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    Deutscher Bundestag 165. Sitzung Bonn, den 2. April 1968 Inhalt: Überweisung von Vorlagen der Bundesregierung an die zuständigen Ausschüsse 8607 A Amtliche Mitteilung 8607 B Erweiterung der Tagesordnung 8607 B Vereidigung des neu ernannten Bundesministers des Innern D. Dr. Gerstenmaier, Präsident 8607 C Benda, Bundesminister 8607 D Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1968 (Haushaltsgesetz 1968) (Drucksache V/2150); Berichte des Haushaltsausschusses — Zweite Beratung — Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und Bundeskanzleramtes (Drucksache V/2704) Dr. h. c. Kiesinger, Bundeskanzler 8608 A Scheel (FDP) 8614 B Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 8624 D Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) 8630 C Mischnick (FDP) 8638 C Dr. Althammer (CDU/CSU) 8640 D Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksache V/2705) in Verbindung mit Beratung des Schriftlichen Berichts des Auswärtigen Ausschusses über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Griechenland (Drucksachen V/1989, V/2608), mit Beratung des Schriftlichen Berichts des Auswärtigen Ausschusses über den von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Antrag betr. Entschließungen des Aktionskomitees für die Vereinigten Staaten von Europa (Drucksachen V/2157, V/2801) und mit Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Vietnam-Frage (Umdruck 386) Kiep (CDU/CSU) 8644 A Genscher (FDP) 8647 C Dr. Eppler (SPD) 8651 B Peters (Poppenbüll) (FDP) 8653 C Hermsdorf (SPD) 8653 D Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) 8654 A, 8662 D Herold (SPD) 8655 B Blumenfeld (CDU/CSU) 8656 B Jung (FDP) 8658 A Dr. Kopf (CDU/CSU) 8658 D, 8663 D Mattick (SPD) 8660 C Dr. Mommer (SPD) 8662 C Weitere Abwicklung der Tagesordnung Scheel, Vizepräsident 8664 A Rasner (CDU/CSU) 8664 B Mertes (FDP) 8664 C Nächste Sitzung 8664 D Anlagen 8665 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. April 1968 8607 165. Sitzung Bonn, den 2. April 1968 Stenographischer Bericht Beginn: 14.32 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete() beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Achenbach 2. 4. Arendt (Wattenscheid) 2. 4. Dr. Artzinger * 5. 4. Bading * 2. 4. Bauer (Wasserburg) 5. 4. Berendsen 6. 4. Borm 5. 4. Dr. Brenck 5. 4. Diekmann 3. 4. Draeger *** 7. 4. Dröscher * 2. 4. Dr. Eckardt 5. 4. Frau Dr. Elsner 6. 4. Frau Enseling 3. 4. Faller 2. 4. Flämig *** 7. 4. Dr. Frey 30. 6. Freiherr von Gemmingen 2. 4. Hahn (Bielefeld) * 6. 4. Hamacher 6. 4. Hirsch 5. 4. Hörmann (Freiburg) 2. 4. Frau Dr. Hubert 1. 7. Jacobi (Köln) 2. 4. Dr. Jaeger 7. 4. Kahn-Ackermann ** 2. 4. Frau Klee ** 2. 4. Klinker * 5. 4. Dr. Kreutzmann 5. 4. Kriedemann * 2. 4. Freiherr von Kühlmann-Stumm 5. 4. Kunze 1. 6. Lemmer 6. 4. Lenz (Brühl) 31. 5. Lenze (Attendorn) *** 7. 4. Dr. Löhr * 4. 4. Dr. Marx (Kaiserslautern) 4. 4. Mauk * 5. 4. Frau Meermann 5. 4. Metzger * 5. 4. Müller (Aachen-Land) * 5. 4. Neumann (Stelle) 2. 4. Riedel (Frankfurt) 2. 4. Dr. Rutschke ** 2. 4. Sander 2. 4. Schultz (Gau-Bischofsheim) 2. 4. Dr. Schulz (Berlin) ** 3. 4. Dr. Süsterhenn 5. 4. Dr. Starke (Franken) * 2. 4. Stein (Honrath) 5. 4. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Beratenden Versammlung des Europarats *** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Steinhoff 15. 5. Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell 6. 4. Wienand 5. 4. Anlage 2 Umdruck 386 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1968, hier: Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksachen V/2150 Anlage, V/2705). Der Bundestag wolle beschließen: Das Lebensinteresse des vietnamesischen Volkes verlangt Waffenruhe und Frieden als Voraussetzung der Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Dazu gehört die Bereitschaft aller Beteiligten, auf eine militärische Lösung des Konflikts zu verzichten und eine politische Regelung anzustreben. Der Bundestag stellt fest: Ein Verzicht der Vereinigten Staaten von Amerika auf eine militärische Lösung würde unser Vertrauen in die Garantie der USA, ohne die es keine Sicherheit für Europa, die Bundesrepublik Deutschland und Berlin gibt, nicht berühren. Der Bundestag tritt für die Einstellung der Bombenangriffe auf Nordvietnam ein. Es sollte keine Chance ungenutzt bleiben, zu Friedensverhandlungen zu kommen; erwartet von der nordvietnamesischen Regierung, daß sie einen solchen Schritt positiv beantwortet. In gleicher Weise appelliert der Bundestag an die Volksrepublik China und an die UdSSR, eine Beendigung des Krieges durch die Bereitschaft zu Verhandlungen auf der Grundlage des Genfer Indochina-Abkommens zu fördern. Der unerklärte Krieg in Südostasien hindert den weiteren Abbau der Spannungen zwischen Ost und West. Er birgt die Gefahr einer Ausweitung. Deshalb liegt der Friede in Vietnam auch im unmittelbaren europäischen und deutschen Interesse. Der Deutsche Bundestag begrüßt das politisch-moralische Engagement besonders der jungen Generation unseres Landes in dieser Frage. Er grenzt sich ab gegen links- und rechtsextreme Kräfte in der Bundesrepublik, die sich in einem primitiven Antiamerikanismus zu überbieten suchen und durch ihre Forderung nach „vielen Vietnams" eine Weltkatastrophe heraufbeschwören. Solange die Kriegshandlungen fortgesetzt werden, sind die Deutschen aufgerufen, zur Linderung der menschlichen Not des seit Jahrzehnten unter den Verheerungen des Krieges leidenden Volkes in beiden Teilen Vietnams beizutragen. Bonn, den 2. April 1968 Schmidt (Hamburg) und Fraktion 8666 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. April 1968 Anlage 3 Umdruck 389 Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1968, hier: Einzelplan 05, Auswärtiges Amt (Drucksachen V/2150, V/2705). Der Bundestag wolle beschließen: Der Ansatz in Kap. 05 02 Tit. 964 — NATO-Verteidigungshilfe und Ausrüstungshilfe — wird gestrichen. Bonn, den 2. April 1968 Mischnick und Fraktion Anlage 4 Umdruck 388 Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1967, hier: Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksachen V/2150 Anlage, V/2705) . Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag stellt fest, daß eine Politik der Entspannung und des Friedens für Europa dann erleichtert wird, wenn es gelingt, Frieden und Entspannung auch in anderen Teilen der Welt zu fördern. Die anhaltende Eskalation des Krieges in Vietnam ist geeignet, die internationalen Spannungen zu verschärfen und die Gefahr eines dritten Weltkrieges heraufzubeschwören. Ziel der Lösung des Vietnam-Konfliktes muß sein: Schaffung einer dauerhaften Friedensordnung für Vietnam, die auch dem vietnamesischen Volk das Recht auf Wiedervereinigung seines Landes und das Recht auf Selbstbestimmung ohne die Anwesenheit ausländischer Truppen auf vietnamesischem Boden garantiert. Zur Erreichung dieses Zieles erscheint notwendig: 1. Die Aufnahme von Verhandlungen zwischen allen am Konflikt beteiligten Parteien, 2. die Einstellung dier Bombardierung Nordvietnams, 3. die Einstellung aller Operationen nordvietnamesischer Streitkräfte auf südvietnamesischem Gebiet. Die Bundesregierung wird aufgefordert, in Vietnam auch in Zukunft ausschließlich humanitäre Hilfe ohne Ansehen der Parteien zu leisten und darüber hinaus den Beteiligten keine direkte oder indirekte Unterstützung zu gewähren. Bonn, den 2. April 1968 Mischnick und Fraktion Anlage 5 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs von Hase vom 29. März 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Dr. Bayerl (Drucksache V/2564 Fragen 27, 28 und 29 1): Ist der Bundesregierung bekannt, daß nach Pressemeldungen eine Pioniereinheit der Bundeswehr im Jahre 1959 „zufällig" auf dem Gelände des ehemaligen Fort Haslang im Raume Ingolstadt, das der Münchner Architekt Maier vom Freistaat Bayern käuflich erworben hatte, geübt und das Gelände eingeebnet hat, obwohl in unmittelbarer Nähe annähernd gleichwertiges Übungsgelände, das dem Freistaat Bayern gehört, zur Verfügung stand? Warum wurden für die in Frage 27 aufgeführten Planierungsarbeiten auf dem Privatgrundstück des Architekten Maier keine Kosten erhoben? Trifft es zu — wie der Donaukurier in seiner Ausgabe vom 27, Januar 1968 behauptet —, daß im Jahre 1959 die Bundeswehr im gleichen Raume 3 Millionen DM aufgewendet hat, um das Gelände des ehemaligen Fort Oberstimmen, auf dem heute die Kasernen des Geschwaders AG 51 Immelmann stehen, einebnen zu lassen? Die Pressemeldungen treffen in der durch die Frage wiedergegebenen Form nicht zu. Im Jahre 1959 hatte die leichte Pioniergerätekompanie 762, Ingolstadt, die örtliche Bundesvermögensstelle gebeten, ihr Bundesgelände für die Durchführung von Lehrgängen für Pioniermaschinen-Ausbildung zur Verfügung zu stellen. Als Begründung für diesen Antrag wurde angeführt, daß im Raume Ingolstadt kein geeigneter Übungsplatz für diese Zwecke vorhanden sei. Der Kompanie wurde daraufhin das bundeseigene Gelände dies ehemaligen Forts Haslang zugewiesen. Es wurden dort nicht nur Planierungsarbeiten, sondern auch andere Ausbildungsvorhaben mit Pioniermaschinen, wie Ausbaggern und Ausheben von Kampfständen, durchgeführt. Von dem Verkauf ides Geländes an den Münchner Architekten Maier erhielt die Kompanie erst etwa 2 Monate nach dem Eigentumswechsel Kenntnis. Der neue Eigentümer gestattete die weitere kostenlose Benutzung, worüber der Kompanie-Führer sehr froh war, weil diese Zusage die Durchführung weiterer Lehrgänge ermöglichte. Auch nach dem Verkauf erstreckten sich die Ausbildungsvorhaben auf Planierungsarbeiten und den Bau von Kampfständen usw. Das Gelände Fort Oberstimmen wurde durch Großbaufirmen im Auftrag der Oberfinanzdirektion München baureif gemacht. Die Kosten betrugen nach den Abrechnungsunterlagen dier Finanzbauverwaltung DM 984 970,—. Fort Oberstimmen war ein Außenfort in Gestalt eines etwa 25-30 m hohen Hügels mit mehrstöckigen Kasematten. Ein Einsatz von Pionieren war nicht möglich, weil gemäß den Bestimmungen über wirtschaftliche Einsätze Truppen der Bundeswehr nur zu Bauzwecken herangezogen werden dürfen, wenn auf öffentliche Ausschreibengen keine Angebote eingehen. Diese Voraussetzung war hier jedoch nicht gegeben. *) Siehe auch 157. Sitzung, Anlage 11 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. April 1968 8667 Anlage 6 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. h. c. Strauß vom 29. März 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Zebisch (Drucksache V/2753 Frage 29) : Welche Gründe hindern die Bundesregierung daran, die sogenannte Investitionssteuer für besonders industriearme Räume des Grenzlandes und bestimmte Arten von Betrieben zu senken, wo doch eine