Rede von
Benno
Erhard
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Hinweis des Herrn Ministers auf frühere Vorgänge und kontroverse Meinungen, die wir nicht in diesem Hause, sondern im Hessischen Landtag ausgetragen haben, gibt mir den Mut, einiges zu dieser Vorlage zu sagen.
Ich habe in den ersten Wochen nach meiner Wahl in diesen Bundestag einen sehr interessanten Aufsatz von dem jetzigen Fraktionsvorsitzenden der SPD, Helmut Schmidt, über die Art und Weise der Gesetzesmacherei gelesen. Dieser Aufsatz hat mich sehr überzeugt. Er hat damals meine ganze Zustimmung gefunden und hat sie noch heute.
Wir sollten uns als Gesetzgeber etwas mehr Sorgfalt und Mühe bei der Formulierung von Gesetzen geben. Ich halte es für unerträglich, daß man als Mitglied eines Ausschusses wie des Rechtsausschusses z. B., wie der Herr Berichterstatter eben angegeben hat, am Sonnabend, wenn man nach Hause kommt, einen Eilbrief bekommt und darin überhaupt erst erfährt, daß am nächsten Mittwoch eine so wichtige Sache wie die Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Mietsachen behandelt werden soll, und zwar zu einem Zeitpunkt, wo eine Plenarsitzung angesetzt war.
— Nein. Der mitberatende Ausschuß hatte gerade vorher im Umdruckverfahren seine Stellungnahme abgegeben, die wir dann gleichzeitig bekommen haben.
Jedenfalls ist eine solche Art, ist allein schon die Terminierung und die Mitteilung, die wahrscheinlich nur im Getriebe des Hauses liegt, die der Vorsitzende gar nicht in der Hand hat, sehr unbefriedigend. Das wollte ich auf alle Fälle gesagt haben.
Ein zweites. Wenn man dann im Rechtsausschuß die Dinge in einer Sitzung an einem Plenarsitzungstag behandelt, ist man bei den Formulierungen teilweise auch überfordert.
— Ja, die Beratung war unterbrochen worden. — So entstehen dann Vorgänge wie der, daß wir heute korrigierende Anträge von den beiden großen Fraktionen vorgelegt bekommen, um die Lücken im Gesetz wieder glattzubügeln.
Ich persönlich stehe auf dem Standpunkt, eine Verbesserung der Sozialklausel ist dringend notwendig; damit darüber nicht der geringste Zweifel besteht. Ich bin aber der Meinung, daß man nicht nur diesen einen Punkt dieser Vorlage sehen darf, sondern auch andere sehen muß. Darf ich Sie jetzt einmal rein vom Gesetzestechnischen auf folgendes aufmerksam machen. Nehmen Sie bitte einmal die Vorlage zur Hand und schauen Sie die Seite 6 an. Dort ist in Art. II a — Rechtszug — die Möglichkeit der Vereinheitlichung des Rechts durch die höheren Gerichte vorgesehen. Das ist nach meiner Ansicht notwendig und richtig. Aber warum muß denn das praktisch in einem eigenen Gesetz, überschrieben mit „Art. II a", „§ 1" und Schluß, stehen, und warum steht das nicht logisch und richtig in den Bestimmungen, wo die Berufungsmöglichkeiten vom Landgericht zum Oberlandesgericht geregelt sind, in der Zivilprozeßordnung? Da gehört däs hin.
Wer soll sich denn in einer solchen Art von Gesetzgebung und Rechtsetzung auf die Dauer überhaupt noch auskennen? Man braucht ja heute schon einen übergroß dimensionierten Schreibtisch, um die entsprechenden mietrechtlichen Vorschriften in der Gesetzesform für einen konkreten Rechtsfall überhaupt nebeneinander hinlegen und betrachten zu können. Das verstärken wir durch solch eine Art von Gesetzgebung. Ich bin also absolut gegen diese Art von unübersichtlichen Regelungen eingestellt, weil wir damit Rechtsunsicherheit schaffen, wo wir Rechtssicherheit und Rechtsklarheit haben wollen.
Ein weiteres. Ich stimme dem Herrn Kollegen Dr. Hauser vällig zu, wenn er sagt: Wir haben versucht, die Rechte des Vermieters und des Mie-
7112 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 140. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Dezember 1967
Erhard
fers möglichst ausgewogen gegeneinander zu stellen; mit einer wesentlichen Ausnahme aber — und die soll auch klar sein —, mit der Ausnahme nämlich, daß wir, erstmals in unserem gesamten bürgerlichen Recht, soweit ich das erkenne, eine Vorschrift in das Gesetz aufnehmen, die dem öffentlichen Recht entlehnt ist, nämlich die Rechtsbelehrung über die Frist für den Widerspruch. Im gesamten Verwaltungsbereich, im Steuerbereich und im Strafrecht gibt es das. Wenn ein Strafbefehl ergeht, wird gesagt: Bitte, du hast die Möglichkeit, innerhalb einer Woche Einspruch einzulegen. Im Bereich des Verwaltungsrechts gilt Ähnliches hinsichtlich des Widerspruchs. Das ist richtig. Hier aber wird in den zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen dem einen Rechtssubjekt, dem Vermieter, der nicht immer eine große Wohnungsbaugesellschaft ist — bitte schlagen wir uns doch diese Vorstellung aus dem Kopf! —, eine Verpflichtung auferlegt. Er soll — nicht muß, soll — den Vertragspartner, den Mieter, darauf hinweisen, was er für Rechtsbehelfe — in welcher Frist und in welcher Form — er gegen einen Rechtsakt hat, nämlich den einseitig gestaltenden Akt der Kündigung. Das mag noch angehen, wenn ich es als Soll-Vorschrift nehme. Wenn ich aber an die Nichtbeachtung dieser Soll-Vorschrift die Konsequenz knüpfe, daß der Widerspruch damit in Wirklichkeit nicht mehr fristgebunden ist, daß er noch im Prozeß bis vor Stellung der ersten streitigen Anträge geltend gemacht werden kann, dann habe ich die Rechtsunsicherheit ,aus einer Soll-Vorschrift in die endgültige Beziehung hineingetragen. Ich meine, das sollten wir nicht tun.