Rede von
Kurt
Jung
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich hoffe, Herr Präsident, daß mir die Zeit der Zwischenfragen abgezogen wird. Ich möchte dieses Gebiet auch nicht weiter vertiefen, nachdem ja vorhin darüber gesprochen worden ist. Ich habe es nur noch einmal aufgegriffen, um klarzustellen, wie widersprüchlich das auch in dieser Regierungskoalition sowohl vorher als auch heute in diesem Raum dargestellt wurde.
In dem Zusammenhang möchte ich das, was Herr Kollege Schmidt sagte, nämlich den Hinweis auf die Übung Fatex, Ihnen doch noch einmal zu überdenken anheimgeben; denn im Anschluß daran entstand doch zweifellos eine sehr große Unruhe im deutschen Volk. Es wäre wohl wert, einmal offen darüber zu sprechen.
Ein Satz in der Regierungserklärung war für mich nicht eindeutig klar. Der Herr Minister hat nämlich gesagt: im Zusammenhang mit kontrolliertem Verzicht der Bundesrepublik Deutschland auf die Herstellung von nuklearen Waffen, Verzicht auf nationale Verfügungsgewalt und Kontrolle durch Euratom „ist unsere Unterstützung des Prinzips der Nichtverbreitung von Nuklearwaffen zu sehen". Ich möchte fragen: Bedeutet das das endgültige „Ja" der Regierung zum Atomsperrvertrag, und wird die Regierung, nachdem die Bedenken offenbar beseitigt sind, unterschreiben?
— Herr Kollege Marx, das ist doch der Satz gewesen, und ich muß doch die Gelegenheit haben, die Regierung zu bitten, das etwas klarer zu interpretieren.
— Ich habe hier keine Meinung zu äußern, sondern ich habe der Regierung eine Frage gestellt, und nachdem das hier vorgetragen wurde, möchte ich eine Antwort haben.
Gestatten Sie mir noch einige Worte zur Personalpolitik, weil nämlich vorhin Herr Zimmermann auf .die Anregungen von Herrn Ollesch —meinem Empfinden nach bewußt — einfach nicht eingehen wollte. Es geht nach unserem Vorschlag gar nicht um eine Mehreinziehung, sondern es geht, wie Herr Ollesch sehr klar gesagt hat, um eine Reduzierung, um eine Umstrukturierung, um die Aufstellung von Kadereinheiten, die in der Lage sind, die Reservisten auszubilden, also Rahmeneinheiten, Lehreinheiten. Diese Lehreinheiten könnten dann im Laufe eines Jahres 360 000 Mann aufnehmen. Das ist rein rechnerisch. Natürlich mag das in dem einen oder anderen Fall nicht ganz stimmen. Aber wenn Sie davon ausgehen, daß der Reservist doppelt soviel kostet wie ein Wehrpflichtiger, dann sind es eben statt 60 000 30 000, und wenn die VierWochen-Übungen machen, dann müssen Sie das mit 12 multiplizieren und kommen dann auf das Rechenexempel, das Herr 011esch hier vorgetragen hat. Ich wollte das noch sagen, weil mir die Zahl so entscheidend ist. Wir wollen ja nicht wissen, welche Zahl aufgegeben worden ist, 508 000 Soldaten oder 205 000 Zivilisten. Das wußten wir ja. Wir möchten wissen, Herr Minister, welche Zahl künftig gilt. Darum bitten wir Sie.
Sie haben gesagt, die Zahl der Offiziere und Unteroffiziere sei immer noch defizitär; es fehlten 15 % Offiziere und 23 % Unteroffiziere. Wenn ich richtig gerechnet habe, so könnte das bedeuten, daß die Regierung gewillt ist, etwa 40 000 Mann weniger einzuziehen, weil nämlich im Augenblick gar keine Möglichkeit besteht, das Potential an Offizieren und Unteroffizieren anzuheben, insbesondere deswegen nicht, weil trotz der Bemühungen des Verteidigungsausschusses einige Änderungen sozialer und steuerrechtlicher Art diese Laufbahnen zumindest im Augenblick eben nicht mehr so sehr attraktiv machen. Denken Sie nur an eine gewisse Herabsetzung der Dienstzeitprämien! Es erscheint mir also wichtig, darauf hinzuweisen, daß die Zahl, die wir gern wissen möchten, eine große Rolle spielt.