Wettbewerbsgleichheit, die Staatssekretär Leicht als Gegenargument anführt (vgl. Stenographischer Bericht über die 157. Sitzung, S. 8150 D) in diesen Gebieten zum übrigen Bundesgebiet hin ohnehin nicht gegeben ist und eine Senkung bzw. Streichung der sog. Investitionssteuer in diesen Gebieten auch nach Auffassung von Staatssekretär Dr. Arndt (vgl. Stenographischer Bericht über die 156. Sitzung, S. 8022 D) als konjunktur- und regionalpolitisches Instrument sehr geeignet wäre? In der Schriftlichen Antwort auf die Mündliche Anfrage des Kollegen Hofmann (Kronach) — Stenographischer Bericht über die 157. Sitzung, S. 8150 D — hat mein Parlamentarischer Staatssekretär Leicht dargelegt, daß eine Senkung der Steuer für den Selbstverbrauch nach § 30 UStG 1967 (sog. Investitionssteuer) in den Zonenrandgebieten dem Grundgedanken der Umsatzsteuer als einer allgemeinen Verbrauchsteuer widerspräche und außerdem gegen die Wettbewerbsneutralität der neuen Umsatzsteuer verstoße. Da die Herstellung der Wettbewerbsgleichheit auf dem Gebiet der Umsatzbesteuerung einer der wichtigsten Gründe war, die zur Umsatzsteuerreform führten, erscheint es nicht angebracht, durch Ausnahmeregelungen erneute Wettbewerbsverzerrungen zu schaffen. Im übrigen dient die Besteuerung des Selbstverbrauchs in den Jahren 1968 bis 1972 der stufenweisen Einführung des sofortigen Vorsteuerabzugs bei Investitionsgütern. Der Gesetzgeber ist bei ihrer Einführung nicht davon ausgegangen, daß sie als konjunktur- oder regionalpolitisches Instrument eingesetzt werden sollte. Was die Ausführungen des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Wirtschaft, Dr. Arndt, in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 14. Februar 1968 (vgl. Stenographischer Bericht über die 156. Sitzung S. 8022 D) betrifft, so hat dieser zum Ausdruck gebracht, daß die allgemeine Konjunkturwirkung einer generellen Senkung der Investitionssteuer sicherlich auch dem Zonenrandgebiet zugute gekommen wäre. Er hat sich jedoch nicht für eine regionale Differenzierung dieser Steuer ausgesprochen. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß die sog. Investitionssteuer — bei fallendem Steuersatz — nur in der Zeit vom 1. 1. 1968 bis 31. 12. 1972 erhoben wird. Für eine nachhaltige Förderung der Zonenrandgebiete wäre ihre Senkung bzw. der Fortfall in diesen Gebieten somit ohnehin kaum geeignet, denn der durch eine solche Maßnahme entstehende Vorteil für die Unternehmer im Zonenrandgebiet würde von Jahr zu Jahr kleiner werden. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Bundesministers Höcherl vom 29. März 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Mick (Drucksache V/2753 Fragen 36 und 37) : Gedenkt die Bundesregierung der Aufforderung des Bundestages nachzukommen, die gekürzten Haushaltsmittel für Nebenerwerbssiedlungen zugunsten vertriebener Bauern durch Kreditmittel auszugleichen, soweit es sich bei den Nebenerwerbssiedlungen um eine echte Eingliederung handelt? Gedenkt die Bundesregierung einen Dritten Fünfjahresplan zugunsten der in Frage 36 genannten Nebenerwerbssiedlungen — soweit es sich um echte Eingliederungsmaßnahmen handelt — vorzulegen? Die Frage zu 1. ist mit ja zu beantworten. Die Bundesregierung ist bemüht, Kapitalmarktmittel zu Lasten des bei der Deutschen Siedlungs- und Landesrentenbank bestehenden Zweckvermögens zur Finanzierung der Eingliederung der vertriebenen Bauern zu beschaffen. Im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung sind im Bundeshaushalt für die Jahre 1969 bis 1972 keine Bundeshaushaltsmittel für eine Neubewilligung von Finanzierungshilfen für die Vertriebenensiedlung vorgesehen. Es stehen lediglich in geringem Umfange Rückflüsse des bei der Deutschen Siedlungs- und Landesrentenbank bestehenden Zweckvermögens zur Verfügung. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs von Hase vom 1. April 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Picard (Drucksache V/2753 Fragen 62, 63 und 64) : Welche Auffassung vertritt die Bundesregierung bezüglich des Charakters und der Bedeutung der Vereidigung von Rekruten? Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß eine Rekrutenvereidigung eine Veranstaltung ist, die durch geeignete Maßnahmen der zuständigen Polizei vor den Versuchen von Störern, ihre Durchführung zu verhindern, geschützt werden sollte? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es zu bedauern und für das Verhältnis der Bundeswehr zu Staat und Gesellschaft nachteilig wäre, wenn Rekrutenvereidigungen im geschlossenen Kasernenbereich durchgeführt werden müßten, um einen ungestörten Ablauf zu gewährleisten? Zur ersten Frage: Bei der Vereidigung schwört bzw. gelobt der Soldat, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Eid und Feierliches Gelöbnis erhalten ihren besonderen Charakter und ihre Bedeutung für den Soldaten und für die Bevölkerung dadurch, daß der Soldat in feierlicher Form und vor aller Öffentlichkeit seine Bereitschaft zum Ausdruck bringt, die ihm vom Soldatengesetz auferlegten Pflichten nach besten Kräften zu erfüllen und für die Erhaltung unserer freiheitlich-rechtsstaatlichen Ordnung auch unter Einsatz seines Lebens einzutreten. Die Beteiligung der Öffentlichkeit an diesem feierlichen Akt der Inpflichtnahme soll die Verbundenheit zwischen Soldaten und Bevölkerung zum Ausdruck bringen. Zur zweiten Frage: Ja, die Bundesregierung ist dieser Auffassung. Sie billigt es daher, daß die zuständige Polizei durch geeignete Maßnahmen die Rekrutenvereidigung am 15. März 1968 in Erbach vor Störversuchen geschützt hat. 8668 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. April 1968 Zur dritten Frage: Die Bundesregierung teilt die Auffassung, daß es zu bedauern und für das Verhältnis der Streitkräfte zu Staat und Gesellschaft nachteilig wäre, wenn Vereidigungen künftig nur noch innerhalb umschlossener militärischer Anlagen und Einrichtungen und ohne Beteiligung der Öffentlichkeit durchgeführt werden müßten, um einen ungestörten Ablauf zu gewährleisten. Es besteht nicht die Absicht, die einschlägige Dienstvorschrift der Bundeswehr, die Vereidigungen auch in der Öffentlichkeit zuläßt, aufgrund der von Ihnen angesprochenen Vorfälle in Erbach zu ändern; die Bundesregierung ist der Auffassung, daß Vereidigungen auch künftig unter Beteiligung der Öffentlichkeit stattfinden sollen. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs von Hase vom 1. April 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Jung (Drucksache V/2753 Frage 65) : Hat die Bundesregierung die Absicht, die Fliegerzulagen der Heeresflieger und ihre Anrechnungsfähigkeit auf das Ruhegehalt entsprechend den besoldungsrechtlichen Regelungen für Luftwaffenpiloten zu gestalten? Das gesamte fliegende Personal der Bundeswehr erhält eine — als Aufwandsentschädigung nicht ruhegehaltfähige — Fliegerzulage. Sie beträgt für Strahlflugzeugführer in fliegenden Verbänden mtl. 300,—DM und für sonstige Luftfahrzeugführer (somit auch für Heeresflieger) je nach Gewichtsklasse des Flugzeuges zwischen 180,— DM und 240,— DM monatlich. Diese Abstufung berücksichtigt bisher gesammelte Erfahrungen über die fliegerischen Belastungen; sie ist auch wiederholt von Gerichten ausdrücklich als sachgerecht anerkannt worden. Eine Änderung dieser Regelung ist nicht beabsichtigt. Neben dieser Fliegerzulage wird ab 1. April 1966 den Strahlflugzeugführern der Luftwaffe und Marine eine Stellenzulage in Höhe von 250,— DM monatlich gewährt, die unter bestimmten Voraussetzungen ruhegehaltfähig ist. Diese Zulage ist nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen über die besonderen Belastungen der Strahlflugzeugführer auf diesen Personenkreis beschränkt worden. Bei der Beratung der Vorschrift im Parlament wurde diese Abgrenzung als zutreffend angesehen und eine Ausdehnung der Stellenzulage auf Hubschrauberführer des Heeres abgelehnt. Es haben sich bisher keine neuen Umstände ergeben, die eine Erweiterung des Empfängerkreises dieser Stellenzulage rechtfertigen würden. Um auch den neuesten medizinischen Erkenntnissen über die beim Flugdienst unter Berücksichtigung spezifischer Flugaufträge auftretenden Belastungen Rechnung tragen zu können, ist das Flugmedizinische Institut der Luftwaffe mit entsprechenden Untersuchungen beauftragt worden. Da hierzu umfangreiche Erhebungen mit neu zu entwickelnden Versuchsreihen erforderlich sind, ist mit dem Vorliegen des Abschlußberichts erst in einiger Zeit zu rechnen. Sodann wird selbstverständlich geprüft werden, ob Folgerungen für die beiden Zulage-regelungen zu ziehen sind. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs von Hase vom 1. April 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Ollesch (Drucksache V/2753 Frage 68) : Worauf sind die zahlreichen Unfälle mit Nebelkerzen in der Bundeswehr zurückzuführen? Seit Bestehen der Bundeswehr haben sich im Umgang mit Nebelmitteln 3 schwere Unfälle ereignet, davon 2 mit tödlichem Ausgang. Die Gründe hierzu waren — Nichtbefolgen der gegebenen Befehle — Nichtbeachten der Sicherheitsbestimmungen. Die Unfälle sind auf menschliches Versagen, in Verbindung mit einer Verkettung unglücklicher Umstände zurückzuführen. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs von Hase vom 1. April 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Porsch (Drucksache V/2753 Frage 69) : Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, den kriegsgedienten älteren Hauptleuten der Bundeswehr, die zwar keinen Stabsoffizierslehrgang absolviert, sich jedoch um den Aufbau der Bundeswehr durchaus verdient gemacht haben, zu einer materiellen Verbesserung ihrer Lage oder zu einer Aufwertung ihrer Stellung zu verhelfen? Die Bundesregierung ist seit langem bestrebt, den älteren kriegsgedienten Hauptleuten einen Ausgleich für die fehlende Aufstiegsmöglichkeit zu bieten. Das Ministerium hat daher schon seit Herbst 1964 gefordert, daß diese Offiziere nach etwa zehn Dienstjahren als Hauptmann in die Besoldungsgruppe A 12 aufrücken sollten. Der Forderung ist in dieser Form nicht entsprochen worden. Das Erste Besoldungsneuregelungsgesetz vom 6. Juli 1967 hat aber herausgehobene Dienstposten für Hauptleute der Besoldungsgruppe A 12 zugeordnet. Die Planstellen dieser Besoldungsgruppe wurden dem Ministerium erstmalig am 16. November 1967 zur Bewirtschaftung zugewiesen. Von den im Rechnungsjahr 1967 geforderten 917 Planstellen sind 634 bewilligt worden. Auf diese Stellen sind noch im Rechnungsjahr 1967 ältere kriegsgediente Hauptleute eingewiesen worden. Mit dieser Verbesserung ihrer materiellen Lage wird ihren Verdiensten beim Aufbau der Bundeswehr Rechnung getragen. Die durch das Erste Besoldungsneuregelungsgesetz eröffneten Möglichkeiten werden im Rahmen der jeweiligen Stellenbewilligungen auch künftig in erster Linie zugunsten der älteren kriegsgedienten Hauptleute genutzt werden. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. April 1968 8669 Anlage 12 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs von Hase vom 1. April 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Schultz (Gau-Bischofsheim) (Drucksache V/2753 Fragen 71, 72 und 73) : Beabsichtigt die Bundesregierung, der geplanten Zeitschrift „Luftwaffe" mitteilungswerte Nachrichten zukommen zu lassen, die nicht allen interessierten Journalisten gleichzeitig zur Kenntnis gebracht werden? Sind Pressemitteilungen zutreffend, wonach der Inspekteur der Luftwaffe, General Steinhoff, Anzeigen für die geplante Zeitschrift „Luftwaffe" erbeten hat? Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß es Aufgabe von Luftwaffenoffizieren sein kann, Anzeigen zu akquirieren? Der Bereich der Luftwaffe gliedert sich in die beiden Luftwaffengruppenkommandos Nord und Süd sowie das kürzlich umgegliederte Luftwaffenamt. Während die beiden Luftwaffengruppenkommandos bereits seit längerer Zeit eigene Truppenzeitungen haben, soll nun mit einer neuen Truppenzeitung auch der Bereich des Luftwaffenamtes versorgt werden, zu dem sämtliche Schulen und das Materialamt der Luftwaffe sowie die Luftwaffenparkregimenter gehören (Gesamtpersonalbestand 21 000). Bei der jetzt geplanten Zeitschrift handelt es sich, wie auch bei den übrigen Truppenzeitungen im Bereich der Luftwaffe und der gesamten Bundeswehr, um Informationsmedien für den Innenbereich der Truppe. Ein öffentlicher Verkauf auch dieser Zeitschrift ist nicht vorgesehen. Mitteilungswerte Nachrichten über und aus dem Bereich der Luftwaffe oder der gesamten Bundeswehr werden nach wie vor über das Informations-und Pressezentrum des Bundesministers der Verteidigung verbreitet, und sind damit allen Journalisten gleichzeitig zugängig. Das Ministerium hat die Pflicht, der Öffentlichkeit die Informationen zugänglich zu machen, auf die die Öffentlichkeit Anspruch hat. Anzeigen, die in den Truppenzeitungen der Luftwaffe, wie auch in den meisten Truppenzeitungen des Heeres, veröffentlicht sind, wurden und werden über den „Anzeigering für Bundeswehrzeitschriften" durch den Mönch-Verlag, Koblenz, akquiriert. Dieser Verlag betreut insgesamt 14 Truppenzeitungen. Da der Inspekteur der Luftwaffe besonderen Anteil an den Truppenzeitungen der Luftwaffe nimmt, ist es notwendig, daß er sich für diese Zeitschriften verwendet. Zu Ihrer 3. Frage stelle ich fest, daß die Akquisition von Anzeigen weder Aufgabe von Offizieren der Bundeswehr sein kann, noch von Offizieren der Luftwaffe durchgeführt worden ist. Anlage 13 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatsekretärs Jahn vom 1. April 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Richter (Drucksache V/2753 Frage 121) Ist die Bundesregierung bereit, sich an einer internationalen Aktion im Rahmen der Vereinten Nationen zu beteiligen, um den Palästinaflüchtlingen so bald wie möglich die Rückkehr zu einem normalen Leben zu ermöglichen? Die Bundesregierung ist bereit, sich zu geeigneten koordinierten Maßnahmen im internationalen Rahmen zur Lösung der Probleme des Nahen Ostens einschließlich der Flüchtlingsfrage zu beteiligen. Dies gilt auch für Aktionen im Rahmen der Vereinten Nationen, soweit dem gegenbenenfalls nicht die Tatsache entgegensteht, daß wir nicht Mitglied dieser Organisation sind. Anlage 14 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Jahn vom 1. April 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Prochazka (Drucksache V/2753 Frage 123) : Was hat die Bundesregierung zu den Äußerungen des holländischen Außenministers zu sagen, der im Zusammenhang mit den Widerständen gegen die Wiedervereinigung in Belgrad öffentlich von den gemeinsamen Interessen aller Nachbarn Deutschlands gesprochen hat? Der niederländische Außenminister Luns hat auf einer Pressekonferenz am 14. 3. 1968 in Jugoslawien erklärt, die Wiedervereinigung der Deutschen sei „Frage eines langen Prozesses". Hierbei müsse auch der psychologische Aspekt berücksichtigt werden, nämlich die Furcht Polens, der Tschechoslowakei und anderer Länder vor einem wiedervereinigten militaristischen Deutschland. Die holländische Regierung verfolge mit Besorgnis die nationalistischen Bestrebungen der deutschen Rechtsextremisten, hoffe aber, daß .sich ein „Januar 1933" nicht wiederholen werde. In dieser Hinsicht seien die Interessen der östlichen und südlichen Nachbarn Deutschlands mit den Interessen der westlichen und nördlichen Nachbarn identisch. Zu dieser Erklärung des niederländischen Außenministers stellt die Bundesregierung fest, daß sie auch, wie andere Regierungen, wünscht, daß sich ein „Januar 1933" nicht wiederholen möge. Sie verfolgt deshalb die Entwicklung des Rechts- und Linksextremismus in der Bundesrepublik mit größter Aufmerksamkeit. Sie warnt aber auch entschieden vor einer Überschätzung der politischen Aktivität einiger kleiner extremistischen Gruppen. Die überwältigende Mehrheit des deutschen Volkes hat bei jeder Wahl in den letzten zwanzig Jahren für die demokratischen Parteien gestimmt. Um dies zu verdeutlichen, steht die Bundesregierung im Kontakt mit der niederländischen Regierung. Diese macht geltend, daß Außenminister Luns bei allen Gesprächen mit Vertretern der osteuropäischen Staaten darauf hingewiesen habe, daß die Bundesregierung sehr wohl die Gefahr erkannt habe, die aus der Zunahme rechtsextremistischer Strömungen entstehen könnte. Er sei davon überzeugt, daß ein „Januar 1933" nicht wiederkehren werde. Die Bundesregierung wird der niederländischen Regierung nahelegen, ihr Vertrauen in die demokratische Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland auch bei öffentlichen Äußerungen zur Geltung zu bringen. 8670 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. April 1968 Anlage 15 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Wittrock vom 29. März 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Hofmann (Mainz) (Drucksache zu V/2753 Frage 129) : Ist die Bundesregierung bereit, an Autostraßen — wie laut Pressemeldungen in Frankreich — nur noch Getränke mit weniger als 18 Volumprozent zum Verkauf zuzulassen? Ein Verbot des Ausschanks von Getränken mit mehr als 18 Vol. Prozent Alkoholgehalt in den Raststätten der Bundesautobahnen — darauf zielt wohl die Frage ab — ist nicht beabsichtigt. Die Bundesregierung hält ein solche Reglementierung nicht für ein geeignetes Mittel, die Unfallgefahren zu verringern. Die Fahrtüchtigkeit wird bekanntlich nicht nur von dem prozentualen Alkoholgehalt eines Getränkes, sondern auch von der Menge des genossenen alkoholischen Getränke beeinflußt. Auch Getränke mit Vol. Gehalt unter 18 Prozent können, in größeren Mengen genossen, die Fahrtüchtigkeit beeinflussen. Die Beschränkung des Getränkeausschankes in den relativ wenigen Raststätten an den Bundesautobahnen wäre auch deshalb wenig sinnvoll, weil die Verkehrsteilnehmer vor dem Auffahren auf die Bundesautobahnen überall unbeschränkt solche Getränke konsumieren können. Ein Verbot des Ausschankes bestimmter Getränke würde im übrigen nicht nur den Fahrer, sondern auch Mitreisende eines Fahrzeuges treffen, was deren persönliche Entscheidungsfreiheit unnötig einengen würde. Anlage 16 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Wittrock vom 2. April 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Härzschel (Drucksache zu V/2753 Fragen 130, 131 und 132) : Trifft es zu, daß die geplante deutsch-schweizerische Autobahnzollanlage ganz auf die Gemarkung der Stadt Weil (Rhein) verlegt werden soll? Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch die Verwirklichung eines solchen in Frage 130 erwähnten Planes die Entwicklung der aufstrebenden Stadt Weil (Rhein) beeinträchtigt würde, da in erheblichem Umfange wertvolles Industriegelände benötigt wird? Ist die Bundesregierung bereit, bei Verhandlungen mit der Schweizer Regierung darauf hinzuwirken, daß die Interessen der Stadt Weil (Rhein) bezüglich Linienführung und Geländeabgabe gewahrt bleiben und eine gleichmäßige Belastung beider Seiten erfolgt? Die bis jetzt ausgearbeiteten Vorplanungen für die Weiterführung der Autobahn nach der Schweiz bei Weil sehen eine Trassenführung westlich der Anlagen des Verschiebebahnhofs von Weil vor. Dabei wird die Anordnung einer deutsch-schweizerischen Gemeinschafts-Zollanlage auf der Gemarkung der Stadt Weil notwendig. Andere Lösungen sind zwar untersucht worden, doch besitzen sie so wesentliche Nachteile, daß ihre Verwirklichung nicht ernstlich in Betracht gezogen werden kann. Es ist der Bundesregierung bekannt, daß mit der geplanten Weiterführung der Autobahn nach der Schweiz für die Stadt Weil erhebliche Beeinträchtigungen entstehen. Bei der Ausarbeitung der Planungen wird angestrebt, diese Beeinträchtigungen so gering wie möglich zu halten. Die Bundesregierung ist bereit, bei den kommenden Verhandlungen mit den schweizerischen Partnern auf eine Lösung hinzuwirken, die die Interessen der Stadt Weil berücksichtigt. Anlage 17 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Lauritzen vom 28. März 1968 auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Riegel (Göppingen) zu der Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Dr. Hammans *) Unter Bezugnahme auf meine Zusage in der Fragestunde vom 16. Februar 1968 an Herrn Abgeordneten Riegel (157. Sitzung, Sitzungsprotokoll S. 8104 C) darf ich Ihnen mitteilen, daß von den im Rahmen des 2. Investititonsprogramms (einschl. Restmitteln der Jahresmaßnahme 1967) bereitgestellten Verbilligungszuschüssen und den damit verbilligten Kapitalmarktdarlehen auf die einzelnen Länder folgende Beträge entfallen: Land: Zuschüsse Kapitalmarktdarlehen (1. Jahresrate) in Mio DM DM Baden-Württemberg 7 063 683,52 234,953 Bayern 7 261 293,30 227,154 Berlin 1 937 066,19 55,337 Bremen 575 066,66 19,171 Hamburg 2 475 673,71 82 447 Hessen 5 824 652,94 181,556 Niedersachsen 6 710 078,20 204,589 Nordrhein-Westfalen . 18 199 902,94 572,232 Rheinland-Pfalz 2 820 802,74 89,860 Saarland 1 934 649,91 55,575 Schleswig-Holstein 4 310 083,46 125,257 insgesamt 59 112 953,57 1 848,131 Die Folgeraten (für die insgesamt 5jährige Verbilligung der Darlehen) müssen ab 1969 aus dem Einzelplan 25 aufgebracht werden. *) Siehe 157. Sitzung Seite 8104 B
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    Rede von Dr. Alex Möller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich will mich mit dem „unmittelbar", Herr Kollege Scheel, nicht beschäftigen. Ich bin nur der Meinung: je schneller in einem solchen Fall der Bundeskanzler handelt, um so besser für die Sache und für die Arbeit dieser Regierung.

