antwort darauf gegeben, wie es sich mit diesem Vorschlag vom vorigen Jahr weiter verhalte.
    Wenn es aber so ist, daß sich die beiden tatsächlichen Partnergruppen — jetzt einmal auf den Status von Berlin und Deutschland als Ganzes bezogen —, nämlich die drei Westmächte einerseits und die Sowjetregierung andererseits, weiter so verhalten, als berühre es sie nicht, was „die Deutschen" allein offensichtlich nicht zuwege bringen — so wird ja räsoniert —, dann muß man argwöhnen; sie ließen mit dem Feuer spielen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das ist die einzige Konklusion, die ich ziehen kann, wobei es sehr unterschiedliche Motive gibt, sogar gegensätzliche Motive, natürlich; hier soll nichts auf einen Nenner gebracht werden. Aber das kann nicht ungesagt bleiben.
    Der Herr Kollege Gradl hat heute morgen von einer Spirale gesprochen und er hat seiner Skepsis darüber Ausdruck gegeben, sich etwa darauf verlassen zu wollen oder zu können, daß das, was da im Vordergrund geschehe, schließlich nie ganz schlimm werden könne, weil im Hintergrund jemand stünde, der es schon verhindern werde. Diese Auffassung teile ich. Nur: Spirale! Hier haben wir es vielleicht mit einer Vorstellung zu tun, die einer alten Kampfregel aus dem ideologischen Arsenal dort entspricht. Sie besteht aus zwei Worten, dazwischen ist nur ein Strich und dahinter ein Fragezeichen: „wer — wen?" Der Herr Außenminister hat heute morgen einiges über „aktive Koexistenz" gesagt, und ich fand hochinteressant, was da im Zusammenhang mit den jugoslawischen Gesprächen gesagt worden ist. Hier haben wir aber eine andere Spielart, nämlich ein ganz hartes „Mal sehen, wer wen schließlich unter die Füße nimmt".

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    Darum geht es. Wenn man das aber so meint, dann kann sich niemand darüber wundern, daß wir um unserer Selbstbehauptung willen alles Erdenkliche friedlich in Bewegung setzen, damit sich niemand darüber täusche, daß hier mit Feuer gespielt wird und wer hier mit Feuer spielt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    So ist die Situation, daran kann man nichts ändern. Ich wollte Sie mit dem, was ich bisher gesagt habe, nur darauf aufmerksam machen, daß das eine völlig andere Art des Sichäußerns und des Den-vielen-Anfängen-Wehrens ist, als wenn man meint, es läge in unserer Hand, hier völlig umzusteigen auf eine andere Politik oder auf eine Politik, die nun einmal — ich habe es kürzlich so gesagt -auf einen Schelm anderthalbe setzen darf. Ich muß sagen, wenn ich in dem vielleicht nicht als ganz glücklich, von manchen als beleidigend empfunde-



    Bundesminister Wehner
    nen Wortbild bleiben darf: darüber würden sich die „Schelme" auf der anderen Seite wahrscheinlich sehr freuen — ich meine diejenigen, die damit gemeint sind.
    Ich muß nun auf Herrn Genschers Fragestellung zurückkommen, ob es sein Bewenden damit haben könne, entweder an die westlichen Alliierten zu appellieren oder den frei werdenden politischen Raum mit deutscher Politik zu füllen. Da muß man einmal das beachten, was die Gebildeteren und die Fachleute die Interdependenz von politischen Ereignissen nennen, und zum anderen muß man eines beachten: Ich teile nicht die Auffassung, Herr. Kollege Genscher, oder wer sonst immer sie noch haben mag, als sei da etwas, was vorher in Ordnung war, allmählich dünner geworden. Ich will kurz begründen, warum, Vielleicht kommen wir uns dann näher in der Frage, wie man nun operieren kann.
    In den Jahren 1955 und 1964 hat die Regierung der UdSSR mit einem Partner DDR-Regierung Abkommen geschlossen. Seit damals ist für uns das Problem, zu versuchen, zu einem modus vivendi zu kommen, nicht, weil wir das schlucken, was die da zubereitet haben, sondern weil es klar ist, daß das Anlaß nicht nur zu immer neuen Reibungen, sondern zu Schlimmerem geben wird. Ich weiß, daß das Wort „modus vivendi", auch wenn es aus der Sprache unserer französischen Freunde entnommen ist, wo es ja häufiger angewandt wird, bei uns nicht sehr beliebt ist. Damit ist es so wie mit dem Wort „Kompromiß", das bei uns auch nicht sehr beliebt ist. Es liegt unserem Naturell weniger. Aber 1949 hat es einen solchen Versuch gegeben. Ich habe mir ihn noch einmal angesehen. Damals hat man nach dem Abschluß einer Viermächte-Außenministerkonferenz zwar festgestellt, man sei nicht zu dem Ergebnis gekommen, das man eigentlich gern wollte, — es war sehr ehrenwert gesagt, sie wollten die Spaltung Deutschlands überwinden —; aber man sei dann übereingekommen, doch eine ganze Reihe von innerdeutschen Erleichterungen, die den Zusammenhalt oder Zusammenhang in Deutschland verbessern, jedenfalls nicht weiterem Verschleiß ausgesetzt sein lassen sollten, anzuregen, zu ermöglichen usw. Das ist ein heute noch interessantes Dokument, das damals von jeder der vier beteiligten Regierungen in ihrer Sprache auf ihren besonderen Pressekonferenzen, aber im Wortlaut völlig übereinstimmend bekanntgegeben wurde. Bei uns in der Bundesrepublik ist das erst sieben Jahre später, damals durch Jacob Kaiser, in einer Debatte des Deutschen Bundestages, ausgelöst durch eine Große Anfrage aller Fraktionen über die Lage im gespaltenen Deutschland, aufgegriffen und bedauert worden, daß aus diesem Versuch leider nichts entwickelt worden ist. Aber das war ein solcher, wenn auch von den anderen gemachter Versuch. Ich komme darauf zurück. Bei der Sachlage, die 1955/1964 durch diese Abkommen geschaffen worden ist, zu denen heute noch — Beispiel: die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers -brauchbare Erläuterungen bzw. Einsprüche der drei Westmächte vorliegen — ich will sie hier nicht wiederholen; die wesentlichsten Punkte sind hier genannt worden —, war es eigentlich deutsche
    Sache, nun hinter diesen Verwahrungen und hinter diesen Richtigstellungen der Alliierten, in diesem Fall der drei westlichen Alliierten, weiterzumachen. Das holen wir nicht mehr auf. Ich wollte das nur als eine von Ihrer Meinung abweichende Meinung sagen, Herr Kollege Genscher, als sei das eigentlich vorher fast oder ganz geordnet gewesen.
    Herr Mischnick hat auch ein so schönes Bild gebraucht von den Maßnahmen derer drüben, und wie es denn mit unseren stünde. Da habe ich mir notiert: „Deren Maßnahmen waren Schubladenverordnungen." Und bei uns? „Bei uns gab es auch Schubladenverordnungen, aber nicht, um etwas auszulösen, sondern um in schlimmen Fällen etwas abzuwehren, nämlich etwas weniger schädlich zu machen." Das war eine völlig andere Sache. Nur, die Verhältnisse sind nicht so. Da ist nichts versäumt, sondern hier hat sich offenbar in der Landschaft einiges geändert,

