Rede von
Hermann
Busse
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen!
Nach den grundlegenden Ausführungen, die der Herr Kollege Dr. Hauser zu den anstehenden Problemen gemacht hat und denen wir im weitesten Umfange zustimmen können, kann ich mich jetzt verhältnismäßig kurz fassen.
Wir sind mit der Problematik der beiden Gesetzesvorlagen, die heute zur Erörterung stehen, mindestens schon so lange beschäftigt, wie ich diesem Hohen Hause anzugehören die Ehre gehabt habe; ja, sie wurde schon vorher erörtert. Die Sozialklausel des § 556 a hat nicht nur heute in der Diskussion gestanden. Sie ist das Ergebnis einer langen Auseinandersetzung über alle möglichen Fragen und Intentionen gewesen. Sie hat dann die Zustimmung der Mehrheit dieses Hauses gefunden.
Dabei war wir uns bei der Beratung schon darüber im klaren, daß wir kein Gesetz machen wollten und sollten, das jederzeit wieder in seinen Einzelheiten zur Disposition des Gesetzgebers stünde. Vielmehr haben wir das Bürgerliche Gesetzbuch in der klaren Erkenntnis und in dem Wollen geändert, eine Dauerregelung zu schaffen, die nicht von Zufälligkeiten des Tages oder gewisser Zeitläufte wieder abhängig sein sollte.
Über die Frage, ob sich die so geschaffene Regelung bewährt hat, kann man kaum zweierlei Meinung sein. Trotz der zahlreichen Bedenken, die gerade wir damals gegen diese Klausel gehabt haben, weil wir sie als zu weitgehend ansahen, wird man, glaube ich, feststellen können — und zwar jeder, der im täglichen Leben mit diesen Dingen zu tun hat —, daß das, was geschaffen worden ist, sich bewährt hat.
— Da wollen wir nicht das mystische Zahlenspiel treiben mit den 2 % oder wieviel Prozent. Was wesentlicher ist, Herr Jacobi, sind die gar nicht zu erfassenden und zu zählenden Fälle, in denen auf Grund der neuen Bestimmungen wirklich im partnerschaftlichen Verhältnis zwischen Eigentümer und Mieter Dinge geregelt worden sind.
Diese Zahlen kennen Sie nicht, und diese Zahlen sind viel erheblicher als die 40 000 oder 48 000 Prozesse, von denen hier immer wieder die Rede ist.
Dieses entscheidende Ziel, das auch hier wieder herausgestellt worden ist — eine echte Partnerschaft zu erreichen —, ist wichtiger als das ständige Herumkurieren an einem Gesetz, das Dauerwirkung haben sollte.
Glauben Sie, die Sie diese Vorlage gemacht haben, wirklich, daß Zwangsmietverträge echte Partnerschaftsverhältnisse gründen?
Die Zwangsverhältnisse haben wir jahrzehntelang kennengelernt. Echte Partnerschaft begründen sie nicht, Herr Kollege Jacobi. Darum geht es. Sie wird auch dann nicht gegründet, wenn der Richter durch
5818 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Mittwoch, 28. Juni 1967
Dr. Busse
Spruch ein Mietverhältnis fortsetzt. Wenn die Parteien zu der Erkenntnis gelangen, sie passen nicht zueinander, dann gehen sie besser auseinander, oder aber sie meinen, daß sie die Dinge unter sich als erwachsene, vernünftige Menschen, die ihr Schicksal selbst in der Hand haben, regeln können. So sollten wir das sehen.
Nun zu etwas anderem, und da scheiden sich wirklich die Geister. Ich muß gestehen, daß ich bei allem Verständnis, das ich vielleicht noch für den Antrag des Bundesrats aufbringen könnte, erschreckt war, als ich die Vorlage der jetzigen Bundesregierung sah. Das hat nichts mit Opposition oder Nichtopposition zu tun, sondern hier stehen tatsächlich Dinge zur Erörterung, die wir in langen Jahren gemeinsam gewollt und verteidigt haben. So wie das jetzt vorgesehen ist, wird es nun wirklich nicht gehen. Wie liegen denn die Dinge? Was verlangt man vom Eigentümer? Man verlangt von ihm, der doch nur völlig legitim von einem Recht Gebrauch macht, das ihm das Gesetz gibt, nämlich ein Mietverhältnis zu kündigen, daß er dartun soll, er habe an der Kündigung berechtigte Interessen, mehr Interesse als der Mieter an der Nichtkündigung. Beim Mieter soll ausreichen, daß er dartut, eine Härte liege vor. Herr Dr. Hauser hat bereits dankenswerterweise darauf hingewiesen, daß diese Ausdrucksweise mißverständlich ist. Jede Kündigung pflegt eine Härte mit sich zu bringen. Wenn damit nicht gesagt sein soll, daß die normale Härte, die eben jede Kündigung mit sich bringt, schon ausreichen soll, um den Widerspruch zu begründen, dann hätte man das auch in das Gesetz schreiben und eine bessere Formulierung finden sollen. Beim Vermieter aber heißt es, daß er den Widerspruch nur abwehren kann, wenn er ein „überwiegend berechtigtes Interesse" daran hat, daß das Mietverhältnis vertragsgemäß endet. Man dreht also die Dinge, die bisherigen Rechtsvorstellungen entsprechen, genau um.