    (Beifall in der Mitte. — Abg. Scheel: Das hat doch damit nichts zu tun!)

    — Herr Kollege Scheel, ich komme auf Sie noch in einem anderen Zusammenhang zurück.
    Nun, meine Damen- und Herren, noch eine Bemerkung zu einem Vorgang auf dem Nürnberger Parteitag der SPD. Er geht den Herrn Bundeskanzler an. In der Arbeitsgemeinschaft „C" unseres Parteitages hat Günter Grass am 19. März 1968 unter anderem ausgeführt:
    Die beiden höchsten Staatsämter, das Amt des Bundespräsidenten und das Amt des Bundeskanzlers, sind besetzt von zwei Männern, die nicht eindeutig über ihre Vergangenheit während der Nazi-Zeit Auskunft geben können.

    (Abg. Stücklen: Unerhört!)

    Ich gebe zu, daß sich die SPD vielleicht nicht in der Lage sieht, weil sie durch die Große Koalition mit der CDU verbunden ist, hier über diese Tabuisierung zu sprechen.
    Soweit das Zitat. — Hier irrt Herr Günter Grass. Politiker müssen sich ebenso sorgfältig und gewissenhaft um ein Quellenstudium bemühen wie Schriftsteller, wenn sie ein Stück verfassen.
    Am 17. Dezember 1958 wurde der Bundestagsabgeordnete Kurt Georg Kiesinger mit 100 Stimmen bei 7 Enthaltungen und 3 ungültigen Stimmzetteln zum- Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg gewählt. Vorausgegangen war am 2. Dezember eine eingehende Besprechung zwischen Herrn Kiesinger und dem Vorstand der SPD-Landtagsfraktion, anschließend eine ebenso eingehende Verhandlung mit Herrn Kiesinger innerhalb der gesamten sozialdemokratischen Landtagsfraktion. Bei diesen Gelegenheiten sind von uns alle wichtigen politischen Fragen, die insbesondere die Vergangenheit betrafen, erörtert worden, um zu ermitteln, ob eine positive Entscheidung der SPD-Landtagsfraktion zu der vorgeschlagenen Wahl Kiesingers zum Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg möglich sei. Der Fraktionsvorstand war einmütig der Auffassung, daß uns die Erklärungen des Herrn Kiesinger durchaus befriedigten. Diesen Eindruck hatte auch die Fraktion; denn in einer Abstimmung hat die gesamte sozialdemokratische Landtagsfraktion bei einer Stimmenthaltung beschlossen, der Wahl des Herrn Kiesinger zum Ministerpräsidenten zuzustimmen.