    (Abg. Dr. Barzel: Hört! Hört!)

    und das habe ich im ersten Teil meiner Ausführungen etwas darzulegen versucht.
    Ich will und muß mich nämlich auch gegen eine Betrachtung wenden, als versäume die Bundesregierung etwas, und zwar gerade die Bundesregierung, die 1966 mit ihrer Regierungserklärung angetreten ist, in der sie gesagt hat: Wir wollen Gräben nicht vertiefen oder erweitern, sondern wollen sie überwinden helfen. Wir wollen die Menschen drüben im anderen Teil Deutschlands nicht bevormunden. Wir haben auch erklärt, daß unsere Rechtsauffassung, unsere eigene Rechtsauffassung kein Hindernis sein wird, wenn es erforderlich ist, Regelungen
    zwischen Behörden im getrennten Deutschland zu treffen, wenn es sich dabei darum handelt, die Bürde der staatlichen Spaltung den Menschen zu erleichtern. Es ist nicht so, als ließen wir uns sozusagen etwas entwinden.
    Ich habe gar nichts dagegen zu sagen, wenn man hier extemporiert: Warum kann man die andere Seite nicht festhalten — oder als Anhaltspunkt benutzen, festzuhalten — an dem auch von ihr nun wiederholt betonten Begriff, daß wir eine Nation seien? Es steht ja neuerdings sogar in deren Verfassung, die am 9. April in Kraft gesetzt worden ist. Dabei dürfen wir nur, ,wenn wir reale Politik machen wollen — und darum geht es ja —, nicht außer acht lassen, daß sie, die das schreiben und die das sagen, dieser Nation ihre Einheit erst gönnen wollen, wenn diese Nation völlig mit ihrem Parteivorzeichen versehen ist. Das haben sie nicht einmal verhehlt in dieser Beziehung. Wir haben es hier mit einem Gegner zu tun, der das ganz brutal sagt. Ob er es dann kann — da habe ich nicht Zweifel, sondern da bin ich überzeugt: er kann das nicht. Da sind heute morgen einige interessante Betrachtungen, auf die ich mich jetzt nicht einlassen kann, angestellt worden, z. B. von Herrn Eppler über Entwicklungen auch bei uns — nicht nur bei uns, aber eben auch bei uns — im Hinblick auf die Vertretung und die Wahrung von nationalen Interessen.
    Nun, wir müßten bei der Gelegenheit noch manches machen. Ich habe mir z. B. Herrn Dickels Be-



    Bundesminister Wehner
    gründung angesehen. Hier ist heute morgen auf die Unwahrhaftigkeit jener Notstandsgesetz-Begründung eingegangen worden. Dazu brauche ich nicht noch ein Wort zu sagen. Aber da gibt es auch eine ganze Passage, die nicht nur Anstoß nimmt, sondern mit tierischem Ernst glaubhaft machen will, sie müßten das, was sie tun, machen, weil wir — —, und dann werden Gesetzblätter von uns und Bundestagsprotokolle zitiert, mit Seitenzahlen. Das ist auch etwas, was. uns verbindet; das ist sehr deutsch; bei den schlimmsten Sachen wird ganz genau zitiert: Zeile soundso, Unterziffer soundso. Da steht dann der „Inlandsbegriff". Der wird uns plötzlich um den Hals gehängt. Sachen, die hier gemacht werden, um Gräben nicht noch zu verbreitern, daß wir nämlich plötzlich Zollausland zueinander sind und daß plötzlich infolge von Entwicklungen der Eingliederung, der Integration in Wirtschaftsräume hier und in Wirtschaftsräume dort die staatliche und sonstige Trennung noch schlimmer wird, die werden uns plötzlich zum Vorwurf gemacht: das sei — wie nennen sie das? — „juristische Aggression". Nun gut, den Juristen kann man vieles anlasten.

    (Heiterkeit.)

    Hier wird ihnen also auch noch eine juristische Aggression angelastet. Wir müssen uns selbst die Mühe machen, ,da sich niemand diese Mühe macht. Ich habe nirgendwo im Fernsehen oder in der Presse oder sonst einmal gesehen, daß sich damit jemand eingehend und überzeugend befaßt. Es wäre so einfach. Ich scheue immer davor zurück, daß man das auch noch von der Regierung aus machen muß. Wo kommen wir denn eigentlich hin? Dassieht doch scheußlich aus, ist auch scheußlich, wenn die Auseinandersetzung, bei der es um die Selbstbehauptung unserer Nation auch im Zustande der Trennung geht, sozusagen immer nur ordiniert werden muß.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)


