Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorlage über das Pflanzenschutzgesetz hat im Plenum schon einmal vor den Sommerferien vorgelegen. Da sich aber noch Meinungsverschiedenheiten zwischen dem federführenden Landwirtschaftsausschuß und dem mitbeteiligten Gesundheitsausschuß ergaben, hat das Plenum die Vorlage noch einmal an die Ausschüsse zurückverwiesen. Die Ausschüsse haben die Vorlage noch einmal sehr eingehend beraten. Ich kann Ihnen nun einen Bericht über den jetzigen Stand geben.
Die Entwicklung der gesamten Chemie der Pflanzenschutzmittel, die Erhöhung ihrer toxischen Wirkungen, die Ausbreitung der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln und damit auch die Vermehrung der Gefahren erzwangen ein neues Gesetz. Das bisherige Gesetz, das sich bisher mit dieser Materie beschäftigt, stammt aus dem Jahre 1937. Eine Neufassung ist 1949 bekanntgemacht worden. Seitdem sind beinahe zwanzig Jahre vergangen. Es ist also notwendig, daß das Gesetz erneuert wird.
Bisher war es üblich, daß Pflanzenschutzmittel auf freiwilliger Basis geprüft werden konnten und dann anerkannt wurden. Dieses Verfahren ist nicht mehr möglich. Es ist notwendig, daß wir eine obligatorische Prüfung einführen, auf Grund deren dann die Zulassung vorgenommen wird. Daneben sind aber auch noch Vorschriften über die Kennzeichnung der Pflanzenschutzmittel zur Abwendung von Gefahren dringend notwendig. Das ist in kurzen Worten der Inhalt des neuen Gesetzes.
Dieses Gesetz ist auch dadurch interessant, daß wir uns entschlossen haben, gewissermaßen einen Minoritätenschutz einzuführen. Sie alle wissen, daß es neben der Vielzahl von landwirtschaftlichen Betrieben, die zur Erzielung möglichst großer Ernten chemische Düngemittel und chemische Pflanzenschutzmittel anwenden, in der Landwirtschaft auch noch eine Richtung gibt, die sich bemüht, ohne Verwendung dieser Mittel durch Standortpflege und andere entsprechende Maßnahmen gegen Befall durch Schädlinge widerstandsfähige Pflanzen heranzuzüchten und qualitativ hochstehende Erzeugnisse auf den Markt zu bringen. Ebenso wie für den Menschen eine gesunde Lebensweise frei von Reiz- und Giftstoffen durchaus ihre Berechtigung hat — ich persönlich muß leider gestehen, daß ich dem Reiz von Giftstoffen nicht ganz entsagen kann —, ist auch eine entsprechende Richtung in der Landwirtschaft berechtigt. Aber auch unter einem anderen Gesichtspunkt ist die Erhaltung eines schutzgiftfreien Anbaus wichtig. Landwirtschaftliche Erzeugnisse, aus denen Diätmittel insbesondere für Säuglinge und Kinder hergestellt werden, dürfen keine Rückstände von Schäd]ingsbekämpfungs- und Vorratsschutzmitteln enthalten.
Bei unserer Arbeit im Ausschuß sind wir nach dem Grundsatz verfahren: Freiheit so viel wie möglich, und Eingriffe in die Freiheit nur dann, wenn sie dringend notwendig sind. Eingriffe in die Freiheit sollen nur vorgenommen werden, soweit sie zur Abwendung einer akuten, allgemeinen Gefahr — z. B. dem massenhaften Auftreten eines Schädlings — erforderlich werden und wenn die Gefahr nicht auf andere Weise abgewendet werden kann. Das heißt, daß die Interessen der Betroffenen gewahrt werden müssen.