    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    Wir befanden uns dabei in Übereinstimmung mit dem damaligen Vorsitzenden der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion der SPD, mit dem ich mich persönlich abgestimmt hatte. Außerdem hat Herr Kiesinger in einem ausführlichen Schreiben an mich vom 21. Januar 1959, also auch schriftlich, zu den Behauptungen über seine angebliche Tätigkeit in der Zeit des Nationalsozialismus Stellung genommen.
    Auf diese Vorgänge bin ich parteiintern bei den Koalitionsverhandlungen Ende 1966 mit diesen Klarstellungen eingegangen. Es ist dem Hohen Hause bekannt, daß ich nach Wahl des Herrn Kiesinger zum Kanzlerkandidaten der CDU/CSU-Fraktion zwar Bedenken geäußert, mich aber nie mit einem Wort auf Vorgänge, die Herr Grass meint, bezogen habe. Herr Kiesinger war in Stuttgart Ministerpräsident einer CDU/FDP-Koalition. Ich persönlich hatte die Befürchtung, daß der Kanzlerkandidat der CDU/CSU die Koalition wie gehabt fortsetzen würde, und das habe ich in der damaligen Situation genau wie auch heute noch für ein Unglück gehalten, und selbst die Ausführungen des Herrn Scheel können mich in dieser meiner Haltung nicht beeinflussen.
    Wenn sich Herr Kiesinger im Laufe der Koalitionsverhandlungen von der Unmöglichkeit überzeugen mußte, die bisherige Koalition, die Herr Scheel nach seinen heutigen Ausführungen damals noch für möglich hielt - ich frage: warum dann das ganze Theater? —,

    (Zurufe von der FDP)

    fortzusetzen, so beweist diese Tatsache, welche Ausmaße die politische Krise genommen hatte, welche unüberbrückbare Kluft zwischen den damaligen Koalitionspartnern entstanden war und wie sich unter dem Druck der Verhandlungsergebnisse die Notwendigkeit ergeben mußte, den Versuch einer Koalition auf breiter Basis zu wagen.
    Wer soeben die Rede des Herrn Parteivorsitzenden der FDP gehört hat, muß doch eigentlich annehmen, die Ereignisse der letzten Monate des Jahres 1966 waren nur ein böser Traum. Man kann sich nicht vorstellen, daß Herr Scheel — Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit vom 14. November 1961 bis zum 27. Oktober 1966 — in den Jahren davor der Bundesregierung angehört hat und sowohl die Zuchtrute des Herrn Bundeskanzlers Adenauer als auch die Wünschelrute des Herrn Bundeskanzlers Erhard aus allernächster Nähe kennenlernen mußte.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wenn die Bundesregierung unter der Beteiligung der FDP ihre Aufgaben erfüllt und ihr Pensum geleistet hätte, dann gäbe es heute nicht die 12 Scheelpunkte, die vorgetragen worden sind,

    (Beifall bei der SPD)

    dann wäre mitten in der Legislaturperiode nach einem siegreichen Wahlkampf der Parteien neben der SPD im September 1965 keine Neubildung der Bundesregierung Ende 1966 erforderlich gewesen, eine Neubildung, die zum erstenmal seit 36 Jahren die deutsche Sozialdemokratie veranlaßt hat, zentral die Mitverantwortung in einer Regierung zu übernehmen.
    Heute und hier gebe ich persönlich gern zu, daß ein Mann, der seit Dezember 1959 in einer Landesregierung in Stuttgart als Ministerpräsident tätig war — ganz bestimmt keine schlechte Schule —, also in einer entsprechenden Distanz . zur Bonner Regierungspolitik und auch manchmal aus der besonderen Interessenlage seines Landes heraus, unvoreingenommener an den Neubeginn herangehen konnte als jemand, der bis zu diesem Tage in der unmittelbaren Bonner Regierungsverantwortung gestanden hat; eine ganz nüchterne, sachliche Feststellung, mit der ich niemandem zu nahe treten will.
    Wer hier Zweifel geltend machen möchte, der sollte aufmerksam die Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 lesen. Er wird dann die neue Handschrift, die neue Linie erkennen und das Vorhaben, mit früheren Methoden, wie Schweigen über Fehlentwicklungen und Krisen, zu verniedlichen, nun wirklich einmal Schluß zu machen. Bundeskanzler Kiesinger hat in seiner Erklärung vom 13. Dezember 1966 festgestellt: „Das ist die Wahrheit, die wir uns eingestehen müssen und die wir unserem Volke nicht vorenthalten dürfen."
    Wir Sozialdemokraten bekennen uns immer wieder zu der Verpflichtung, verspielte Autorität zurückzugewinnen und die politische Existenzberechtigung der Großen Koalition nicht durch Reden, sondern durch Handeln zu belegen. Dabei darf von niemandem der Fehler wiederholt werden, irgendwelche Gruppenversprechungen zu machen, die nur neue Illusionen entstehen, aber sich nicht realisieren lassen. Eine solche Politik würde im letzten Effekt die Geschäfte der Feinde des demokratischen Staates betreiben.
    Meine Damen und Herren von der FDP, schon wenige Wochen nach Beginn der Arbeit der Großen Koalition ist der Haushalt 1967 - allerdings durch Maßnahmen auf der Einnahmen- und der Ausgabenseite — um rund 8,4 Milliarden DM ausgeglichen worden. Trotz dieser finanzpolitischen Sanierungsmaßnahmen haben wir noch Hilfen für die Gemeinden und für die finanzschwachen Länder möglich gemacht. Ich erinnere nur an die 3 Pf Mineralölsteuer für die verkehrspolitischen Aufgaben der Kommunen. Trotz dieses ersten mutigen Beginns bestand für die Jahre 1968 bis 1971 noch eine Deckungslücke von rund 64 Milliarden DM, eine Deckungslücke, Herr Scheel, für deren Vorhandensein in der Hauptsache doch die Finanzminister der Freien Demokraten verantwortlich zeichnen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wenn Sie hier von Fehleinschätzungen in Höhe von Milliarden sprechen, so vergessen Sie einfach, daß die neue Regierung, der neue Finanzminister eine Eröffnungsbilanz machen mußte und dabei nur von Zahlen und Tatsachen ausgehen konnte, die er von seinem Vorgänger zu übernehmen hatte.
    Sie haben sich über den Zielkonflikt dieser Bundesregierung geäußert, den Versuch zu machen, die Rezession in der Wirtschaft zu überwinden, und aus der Finanzkrise herauszukommen. Das ist sicherlich nicht alles glatt gegangen, und es ist sicherlich nicht immer eine volle Übereinstimmung des Wirt-



    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    schafts- und des Finanzministers festzustellen gewesen. Das bestreitet niemand. Aber es hat Punkte gegeben, wo der Finanzminister erklärt hat: bis hierher und nicht weiter. Solche Erklärungen war man früher bei FDP-Finanzministern nicht gewohnt. Ich gehöre zu denen, die sehr dafür gewesen wären, wenn wir für das Jahr 1968 noch etwas in der Frage der Investitionssteuer gemacht hätten. Ich teile da den Standpunkt des Bundeswirtschaftsministers. Aber schließlich haben wir uns doch den finanzwirtschaftlichen Erkenntnissen des Bundesfinanzministers unterordnen müssen, im Interesse der Sache, weil uns an einer sauberen und ehrlichen Finanzpolitik gelegen ist und weil wir wissen, daß beides untrennbar zusammengehört, nämlich die Wirtschaftspolitik, die die Rezession überwindet, die Wirtschaft wieder in Schwung bringt, und eine Finanzpolitik, die das Vertrauen der Wirtschaft und das Vertrauen der Bevölkerung verdient.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Vorsitz: Vizepräsident Dr. Mommer.)

    Herr Scheel, Sie haben sich über kreditpolitische Maßnahmen geäußert. Ich würde sagen, hier kann man sich schon dem Sachverstand der Bundesbank anvertrauen. Sie haben dann sogar zugegeben, daß Ihnen die absoluten Zahlen gar keinen Anlaß zur Sorge böten. Ja, warum dann diese Ausführungen? Wenn Sie nicht mit kreditpolitischen Maßnahmen z. B. wichtige Investitionsvorhaben realisieren wollen, wie wollen Sie dann über die Hürden, die durch die Rezession entstanden sind, hinweggelangen? Sie müssen sich doch darüber klar sein,

    (Abg. Dr. Barzel: Von der Opposition sind nur drei Mann da; Herr Scheel ist nicht im Saal!)

    meine Damen und Herren, daß das, was der Staat, die öffentliche Hand, zu tun hat, über Steuern, öffentliche Abgaben oder Kredite zu finanzieren ist. Oder Sie müssen die Ausgaben in einem Ausmaß reduzieren, das im Hinblick auf die gesellschaftspolitische Situation im zweigeteilten Deutschland nicht mehr verantwortet werden kann. Das ist der nüchterne Tatbestand.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wenn Ihnen dann selbst die absoluten Zahlen noch keinen Anlaß zur Sorge geben, kann ich einen solchen Vorschlag eines Oppositionssprechers, zumal wenn er Vorsitzender seiner Partei ist, nicht verstehen.

    (Abg. Dr. Barzel: Wie finden Sie denn, daß er jetzt nicht einmal hier ist? — Abg. Mischnick: Herr Scheel ist gleich wieder zurück! — Abg. Haase [Kassel] : Die FDP ist als Opposition mit nur drei Mann vertreten!)

    — Das ist nicht verwunderlich; da macht es ja immer die Qualität!!
    Mit der mittelfristigen Finanzplanung ist von uns der Rahmen des Möglichen und des Vertretbaren abgesteckt worden. Für diesen Zeitraum sind Ausgabekürzungen in Höhe von 30 Milliarden DM und die Aufnahme von Kreditmitteln, insbesondere zur
    Finanzierung verstärkter Investitionsausgaben, in Höhe von 20,1 Milliarden DM vorgesehen. Dazu kommen dann noch die Finanzierungsmittel des Bundes für die Investitionshaushalte.
    Daß es der Großen Koalition gelungen ist, aus der Talsohle eines bedrohlichen Wirtschaftstiefs bei Uberwindung der krisenhaften Entwicklung der öffentlichen Finanzwirtschaft — ich formuliere also sehr vorsichtig — herauszukommen, kann niemand — das meine ich jetzt bewußt so, wie ich es sage —, der ernst genommen werden will, in Abrede stellen.