    (der Inlandsbegriff weder aggressiv gemeint noch gar juristische Aggression ist, sondern 'daß er den Sinn hat, dies nicht auch noch zum Zollausland werden zu lassen. Es gibt einiges, was dazu zu sagen wäre; ich wollte es nur angedeutet haben. Bei der Auseinandersetzung heute hat sich einer der Kollegen, die hier diskutiert haben — sich glaube, es war Herr von Wrangel —, in einer Erörterung mit anderen schließlich so geäußert: Nichtanerkennung, das sei nationale Sorgepflicht. Wasdamit .gemeint ist, stelle ich überhaupt nicht in Frage und in Zweifel; nur ist die Frage, ob wir auf die Dauer gut fahren, wenn wir uns die Begriffe der anderen einfach so aufzwingen lassen und die deutsche Politik dann dauernd zwischen von denen gepflanzten Begriffen hin und her gestoßen wird: Anerkennung oder Nichtanerkennung. Das ist so stupide, daß wir überhaupt nicht mehr dazu kommen, das, worum es wirklich geht, ins Visier zu nehmen. Es geht darum — sinngemäß. habe ich es noch im Ohr, wie es der Bundeskanzler gesagt hat —, daß eben eine Minderheit ihren Alleinherrschaftsanspruch, den sie ideologisch begründet — sie hat eine phantastische Ideologie dafür: sie ist der „Vollstrecker der Geschichte" —, gegen die Mehrheit des Volkes durchtrumpfen will. Das ist der wirkliche Tatbestand. Dadurch wird es für uns nicht leichter, aber man sollte es doch um Himmels willen ab und zu einmal sagen. Statt dessen winden wir uns immer in Qual, um den schrecklichen Vorwurf von uns wegzudrücken, wir hätten eine „Alleinvertretungsanmaßung", oder wie das heißt. Ich meine, wir brauchen trotz allem und obwohl wir jetzt erst offenbar mittendrin in einer sehr schwierigen Drift sind — da zeichnen sich schon weitore Dinge ab — dennnoch nicht fatalistisch zu sein. Wir dürfen 'aber nicht daran vorbeisehen, was unsere eigentliche Stärke ausmacht, ausmachen kann, das ist, daß wir auf unseren Wert als politische Kraft setzen, die ihre gesamte Politik leinschließlich der nationalen Kernfrage unserer deutschen Politik unter die Vorzeichen Frieden und Verständigung setzt. Da liegt unsere eigentliche Stärke, da haben wir, wenn wir ,es durchhalten, den längeren Atem. Da werden wir auch viele finden, die da sagen: Ja, hier sind wirklich Unruhestifter, es sind aber nicht die, die man so bezeichnet, sondern das sind andere. Und das wird ja dann nicht dabei stehenbleiben. Hier ist angeregt worden, einiges näher zu definieren, z. B. Sicherheitspolitik, Entspannungspolitik. Ich hätte dazu auch gerne einiges gesagt; aber es ist nicht meine Sache, obwohl es wirklich dringend ist. Ich glaube, daß wir da eine schwache Stelle haben. Herr Kollege Genscher, ich kam damals, am 5., nicht dazu, das weiterzuspinnen, weil ich unglücklicherweise erst am Ende -der dritten Lesung zu einigen der Fragen, die Sie und andere hier angebracht und entwickelt hatten, Stellung nehmen konnte. In den letzten vierzehn Tagen ist wieder sehr in den Vordergrund geschoben worden, als hinge jetzt fast alles in Europa davon ab, daß man so schnell wie möglich eine europäische Sicherheitskonferenz macht. Ich hatte damals gesagt: Lassen wir uns nicht hineindrängen; plötzlich stehen wir da und rutschen auf einem Sicherheitskonferenzgefälle ab. Da werden wir wahrscheinlich nicht gegensätzlicher Meinung sein. Worauf es ankommt, ist, eine Vorbereitung unsererseits auf das, was in diesem Zusammenhang von uns einzubringen ist — so verstehe ich das, was Sie sagen —, zu definieren und zugleich ein Am-Mann-Bleiben in der Diskussion. Wir haben doch bei allem, was uns nicht gefällt — dem einen gefällt das, dem anderen jenes nicht —, seit jener Debatte über die März-Note 1966 immer wieder gesagt: Wir müssen uns darauf einrichten — es war gar nicht unsere eigene Entdeckung; aber damals hatte der sowjetische kommunistische Parteitag entsprechende harte Konturen gezeigt, Konturen von einer Sicherheitskonferenz, und wie da das deutsche Problem untergebuttert werden sollte —, wir müssen uns zur Diskussion melden. Seitdem haben wir uns zur Diskussion gemeldet und sind in der Diskussion. Jetzt kommt eine schwierige Etappe Bundesminister Wehner dieser Diskussion, daß man versuchen will, wieder zu sagen: Nichts da Friedensordnung oder deutsche Frage, sondern eben Sicherheitskonferenz. Nun müssen wir uns selbst dazu entschließen, ohne daß wir je verschweigen dürfen und verschweigen müssen, daß es unserer Meinung und Überzeugung nach für Europa am besten sein wird, wenn auch endlich den Deutschen das, was in der einen Erklärung der Drei Mächte von 1964 geschrieben ist, das Selbstbestimmungsprinzip, gewährt wird. Ungeachtet dessen müssen wir immer sehen: Es wird noch lange auf Teiloder Zwischenlösungen ankommen. So sind eben sowohl die Kräfteverhältnisse als auch die Landschaft, die politische Landschaft, und denen müssen wir Rechnung tragen, wenn wir bestehen wollen. Ich wollte nur ganz eindeutig antworten, daß ich der Meinung nicht bin, nach der Sie gefragt haben, nämlich ob man meine, daß vertragliche Bemühungen unwirksam seien, weil man zu ihnen gar nicht käme; dann müsse man das offen sagen. Ich teile diese Meinung nicht. Ich bin der Überzeugung, daß wir nicht locker lassen dürfen, sondern solche Dinge immer wieder mit konkreten und passablen und einleuchtenden und nichts irgendwie ins falsche Licht bringenden Argumenten vortragen sollten. Wir sollten uns darum bemühen, und zwar überall, und sollten es auch überall erklären. Nur in einem Punkte, glaube ich, darf man nicht fatalistisch werden. Sie sagten: In allen Fragen, die Deutschland als Ganzes angehen, arbeitet die Zeit nicht für uns. Das ist in mancher Hinsicht sicher unbestreitbar. (Abg. Mischnick: Sie hat nicht für uns gearbeitet!)