Wenn das Eigentum überhaupt noch ein Gewicht haben soll, wenn es noch ein Gewicht haben soll, daß der Mietvertrag lediglich ein obligatorischer Vertrag ist, dann kann es doch nur so geregelt werden, daß es Sache des Mieters ist, darzutun, daß in diesem Fall die Ausübung des Kündigungsrechts sozial nicht gerechtfertigt ist. Ja, noch mehr verlangt man vom Eigentümer, der ein gesetzlich statuiertes Recht gebraucht. Er soll gleichzeitig demjenigen, dem er kündigt, sagen: Aber du hast die Möglichkeit, das und das innerhalb der und der Frist dagegen zu machen. Eine völlig neue Institution in unserem bürgerlichen Rechtsdenken! Seit wann sagt man demjenigen, der kündigt: Du mußt aber gleich darauf hinweisen, daß es Möglichkeiten gibt, gegen diese Kündigung anzugehen. Das zu erforschen, das nachzusuchen, ist doch wahrlich Sachedesjenigen, dem gekündigt wird. Diese Überlegungen sollte man bei der weiteren Behandlung in Betracht ziehen.
In diesem Zusammenhang einiges, was mir bis heute einigermaßen unverständlich ist. Ich erwarte gern Aufklärung darüber. Ich habe jahrzehntelang in gerichtlicher Praxis gestanden und weiß, daß
gerade der Amtsrichter durchweg bemüht ist, eine Regelung im Einverständnis der Beteiligten herbeizuführen, weil er weiß, wie einschneidend die Entscheidungen in einem Mietprozeß für beide Beteiligten sein können. Das kann er heute. Dafür brauchen wir keine gesetzliche Bestimmung. Warum diese ganze Geschichte wieder mit der zwingend vorgeschriebenen Güteverhandlung? Die wird in geeigneten Fällen der Richter, der vernünftig ist — und von dem können wir normalerweise ausgehen -; von selbst vornehmen.
Meine Damen und Herren, nun aber gar noch unseren normalen Rechtsweg in dieser Situation so umzugestalten, wie es die Vorlage tut, und ausgerechnet die Mietsachen zum Oberlandesgericht in die Berufsinstanz zu bringen, ich glaube, deutlicher kann man eigentlich nicht demonstrieren, .wie abstrus hier langsam aber sicher das Denken geworden ist; ich kann hier wirklich keinen anderen Ausdruck mehr gebrauchen.
Die Einheitlichkeit der Rechtsprechung — darüber sind wir uns alle klar — ist ein bedeutendes Ziel, und es wäre gut und wünschenswert, wenn sie auch in Mietsachen insbesondere deshalb erreicht werden könnte, weil hier zum Teil neue Rechtsgebiete, neue Rechtssituationen, neue Rechtsfragen aufgetreten sind, die nach höherer gerichtlicher Rechtsprechung rufen. Aber dann soll man einen anderen Weg suchen, der wirklich zu einer Vereinheitlichung und Klarstellung dieser Rechtsprechung führt, und nicht den doch wirklich reichlich primitiven Weg wählen, daß man einfach alle Berufungsfälle vor das Oberlandesgericht bringt. Die Oberlandesgerichte werden entzückt sein, wenn sie von dieser Vertrauenskundgebung des Gesetzgebers und insbesondere der Regierung hören werden.
Zum Abschluß noch einmal: Zwei Grundfragen stehen hier zur Entscheidung. Ich will nur einmal folgendes Beispiel nehmen. Ich nehme an, Gründe des Mieters und Gründe des Vermieters sind gleichgewichtig — denn das ist die entscheidende Frage —; wer soll dann Recht bekommen? Wenn die Gründe ungleichgewichtig sind, entsteht kein entscheidendes Problem. Das Problem liegt in der Beantwortung der Frage der Gleichgewichtigkeit. Wer die Garantie des Eigentums, das allerdings sozial bedingt ist, unseres Grundgesetzes ernst nimmt, wird in diesem Falle nur dem das Recht zusprechen können, der auf Grund eines befristeten obligatorischen Vertrages zeitweilig auf gewisse Nutzungen seines Eigentums verzichtet hat. Das ist die eine Seite.
Die andere Seite geht weit darüber hinaus. Ich hatte das nicht immer sehr große Vergnügen, in einer Fülle von Mietstreitigkeiten tätig zu sein, als ich noch wirklich in der Praxis stand. Und ich habe selbst in den Zeiten, in denen wir erheblich größere Schwierigkeiten, erheblich größere Sorgen gehabt haben, immer wieder gefunden, daß das Gros der Menschen bereit und gewillt ist, seine Verhältnisse — und dazu gehört insbesondere das Mietverhält-
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Dr. Busse
nis — in eigener Verantwortung zu regeln und zu gestalten. Härtefälle zu vermeiden, ist Aufgabe des Staates. Weiterzugehen, ist Bevormundung des Staatsbürgers. Diese Bevormundung lehnen wir ab!