Rede von
Erwin
Schoettle
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Wir kommen nun zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Ich rufe die Fragen 30 und 31 des Abgeordneten Corterier auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Parteienfinanzierung vom 19. Juli 1966 notwendig ist — vor allem im Hinblick auf eine Gleichheit der Chancen — für Abstimmungsvorbereitungsorganisationen, die an Volksentscheiden nach Artikel 29 des Grundgesetzes aktiv mitwirken, Regelungen im Sinne des Parteiengesetzes vorzusehen, zumal da Artikel 20 des Grundgesetzes ausdrücklich von „Wahlen und Abstimmengen" spricht?
Hat die Bundesregierung bereits Vorstellungen, in welcher Weise die Finanzierung oder Bezuschussung der an den Abstimmungen beteiligten Organisationen mit Bundesmitteln erfolgen kann?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Benda vom 19. April 1968 lautet:
Ich teile nicht die Auffassung, daß es nach denn Parteienfinanzierungsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Juli 1966 notwendig ist, für Abstimmungs-Vorbereitungsorganisationen, die an Volksentscheiden nach Art. 29 GG mitwirken, dem Parteiengesetz entsprechende Kostenerstattungsregelungen vorzusehen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung ausdrücklich ausgeführt, daß in einer Demokratie sich die Willensbildung vom Volke zu den Staatsorganen vollziehen müsse. Der Prozeß der Meinungs- und Willensbildung des Volkes habe daher grundsätzlich „staatsfrei" zu bleiben. Einwirkungen der gesetzgebenden Körperschaften und von Regierung und Verwaltung auf diesen Prozeß seien nur dann mit dem demokratischen Grundsatz der freien und offenen Meinungs- und Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen vereinbar, wenn sie durch einen besonderen, sie verfassungsrechtlich legitimierenden Grund gerechtfertigt werden könnten .
Das Bundesverfassungsgericht sieht lediglich in der besonderen verfassungsrechtlichen Stellung der politischen Parteien für die Wahlen einen derartigen Grund, der die Erstattung der Wahlkampfkosten legitimieren könne. Im Gegensatz zu den einzelnen Bürgern und vor allein Verbunden, Gruppen und Vereinigungen, die neben den Parteien am Prozeß der Meinungs- und Willensbildung teilnehmen , scion die Parteiei politische „Kreationsorgane" sowie vornehmlich Wahlvorbereitungsorganisationen (BVerfGE 20, 56 1107, 113]). Aus Art. 21 in Verbindung mit Art. 38 GG sowie dein Bundeswahlgesetz ergäbe sich, daß den Parteien bei der Willensbildung des Volkes durch Parlamentswahlen eine Vorrangstellung gegenüber den Verbänden zukommt (BVerfGE 20, 56 [14]).
Da die Parteien diese Sonderstellung indessen nur bei der Willensbildung des Volkes durch Parlamentswahlen einnehmen, lassen sich die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze nicht auf Volksentscheide nach Art. 29 GG übertragen, zumal es sich dabei nicht um Wahlen und die Kreation von Staatsorganen handelt. Bereits in seinem Urteil vom 11. Juli 1961 hat das Bundesverfassungsgericht zwischen der Bedeutung von Wahlen und von Volksbegehren und Volksentscheid unterschieden und festgestellt, deß letztere auch ohns besondere Vereinigungen ablaufen könnten, die sich ihre Veranstaltung zum Ziel gesetzt haben -, Demzufolge kommt solchen Abstimmungs-Vorbereitungsorganisationen auch keine besondere verfassungsrechtliche Stellung zu. Weder Art. 29 GG noch das Gesetz über Volksbegehren und Volksentscheid bei Neugliederung des Bundesgebietes vom 23. Dezember 1955 (BGBl. I S. 835) enthalten Anhaltspunkte, die insoweit für eine Vorrangstellung der Parteien oder sonstiger Abstimmungs-Vorbereitungsorganisationen gegenüber einzelnen Bürgern, Gruppen oder Verbänden sprechen und eine staatliche Kostenerstattung des Werbeaufwandes dieser Organisationen verfassungsrechtlich rechtfertigen könnten. Auch aus Art. 20 Abs. 2 GG, der zwischen Wahlen und Abstimmungen unterscheidet, läßt sich Gegenteiliges nicht herleiten.
Zufolge der vorstehenden Auffassung bestand für die Bundesregierung kehr Anlaß, Überlegungen über die Art und Weise der Finanzierung oder Bezuschussung derartiger Organisationen anzustellen.
Nun die Frage 32 des Abgeordneten Gscheidle:
Zu welchem Zeitpunkt wird die Bundesregierung nach den neuen Richtlinien für die Aufstellung des Ortsklassenverzeichnisses Orte, die die Voraussetzungen der Richtlinien erfüllen, höherstufen?
Die Frage wird auch im Einvernehmen mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Bundesministers Benda vom 19. April 1968 lautet:
Nach § 13 Abs. 2 des Bundesbesoldungsgesetzes ist die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Ortsklassenverzeichnis bei Änderung der tatsächlichen Verhältnisse in Abständen von zwei Jahren zu ändern und zu ergänzen. Auf Grund der von einer besonderen Kommission erarbeiteten Richtlinien für die Aufstellung des Ortsklassenverzeichnisses vom 18. Juni 1965 haben die Länder für 514 Orte eine Höherstufung nach Ortsklasse S vorgeschlagen. Die hierfür beim Bund, den Ländern und Gemeinden benötigten Mittel von damals jährlich insgesamt rund 140 Mio DM konnten wegen der schwierigen Haushaltslage im Rechnungsjahr 1966 nicht bereitgestellt werden.
In der Folgezeit wurden die für Besoldungsverbesserungen zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel für vordringlichere Maßnahmen der Besoldungsneuregelung benötigt. Wie sich aus der Begründung zuni Entwurt des Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetzes ergibt, soll dem Gesetzgeber für die dritte Stufe der Besoldungsneuregelung die Beseitigung der gegenwärtigen Ortsklasseneinteilung vorgeschlagen werden. Im Hinblick hierauf beabsichtigt die Bundesregierung nicht, vor der Entscheidung des Gesetzgebers eine nochmalige Änderung des Ortsklassenverzeichnisses vorzunehmen.
Ich rufe die Frage 33 des Abgeordneten Kahn-Ackermann auf. Ist der Abgeordnete anwesend? -
Er ist nicht anwesend. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Kahn-Ackermann auf. Diese Frage wird ebenfalls schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 35 des Abgeordneten Schmidt auf. Ist der Abgeordnete Schmidt (Kemp-ten) anwesend? — Er ist nicht anwesend. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Der Abgeordnete Dr. Hofmann stellt die Fragen 36, 37 und 38:
Warum war bei den Unruhen in den letzten Tagen in der Bundesrepublik Deutschland die Polizei der Länder nicht in jedem Falle in der Lage, das Eigentum der Burger dieses Staates genügend zu schützen und das grundgesetzlich garantierte Recht der Pressefreiheit in jedem Falle durchzusetzen?
Ist die für die Ordnung und Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland zuständige Polizei der Länder nach Meinung der Bundesregierung genügend und der Zeit entsprechend modern ausgerüstet, um solchen Vorkommnissen in der Zukunft besser begegnen zu können?
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß den Studenten die Unterstützung gemäß dem Honnefer Modell durch den Staat zu entziehen sei, die nachgewiesenermaßen an den Brandstiftungen, Sachbeschädigungen, Körperverletzungen usw. im Rahmen der Unruhen in den letzten Tagen als Täler im strafrechtlichen Sinne beteiligt waren?
Bitte, Herr Staatssekretär!