    — Ja, ja. Wenn sie das nicht getan hat, wird sie es wahrscheinlich, so gesehen, auch in der nächsten Zeit nicht tun. Nur halte ich nicht sehr viel davon, daß man das zu seiner Erfahrungsregel macht. Allerdings - in dem Punkt würde ich Ihnen zustimmen —, man darf sich auf die Zeit nicht verlassen, so als glätte sich da etwas. In diesem Punkt also können wir sicher übereinstimmen.
    Im übrigen meine ich jedenfalls, daß im Herzen Europas die Probleme, auch nachdem so viel Zeit vergangen ist, nicht verjähren, Probleme, die darin bestehen und sich daraus ergeben, daß die Menschen hier anders als nur unter schrecklichen Kuratel- und Kujonen-Methoden leben wollen. Das wird ein Interesse auch westlicher, nördlicher, südlicher, östlicher Nachbarn sein, daß man hier geordnetere Verhältnisse des Miteinander-Lebens haben sollte. Das werden auch die jüngeren Generationen, auch wenn sie zum Teil jetzt ganz andere Sorgen und Probleme — oder keine Sorgen, sondern Probleme — haben, als ihre Probleme erkennen.
    Vielleicht, haben Sie gesagt, sei jetzt der Zeitpunkt, mit Vorschlägen für Verträge zu kommen. Ich halte das nicht für ausgeschlossen, daß es sich in diesen Entwicklungen jetzt als vorteilhaft und vielleicht notwendig erweist, zu sagen und auch zu
    schreiben: Jetzt haben wir das und das und das erlebt; jetzt sagen wir: das und das sollte geschehen.
    Meine Damen und Herren, das waren meine Bemerkungen; sie sind leider — ich bitte um Entschuldigung — breiter geworden, als ich es mir vorgenommen hatte. Aber ich dachte, sie sollten, bevor man sich nun wahrscheinlich anderen Themen zuwenden wird, doch gemacht worden sein.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Karl Mommer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Barzel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rainer Barzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gang dieser Debatte veranlaßt mich, entgegen der ursprünglichen Absicht, ein paar Sätze zu sagen, weil hier — vor allem in der vormittäglichen Debatte — einige Akzente, aber auch einige Mißverständnisse aufgekommen sind, die so nicht durch diese Debatte und die dann anschließende Sommerpause gehen können. Es wird außerdem deutlich — und dagegen ist gar nichts einzuwenden —, daß die Debatte, entgegen der formalen Tagesordnung und der vor einigen Wochen aus ganz anderer Landschaft und anderen Gründen eingebrachten Große Anfrage, immer wieder auf diesen Schwerpunkt unserer aktuellen Sorgen zurückkommt. Ich meine, daß das gut ist.
    Ich bin glücklich über das, was der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen hier soeben gesagt hat. Ich möchte erklären, daß wir dem zustimmen. Ich kann mich deshalb zu dem ersten Punkt, zu dem ich mich auf Grund des Ganges der Debatte äußern wollte, kürzer fassen, als ich das heute mittag dachte.
    Der erste Punkt ist folgender, und er ist vielleicht heute vormittag doch ein bißchen untergegangen. Der 'Herr Bundeskanzler hat in seiner sehr guten Erklärung folgendes gesagt, und ich möchte das noch einmal zitieren:
    Die Bundesregierung steht mit den drei verbündeten Regierungen in engster Verbindung; Konsultationen in der NATO sind im Gange. Wir müssen gemeinsam auf die Rücknahme der rechtswidrigen Maßnahmen der SED hinwirken. Die Sowjetunion, ohne deren Billigung Ostberlin nicht handeln kann, muß nachdrücklich auf die Gefahren einer Eskalation hingewiesen werden, falls sie den eingeschlagenen Weg fortsetzen sollte.
    Wir halten es für richtig, das noch einmal zu zitieren und in aller Form zu erklären, daß wir diesem so vom Bundeskanzler für die Regierung mit unserer Zustimmung formulierten Ziel zustimmen und bereit sind, alle Schritte zu unterstützen, die zur Erreichung dieses Zieles notwendig sind.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich habe Verständnis dafür — und meine Fraktion hat dies auch vorher in internen Beratungen, die, gestützt auf alle Fraktionen, vorausgegangen sind, erklärt —, daß hier heute nicht jede Methode,



    Dr. Barzel
    jeder Schritt und jede Maßnahme öffentlich erörtert werden können. Ich hoffe, daß wir insoweit alle einig sind. Wenn ich das so betone, dann deshalb, weil manche Akzente heute morgen — sowohl hier im Hause, wie aber auch draußen — mich ein bißchen besorgt gemacht haben. Hier wird zu viel geredet von „nicht mit derselben Münze heimzahlen", von „keine Schikanen als Antwort geben", von „sich nicht provozieren lassen", von „nicht in die Falle laufen" usw. Ich finde das alles schön und gut. Nur hoffe ich nicht, daß man hinter lauter solchen Vorschlägen, Bedenken und Unterscheidungen dann plötzlich im Grunde eine ganz andere Politik treibt, nämlich nicht die: das muß weg, sondern die: dann nehmen wir das mal hin. Es muß ganz, ganz deutlich werden, daß das hier nicht die Absicht ist, sondern daß wir der Regierung hier helfen.
    Ich glaube, daß Herr Kollege Wehner hier in der Frage: erst die Alliierten oder wir? einen guten Beitrag geleistet hat. Das kann man gar nicht auseinanderziehen. Man kann auch nicht sagen: Hannemann, geh du voran! Wir wissen, was wir aus eigener Kraft zu tun haben. Aber wir wissen auch, wie weit unsere praktische Möglichkeit reicht und wer wo angesprochen ist. Deshalb hoffen wir, daß diese Konsultationen — und wir haben ja einen gewissen Fahrplan heute morgen gehört — bald zum Ergebnis kommen. Wir werden das unterstützen, was daraus hervorgeht, und auch unseren Einfluß geltend machen, damit andere dem folgen.
    Meine Damen und Herren, wir wünschen hier auch heute nichts besonders zu unterstreichen, aber auch nichts irgendwie herunterzuspielen, wie das Wort heute so schön heißt. Wir wollen sagen, was ist. Die Verantwortlichen in Ostberlin usurpieren ein Recht, usurpieren Rechte, nehmen sie in Anspruch, widerrechtlich in Anspruch, die ihnen gar nicht zustehen, sondern die den Alliierten zustehen. Wer das hinnehmen wollte der würde damit hinnehmen, daß diese Rechte erodieren, daß sie verrosten, daß sie weniger werden, daß sie im Laufe der Jahre abbröckeln. Wer das heute hinnimmt — das ist auch vom Kollegen Wehner sehr deutlich gesagt worden —, der muß sich eben darauf einrichten, daß dann hier vielleicht eine Eskalation eintritt. Wir haben das ja schon gesehen, daß wir zur vorigen Woche noch gesagt haben: Wer sich zumutet, ein Visum erteilen zu können, wird es auch verweigern, und da könnte man ja sortieren. Das ist ja schon passiert. Der Journalist Conrad und andere sind nicht durchgekommen, und das sind ja doch wohl keine freien Zugangswege. Das ist schon ein Schritt mehr. Das ist nicht nur die Befürchtung von der vergangenen Woche, sondern das sind Fakten acht Tage später. Ich fürchte, wenn hier nicht etwas passiert in der Richtung, wie die Bundesregierung es sagt, wird es eben eskalieren. Und wenn wir heute das Thema so auf die Tagesordnung bringen, dann nicht, weil wir die Eskalation wünschen, sondern weil wir wünschen, daß das gestoppt wird, damit hier nicht eine Eskalation passiert,- meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich meine, man sollte auch noch — und dies allerdings ganz ruhig — sagen: Wer das jetzt hinnimmt — ich habe den Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen eben auch so verstanden, daß er diese Besorgnis hat; er hat es sehr vorsichtig angedeutet, ich will es etwas deutlicher sagen —, der wird manche Folge in der innenpolitischen Landschaft in Deutschland erleben. Das muß man doch einfach sehen. Es fühlen sich nicht alle Deutschen so völlig umhegt und umpflegt von allen unseren Freunden in dieser Situation. George Ball hat ja am 17. Juni ein sehr deutliches Wort gesagt. Ich will es hier nicht zitieren. Man soll uns aber nicht zugleich vorwerfen, daß sich hier vielleicht etwas in eine Rechtsaußenrichtung entwickelt, wenn nicht genügend deutlich wird, daß das gar nicht nötig ist, weil man das eben mit Freunden auch und besser erledigen kann.
    Ich möchte neben diesem ersten Abschnitt auch noch einen anderen Punkt aufgreifen. Meine Damen und Herren! In der Vordebatte hat, wie ich glaube, Herr Kollege Genscher, etwas sehr Kluges gesagt. Er hat gesagt, es gehe hier nicht nur um alliierte Rechte — das ist unstreitig —, sondern es gehe auch — und das finde ich eben sehr gut — um deutsche Rechte. Meine Damen und Herren, wir würden doch uns und unser Lebensrecht in Frage stellen, wenn wir den Ausgangspunkt verlören. Der Ausgangspunkt ist dies: Dies ist ein Land, dieses Deutschland. Nach dem Willen der Siegermächte besteht es fort als eine Einheit. Wir wünschen in diesem eigenen Lande, wo wir zu Hause sind, zu reisen und uns zu bewegen, wie es uns zukommt. Das ist unser Recht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das soll doch nicht irgendwie vergessen werden. Wenn wir das andere täten, würden wir uns ja auf den rechtsphilosophischen Standpunkt stellen, den die Sowjetunion, die Kommunisten haben, daß nur noch das erlaubt ist, was ausdrücklich fixiert ist. Ich glaube, freiheitliche Staaten und auch die Charta der UNO gehen von dem Gegenteil aus.
    Meine Damen und Herren, ich sage als Letztes — und ich glaube, das sind wir unseren Freunden in Berlin schuldig —: Wenn der Regierende Bürgermeister von Berlin am freien Zugang von und in seine Stadt verhindert wird, dann ist dies kein verbaler Verstoß gegen den freien Zugang, sondern das ist ein realer Verstoß; er kann sich nicht bewegen, wie das an sich sein sollte. Und das ist dann nicht mehr nur eine Frage, ob hier Zugangsrechte verletzt sind, sondern hier sind sie dann verletzt, und zwar nicht verbal oder in der Befürchtung, sondern in den Realitäten. Das muß man, glaube ich, festhalten. Und wer nicht schlimmere Realitäten erleben will, wer nicht sehen will, daß dann vielleicht, wenn ich so sagen darf, unser Ende der Salami immer knapper wird, der muß, glaube ich, jetzt verstehen, daß wir in deutlicher Weise, wie dies auch die Regierung getan hat, wie dies vor allen Dingen die vorzügliche Erklärung des Herrn Bundeskanzlers heute morgen getan hat, wirklich