    (Abg. Ertl: Na, na! — Gegenruf von der Mitte: „Niemand, der ernst genommen werden will"!)

    Lassen Sie mich daran erinnern, daß z. B. die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben beim Bund bisher günstig verlaufen ist, so daß der Bund in den ersten drei Monaten dieses Jahres einen geringeren Kreditbedarf hatte, als zunächst errechnet worden war. Der große Steuertermin im März führte vorübergehend — allerdings einschließlich der aufgenommenen Kreditbeträge — zu einem Guthaben von mehr als 3 Milliarden DM. Glücklicherweise hat sich die Konjunktur so entwickelt, daß z. B. die Deutsche Bundesbank glaubt, für 1968 mit einer Wachstumsrate von 5 v. H. real rechnen zu können.
    Ich meine, daß diese Tatsachen der Realität von heute entsprechen und daß wir alle froh sein sollten, daß wir unter Opfern und Mühen aller Fraktionen dieses Hohen Hauses diesen Stand erreicht haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, über das, was außenpolitisch, im inner-deutschen Verkehr und auf ähnlichen Gebieten in Bewegung gekommen ist, wird bei anderen Einzelplänen zu sprechen sein. Das gilt insbesondere für wichtige Teile der heutigen bedeutsamen Erklärung des Herrn Bundeskanzlers. Aber Sie werden Verständnis dafür haben, daß ich als erster Sprecher der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion doch jetzt schon zwei Überlegungen Raum geben möchte.
    Wir alle verfolgen mit ebensoviel Erleichterung wie Anteilnahme den neuen dramatischen Versuch unseres amerikanischen Verbündeten, dem seit zwanzig Jahren durch Krieg und Bürgerkrieg geschundenen Volk Vietnams den Frieden zu bringen. Wir begrüßen es, daß die Forderung nach Einstellung der Bombenangriffe auf Nordvietnam, die wir in Nürnberg erhoben haben, nun schon zu einem guten Teil realisiert wird.

    (Lachen bei der FDP.)

    Wir haben gesagt, daß wir ein Interesse haben am Frieden in Vietnam, nicht am militärischen Sieg der einen oder der anderen Seite. Jetzt, wo kein Zweifel mehr daran bestehen sollte, daß der amerikanische Präsident dasselbe Ziel verfolgt, appellieren wir mit um so größerem moralischem und politischem Recht an die andere Seite, an die Verantwortlichen in Hanoi, in Peking und insbesondere in Moskau, das Ihre beizutragen, damit dieses unerträgliche Blutvergießen sein Ende nimmt.

    (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU/CSU.)




    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    Meine Damen und Herren, ich habe mich nicht auf Nürnberg bezogen, um damit etwa — wie Sie von der FDP gemeint haben — zum Ausdruck zu bringen, daß der Herr Präsident der Vereinigten Staaten von Nordamerika diese unsere Entschließung gelesen oder zur Kenntnis genommen hätte,

    (Abg. Ertl: Es klang aber so!)

    — Ich muß es Ihnen verdeutlichen und möchte mich gegen diese Unterstellung wehren. Ich habe das gesagt, weil dieser Vorgang ein wichtiger Bestandteil unserer politischen Diskussion ist: was sagen wir zu Vietnam, und wie werden wir damit fertig? Daß in dieser Diskussion eine solche Meinungsäußerung eines Parteitages einer demokratischen Partei erfolgen mußte, dafür wird hoffentlich jeder Verständnis haben.
    Und nun ein zweiter Gedanke! Wir haben sicher keinen Anlaß und auch kein Recht, uns in die Innenpolitik irgendeines fremden Landes zu mischen. Aber lassen Sie mich im Hinblick auf manche in Deutschland, die die Funktionsfähigkeit der westlichen Demokratien bezweifeln oder die, wie Herr Scheel anklingen ließ, wegen des Zustandekommens der Großen Koalition die Funktionsfähigkeit unserer Demokratie in Zweifel ziehen, dies eine sagen: Es ist eben offenbar nicht so, daß die moderne Demokratie erstarrt ist, daß sie neue Bewegungen in einem Volk nicht mehr zum Ausdruck und zum Durchbruch bringen kann, daß sie von einem — wie so oft behauptet wird — in sich verfilzten Apparat manipuliert würde. Wir sind Zeugen, faszinierte Zeugen, wie ich zugebe, eines Vorgangs, in dem die mächtigste Nation dieser Erde in freier und offener Auseinandersetzung Antworten sucht auf Probleme, von denen manche schon resigniert meinten, sie seien unlösbar. Wir dürfen unseren amerikanischen Freunden versichern, daß dieser schmerzhafte Prozeß nicht nur ihre eigene Demokratie, sondern die Demokratie überhaupt glaubwürdiger und attraktiver macht.

    (Beifall bei der SPD.)

    Dieser Prozeß trägt dazu bei, den grassierenden Virus der künstlich erzeugten Staatsverdrossenheit zum Verschwinden zu bringen.
    Mir liegt noch an einem anderen Punkt, nämlich daran, das Hohe Haus darauf aufmerksam zu machen, daß die Hauhaltsberatungen dieser Woche von den Versuchen der Regierung der DDR begleitet werden, durch ein Propagandafeuer in Zeitungen, Radio und Fernsehen eine 99,9 %ige Zustimmung in der Volksabstimmung über die neue DDR-Verfassung am Samstag dieser Woche zu erzielen, ein Vorgang, der bei uns, insbesondere bei der jungen Generation, eine nach meiner Meinung völlig ungenügende Beachtung findet. Die Propaganda um diese Verfassung und ihr Text beweisen erneut den Versuch der Regierung der DDR, den Ost-West-Gegensatz entgegen den allgemeinen Entwicklungstendenzen in Europa festzuschreiben.
    Einzigartig im Verfassungsrecht ist die Tatsache, daß die neue Verfassung die verfassungsrechtliche Bindung der DDR an die Sowjetunion statuiert. Ebenso einzigartig ist der Versuch, in einer neuen
    Verfassung gegenüber ihrer Vorgängerin die Freiheitsrechte des Bürgers auch im geschriebenen Verfassungstext einzuschränken. Wenn das „Neue Deutschland" auf seiner ersten Seite die Annahme der neuen Verfassung fordert und gleichzeitig die angeblich geplante Verletzung von Freiheitsrechten der Bürger durch die Regierung der Bundesrepublik behauptet, so will es damit nur der berechtigten Kritik an der Einschränkung des Freiheitsraums der Bewohner der DDR entgegentreten. Wir meinen, daß sich die. DDR. von der allgemeinen Entwicklung in Europa absondert. Entgegen der Behauptung ihrer Regierung versuchen nicht wir, die DDR von ihren sozialistischen Nachbarländern zu isolieren. Kann man sich eher fragen: isoliert sich die DDR nicht selbst?

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Zu einer Zeit, da in ihrem Nachbarlande, der Tschechoslowakei, die Diskussion um die individuellen Freiheitsrechte der Staatsbürger und deren Schutz vor den Behörden des Staates einen breiten Raum einnimmt, dokumentiert die Regierung der DDR die seit 1949 eingetretene Verfassungswirklichkeit mit ihren Beschränkungen des Freiheitsraumes für ihre Bürger in einem neuen Verfassungstext.
    Einige Beispiele in einer Gegenüberstellung zu der von der Generalversammlung dier Vereinten Nationen verkündeten Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte mögen genügen. Art. 13 Abs. 2 der Menschenrechtsdeklaration fordert das Recht auf Auswanderung. Die neue DDR-Verfassung gewährt auch in ihrem zweiten Entwurf im Gegensatz zur Verfassung von 1949 dieses Recht nicht mehr. In der DDR-Verfassung ist das in Art. 23 der Menschenrechtsdeklaration geforderte Recht auf freie Berufswahl zwar enthalten; es ist jedoch begrenzt — ich zitiere wörtlich — „entsprechend den gesellschaftlichen Erfordernissen", d. h. entsprechend den vom Staat und von der SED für richtig erachteten Erfordernissen. Wir wissen jedoch, daß ein solcher geschriebener Verfassungstext, auch wenn er eine ausführliche Aufzählung von idividuellen Bürgerrechten enthielte, für sich allein nichts wert ist.
    Schließlich gilt bis jetzt noch der Grundrechtskatalog der DDR-Verfassung von 1949, ohne damit die Grundrechte selbst garantieren zu können. Art. 8 der Menschenrechtsdeklaration fordert:
    Jeder Mensch hat Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz vor den zuständigen innerstaatlichen Gerichten gegen alle Handlungen, die seine ihm nach der Verfassung oder nach dem Gesetz zustehenden Grundrechte verletzen.
    Zwar gewährleistet die Verfassung der DDR in Art. 19 die sozialistische Gesetzlichkeit und Rechtssicherheit, wie es heißt; jedoch gibt es kein System von Verwaltungs- und Verfassungsgerichten wie in der Bundesrepublik, die eine Verletzung von Grundrechten nachprüfen und damit den Bürger schützen könnten. Auch wenn die Regierung der DDR versucht, ihren neuen Verfassungstext durch die Volksaussprache und .den am Samstag dieser Woche veranstalteten Volksentscheid als Beispiel echter De-



