Rede von
Helmut
Schmidt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich werde Herrn Scheel nachher noch zur Verfügung stehen. Ich möchte im Anschluß an die Bemerkung, die ich eben machte, zwischendurch auf eine Bemerkung des von mir sehr geschätzten Kollegen Schultz antworten. Ich komme dann gleich auf Herrn Scheel zurück. Herr Schultz zitiert ja immer gerne aus einem Buch, das ich vor sieben Jahren einmal geschrieben habe.
Lieber Herr Schultz, das ist wie mit der Bibel: Jeder zitiert das, was ihm gerade in den Kram paßt.
Man kann alles herausfinden. Ich möchte Sie von meiner inneren Überzeugung unterrichten, Herr Schultz. Ich glaube nicht, daß ich irgend etwas Wichtiges, was ich damals gedacht habe, heute zurücknehmen möchte. Nur ist das ja gar keine Frage von Denken oder Meinen, denn es gibt in dem Buch ja einen Schlußabschnitt; er heißt: Schlußfolgerungen. Dort sind 20 Schlußfolgerungen aufgezählt und sogar numeriert. Sie werfen mir vor, ich hätte früher in der Frage der nuklearen Komponente etwas anderes gesagt als heute. Ich muß Ihnen vorlesen, was ich damals gesagt habe. Es ist vor sieben Jahren geschrieben, in einer ganz ande-
ren Lage, aber immerhin! Seien Sie so gut, es wirklich in sich aufzunehmen, damit ich nicht jedesmal über dieses Buch reden muß. Es ist ja vergriffen, und infolgedessen nützt mir die Reklame gar nichts mehr, die Sie hier dauernd machen.
Ich möchte diese drei oder vier Sätze mit der Genehmigung des Präsidenten vorlesen. In den Schlußfolgerungen heißt es unter der Ziffer 4:
Die weitere Aufrechterhaltung des allgemeinen
— dieses Wort ist kursiv gedruckt —
nuklearstrategischen Vergeltungskonzepts ist töricht. Wer nicht begreifen will, daß die Drohung mit der nuklearen Vernichtung nur noch von ganz bestimmten Aggressionsformen abzuschrecken geeignet ist, der setzt im Verteidigungsfall Europa der Alternative von Unterwerfung oder Vernichtung aus. Die These von der Unvermeidbarkeit nuklearer Verteidigung ist tödlicher Unfug.
Etwas später heißt es in der Ziffer 5 — ich lasse vieles an Ausführungen, was dazwischen steht, weg —:
Die Verteidigung mit begrenzter nuklearer Waffenwirkung
— das ist das, wovon wir die ganze Zeit reden; wir reden ja nicht von dem großen nuklearstrategischen Knüppel der Amerikaner —
behält als Drohung auf die Dauer ihre Glaubwürdigkeit lediglich
— „auf die Dauer" ist da gesagt; da ist nicht gesagt: bis zum Jahre 1966 oder 1967 —für. Aggressionen, die mit gleicher Waffenwirkung beabsichtigt sind. Zur Abschreckung solcher Aggressionen braucht die NATO in Europa deshalb eine ausreichende Zahl taktischer Nuklearwaffen.
Das ist vor sieben Jahren geschrieben und immer noch richtig und in Übereinstimmung mit dem, was Herr Schröder vorgetragen hat.
Nun Herr Scheel, bitte!