    Dr. Barzel
    kämpfen um ein Stück der Lebensrechte unserer Nation.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das werden wir, glaube ich, durchzusetzen haben. Das war das erste.
    Das zweite. In dieser Debatte ist unsere Haltung tin der Frage der Nichtverbreitung atomarer Waffen nicht ganz richtig in die Debatte von anderen eingefügt worden. Ich möchte deshalb, weil wir eine gewisse parlamentarische Pause vor uns haben und damit sich hier nichts in der Offentlichkeit entwickelt, etwa an falscher Meinung oder gar an Krisen, an Mißverständnissen oder an außenpolitischen Geschichten, für meine Freunde in aller Form unsere Position sehr deutlich machen. Ich hoffe, es gelingt, sie so deutlich zu machen, daß jeder, der sie dann immer noch anders darstellt, es eben bewußt, böswillig oder uniformiert tut.
    Wenn ich mich recht erinnere, ist der Gedanke eines gewissen, mindestens politisch-geistigen gedanklichen Zusammenhangs zwischen Zugang nach Berlin und Nichtverbreitungsvertrag atomarer Waffen zum erstenmal von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister für seine Person geäußert worden. Bitte, das ist ein interessanter Gedanke. Wir haben diese Fragen unter uns diskutiert, und ich kann für uns folgendes sagen: Wir sind gegen ein Junktim in dieser Frage. Wir sind gegen dieses Junktim aus einem ganz einfachen Grunde. Die Zugangsrechte braucht man nicht erst einzuhandeln oder bestätigen zu lassen; sie sind nämlich da, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

    Hier kommt es auch nicht darauf an — ich sage gleich etwas dazu, Herr Mende —, eine neue Behörde zu schaffen. Das, worauf es ankommt, ist vielmehr, die vorhandenen Rechte alltagswirksam zu garantieren. Das ist das Problem, meine Damen und Herren.
    Herr Kollege Mende hat heute vormittag meinem Freund Olaf von Wrangel eine Frage gestellt. Das führt dann dazu — ich will sehr höflich sein —, daß falsche Eindrücke über vergangene Etappen unserer gesamtdeutschen Entwicklung entstehen. Er hat Herrn Kollegen von Wrangel gefragt und so den Eindruck geweckt, als hätten wir, nämlich die CDU/CSU, im Jahre 1962 einen Vorschlag, eine internationale Zugangsbehörde zu schaffen, kaputtgemacht. Es ist ganz richtig, daß das bei uns keine große Begeisterung fand, zum Beispiel aus dem Grund, den ich Ihnen eben sagte, aber auch aus vielen anderen Gründen. Aber die Wahrheit ist, daß wir gar nicht vor die endgültige Frage gestellt wurden, weil nämlich vorher die Sowjetunion gesagt hat: Das kommt überhaupt nicht in Frage, denn diese Bundesrepublik Deutschland hat in Berlin und mit Berlin und mit den Zugangsrechten nichts zu tun. Ich bitte, die TASS-Erklärung vom 11. Mai nachzulesen, die wir über Mittag herausgesucht haben.

    (Beifall in der Mitte. — Zuruf von der CDU/CSU: Das wußte Herr Mende nicht!)

