Herr Kollege Berkhan, ich bin bereit, Ihnen darin zuzustimmen, daß vor sieben Jahren im Warschauer Pakt eine andere Situation bestanden hat. Aber ich bin nicht bereits, das dann auf das Jahr 1966 und auf den Bericht „Bestandsaufnahme 1966" der SPD zu übertragen, wo es wörtlich heißt: „Um der Stabilität des Bündnisses willen und als Beitrag zur Entspannung muß die Bundesregierung den Ehrgeiz auf atomaren Mitbesitz aufgeben."
Herr Kollege Berkhan, um das nun zum Ende zu bringen, möchte ich noch einmal aus dem Frühjahr 1967 Herrn Kollegen Schmidt zitieren, Er sagte — und das ist eben die letzte Phase dieses Umfalls auf Raten —: „Von einer Denuklearisierung der Bundeswehr ist mir nichts bekannt." Das hat er also als Abschluß dieses Umfalls auf Raten hier gesagt.
Ich wäre nicht darauf zurückgekommen — das habe ich schon gesagt —, wenn nicht vorhin Herr Kollege Schmidt sich so mit „einseitigen Vorleistungen" festgelegt hätte. Wir sind eben der Meinung, daß hier durchaus eine Wechselwirkung besteht.
Nun, die Bundesregierung besteht auf nuklearen Trägermitteln.
— Gut, Herr Marx.
— Natürlich habe ich das zur Kenntnis genommen. Es braucht aber nun nicht alles, was Sie — ich bin noch nicht dazu gekommen, Ihr Buch bezüglich der Stärke zu lesen, ich danke Ihnen aber vielmals dafür, es ist inzwischen angekommen — —
— Ich empfehle Ihnen aber, auf der anderen Seite, Herr Kollege Marx, auch einmal das kleine Büchlein von Herrn Miksche zu lesen; der sagt nämlich andere Dinge als Sie.
— Nein, das habe ich nicht in Auftrag gegeben. Ich bin nur froh, daß in vielen Passagen eine gewisse Übereinstimmung mit den Vorstellungen der FDP besteht.
— Schön. — Ich möchte also hier sagen, die Regierung besteht auf nuklearen Trägermitteln — so war es aus der Rede von Herrn Minister Schröder zu entnehmen —, obwohl nicht nur wir, sondern auch viele andere, nicht nur der Herr Miksche, sondern auch andere potente Leute, der Meinung sind und sie klar zum Ausdruck gebracht haben, daß diese Trägermittel keinen Schutz und keine glaubhafte Abschreckung darstellen.
Der Herr Minister hat in diesem Falle auch das militärische Protential der UdSSR und der Warschauer-Pakt-Staaten angeschnitten und dabei erwähnt, daß es niemals größer, niemals schlagkräftiger gewesen sei als heute; und ich bin der Überzeugung, Herr Kollege Marx: wenn ich Ihr Buch zu Ende gelesen habe, werde ich dieselben Worte sicher dort wiedergefunden haben.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 140. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Dezember 1967 7165
Jung
Aber man muß dann auch fragen: Warum eigentlich sind die schlagkräftiger? Da muß man dann auch einmal auf den Kern gehen. Wenn vorhin Herr Kollege Zimmermann sagte, daß diese Divisionen beweglich sind und in einer gewissen Zeit 50 km und mehr durchstoßen, dann muß man natürlich auch wissen, daß diese Divisionen kleiner sind und nicht einen Schwanz darstellen wie unsere mit 1.10 km, wenn man die aneinanderreiht, da dort eben viel weniger Fahrzeuge und mehr Personen pro Fahrzeug eine Rolle spielen als bei uns. Im übrigen, Herr Kollege Marx und Herr Kollege Zimmermann, möchte ich doch meinen, daß man auch dort einiges mit Fragezeichen versehen muß und daß man nicht immer gebannt wie das Kaninchen auf die Schlange starren muß. Denn es ist auch nicht alles richtig. Herr Kollege Zimmermann, Sie haben vorhin gesagt, daß Jugoslawien zum Warschauer Pakt gehört. Ich glaube, das war zumindest nicht korrekt.
