Rede von
Alfred
Ollesch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Kollege Lenze, ziehen Sie von den voll einsatzbereiten Verbänden erst einmal 160 000 neu eingezogene Soldaten ab. Dann haben Sie eine niedrigere Zahl, als wenn wir unsere aktiven Verbände so weit verringern, daß wir in der Lage sind, von unserem Reservistenpotential Gebrauch zu machen. Ich wehre mich einfach gegen den Unsinn, Herr Lenze, daß wir ständig neue Soldaten einziehen — mit all den Schwierigkeiten, die das Einziehsystem uns zur Zeit bereitet — und daß wir die Leute nach eineinhalb Jahren entlassen und nie wieder von ihnen Gebrauch machen.
Sehen Sie, Herr Lenze, Sie können das Problem so wie bisher nicht lösen, sonst hätten wir es nicht; sonst wäre es nicht da, es wäre vom Tisch.
Wir werden also — das ist mein Vorschlag — die Bundeswehr so umgliedern, daß sie aus aktiven, jederzeit eingreifbereiten Verbänden besteht, vornehmlich aus längerdienenden Soldaten, die wir ja ohnehin in Höhe von über 240 000 Mann haben, daneben, meine Damen und Herren, die Kadereinheiten, die der Herr Minister vorschlägt — mögen Sie sie nennen, wie Sie wollen —, die in der Lage
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 140. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Dezember 1967 7149
Ollesch
sind, die Reservisten einzuziehen und sie zur Verstärkung unserer Kampfkraft heranzuziehen.
— Nein, die gedienten Reservisten.
Es wurde vorhin in der Diskussion über unseren Antrag, die Wehrpflichtzeit zu verkürzen, darauf hingewiesen, daß das aus diesen oder jenen Gründen nicht möglich sei. Bei der Verkürzung der Wehrpflicht nach unserem Antrag, bei der die Präsenzstärke um 60 000 Mann sinkt, sind wir mit den freiwerdenden Mitteln in der Lage, eben diese 360 000 Reservisten jährlich einzuziehen. Das lassen Sie sich von den Experten einmal vorrechnen; das stimmt.
— Ja, sehen Sie einmal, wir haben es nämlich schon durchgerechnet im Gegensatz zu Ihnen, weil wir uns wirkliche Gedanken über die Erhöhung unserer Verteidigungsbereitschaft machen.
Wir brauchen also eine Bundeswehr aus aktiven längerdienenden Soldaten als Eingreifarmee, darüber hinaus die Kaderverbände, wie sie der Herr Minister auch haben will, mit Reservisten, die aufgefüllt werden. In Verbindung mit der territorialen Verteidigung und unserem Bevölkerungsschutz kämen wir auf die gleiche Anzahl von präsenten Soldaten, wie sie heute auch vorhanden ist.
Ich frage mich, wieso ein solcher Umbau uns in Schwierigkeiten außenpolitischer Art bringen könnte, ein solcher Umbau, bei dem die Bundeswehr genau so effektiv oder sogar noch effektiver ist als bisher. Dazu kommt, meine Damen und Herren, der Umbau der Luftwaffe im Rahmen der Auffassung, daß der zukünftige Krieg, wenn er stattfindet, sich konventionell abspielen wird. Diese Überlegung ist ja nicht aus der Luft gegriffen. Unsere Starfighterverbände befinden sich zum großen Teil in der Umrüstung oder sollen umgerüstet werden. Wenn das aber so ist, dann sollte man sich für die Zukunft überlegen, ob es wirklich sinnvoll ist, ein teures Waffensystem, das für strike ausgelegt ist, für den Erdkampf zu verwenden, weil dieses Waffensystem eben nicht die Kriterien aufweist, die ein für den Erdkampf und für die Truppenunterstützung gebautes Flugzeug aufzuweisen hat.
Vor allen Dingen ist das Flugzeug, das für die Erdkampfunterstützung gedacht ist, nur halb so teuer wie das Flugzeug, das für den strike gedacht ist.
Dazu kommt noch der Umbau, der Ausbau der Marine auf die ursprüngliche Aufgabe hin, nämlich die, für das Heer unterstützend eingreifen zu können und außerdem die Ostseeausgänge zu sperren. Ob dafür allerdings Zerstörer bei ihrer großen Anfälligkeit in den kleinen Seeräumen notwendig sind, wage ich in aller Deutlichkeit zu bezweifeln.
Meine Damen und Herren, wir hätten uns gefreut, wenn wir nach den Ankündigungen des vergangenen Sommers, nach den Auseinandersetzungen bei der Pariser NATO-Konferenz, heute etwas darüber erfahren hätten, wie sich die Bundesregierung die Verteidigungsanstrengungen der nächsten Zeit im gegebenen finanziellen Rahmen auf Grund der derzeitigen Lage in der Welt und der militärpolitischen Lage, in der wir uns befinden, vorstellt. Wir haben leider in dieser Richtung außer der Andeutung, daß die konventionelle Kraft gestärkt werden soll, daß nun Kaderverbände aufgestellt werden sollen, daß eine abgestufte Präsenz eingeführt werden soll, keine konkreten Ausführungen gehört. Wir werden uns — wie auf einem anderen Sektor —, wenn wir in absehbarer Zeit keine brauchbaren Vorlagen von der Regierung erhalten, die Mühe machen, unsererseits eine wohlabgerundete Verteidigungskonzeption, abgestimmt auf unser Territorium und abgestimmt auf das NATO-Bündnis, vorzulegen.
Ich bin überzeugt davon, daß, wie eine andere Vorlage, die Vorlage der FDP der Wirklichkeit am nächsten kommt.