    Das ist das eine.
    Nun zu der Sache, damit hier keine Mißverständnisse aufkommen. Der Herr Bundesaußenminister hat auch von dieser Frage gesprochen, und ich möchte ihm, da ja dieses Haus weggeht und die Fraktionen dann auch nicht so erreichbar sind, wie wir das brauchten, zunächst noch einmal bestätigen, daß wir hinsichtlich der Kriterien, nach denen wir unser endgültiges Votum zum Nichtverbreitungsvertrag abgeben werden; völlig übereinstimmen. Es sind die Kriterien, Herr Kollege Brandt, die Sie selbst für die Bundesregierung mit unserer Zustimmung am 27. April 1967 von dieser Stelle aus genannt haben. Ich möchte, damit dies ganz vollständig ist, diese Punkte eben noch einmal aus dem Protokoll über die damalige Regierungserklärung zitieren. Es heißt dort:
    Wir haben Maßstäbe aufzustellen versucht, an denen wir selbst einen universellen Nichtverbreitungsvertrag zu messen haben. Dabei ging es im wesentlichen um vier Fragenkomplexe:
    erstens die ungehinderte Nutzung der
    Kernenergie zu friedlichen Zwecken,
    zweitens eine deutliche Verbindung zu allgemeiner Abrüstung,
    drittens Gewährleistung der Sicherheit und
    viertens keine Beeinträchtigung regionaler — in unserem Fall: europäischer — Einigungsbestrebungen. .
    Das sind die vier Kategorien; sie gelten für uns fort. An Hand dieser werden wir dann unser Urteil bilden.
    Das Zweite, was zu sagen ist, ist heute morgen durch eine Zwischenfrage meines Freundes Birrenbach an Herrn Mischnick deutlich geworden. Ich will es noch einmal sagen, damit es hier im Zusammenhang steht und jeder weiß, was wir dazu meinen. Ich meine die Frage des Zeitpunkts, zu dem man hier vielleicht votieren muß.
    Da ist erstens darauf hinzuweisen, daß es vor der Behandlung im Senat der USA und vor völliger Klarstellung und Offenlegung der Interpretationen natürlich gar nicht möglich ist, ein sachliches Urteil abzugeben.
    Da ist zweitens natürlich — es wird für die Bundesregierung sicherlich förderlich sein, wenn ich dies heute erkläre — Rücksicht auf die verabredete Konferenz der nichtmilitärischen Atommächte zu nehmen, die, wenn ich richtig unterrichtet bin, etwa im September stattfinden soll.
    Das bedeutet aus unserer Sicht, daß heute und für die ganze Periode der Sommerpause kein Anlaß für dieses Haus besteht, für seine Ausschüsse, für seine Fraktionen oder für die Bundesregierung, die Meinung in dieser Frage zu verdichten oder gar diese Verdichtung durch Entscheidungen zu publizieren.

    (Abg. Rasner: Sehr richtig!)

    Das ist unsere Meinung bezüglich des zeitlichen Ablaufs.
    Nun, meine Damen und Herren, das Dritte, das mit dem, was wir die politische Landschaft nennen, zusammenhängt. Da ist es vielleicht ganz gut, Herr



    Dr. Barzel
    Kollege Mischnick, wenn ich einfach zitiere, was wir gesagt haben, damit das hier völlig unmißverständlich im Protokoll steht und niemand zu suchen braucht, sondern alles zusammen hat.
    Am 14. Juni — vorigen Freitag —, als unser Fraktionsvorstand wegen der Berliner Dinge zu einer Sondersitzung zusammenkam, haben wir ein Kommuniqué verabschiedet; das tun wir nicht sehr häufig. In dem Kommuniqué heißt es — ich möchte mit Genehmigung des Herrn Präsidenten jetzt zitieren —:
    Die Frage, welchen Einfluß die Rechtswidrigkeiten der Verantwortlichen in Ostberlin, die offensichtlich mit Zustimmung Moskaus gehandelt haben, auf die Haltung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum Atomwaffensperrvertrag haben werden, wird weiter erörtert werden. Es wurde darauf hingewiesen, daß eine deutsche Unterschrift unter diesen Vertrag einen großen Vertrauensvorschuß für die atomaren Mächte beinhalten würde, von denen eine sich gerade in diesem Augenblick unter Mißbrauch ihrer Macht über alliierte Vereinbarungen und seit langem geltende Regelung hinwegsetzt.
    Welcher Pariot würde diese Frage nicht aufwerfen?
    Dann hat der Herr Bundeskanzler — der Bundeskanzler dieser Koalitionsregierung — am 17. Juni eine Fernsehansprache gehalten. Ich zitiere aus dieser Ansprache:
    Ein Instrument der Politik des Friedens soll der Atomsperrvertrag sein. Um so wichtiger ist es, daß der Vertrag uns, die wir bereits früher auf atomare Waffen verzichtet haben, Schutz vor der möglichen Bedrohung und Erpressung durch atomare Mächte gewährt. Was am 11. Juni geschehen ist, ist aber gerade, daß die Sowjetunion einem nicht legitimierten, an Streit und Hader interessierten Regime ein Instrument der Drohung und Erpressung in die Hand gegeben hat.
    Soweit das Zitat des Herrn Bundeskanzlers. Das ist ein Satz, den man dem eigenen Volk schuldig ist. Ich bin dankbar dafür, daß der Kanzler diesen Satz und gar nichts weiter, diesen Tatbestand dargestellt hat. Das, glaube ich, sollten wir hier gebührend würdigen, und ich tue dies in aller Form für unsere Fraktion.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Nun kommt noch ein Zitat. Das kommt nur deshalb, weil Herr Kollege Eppler heute morgen dargetan hat, daß — das war soweit richtig — natürlich durch diesen Vertrag, was die militärische Seite angeht, für uns gar nichts Neues passiert. Das war, glaube ich, Ihre Einlassung. Das Neue ist nur, daß wir eine Verpflichtung auch der Sowjetunion gegenüber eingehen. Deshalb möchte ich, meine Damen und Herren, eben auch noch folgendes hier sagen. Dieser Vertrag würde bedeuten, daß eine freiwillig unseren Freunden gegenüber übernommene Verpflichtung nun auch dem potentiellen Gegner gegenüber übernommen wird. Das ist etwas Neues.
    Wir wollen nicht vergessen, daß, als wir 1955 diese Erklärungen abgaben, sie in einem Gesamtzusammenhang mit einem Vertragswerk und einer Politik standen, die uns Souveränität und Partnerschaft gebracht haben. Daran darf man auch erinnern, wenn jetzt etwa eine Verpflichtung in einer anderen Richtung übernommen werden sollte.
    Deshalb frage ich mich, ob es — so habe ich am 17. Juni in Berlin gesprochen, und das haben wir veröffentlicht; also auch das, Herr Kollege Mischnick, hätte jedermann zugänglich sein können — erstens verantwortbar ist, einer Macht gegenüber solche Verbindlichkeiten einzugehen, die sich über unsere Rechte hinwegsetzt; zweitens, ob es verantwortbar ist, einer Macht gegenüber solche Verbindlichkeiten einzugehen, die sich ,immer noch auf die uns diskriminierenden Art. 53 und 107 der UNO-Charta beruft; und drittens, ob dies die politische Landschaft ist, die den Vertrauensvorschuß, welcher ein solcher Vertrag der Großmacht Sowjetunion gegenüber darstellt, rechtfertigt.
    Die Fragen zustellen, halte ich für richtig. Zu welchem Ergebnis wir unter Berücksichtigung der vier Kriterien und des Zeitplanes und der sonstigen Dinge kommen werden, kann zu dieser Stunde keiner sagen. Aber ich hoffe nicht, daß irgendeiner, nachdem nun völlig klar ist, wie unsere Position in dieser Frage ist, versuchen wird, durch irgendwelche publizistischen oderanderen Mittel die Meinungsbildung über Gebühr zu beschleunigen oder voranzutreiben, während wir hier nicht versammelt sind.
    Der dritte Problemkreis, zu dem ich etwas sagen möchte — auf Grund mancher Erklärungen sowohl von Herrn Mischnick wie auch von Herrn Eppler, aber auch von anderen —, ist die Frage: „Entspannungspolitik fortsetzen?" . Nun, meine Damen und Herren, wir haben mit ,der sozialdemokratischen Fraktion zusammen einen Antrag in drei Punkten eingebracht, und es kann hier gar kein Zweifel sein, daß wir gemeinsam diese Politik fortsetzen, ob wir sie nun Entspannungspolitik oder Friedenspolitik nennen. Ich erinnere mich, Herr Eppler, daß Sie einmal von dieser Stelle aus gesagt haben, das sei eigentlich zu unnuanciert, Sie hätten eine viel bessere Sache; ich komme gleich darauf zurück, weil es eine Formel ist, die wir offensichtlich unabhängig voneinander gefunden haben.
    Aber, meine Damen und Herren, es geht nicht nur um diese Frage. Es geht natürlich auch darum, die Voraussetzung dessen, was hier Entspannungspolitik genannt worden ist, zu pflegen, d. h.: unsere Lebensrechte als Volk und Nation und 'die der deutschen Hauptstadt und .aller Menschen zu wahren und zu verteidigen:

    (Beifall bei ider CDU/CSU.)

    Das gehört doch mit dazu, und das sollte eigentlich hier auch nicht strittig sein. Ich will aber auch gleich nicht nur sagen — damit nicht nachher in den nächsten Wochen hier wieder die Märchen anfangen, so mit „Bremsen" und ähnlichen Geschichten —, daß wir diesem Antrag heute abend die Zustimmung geben werden, und nicht nur leinfach sagen: wir werden diese Politik fortsetzen. Das ist mir im Hin-



    Dr. Barzel
    blick auf das, was öffentlich behauptet wird und was ja von manchem Pressedienst behauptet wird, nicht wahr, und sogar von manchem Pressedienst unserer Koalitionsfreunde behauptet wird, meine Damen und Herren, nicht genug. Deshalb will ich es ein bißchen konkretisieren.
    Es hat mir imponiert, Herr Kollege Wehner, daß Sie hier sehr deutlich den Unterschied herausgearbeitet haben zwischen dem, was man in Belgrad die „aktive Koexistenzpolitik" nennt — und das ist eine gute Sache —, und der Tatsache, daß in Deutschland noch „wer wen" herrscht, nicht wahr, die Rivalität und der Versuch eben — wenn wir das sagen, heißt es, wir sind kalte Krieger —, doch das ganze Deutschland unter kommunistischen Vorzeichen wieder zusammenzubringen. Nicht wahr: das ist doch „wer wen?" auf deutsch. Das ist hier also eine andere Lage.
    Wir erklären in aller Form — und jetzt komme ich auf Sie zurück, Herr Kollege Eppler —: Wir wünschen, in ganz Europa — und dies schließt Deutschland ein — von der Konfrontation zur Kooperation zu kommen. Ich glaube, meine Damen und Herren, und das sollte auch noch mit dem Blick auf das, was Ulbricht jetzt gemacht hat, eigentlich einmal gesagt werden, folgendes: Wer die Zeichen der Zeit sieht — vielleicht interpretiere ich sie falsch, doch ich glaube schon, wir interpretieren sie miteinander so und richtig — und wer genau zuhört, was junge Menschen im Westen und im Osten sagen, der wird wohl dem Satz zustimmen, daß dieses Europa dabei ist, sich zusammenzufinden, daß mindestens die Völker es leid sind, gegeneinander zu stehen oder gar gestellt zu werden und daß sie mehr mit einander leben wollen, daß sie eben — und das hat der Herr Außenminister heute morgen, wie ich glaube, in seinen Zitaten aus Belgrad sehr gut mitgeteilt —, nicht Hegemonie wollen, sondern gleichberechtigte Zusammenarbeit, daß sie Partnerschaft oder eben Frieden wollen. Ich glaube, diese Perspektive ist für Europe erkennbar. Wenn sie erkennbar ist, dann wollen wir uns darauf nicht nur einrichten, sondern dann wollen wir alles tun, was in unserer Kraft steht, um das zu beschleunigen, denn da haben wir vielleicht die Chance, eben auch unsere Probleme mit hereinzubringen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Ich glaube, wenn wir heute an dieser Stelle im Anblick dieses Unrechts, das uns geschehen ist, diesen Willen betonen, dann hat das seinen Rang. Wir wollen uns hier nicht in eine falsche Ecke treiben lassen, weil Herr Ulbricht versucht, auch dadurch uns hier zu bremsen. Nein, nein, diesen europäischen Aspekt, zur Kooperation zu kommen, werden wir uns von den Leuten in Pankow nicht irgendwie kaputtmachen lassen, und wir werden auch keinen Wettlauf im Hause zulassen. Das Bremserhäuschen mag man uns andichten, aber es stimmt nicht! Wir sind hier — und ich werde das in einem Punkt noch sagen — nicht etwa in einer passiven, sondern seit langem in einer aktiven Rolle.
    Ich meine — das gehört zwar heute nicht hierher, aber unser Anlaß für diese Große Anfrage war ja damals die Situation junger Menschen, und deshalb darf ich hier noch einen Satz dazu sagen —: junge Menschen, die diese Unruhe für das ganze Europa suchen und die sich da engagieren, die tun das, was für ihr eigenes Leben, für ihre eigene Zukunft und für uns alle miteinander das schlechthin Entscheidende ist. Ich glaube, das ist die Unruhe, die wir brauchen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Damit es ganz konkret ist, will ich noch einmal fünf Punkte bezeichnen; es geht ganz schnell.
    Erstens. Wir bleiben bereit, die Politik der Gewaltverzichte fortzusetzen, die Politik, die zum Ausdruck kam in der Friedensnote des früheren Bundeskanzlers Erhard, den ich aus anderem Anlaß hier jetzt ganz besonders herzlich begrüße: zwanzig Jahre Deutsche Mark gehören auch in dieses Kapitel.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich glaube, wir wären in mancher auch außenpolitischen und gesamtdeutschen Frage nicht so weit, wenn das Geld nicht so gut ware, das hinter unserer Politik steht. Wir sind bereit, diese Politik fortzusetzen. Wir sehen darin ein Fundament für eine mögliche europäische Friedensordnung. Ich bin dankbar, daß Kollege Wehner diese Unterschiede noch einmal klargemacht hat. Sicherheit ist nicht das alleinige Thema, sondern Unterkapitel des großen Kapitels „Europäische Friedensordnung", die nur dann zustande kommt, wenn unsere Probleme mit dabei sind. Ein Sicherheitssystem auf der Basis des Status quo, ja auf der Basis der Rechtsbrüche in Deutschland, das ist nicht das Ganze, das ist auch nicht das, was genügt. Was wir brauchen, ist eine Friedensordnung; ich werde dazu gleich noch ein Wort sagen. Wenn so ein Fundament entstünde, wäre natürlich eine Landschaft — aber sonst auch gar nicht, erst dann — für Rüstungsbeschränkungen und ähnliche Dinge vorhanden.
    Das Zweite, was ich sagen möchte: wir sind bereit — und ich glaube, das sollte man heute sagen —, Freizügigkeit herzustellen für alle Europäer, für alle Ideen, für alle Waren. Wir haben — nicht für die Fraktion, aber in einer interessanten Debatte — vorgeschlagen, auch den Handels- und Zahlungsverkehr in ganz Europa von den bilateralen Grenzen zu befreien, ihn multilateral, d. h. europäisch, zu machen. Wir sind bereit, die Freizügigkeit in ganz Europa herzustellen. Ich habe den Eindruck, das ist das, was junge Menschen in Paris und in Prag und sonstwo und in Moskau wollen:' Freizügigkeit der Menschen, der Waren, der Ideen, Freizügigkeit in diesem ganzen Europa — und das kann Berlin und das kann Deutschland nicht ausschließen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das Dritte. Wir sind bereit — das hat der Bundeskanzler wirklich, ich möchte beinahe sagen, unendlich oft von dieser Stelle aus gesagt, und das haben auch seine Vorgänger gesagt —, mit unseren östlichen Nachbarn wie mit unseren westlichen auf friedlichem Wege und aus dem Geist der Verständigung endgültige Regelungen aller strittigen Fragen zu suchen und zu finden. Das geht nicht dadurch, daß man auf das geltende Recht und politisch wirk-