Ich meine, wir sollten auch nicht so tun, als ob wir die einzigen wären, die abzuwehren haben. Schließlich sind war ja im Bündnis, und zwar in einem großen Bündnis.
— Ich gebe Ihnen zu, Herr Kollege Marx, daß es der Überlegung bedarf, wie das Bündnis nach 1969 auszusehen hat. Das hat Herr Kollege Schmidt ja hier ausgeführt; ich brauche im einzelnen nicht darauf einzugehen. Aber nach wie vor ist es ein existentes starkes Bündnis, und ich glaube, dieses Bündnis ist in der Lage, einen solchen Angriff — der im übrigen kein Überraschungsangriff sein kann — abzuwehren.
Auch der Herr Minister sagte richtig, daß der allgemeine nukleare Krieg unwahrscheinlich ist, solange die beiden Mächte über die second strike capability verfügen, und folgerte wieder richtig daraus, daß nur Störaktionen, örtliche Kampfhandlungen, begrenzte Kriege und konventionelle Angriffe erfolgen können. Aber eben darauf sind wir doch nicht gerüstet, und hier hätte die Regierung konsequent ihre Planung darauf abstellen und konkret sagen müssen, was sie vorhat, z. B. ob sie Panzerabwehr durch Panzer oder durch panzerbrechende Waffen, Flächenfeuerwaffen oder Panzerfäuste oder was immer machen will, wie sie das Rohrwaffendefizit ausgleichen will, wie sie die Rohrflak, die der Luftwaffe so dringend fehlt, schnellstens beschaffen will und wie sie z. B. für die Luftwaffe mehr einfachere, robustere, tragfähigere Schlachtflugzeuge schaffen will. Das alles wären Dinge gewesen, die hier hätten vorgetragen werden müssen. — Mein Kollege 011esch hat über Granatwerfer gesprochen; nun, vielleicht kann man einmal mit der Polizei verhandeln und die übrigen Granatwerfer von der Polizei bei den Innenministerien holen.
— Ich möchte nachher noch auf einige technische Probleme kommen, Herr Kollege Herold. Ich glaube, Ihre Aufregung — —
— Herr Kollege Herold, ich glaube deutlich gemacht zu haben, daß die Bundesregierung hier und heute hätte sagen müssen, wie die Konzeption aussieht, wie sie auf das veränderte Bild zu reagieren gewillt ist und wie sie sich das vorstellt. Das wollte ich mit diesen Bemerkungen sagen: daß diese konkreten Beispiele eben hier nicht angeführt wurden.
Ich halte auch für völlig falsch, Herr Kollege Herold, was hier von der Regierung gesagt wurde, daß auf einen konventionellen Angriff .auch nuklear geantwortet werden kann. Ich und mit mir meine Freunde sind der Meinung, daß sich die Vereinigten Staaten darauf nicht einlassen, denn das würde zweifellos die Eskalation bringen. Im übrigen hat die FDP nie bestritten, daß in der NATO sowohl konventionelle als auch nukleare Land-, Luft- und Seestreitkräfte vorhanden sein müssen. Nur für die deutsche Bundeswehr ist eben eine besondere Situation gegeben, und deswegen haben wir ja auch die Aufgabenteilung vorgeschlagen. Denn die absolut defensive Zielsetzung der deutschen Verteidigungspolitik kann eben nicht überzeugend dargestellt werden, wenn man in sie nur präventiv einsetzbare nukleare Träger einschließt.
Das ist ein Widerspruch in sich, Herr Kollege Marx.
— Ich sage doch, das ist ein Widerspruch in sich. Ich habe gar nichts unterstellt, und ich baue gar kein Gespenst auf, wie Sie sagen, sondern ich gehe ganz einfach nüchtern von den hier vorgetragenen Sätzen aus.
— Ja, bitte!