Gestatten Sie mir zu dem Punkt Strukturänderung noch zu sagen, daß ja nicht nur die FDP Vorschläge gemacht hat, sondern daß es eine ganze Reihe prominenter Militärschriftsteller, Strategen und hoher Offiziere gibt, die Vorschläge gemacht haben, die mit den Vorstellungen der FDP absolut in Verbindung gebracht werden können. Er herrscht hier also oftmals weitgehend Übereinstimmung. Insofern stehen wir hier nicht allein.
— Die FDP hat das schon sehr lange gesagt. Ich weiß nicht, wer wen belehrt hat, aber es kommt nicht darauf an, wer wen belehrt, sondern darauf, daß am Schluß das Beste herauskommt, Herr Kollege.
— Herr Kollege Berkhan, ich komme in Zeitbedrängnis. Die Regierung hat heute ganz allgemein durch den Herrn Minister bekanntgeben lassen, daß von einer Straffung der Kommandostruktur die Rede ist. Aber entschuldigen Sie bitte, es war mir wirklich zu weich und zu ungenau, was hier vorgetragen wurde. Ich würde schon gern konkrete Angaben hierüber hören. Sie haben heute noch nicht einmal gehört, daß die Stäbe — TV, Bundeswehr, Luftwaffe oder was immer — zusammengelegt werden. Das haben Sie heute konkret nicht gehört. Die Absicht der Regierung besteht eben darin, nachzudenken und — wie ich den Eindruck habe — pausenlos darüber nachzudenken.
— Ja, gut, aber man soll auch einmal aus dem Nachdenken irgendwelche Konsequenzen ziehen.
Auf die Gefahr hin, daß ich mir wieder den Ärger des
Herrn Kollegen Ernesti zuziehe, muß ich noch einmal
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 140. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Dezember 1967 7167
Jung
auf die Debatte in der vergangenen Woche zurückkommen, wo ich ja hier für meine Fraktion die Operation am Ministerium gefordert habe. Ich bedauere, daß die sozialdemokratische Fraktion, nachdem sie sowohl im Ausschuß als auch hier und in der letzten Debatte um den Haushalt 1967 dieses Organisationsgesetz gefordert hat, uns dort im Stich gelassen hat. Ich glaube vielmehr, daß sie an diesem Abend in der vergangenen Woche einfach nicht da war, mag darauf zurückzuführen sein, daß die Koalitionstreue so groß war.
Ich möchte wissen — und mit mir meine Freunde —, wie das Ministerium organisiert wird. Der Minister müßte sich jetzt in Kürze hinstellen und sagen: So will ich das Ministerium organisiert haben, und so sieht die durchgehende Kommandostruktur aus, und diese Aufgabe hat die Bundeswehr als Schwert — so will ich es einmal nennen, um jetzt auf diesen Vorschlag, den der Kollege Ollesch hier vorgetragen hat, zurückzukommen —, und diese Aufgabe hat die Landwehr — das Schild —, und diese Aufgabe hat die Heimatwehr, und diese Aufgabe eben der zivile Bevölkerungsschutz.
Das sind doch alles politische Dinge, die hier einmal vorgetragen werden müßten. Es geht doch nicht, daß man nun Konstruktionen wie dein zivilen Bevölkerungsschutz macht, draußen Materialien einlagert und dann einfach nicht mehr weiterkommt. Das gehört doch alles mit in dieses große Gebilde hinein.
Gewiß bedarf dieser von uns vorgeschlagene Prozeß einer größeren Anlaufzeit. Das läßt sich nicht in einem Jahr, das läßt sich nicht in zwei Jahren machen. Aber man muß einmal damit anfangen. Denn wir wollen dies ja auch, um klare Vorstellungen über die Kosten unserer Verteidigung auch für die Zukunft zu haben. Gerade deswegen wollen wir doch die künftige Streitkräfteplanung erfahren, damit wir Wissen, was neben den Kosten für Personal, für Fürsorge, für den Betrieb dieser Bundeswehr noch für Investitionen übrigbleibt. Herr Minister, wir alle unterstützen Ihre Bemühungen, wenn Sie sagen, daß Sie für einfache technische Lösungen bei der Beschaffung von Waffensystemen eintreten.