    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    mokratie anzubieten, müssen wir und andere Nachbarn der DDR doch nüchtern feststellen, daß die neue geschriebene Verfassung und die daraus zu schließende Verfassungswirklichkeit nicht demokratischen freiheitlichen Grundsätzen entsprechen.
    Wir sollten nach meiner Meinung dieses Thema einmal zur allgemeinen Diskussion stellen. Professoren und Studenten sollten sich auch bei uns mit diesem neu entstandenen Verfassungszustand im anderen Teil Deutschlands gründlich befassen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich glaube, so würden wir am schnellsten mit den eigenartigen Mischprodukten von anarchistischen und utopischen Kräften fertig. Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß wir in diesen Auseinandersetzungen in den letzten Jahren zu wenig offensiv geworden sind. Wir haben uns immer und immer wieder in die Verteidigung drängen lassen. Wir haben über. Grundrechte diskutiert, die dort drüben nicht einmal auf dem Papier stehen. Wir müßten auch in den Diskussionen mit der jungen Generation, mit den Studenten und jungen Arbeitern, eine Offensive des Vergleichs der politischen und der wirtschaftlichen Realitäten auf beiden Seiten Deutschlands beginnen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Lassen Sie uns einmal diese echten Vergleiche anstellen. Gehen wir dabei von Tatsachen, von Verfassungsurkunden, von Geschehnissen, von Statistiken, Außenhandesbilanzen — und was immer Sie wollen —, von Rentenzahlungen und was sich sonst in den beiden Teilen Deutschlands ereignet, aus, und diskutieren wir über diese Vergleiche! Ich meine, dann wird eben das Bessere der Feind des Guten oder gar des Schlechten sein.
    Aus diesem Grunde habe ich von diesem mir wichtig erscheinenden Vorgang gesprochen, den ich bei meinem letzten Besuch in Ostberlin und auch in Leipzig von einer sehr bedrückenden Seite kennenlernen mußte.
    Meine Damen und Herren, bei Einzelplan 04 hatte ich das Bedürfnis, noch einmal den Ausgangspunkt zu umreißen, der alle Bemühungen der neuen Regierung mit schweren Hypotheken belastet hat, nämlich Rezession und Finanzkrise. Wer sich mit der Leistungsbilanz der Regierungs- und Parlamentsarbeit seit Dezember 1966 beschäftigt, hat diesen Ausgangspunkt und folgende drei Tatsachen zu bewerten.
    Erstens: viele längst überfällige Reformarbeiten betreffen Fragenkomplexe, von denen wir froh wären, wenn sie bereits früher bei Regierungsbeteiligung der FDP erledigt worden wären.

    (Abg. Ertl: Welche denn?)

    Das gilt für alle 12 Punkte, die Herr Scheel vorgetragen hat.
    Zweitens sind bedeutsame Gesetze verabschiedet worden. Zum Beispiel werden das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft oder die grundlegende Reform des Umsatzsteuerrechts Wegweiser in der Parlamentsgeschichte des Deutschen Bundestages bleiben.

    (Abg. Ertl: Wer hat dafür die Vorarbeiten gemacht?)

    — Diese bedeutsamen Gesetze, meine Damen und Herren, sind 'in ,dieser Großen Koalition und in dieser Fassung — es kommt auf die endgültige Gestaltung an — verabschiedet worden.
    Wir haben auch in früheren Jahren wichtige und schwierige Gesetzesarbeiten vollziehen müssen. Aber, meine Damen und Herren, dabei haben Sie es immer — das werden mir die Herren Ausschußvorsitzenden bestätigen können —, z. B. beim Bewertungsgesetz, mit einer sehr verantwortungsbewußten Opposition zu tun gehabt. Da haben wir bei entscheidenden Abstimmungen erleben müssen, daß die FDP-Mitglieder der Ausschüsse nicht einmal ihrem eigenen Finanzminister folgten, aber die Opposition die Sache ernst genug nahm, ,ein Gesetz zu verabschieden, das einer allgemeinen Nachprüfung standhält.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. Abg. Ertl: Da waren Sie ja noch Koalitionspartei im Wartestand!)

    Drittens sind wichtige Gesetzesvorlagen in Angriff genommen worden und werden hoffentlich bis zum Schluß der Legislaturperiode noch erledigt werden können, z. B. das auch vom Herrn Bundeskanzler angesprochene Verkehrspolitische Programm der Bundesregierung, das eine baldige Ordnung im Verkehrswesen herbeiführen soll. Es ist so oft über die Richtlinienkompetenz des Herrn Bundeskanzlers gesprochen worden. Ich hätte nichts dagegen, wenn er in diesem Fall von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen würde.

    (Zustimmung bei der SPD. — Lachen in der Mitte.)

    Ich nenne auch die große Finanzreform als gesellschaftspolitische Aufgabe und als Bewährung des kooperativen Föderalismus. Das ist sicherlich schwer. Wer sich einmal dieses Dokument der Bundesregierung über die verfassungsändernden Gesetze zur Finanzreform ansieht, wird zugeben müssen, welch verantwortliche Arbeit indieser Dokumentation enthalten ist. Ganz sicher hat es sich die Bundesregierung nicht leicht gemacht. Sie hat in der Bund-Länder-Kommission durch den Bundeskanzler mit den Ministerpräsidenten immer wieder versucht, in wichtigen Punkten des Katalogs Übereinstimmung zu erreichen. Das ist nicht voll gelungen und nicht voll ausgereift. Aber, meine Damen und Herren, beurteilen Sie das große und schwierige Werk der beginnenden Finanzreform nicht nach diesen vorläufigen Ergebnissen! Denn bisher hat die Legislative, hat dieses Hohe Haus, hat der Deutsche Bundestag noch kein Wort gesprochen und noch nicht mitgewirkt. Wir sind erst jetzt aufgerufen, uns eine Meinung zu bilden und dazu beizutragen, daß mit dieser Finanzreform eine Lösung der gesellschaftspolitischen Aufgaben der nächsten Jahrzehnte gelingen wird.
    Wir haben mit dem Mitbestimmungssicherungsgesetz einen Abbau der Mitbestimmung im Montan-



    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    bereich verhütet. Ich möchte auf diese immerhin interessante Abstimmung vom 15 März 1967, auch im Hinblick auf einen Beschluß unseres Nürnberger Parteitages, hinweisen; denn von den bei der Schlußabstimmung anwesenden nur 38 Kollegen der CDU/CSU-Fraktion haben 29 dafür und 9 dagegen gestimmt. Wenn Sie mit Ihrer ganzen Fraktion dagewesen wären, um den Teil der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 realisieren zu helfen, ,der versprach, daß keine Aushöhlung des Mitbestimmungsrechts erfolgen dürfe, wäre das Ergebnis sehr viel eindrucksvoller gewesen. Das hat dazu geführt, daß sich auch auf unserem Parteitag Stimmen regen mußten, zumal die in Aussicht gestellte Kommission von Sachverständigen, von denen Herr Scheel sowieso nichts hält, erst am 4. Dezember 1967, also erst ein Jahr später, berufen wurde. Ein ganzes Jahr braucht man sich nun wirklich nicht Zeit zu nehmen, um sich über die Berufung einer solchen Sachverständigenkommission einig zu werden. Im übrigen hat auch die Rezession und haben einige Erfahrungen, die Betriebsräte und Gewerkschaften in der Rezession gesammelt haben, dazu beigetragen, diese Frage der Mitbestimmung und Mitwirkung der Gewerkschaften sowie der Betriebsräte in den Vordergrund ,des allgemeinen Interesses zu rücken.

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, wir haben den über 18 Jahre unerfüllt gebliebenen Verfassungsauftrag zur Verabschiedung des Parteiengesetzes realisiert. Wir beginnen mit der Überwindung der Strukturkrisen, denn noch in dieser Woche wird hoffentlich das Plenum das Kohleanpassungsgesetz verabschieden. Das Arbeitsförderungsgesetz ist in der Ausschußberatung. Es schafft die Voraussetzungen für eine modernisierte Berufsausbildung und eine umfassende Arbeitsmarktpolitik in enger Verflechtung mit der Wirtschafts-, Finanz- und Gesellschaftspolitik dieses Jahres und der kommenden Jahre. Die Arbeiten zur Großen Strafrechtsreform werden im Sonderausschuß fortgeführt. In Kürze ist mit einer Novelle zum politischen Strafrecht zu rechnen.
    So ließe sich die Reihe des Bewahrten und des Erreichten — auch des Bewahrten: beispielsweise die bruttolohnbezogene Rente darf man hier nicht vergessen —, des Erstrebten und der in der konstruktiven Bearbeitung befindlichen Gesetzesvorhaben fortführen. Diese Feststellungen sollten aber genügen, um für jeden Gutwilligen klarzumachen, daß unser Regierungsbündnis mit fortschrittlichen Ideen und Programmen eine in Bewegung geratene Gesellschaft neu belebt.
    Zu dieser Neubelebung, meine Damen und Herren von der FDP, hätten Sie nun einmal — vielleicht: leider — nicht ausgereicht. Der Wille zum Handeln, zum bewußten und konsequenten Handeln war und bleibt auch weiter die Voraussetzung für die Bewahrung der Freiheit und die Sicherung des Wohlstandes in unserem Volk. Wir haben Gott sei Dank die Zeit der Verfemung sozialdemokratischer Kräfte in diesem Lande hinter uns gebracht, haben die Selbstbesinnung der beiden großen demokratischen Parteien auf ihre Gemeinsamkeit, auf die Zielsetzung des sozialen Rechtsstaates herbeigeführt zu einer Zeit, in der sich Radikale links und rechts außerhalb oder neben der verfassungsmäßigen Ordnung bewegen.
    Meine Damen und Herren, ich bin mit meinen Freunden von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion fest davon überzeugt, daß trotz der im politischen Leben nie vermeidbaren Schwiezigkeiten die Große Koalition bis zum Schluß der Legislaturperiode ihre Ziele erreicht und sich in dieser Gewißheit dann dem Urteil des Volkes stellen kann.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Karl Mommer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Müller-Hermann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ernst Müller-Hermann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Versuch des Oppositionssprechers, die Bilanz der bisherigen Arbeit der Bundesregierung als recht traurig hinzustellen,

