Lieber Herr Kollege Ollesch, Sie hätten sich auch durchrechnen sollen, daß bei einer zwölfmonatigen Wehrdienstzeit die Hälfte mehr an Leuten eingezogen werden müßten, daß der ausgebildete Soldat keine Stunde im Einsatzverband präsent ist — denn er geht nach der Ausbildung wieder nach Hause — und daß nur ein ausgewogenes Mischungsverhältnis zwischen aktiven Einsatzverbänden und Reservisten bei diesem Finanzrahmen, bei unseren Möglichkeiten der Ausbildung, bei unseren Wünschen nach Leistungsfähigkeit und Einsatzfähigkeit in die Gesamtkon-
7160 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 140. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Dezember 1967
Dr. Zimmermann
zeption der Bundeswehr hineinpaßt und nicht ein kopflastiges Überwiegen der Reservistenverbände, wie Sie es vorgeschlagen haben.
Darf ich mich dann einigen anderen Themen zuwenden, die herausgegriffen sind, aber behandelt werden müssen. Von den personellen Kürzungen reden wir die letzten Monate bis heute. Ich bin dankbar, daß der Verteidigungsminister hier zurückhaltend geantwortet hat. Ich gebe ihm recht, daß das eine Frage ist, die man nicht über das Knie brechen kann. Wir alle haben wohl den Eindruck, daß Personaleinsparungsmöglichkeiten bei Soldaten und Zivilisten noch bestehen, daß es möglich ist, Kraftfahrer und anderes Zivilpersonal, das sich bei der Truppe befindet, durch Soldaten zu ersetzen. Vielleicht wird dadurch nicht die Ausbildung gefördert, wohl aber ist es ein Beitrag zur Präsenz und zur Beibehaltung der Kopfstärke. Auf solche kleinen Möglichkeiten wird man auch bei 10 000 oder 15 000, um die es vielleicht hier geht, nicht ganz verzichten können und sollen.
Ich habe es immer als schauerlich empfunden, daß ziviles Wachpersonal unsere Depots, unsere Kasernen und anderes bewacht. Ich habe oft mit Verwunderung gesehen, wie bejahrt dieses Personal zum Teil ist, was durch Mitführen von gut ausgebildeten Schäferhunden nicht immer ausgeglichen wird.
Ich denke an ein Beispiel im süddeutschen Raum, wo diese Hunde wegen des Vorhandenseins von Rattenvergiftungsmitteln ihre sonst gewohnten Aktionen nicht durchführen konnten. Wie sage ich es besser? Ich möchte zum Ausdruck bringen, daß ein anständiger Wachdienst, so wenig attraktiv er auch in früheren Zeiten gewesen ist — das gilt für die Gedienten —, eben auch zur Truppe gehört und daß Wachunterweisung, Wachdienst und tatsächliche Wachdurchführung, die sich nach meiner Meinung als nötiger erweisen könnten, als das in der Vergangenheit manchmal wahrgenommen worden ist, auch in Zukunft den gerechten Platz im Dienstplan sollten einnehmen können.
Wenn wir von Personaleinsparung reden, dann wissen wir — das isst heute mehrfach mit Recht angesprochen worden; es ist ein zentrales Thema —, daß eine einseitige Herabsetzung unserer Präsenzstärke geradezu zu einer Kettenreaktion im Westen führen könnte,
nicht erst, wie Helmut Schmidt es als Sorge hinstellte, für die Jahre 1970 bis 1972, sondern diese Kettenreaktion hätte dann eine Aktualität, die uns wahrscheinlich alle erschrecken müßte.
Das würde geschehen, ohne daß gegenüber dem Osten irgendeine Form von Zugzwangausgeübt würde, wie es Kurt Becker in der „Zeit" ganz richtig formulierte. Ja, es würde ,geschehen, ohne daß sogar ein Stimulierungseffekt im Osten eintreten
würde, — nichts davon. Diese Große Koalition sollte sich also hüten, ein Signal für eine einseitige westliche Truppenreduzierung zu setzen. Deshalb bedarf ,dieses Thema der Verminderung der aktiven Einsatzverbände der behutsamsten Hand.
Wir wissen alle, daß das natürlich bedeutet, daß wir mit dem Rechen- und Rotstift überall herangehen müssen, ob wir wollen oder nicht, an alle Positionen des Verteidigungshaushalts. Das Haus selbst tut sich schon schwer genug. Dabei muß man weissen, daß wir allmählich 'die mog.ische Grenze von 5 % des Bruttosozialprodukts zu erreichen beginnen und daß Engländer, Franzosen und Amerikaner alle weit über dieser Schlüsselzahl liegen. Wir wissen auch, daß die Sowjets in diesem Jahr zwischen )11 % und 12 % ihres Bruttosozialprodukts ausgeben. Wir sehen, daß bei allen unseren Entspannungsbemühungen in Europa, ,die Widerhall auf der politischen Seite der Warschauer-Pakt-Staaten finden — wir 'begrüßen 'das —, es militärisch keine 'Entspannung gibt, gar keine.
Niemals 'war der Warschauer Pakt besser bewaffnet, stärker gerüstet, an Kopfzahl größer, einsatzbereiter, besser gegliedert und vor allem in seinen logistischen Ost-West-Möglichkeiten ,auf der Schiene, Straße und Luft
schneller einsatzbereit als in dieser Stunde des Jahres 1967.
Es gibt nirgendwo eine Veröffentlichung, nirgendwo eine Stimme, die diese Tatsache bestreiten könnte,
aber viele, die das nicht so gern hören wollen. — Nein, für uns gilt das eben nicht. Es wurde diesmal nicht im Konzept des Verteidigungsministers vorgetragen. Aber Kollege Adorno hat es im Verteidigungsausschuß gesagt; man hat ,es jetzt für diese Rede herausgenommen. Ich sage es auf Ihren Zwischenruf hin. Das Motto der Zukunft ist, sagte Kollege Adorno damals — oder: wir stehen unter dem Zwang —: „Verteidigung mit schwächer werdeaden Kräften". Es ist leider nicht so. Ich wäre froh, wenn Sie recht hätten, Herr Kollege Berkhan, daß es auch bei uns so wäre, daß wir nie stärker waren als zuvor. Es ist nicht so. Diese These wage ich leider aufzustellen.
Bitte sehr.