Ich werde vielleicht nachher auf das eine oder andere Beispiel zurückkommen, wenn mir die Zeit dazu bleibt. Wir unterstützen auch gern die Bemühungen, die Betriebskosten durch abgestufte Präsenz zu verringern. Nur müssen sie halt endlich konsequent durchgezogen werden. Sie haben ja schon kleine Teile von FDP-Vorstellungen übernommen. Das haben wir ja mit Freude festgestellt. Aber es sind eben nur ganz kleine Teile gewesen, unid so ein bißchen Kosmetik genügt uns nicht.
— Vielen Dank, Herr Berkhan. Aber ich glaube, daß auch hier Gemeinsamkeit mit der SPD vorhanden ist und daß ich dann wenigstens alle drei Fraktionen einbeziehen kann.
— Ach so, das habe ich hier nicht richtig verstanden. Wir meinen geben, daß hier eine etwas umfassendere Massage notwendig wäre. Ihre Aussage, daß Zusammenfassung der Teilstreitkräfte zur Straffung der Struktur in die Planung einbezogen wird, ist nicht genug. Sie ist zu weich. Wir müssen wissen, was nun ist. Wird zusammengelegt oder wird nicht zusammengelegt? Das wurde heute nicht gesagt. Sie fürchten — das haben Sie zum Ausdruck gebracht —, daß durch die Veränderungen Unruhe in die Truppe kommt, also die Veränderungen Unruhe mit sich bringen. Natürlich. Aber vermeiden kann man diese Unruhen nur, wenn man überhaupt nichts tut. Ich habe tatsächlich das Gefühlt, daß so ein bißchen Unruhe mal für einige Zeit ganz gut täte, um einige allzu Ruhige aufzuscheuchen.
Herr Kollege Schultz hat das Beispiel von dem VKK gebracht. Schade, daß Herr Kollege Dr. Wörner nicht mehr im Saal ist. Ich möchte mich an seine Empfehlungen halten, aber er wäre ganz bestimmt bereit, Herr Minister, Ihnen auch Beispiele dafür zu nennen, daß die Reservistenbetreuung, die durch eigene Initiative sehr effektiv ist, durch reservistenbetreuende Einheiten doch gehemmt wird.
Nun, Sie haben gesagt, Fusion könnte gut sein. Also bitte: Machen Sie schnell, denn damit kann wirklich schnell eingespart werden. Ihre finanziellen Bedeken gegen die Aufstellung der vorhin genannten Kadereinheiten für Reservisten über den Kriegsumfang hinaus sind ganz unbegründet, wie ich Ihnen eben durch das Beispiel gezeigt habe. Bitte beachten Sie etwas mehr die FDP-Vorschläge, und beschäftigen Sie sich etwas mehr damit! Dann werden Sie feststellen, daß Sie tatsächlich mehr Soldaten verfügbar haben, daß unter Verzicht auf atomare Trägerwaffen sogar eine Verringerung der Kosten eintreten würde!
Lassen Sie mich noch kurz zu dem Problem Luftwaffe etwas sagen. Es ist sehr richtig dargestellt, daß Luftangriffsverbände in vermehrtem Maße für konventionellen Einsatz vorhanden sein müssen. Zu dieser Feststellung sage ich vorbehaltlos ja. Die Konsequenz daraus muß aber auch schnellstens gezogen werden. Der Herr Kollege Ollesch hat darauf hingewiesen, wie problematisch die Umrüstung eines Überschallflugzeuges für den Unterschallbereich ist. Ich brauche hier im einzelnen nicht darauf einzugehen. Ein Pilot hat einmal gesagt, das käme ihm so vor, als wenn ein Formel-III-Rennwagen für ein Seifenkistenrennen eingesetzt würde. Es ist also tatsächlich auch eine Frage der Wirtschaftlichkeit, ganz abgesehen von den Flugeigenschaften_ in diesem Bereich und der Tragkapazität. Hier müssen tatsächlich schnellstens Vorstellungen darüber entwickelt werden, was weiter gemacht wird, wie das in der Zukunft aussieht, ob wir VG, AVS oder VAK — wobei ich VG und AVS zusammennehme, weil das naürlich selbstverständlich eine technische Einheit ist —, oder ob wir robuste Schlachtflugzeuge in großer Anzahl haben — das alles müßte eben in diese Vorstellungen über die Aufgabe der Luftwaffe mit hinein. Die Lücke im Flugabwehrsystem
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