    (Abg. Ertl: Mager!)

    ist mit Sicherheit nicht gelungen. Das Überzeugendste — leider ist Herr Kollege Scheel nicht da —
    war die sympathische Stimmlage seiner Darstellung.
    Ich könnte es mir verhältnismäßig leicht machen, meine Damen und Herren von der FDP, indem ich einige Sätze aus der Ausgabe der „Neuen Zürcher Zeitung" vom 27. März zitiere — Herr Präsident, Sie gestatten, daß ich dieses Zitat verlese —:
    Man hört viel schimpfen und liest viel Kritisches über die Bundesrepublik. Wer einigermaßen faire Vergleiche zieht, kommt aber zum Schluß, daß es in Deutschland wohl noch nie einen derart prosperierenden, sozial ausgeglichenen, demokratisch-freiheitlichen Staat gegeben hat wie das, was dort auf der westlichen Seite nach der Katastrophe des zweiten Krieges aufgebaut wurde.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Rechnet man dazu, daß ein freundschaftliches Verhältnis zu Frankreich geschaffen werden konnte, so tönt die Bilanz: Höchst bewahrenswert!
    Selbstverständlich ist auch diese Große Koalition mancher öffentlichen Kritik ausgesetzt, und wir können eigentlich nur sagen: eine nüchterne Betrachtung sowohl der Möglichkeiten als auch der Arbeitsergebnisse der Großen Koalition ist nicht nur berechtigt, sie ist sogar erwünscht.
    Es ist auch möglich, daß manche Leute im Lande mehr als durchsetzbar erwartet haben. Mit Sicherheit ist eine Euphorie über das, was wir tun können, nicht von seiten der CDU/CSU ausgegangen, und wir glauben auch nicht, etwas versprochen zu haben, was wir nicht zu halten bereit und entschlossen sind. Politik ist nun einmal schwieriges Geschäft, das man nicht im luftleeren Raum erledigen kann.
    Wenn Herr Kollege Scheel hier von dem Polyzentrismus gesprochen hat, der auch in der Großen



    Dr. Müller-Hermann
    Koalition sichtbar wird — sicherlich völlig gerechtfertigt —, dann muß man auch auf den Polyzentrismus hinweisen; der nun einmal in der föderativen Struktur unseres Staates besteht. Auch der Politik des Bundes sind Grenzen gesetzt durch die Aktivität der Länder, in denen ja auch Ihre Fraktion vertreten ist und vielleicht das Nötige tun könnte, um der Bundespolitik eine überzeugende Richtung zu geben.
    Es ist vielleicht auch manche Illusion dabei gewesen: daß die neue Regierung im außenpolitischen Bereich, wie das damals so schön hieß, „Ballast abwerfen" und damit schnelle Fortschritte auf verschiedenen Gebieten erreichen würde. Nun, in der Außenpolitik zählen eben nicht nur die Fakten, die man selber setzt, sondern auch die Fakten, die von anderen gesetzt werden. Wenn ich mir den Katalog von Herrn Kollegen Scheel anhöre mit den zwölf Thesen, wo überall die Große Koalition versagt habe, auch im außenpolitischen Bereich, so kann man eigentlich nur sagen: das war so eine Darstellung, wie sich wohl Lieschen Müller die große Politik vorstellt.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der FDP: Lieschen Hermann Müller!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als wir im Dezember 1966 diese Große Koalition eingingen, waren wir uns auf beiden Seiten darüber im klaren, daß es eine Koalition auf Zeit sein sollte, und — wenn mir als einem. christlich-demokratischen Politiker dieser Vergleich erlaubt ist —: es war sicherlich nicht unbedingt eine Liebesheirat, sondern mehr eine Vernunftehe. Aber eine Alternative war angesichts des desolaten Zustandes der FDP

    (Lachen bei der FDP)

    nicht sichtbar.

    (Zurufe von der FDP.)

    Wir haben uns, CDU/CSU und SPD, damals zusammengefunden aus einer gemeinsamen Verantwortung für diesen Staat, und wir haben uns zusammengetan, um ganz konkrete Aufgaben und Reformen zu verwirklichen.

    (Zuruf von der FDP: Darauf warten wir noch!)

    Die Regierungserklärung, die der Herr Bundeskanzler im Dezember 1966 abgegeben hat, ist und bleibt für uns die Basis dieser gemeinsamen Arbeit, an die wir uns auf seiten der CDU/CSU gebunden fühlen, und wir werden auch eine Aushölung dieser Regierungserklärung nicht zulassen.

    (Zuruf von der FDP: Aha!)

    Selbstverständlich — was haben Sie eigentlich anders erwartet? — sind unterschiedliche, ja auch gegensätzliche Positionen zwischen den beiden Regierungsparteien durchaus nicht zu bestreiten, trotz vieler gemeinsamer Bandbreiten. Ich glaube es wäre auch schlimm, wenn es anders wäre. So hat auch meine eigene Partei nach dem SPD-Bundesparteitag keinen Zweifel daran gelassen, daß und wo man auch Unterschiede sehen muß. Darauf hat übrigens der Fraktionsvorsitzende Dr. Barzel schon im Dezember 1966 bei der Debatte über die Regierungserklärung sehr deutlich hingewiesen.
    Eine solche Feststellung behindert aber in keiner Weise eine loyale Zusammenarbeit der Koalitionspartner. Wir respektieren unis, auch wenn wir uns nicht in allem und jedem indentifizieren. Ich bin auch Herrn Kollegen Möller sehr dankbar dafür, daß er einige Auslassungen auf dem SPD-Bundesparteitag, die auf Personen bezogen waren, hier mit seiner Darstellung geklärt hat. Ich will mich auf die Bemerkung beschränken, daß Herr Grass offensichtlich auch hier wieder einmal vorbeigehüpft ist.
    Meine Damen und Herren, auch auf seiten der Opposition werden Sie mit Gewißheit nicht unterstellen können, daß ich mit großer Begeisterung für die Große Koalition gewesen bin, gerade deshalb kann ich Ihnen hier und der Öffentlichkeit aus voller Überzeugung sagen: Diese Koalition wird bestehen, solange sich beide Partner an das halten, was für diese Legislaturperiode verabredet worden ist.

    (Lachen und Zurufe von der FDP.)

    Die Vorwürfe, die von seiten der Opposition erhoben worden sind, die Koalition habe versagt, der Kanzler führe nicht, sind — Herr Kollege Scheel, entschuldigen Sie mir diesen etwas unparlamentarischen Ausdruck — recht kleinkariert und eigentlich einer Opposition auch nicht würdig. Sie sind doch im Grunde nur darauf abgestellt, das Ansehen des Bundeskanzlers und der Bundesregierung abzuwerten. Der Herr Bundeskanzler hat bei verschiedenen Gelegenheiten unter Beweis gestellt, daß er von seiner Richtlinienkompetenz, die ihm das Grundgesetz gibt, den richtigen, angemessenen Gebrauch macht. Natürlich kann er, zumal in einer Koalition zweier so großer, annähernd gleich starker Partner das nicht im Sinne eines Kommandos tun und tut es auch nicht. Er wird es tun mit dem Einsatz seiner persönlichen Autorität, und dabei wird ihm auch in Zukunft wie bisher sein natürliches Talent zugute kommen, auch widerstrebende Kräfte auf das Wesentliche, das Entscheidende, das Positive zu vereinigen und Randerscheinungen zu entdramatisieren. Das ist vielleicht das, was Sie, Herr Kollege Scheel, ihm als Gelassenheit ankreiden. Diese sehr positive und für einen Bundeskanzler besonders bemerkenswerten Eigenschaften, so schrieb neulich eine maßgebliche Zeitung, habe der Herr Bundeskanzler geradezu „zu einer Kunst gefeilt".

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich bin überzeugt, daß die Öffentlichkeit sehr wohl zu würdigen weiß, wenn ein Politiker seine Worte wägt, aber auch zu seinen Worten steht, so, wie es der Herr Bundeskanzler stets getan hat.
    Mir schiene es wichtiger, meine Damen und Herren auf seiten der FDP, wenn Sie sich auch in Ihrer Oppositionsrolle etwas mehr als für diesen Staat verantwortlich ansähen.

    (Oho!-Rufe von der FDP. — Abg. Scheel: Ihre Regierung ist doch nicht der Staat!)

    — Ich komme gleich darauf. — In einer parlamentarischen Demokratie fällt auch der Opposition eine sehr wichtige Aufgabe zu. Wenn wir aber beobachten, Herr Kollege Scheel, wie sich die FDP im Lande etwa der außerparlamentarischen Opposition anbie-



    Dr. Müller-Hermann
    dert und diese Stimmung der Malaise, wie Sie es bezeichneten, hochspielt und antreibt, wie sie versucht, in Bonn alles und jedes in Grund und Boden zu verdammen und gleichzeitig draußen im Lande jedem zum Munde zu reden, so ist das eben im Grunde ein unverantwortliches Spiel mit dem angeblich so kurzen Gedächtnis der Wähler, paßt aber nicht recht zu den Aufgaben, die Ihnen als Opposition in unserer parlamentarischen Demokratie zufallen.