Rede von
Dr.
Leo
Wagner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen meine Herren! Es gibt keinen Zweifel: es gibt eine breite Unzufriedenheit mit den bisherigen Regelungen unseres Arbeits- und Zeitplans. Jede Woche wiederholen sich die gleichen Klagen.
Die Ausschüsse haben zu wenig Zeit für ihre Beratungen. Ob Sie als Beispiel den Haushaltsausschuß, den Finanzausschuß, den Sozialpolitischen Ausschuß, den Innenaussschuß oder den Recht sausschuß nehmen, — sie alle suchen mühselig nach Tagungszeiten.
Beschließt ein Ausschuß die Anhörung von Sachverständigen, wird die andere Ausschußarbeit oft auf Wochen hinaus lahmgelegt. Ich bin der Meinung, daß sich dieses Problem der Anhörungen im nächsten Jahr verstärkt stellen wird.
In bezug auf das Plenum gibt es die gleiche Klage. Wir hören: das Plenum ist zu wenig aktuell. Der Bundestag in Gänze hat jeweils erst am Mittwoch die Möglichkeit zu debattieren. Wir finden zu wenig Zeit für das Plenum. So mußte beispielsweise in der letzten Woche eine so wesentliche Diskussion wie die über die Sportförderung zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt ausgetragen werden; es gab keine andere Möglichkeit.
Dazu kommt, daß der Freitag als voller Sitzungstag weitgehend entwertet ist. Wir muten unseren Kollegen zu, jede Woche zehn bis zwölf Stunden für die Anreise und die gleiche Zeit für die Rückfahrt aufzuwenden.
Besonders stark wird die Kritik über die Arbeitsmöglichkeiten der Fraktionen geführt. Wir kommen heute in den Fraktionssitzungen gerade dazu, die laufenden Punkte der Tagesordnung der betreffenden Woche zu erörtern. Für ausführlichere Gespräche bleibt keine Zeit. Wenn wir z. B. das Finanzänderungsgesetz in dieser Woche termingerecht verabschieden können, ist das sicherlich allein der Tatsache zu verdanken, daß wir in einer Berliner Sitzungswoche die Möglichkeit hatten, uns an mehreren Tagen in den Fraktionen auszusprechen, zu einigen und damit die Grundlage für die jetzige Entscheidung zu legen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Arbeitspensum des nächsten Jahres — ich nenne nur die Themen Notstandsrecht, Finanzverfassungsreform, Strafrechtsreform, Unehelichenrecht — wird es noch mehr notwendig machen, in den Fraktionen ausführlich zu beraten.
Wenn der Bundestag seine Aufgabe als Kontrollorgan auf der einen Seite und als Gesetzgebungsorgan mit eigenem Initiativrecht auf der anderen Seite voll nützen will, braucht er mehr Zeitfür seine Beratungen. Wenn wir diese Zeit nicht gewinnen, laufen wir Gefahr, nur zu einem Akklamationsorgan zu werden, ohne wesentlich auf die Gestaltung der Entscheidungen Einfluß zu nehmen.
Der Vorschlag, den Ihnen die CDU/CSU vorlegt, ist sicherlich nicht die Ideallösung, aber ein wesentlicher Schritt nach vorn. Lassen Sie mich dazu ein paar Zahlen nennen. Die Zahl der Arbeitswochen in der Zeit von Januar bis Juli beträgt in diesem Jahr
7098 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 140. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Dezember 1967
Wagner
14. Wir würden im nächsten Jahr im gleichen Zeitraum 13 Arbeitswochen haben. Für die Fraktionsarbeit aber würden insgesamt statt 21 Tagen 26 volle Tage zur Verfügung stehen. Das Plenum könnte an Stelle von 21 Tagen an 26 Tagen zusammentreten. Die Ausschüsse würden sieben volle Tage gewinnen; eine Steigerung von 14 auf 21 Tage.
Ich komme zu dem Ergebnis, daß dieser Vorschlag eine wesentliche Besserung bedeutet. Der einzige Einwand, den ich bisher gehört habe, lautet, daß vielleicht das eine oder andere Wochenende für die Arbeit in den Wahlkreisen verlorenginge.
Meine Damen und Herren, seien wir doch redlich und erkennen wir an, daß die Samstage und Sonntage für politische Arbeit schon weitgehend ihren Wert verloren haben. Wir gewinnen mehr, wenn wir nach zwei Arbeitswochen eine sitzungsfreie Woche für die Arbeit im Wahlkreis anschließen; bisher stand dafür nur jede vierte Woche zur Verfügung. Sagen wir weiter genauso redlich, daß doch für einen großen Teilunserer Kollegen dieses Wochenende gar nicht ausfällt, nämlich für alle diejenigen nicht, die hier im Westen der Bundesrepublik wohnen. Dieser Anteil wird sich sicherlich noch verstärken, wenn die in Aussicht genommene Regelung Platz greift, daß wir ab Beginn des kommenden Jahres die Möglichkeit haben, Flugzeuge und Schlafwagen zu benutzen.
Ich komme also abschließend zu der Auffassung, daß wir mit der von uns vorgeschlagenen Regelung eine Verbesserung unserer Arbeitsweise erzielen können. Ich bin der Meinung, daß diese Regelung es wert ist, daß wir sie wenigstens bis zur Sommerpause versuchsweise einführen. Ich möchte Sie daher bitten, unserem Antrag zuzustimmen.
Ich präzisiere ihn nach der Anregung ,des Kollegen Rasner in der Form, daß wir jetzt beschließen, einen Arbeitsrhythmus einzuführen, der zwei Wochen zu einer Arbeitseinheit zusammenfaßt und darauf eine sitzungsfreie Woche folgen läßt. Die Einzelheiten der Ausgestaltung der Arbeitswochen können wir dann im Ältestenrat vereinbaren. Ich bitte Sie noch einmal, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.