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    Deutscher Bundestag 106. Sitzung Bonn, den 27. April 1967 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Paul 4917 A Fragestunde (Drucksachen V/1634, zu V/1634) Frage des Abg. Ertl: Grundgesetzänderungen zur Neugestaltung der Beziehungen zwischen Bund und Ländern Benda, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 4917 B Ertl (FDP) . . . . . . . . . . 4917 B Frage des Abg. Sanger: Abgrenzung zwischen Anzeigeblättern und Zeitungen bzw. Zeitschriften Benda, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 4917 D Sänger (SPD) . . . . . . . . 4918 B Frage des Abg. Porten: Übergangszeit für einen gemeinsamen Mehlmarkt Höcherl, Bundesminister 4918 C Porten (CDU/CSU) 4918 DFragen des Abg. Ertl: Finanzierung kostenloser Getreidelieferungen an Entwicklungsländer Höcherl, Bundesminister . . . . 4919 B Ertl (FDP) 4919 C Fragen des Abg. Bading: Einbeziehung von Bananen und Ananas in die EWG-Marktordnung für Obst und Gemüse Höcherl, Bundesminister . . . . . 4919 D Urban (SPD) . . . . . . . . . 4920 A Fragen des Abg. Budde: Milchwirtschaft in der Bundesrepublik 4920 B Fragen des Abg. Jung: Ausrüstung der Seenotrettungsstaffel Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 4920 C Ollesch (FDP) 4920 D van Delden (CDU/CSU) 4921 A II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 Fragen des Abg. Burger: Sommeruniform für Heeresstreitkräfte der Bundeswehr . . . . . . . . 4921 B Fragen des Abg. Hübner: Einsatz- und Nutzungsmöglichkeiten von elektrischen Großrechenanlagen 4921 C Fragen des Abg. Lemper: Reduzierung der Wehrdienstzeit und der Gesamtzahl der Soldaten sowie dadurch mögliche Einsparungen Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . .. . 4921 D Mertes (FDP) 4922 A Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) 4922 B Frage des Abg. Ollesch: Notwendigkeit der Anwesenheit des Bundesarbeitsimnisters im Ausschuß für mittelfristige Finanzplanung Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 4922 D Frage des Abg. Geldner: Vergabe von Aufträgen für Investitionsmaßnahmen nach Bayern Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 4923 A Geldner (FDP) 4923 C Fritsch (Deggendorf) (FDP) . . . 4923 D Ertl (FDP) 4924 B Frage des Abg. Logemann: Änderung des Verkehrsfinanzgesetzes Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 4924 D Logemann (FDP) 4924 D Fragen des Abg. Logemann: Dieselölpreis für Landwirte Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 4925 A Logemann (FDP) 4925 C Ertl (FDP) . . . . . . . . . . 4926 B Wächter (FDP) . . . . . . . . 4926 D Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) . 4927 A Reichmann (FDP) . . . . . . . 4927 B Fragen des Abg. Hellenbrock: Militärisch genutztes Gelände der Gemeinde Bracht im Lkr. Kempen/Krefeld Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 4927 C Dr. Hammans (CDU/CSU) . . . . 4927 D Frage des Abg. Lemmrich: Einnahmen aus der Mineralölsteuer Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 4928 A Fragen des Abg. Flämig: Exerzierplatz Großauheim am Main 4928 B Fragen des Abg. Baier: Baustopp für alle staatlich geförderten Hochbauten in Baden-Württemberg Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 4928 C Baier (CDU/CSU) 4928 D Fragen des Abg. Wächter: Bewerber um Aufträge des Bundes Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 4929 C Wächter (FDP) . . . . . . . 