Würde man auf Feldern und in Gärten, bei denen jahrelang keine chemischen Düngemittel und Pflanzenschutzmittel angewandt worden sind, solche Mittel verwenden, würde man die jahrelangen Bemühungen der Besitzer dieser Felder und Gärten zunichte machen und sie schädigen. Daher hat der Ausschuß mit den in § 3 eingefügten Worten „unter Berücksichtigung der Interessen der Betroffenen" nicht nur den Schutz der Verbraucher, sondern auch die Interessen der Betriebe gemeint, die sich bemühen, im Rahmen besonderer Kulturverfahren Schadensorganismen und Pflanzenkrankheiten möglichst ohne Anwendung toxischer Schutzmittel zu bekämpfen. Betroffene können unter Umständen aber auch die Hersteller von Pflanzenschutzmitteln sein, z. B. dann, wenn durch behördliche Maßnahmen der freie Wettbewerb auf dem Pflanzenschutzmittelmarkt eingeschränkt werden soll.
Der federführende Ausschuß ist damit beim § 3 dem Vorschlag des Gesundheitsausschusses gefolgt. Ich bin vom Landwirtschaftsausschuß beauftragt, das von dieser Stelle aus hervorzuheben und den Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie auch den Minister für Gesundheitswesen — sofern er beteiligt ist — ausdrücklich darauf hinzuweisen, Rechtsverordnungen auf Grund des § 3 nur in diesem Sinne zu erlassen. Beim Erlaß dieser Rechtsverordnungen ist also darauf zu achten, daß bestimmte Bekämpfungsmaßnahmen und die Verwendung bestimmter Pflanzenschutzmittel nur dann angeordnet werden, wenn den Betroffenen andere wirksame Bekämpfungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen und soweit es unter Berücksichtigung der Interessen der Betroffe-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1967 7483
Bading
nen erforderlich ist und die Zwecke des Gesetzes
auf andere Weise nicht erreicht werden können.
Bei § 7 blieb der federführende Ausschuß bei der vorgeschlagenen Streichung des Abs. 3. In diesem Abs. 3 sind die Einzelheiten aufgeführt, die ein Antrag auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels enthalten muß. Der Ernährungsausschuß ist der Ansicht, daß diese Einzelheiten nicht in das Gesetz, sondern in die Durchführungsverordnung gehören. Ergibt sich nämlich später die Notwendigkeit, noch einen weiteren Punkt als Bedingung aufzunehmen, so braucht nur die Verordnung und nicht das Gesetz geändert zu werden.
Der Ernährungsausschuß kam aber dem Wunsch des Gesundheitsausschusses insofern nach, als die Bundesregierung auch von dieser Stelle aus ersucht wird, in der Zulassungsverordnung vorzuschreiben, daß dem Antrag auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels Versuchsergebnisse und Protokolle beizufügen sind, soweit dies für die Beurteilung erforderlich ist. Vorkommnisse in der letzten Zeit haben nämlich gezeigt, daß das besonders notwendig ist.
Die anderen Änderungen, die noch vorgenommen worden sind, sind nicht wesentlich, und ich möchte Sie damit nicht weiter langweilen. Der Ordnung halber muß ich lediglich darauf aufmerksam machen, daß. in § 19 Abs. 1 die Worte: „zuletzt geändert durch die Finanzgerichtsordnung vom 6. Oktober 1965 " auf Grund von in der Zwischenzeit ergangenen Gesetzen wie folgt zu ändern sind: „zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze vom 10. August 1967 (Bundesgesetzbl. I S. 877)".
Meine Damen und Herren, der Ernährungsausschuß glaubt, Ihnen einen Gesetzentwurf vorzulegen, der alle beteiligten Kreise befriedigen kann, sowohl die Erzeuger von Pflanzenschutzmitteln als auch die Landwirtschaft im allgemeinen als aber auch die Landwirte, die unter besonderen Bedingungen arbeiten und ihre Betriebsweise geschützt wissen wollen, und nicht zuletzt auch die Verbraucher. Ich bitte das Hohe Haus, der Vorlage seine Zustimmung zu geben.