Ich bin dazu bereit.
Ich möchte auf etwas anderes zu sprechen kommen. Einige Beispiele mögen zeigen, wie hoch die Verantwortung ist, die wir bei der Verabschiedung dieses Gesetzes haben. Ich möchte mich für die Mühe bedanken, die man sich gerade mit § 3 gemacht hat; Herr Bading hat es angeführt.
In einem Punkte muß ich Ihnen, Herr Ritgen, allerdings widersprechen, nämlich in dem Punkte, daß es ohne Pflanzenschutzmittel nicht geht. Es dürfte Ihnen bekannt sein, daß es in der Schweiz rund 600 Betriebe unter ,der Leitung von Herrn Dr. Müller gibt, .die einen Umsatz von vielen Millionen im Jahr haben und die keinen Kunstdünger und keine Pflanzenschutzmittel gebrauchen. Nachzulesen in der Baseler National-Zeitung Nr. 3 vom 3. 1. 1967.
Wir haben in der Bundesrepublik drei Wirtschaftsbereiche, denen es nicht gut geht. Das ist der Bergbau, das ist die Textilindustrie, und das ist die Landwirtschaft. Bei allen dreien besteht das gleiche Problem, daß immer weniger Menschen 'immer mehr erzeugen. Es wäre auch im volkswirtschaftlichen Sinne durchaus einer Überlegung wert, ob es nicht für die deutsche Landwirtschaft sehr positiv und sehr gut wäre, wenn sie sich dazu entschließen könnte, in immer weiteren Bereichen die biologische Methode anzuwenden, um zwar weniger zu erzeugen, .das Erzeugte aber zu höheren Preisen abzusetzen. Sie wissen, daß eine ganze Reihe von Bürgern in 'diesem Lande gern bereit sind, in Reformhäusern für Nahrungsmittel, die auf biologische Weise erzeugt sind, mehr Geld auszugeben, als sie das in anderen Geschäften tun. Dies nur am Rande.
Lassen Sie mich ,einige Beispiele anführen, wie mit dem Pflanzenschutz und mit dem Kunstdünger auch eine ganze Reihe von .gefährlichen Dingen geschehen. Man hört sehr wenig davon — in der deutschen Presse bisher überhaupt nichts --, daß z. B. in denn Winzerdorf Thüngersheim bei Würzburg — nachzulesen bei Seifert in dem Buch „Gärtnern ohne Gift" — das Grundwasser durch Kunstdünger so verseucht ist, daß es Kindern nicht mehr gegeben werden kann, daß man das Wasser abkochen muß und daß die Eltern Mineralwasser nehmen müssen, um hre Kinder zu ernähren, damit diese nicht eine gefährliche Blutkrankheit bekommen. Es ist dort behördlicherseits verboten gewesen, Kunstdünger anzuwenden. Dieses Verbot ist nachher wieder aufgehoben worden.
In der Schweiz gab es 40 ha Rebstöcke, die keinen Ertrag brachten, weil ein Pflanzenschutzmittel nicht funktioniert hat.
Es ist für einen Biologen geradezu ein trauriges Kapitel, wenn man nachliest, was Professor Bröker festgestellt hat —er ist Biochemiker in Köln —: Ganze Bienenvölker gehen ein, weil Pflanzenschutzmittel zur falschen Zeit auf blühende Pflanzen gebracht wurden. Es genügen 10 oder 20 Bienen, einen ganzen Bienenstamm, ein ganzes Bienenvolk inklusive Königin umzubringen.
Ich darf darauf hinweisen, daß es Professor Schuphan war, der Aldrin in Salat, der aus Holland kam, nachgewiesen hat. Gott sei Dank haben wir inzwischen seit einem Jahr die Höchstmengenverordnung, nach der Aldrin verboten ist. In keinem Lebensmittel darf Aldrin vorhanden sein.
Der amerikanische Innenminister Udall hat sich dafür ausgesprochen, daß man das Problem des Pflanzenschutzes nicht mehr als eine Einzelmaßnahme sieht, sondern endlich so, wie es gesehen werden muß, als eine ökologische Frage des gesamten Naturhaushalts. Ich glaube, die Pflanzenschützer haben unseren ökologischen Naturhaushalt ganz erheblich durcheinander gebracht, und, Herr Sander, weil er nun einmal nicht mehr in Ordnung ist, muß immer mehr Gift gebraucht werden. Sie hatten vollkommen recht: mit den Monokulturen fing es an.
Ich könnte ein weiteres Beispiel bezüglich DDT in der Milch anführen. Man kann sogar fragen: Trinkt man Milch in Amerika oder trinkt man man Gift? Sie wissen, daß hier ein weiteres Problem anzuführen ist, nämlich das des Kumulierens, d. h. das Gift DDT wird im menschlichen Körper nicht abgebaut, sondern wird immer mehr angereichert, bis es dann zu einer Grenze kommt, deren Überschreitung zu Schädigungen der Leber, der Milz und des Rückenmarks führen kann. All dies muß man sehen, muß man wissen, wenn man über ein so wichtiges Gesetz entscheidet. Ich meine, man muß einmal diese kritischen Akzente setzen.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1967 7487