4929 C Fragen des Abg. Porten: Praktiken des Quotenhandels in der Mühlenwirtschaft Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 4930 A Porten (CDU/CSU) 4930 A Große Anfrage der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD betr. Atomwaffensperrvertrag (Drucksache V/1650) in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. atomare Rüstung und friedliche Nutzung von Kernenergie (Drucksache V/ 1494) Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) . 4930 D Dr. Eppler (SPD) . . . . . . . . 4935 B Brandt, Bundesminister . 4939 D, 4972 D Dr. Birrenbach (CDU/CSU) . . . . 4946 D Schoettle, Vizepräsident . . . . . 4952 B Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . . 4952 C Borm (FDP) . . . . . . . : . 4955 C Dr. Stoltenberg, Bundesminister . . 4959 B Dr. Zimmermann (CDU/CSU) . . . 4961 B Berkhan (SPD) . . . . . . . . 4965 A Flämig (SPD) . . . . . . . . . 4966 A Genscher (FDP) 4967 D Dr. Barzel (CDU/CSU) 4969 D Ollesch (FDP) 4972 A Mischnick (FDP) . . . . . . . . 4975 C Dr. h. c. Kiesinger, Bundeskanzler . 4976 B Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 III Beratung des Dritten Jahresgutachtens des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der Stellungnahme der Bundesregierung zum Jahresgutachten 1966 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sowie des Sondergutachtens über die Wirtschaftslage im Frühjahr 1967 (Drucksachen V/1160, V/1313, V/1588) Dr. Schiller, Bundesminister . . . 4976 C Dr. Haas (FDP) . . . . . . . . 4985 B Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . . 4992 C Porzner (SPD) . . . . . . . 4997 A Nächste Sitzung 5000 B Anlagen 5001 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 4917 106. Sitzung Bonn, den 27. April 1967 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Beurlaubungen Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Aigner ** 27. 4. Arendt (Wattenscheid) 27. 4. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 28. 4. Bading** 27. 4. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 28. 4. Bauer (Würzburg) * 28. 4. Prinz von Bayern 1. 6. Berkhan * 28. 4. Berlin 28. 4. Blumenfeld * 28. 4. Frau Brauksiepe 28. 4. Buchstaller 27. 4. Corterier * 28. 4. Dr. Dittrich** 28. 4. Draeger * 28. 4. Dröscher ** 27. 4. von Eckardt 27. 4. Eisenmann 28. 4. Flämig* 28. 4. Frau Freyh 12. 5. Frau Geisendörfer 28. 4. Gerlach ** 28. 4. Gewandt 28. 4. Graaff 28. 4. Dr. Gradl 28. 4. Hahn (Bielefeld) ** 28. 4. Dr. Hellige * 28. 4. Frau Herklotz * 28. 4. Herold* 28.. 4. Hilbert * 28. 4. Höhne 15. 6. Hösl * 28. 4. Jacobi (Köln) 15. 5. Kahn-Ackermann * 28. 4. Dr. Kempfler * 28. 4. Kiep 12. 5. Frau Klee * 28. 4. Dr. Kliesing (Honnef) * 28. 4. Klinker * 28. 4. Dr. Kopf * 28. 4. Kunze 6. 5. Lemmer 28. 4. Lemmrich * 28. 4. Lenz (Brühl) 30. 4. Lenz (Trossingen) 23. 5. Lenze (Attendorn) * 28. 4. Lücker (München) ** 28. 4. Matthes 28. 4. Mauk ** 28. 4. Frau Dr. Maxsein " 28. 4. Mengelkamp 15. 5. Merten** 28. 4. Metzger ** 28. 4. Michels 28. 4. Müller (Aachen-Land) ** 28. 4. Paul 28. 4. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Peters (Norden) 30. 6. Frau Pitz-Savelsberg 2. 6. Pöhler * 28. 4. Frau Dr. Probst 12. 5. Raffert 28. 4. Richarts ** 28. 4. Richter * 28. 4. Dr. Rinderspacher * 28. 4. Rösing 28. 4. Ross 28. 4. Dr. Rutschke * 28. 4. Scheel 28. 4. Schmidt (Würgendorf) * 28. 4. Dr. Schulz (Berlin) * 28. 4. Dr. Serres * 28. 4. Dr. Starke (Franken) ** 27. 4. Struve 31. 5. Dr. Süsterhenn 27. 4. Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell* 28. 4. Dr. Wahl * 28. 4. Wellmann 30. 4. Wienand * 28. 4. Dr. Wuermeling 27. 4. Zerbe 28. 