    Dr. Barzel
    same Rechtstitel verzichtet, sondern das geht nur dadurch, daß man neues Recht schafft. Das friedliche Zusammenleben von Menschen und von Völkern ist nur auf der Basis des Rechtes möglich. Und Recht entsteht für Demokraten nur auf eine einzige Weise, nämlich durch mehrheitliche Zustimmung der Beteiligten. Damit haben wir ein fundamentales Prinzip für eine Friedensordnung gefunden. Ich glaube, daß wir darin übereinstimmen.
    Das Vierte, was ich sagen möchte, ist folgendes. Der Herr Bundesaußenminister hat es heute besonders unterstrichen, und wir stimmen ihm darin zu: auch wir wünschen nicht, daß sich die Bundesregierung beirren läßt, von dem Weg abzugehen, in den innerdeutschen Dingen weiterzukommen zu versuchen. Die Angebote des Herrn Bundeskanzlers, die bisher von denen drüben nicht nur ausgeschlagen, sondern in der Art und Weise beantwortet worden sind, wie wir das hier jetzt erleben, bleiben trotzdem auf dem Tisch. Wir sind bereit, die Not der Spaltung zu mildern. Der Katalog dessen, was hier möglich ist, ist von dem Bundeskanzler von dieser Stelle aus vorgetragen worden. Dieser Katalog hält sich im Rahmen der deutschen Kompetenzen. Die Zugangsrechte nach Berlin sind, soweit sie rechtlich fixiert sind, alliierte Rechte. Wir haben im Deutschland-Vertrag die Vorbehalte der Alliierten für Deutschland als Ganzes und Berlin förmlich akzeptiert. Das ist also nicht eine bilaterale innerdeutsche Sache. Ich glaube, das ist klar. Es gehörte an diese Stelle, diese Unterscheidung noch anzufügen.
    Das Fünfte ist — auch das kann gar nicht streitig sein —, daß wir natürlich bereit sind, mit allen europäischen Nachbarn voll normale Beziehungen aufzunehmen.
    An uns liegt es nicht — das sollte man noch einmal sagen; damit komme ich zurück, und auch gleich zum Schluß, auf das, was Herr Ulbricht hier versucht —, an uns liegt es nicht, wenn kein Frieden in Mitteleuropa und in ganz Europa ist. Wir haben unsere Hand ausgestreckt, und sehr viele in den mittel- und osteuropäischen Ländern haben sie schon angenommen, manche wollen und die meisten werden diese Hand ergreifen. Nur Herr Ulbricht versucht, das zu verhindern. Aber ich glaube, damit ist er ein Vorgestriger unserer Zeit. Ich habe das Gefühl, er kämpft eigentlich wie ein Ertrinkender gegen diese Perspektive eines neuen Europa, die da zustande kommt. Sicher ist nur eines: Die Zeichen der Zeit stehen auf Veränderung, und auch in Deutschland wird dieser Status quo der Verhärtung auf die Dauer nicht bleiben können.
    Wir wollten diese drei Punkte klarstellen, damit auch in den kommenden Wochen nicht Mißverständnisse über unsere Haltung bleiben können.
    Ich danke dem Präsidenten, daß er mich zwischendurch an die Reihe genommen hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)