4. * Für die Teilnahme an einer Tagung der Beratenden Versammlung des Europarats ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Luda (CDU/CSU) zu Punkt 4 der Tagesordnung. Der Sachverständigenrat verfährt nach der Methode von Professor Heller, USA, des früheren Vorsitzenden des Konjunkturrates: er versucht, den Umfang der Unterauslastung der Wirtschaft zu ermitteln, um dann vorzuschlagen, wie die fehlende Nachfrage zu erzeugen ist. Das ist eine rein liquiditätsorientierte Betrachtungsweise. Um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, bedarf es zunächst einer Ermittlung der Ursachen der Konjunkturabflachung. Abgesehen von der politischen Krise des vorigen Jahres liegt diese Ursache in den öffentlichen Defiziten, in der Kostenentwicklung und, inzwischen weitgehend überwunden, in der Preisauftriebstendenz. Also müssen zuerst die öffentlichen Finanzen saniert werden, die Haushalte müssen umstrukturiert werden. Darüber sagt das Gutachten leider nichts. Der Etat ist nicht zuerst ein Instrument der Konjunkturpolitik, sondern in erster Linie Prüfstein für die Ordnung im Staat, also politische Vertrauensgrundlage. Bedenklich ist es meines Erachtens auch, daß das Gutachten sich ausschließlich an Globalzahlen orien- 5002 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 tiert. An Stelle einer Ahalyse der derzeitigen relativen Arbeitslosigkeit wird lediglich von „allenthalben brachliegenden Kapazitäten" gesprochen. Das gibt ein falsches Bild. So liegt die Arbeitslosigkeit im Raum Rhein-Neckar und Rhein-Main unter 1 %, dagegen im Ruhrgebiet, an der Saar, in Teilgebieten von Niedersachsen und im Bayerischen Wald weit über dem Durchschnitt. Die heutige Konjunkturpolitik kann nicht isoliert von den Strukturproblemen betrachtet werden. Sie beziehen sich nicht nur auf die Eisen schaffende Industrie und den Bergbau, sondern auch auf Teile der Eisen und Metall verarbeitenden Industrie, der Holz- und der Textilindustrie. Durch Gewährung globaler Kreditspritzen ist hier keine Hilfe zu erwarten, das würde die notwendige Strukturbereinigung nur hinausschieben. Es wäre auch zu begrüßen gewesen, wenn das Sondergutachten die bisherige Investitionstätigkeit näher untersucht hätte. In der EWG-Investitionsstatistik ist die Bundesrepublik Deutschland nämlich eindeutig führend. Die Brutto-Anlage-Investitionen der Industrie hatten 1964 eine Zuwachsrate von 18 %, 1965 von 15 % und sind sogar im Jahresdurchschnitt 1966 noch leicht gestiegen. Läßt das nicht den Schluß zu, daß die nachlassende Investitionsneigung eine insoweit natürliche Reaktion auf sehr hohe Investitionsraten der vergangenen Jahre mit dem Zwang der einzelnen Unternehmen, nunmehr zu konsolidieren, ist? Zum Vorschlag des Sondergutachtens! Er bedeutet einen klaren Stellungswechsel des Rates im Vergleich zu dem vor vier Monaten veröffentlichten Dritten Jahresgutachten. Damals hatte der Rat drei Alternativprojektionen dargelegt (I „Stabilität um jeden Preis", II „ungezügelte Expansion", III „kontrollierte Expansion"). Im Dritten Jahresgutachten hatte der Rat eindeutig das Konzept der „kontrollierten Expansion" propagiert. Der Vorschlag im Sondergutachten deckt sich demgegenüber weitgehend mit der seinerzeitigen Alternativprojektion II. Natürlich kann in der Wirtschaftspolitik kurzfristig ein Stellungswechsel nötig werden. Was aber bedenklich erscheint, ist die Tatsache, daß die Öffentlichkeit sich inzwischen auf die amtlich übernommene „kontrollierte Expansion" eingestellt hat, die durch die neue Politik weitgehend sinnentleert ist, und daß, genaugenommen, der jetzige Vorschlag des Sachverständigen-Rates „ungezügelte Expansion" lauten müßte, zumal von vornherein feststeht, daß die Bundesregierung die vorgeschlagene „Kontrolle" der außenwirtschaftlichen Absicherung (Wechselkurspolitik) nicht praktizieren will — mit Recht — und daß sie die zweite „Kontroll"-Maßnahme der lohnpolitischen Absicherung in dem vom Dritten Jahresgutachten vorgeschlagenen Sinne der „Richtzahlen" und „Lohnleitlinien", also der Datensetzung von oben nicht praktizieren kann und nicht praktizieren will. Also: Vor Schlagworten wird gewarnt! Zur Frage des zweiten Eventualhaushaltes! Die Liquiditätsversorgung entwickelt sich zufriedenstellend. Die Zinssenkungstendenz ist zu begrüßen. Leider ist jedoch die Freigabe der Haben-Zinsen ohne Wirkung geblieben. Ganz offensichtlich ist das auf die Tatsache zurückzuführen, daß trotz Zinsfreigabe die Steuerprivilegien der Sparkassen unangetastet geblieben sind. Diese Privilegien werden auch weiterhin zu einem verzerrten, unnötig hohen Zinsniveau führen, wenn man sie nicht unverzüglich abbaut. Die Entwicklung der Liquiditätsnachfrage ist zur Zeit noch gehemmt. Da der Bundeshaushalt 1967 noch nicht verabschiedet ist, macht sich zum Nachteil der Wirtschaft ein Ausgabestau nach wie vor hemmend bemerkbar. Nach Verabschiedung des Bundeshaushalts im Juni wird sich das schlagartig ändern. Zur gleichen Zeit geht auch die Anlaufzeit des ersten Eventualhaushalts zu Ende. Also: In der zweiten Jahreshälfte ist mit einer spürbaren Massierung der öffentlichen Ausgaben zu rechnen, zumal dann auch das Defizit der Sozialversicherungsträger mit etwa 1,5 Milliarden DM stark expansiv wirken wird. Für alles das ist offenbar genug Liquidität vorhanden. Funktioniert die beabsichtigte Initialzündung gleichfalls in der zweiten Jahreshälfte, womit wohl zu rechnen ist, dann ergäbe sich wahrscheinlich die Gefahr einer Überforderung des Kapitalmarktes, falls man gleichzeitig einen zweiten Eventualhaushalt praktizieren wollte. Es geht also nicht an, heute schon über die Frage eines zweiten Eventualhaushaltes — der nach Ansicht des Berliner Instituts ein Volumen von 4 Milliarden DM haben sollte — zu entscheiden. Eventuelle Liquiditätsreserven sollte der Bund lieber den Ländern und Gemeinden für Infrastrukturmaßnahmen überlassen. Im Dritten Jahresgutachten war in der Alternativprojektion II („ungezügelte Expansion") auf die Gefahr eines kumulativen Prozesses im Jahre 1968 hingewiesen worden. Dieser Hintergrund muß auch heute noch beachtet werden,desgleichen der Hintergrund eines Haushaltsdefizits des Bundes für 1968 in Höhe von 6,8 Milliarden DM. Ein zweiter Eventualhaushalt würde also eine Vervielfachung späterer Konsolidierungsschwierigkeiten bedeuten. Auch aus diesem Grunde darf man sich nicht vorzeitig und nicht ohne Not für ihn entscheiden. Anlage 3 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Schmidhuber (CDU/CSU) zu Punkt 4 der Tagesordnung. Heute ist schon mehrmals von der psychologischen Komponente der Konjunkturpolitik gesprochen worden. Meiner Meinung nach kann man diesem Fragenkomplex nicht genügend Aufmerksamkeit widmen. Steht doch hinter den Summengrößen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung eine unübersehbare Zahl von Einzelentscheidungen, die von den Marktteilnehmern, von den Konsumenten und Produzenten, Tag für Tag gefällt werden müssen. Kollektivurteile über die Entwicklung der Konjunk- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 5003 tur, wie etwa die sogenannte Krisenfurcht, können — selbst wenn sie unbegründet sind — den weiteren konjunkturellen Ablauf unter Umständen stärker beeinflussen als wirtschaftspolitische Maßnahmen; ja, sie können Wirkungen auslösen, deren Größe und Mächtigkeit in keinem Verhältnis steht zu den relativ bescheidenen Einflußmöglichkeiten der öffentlichen Hand. Dafür gibt es in der Wirtschaftsgeschichte der zwanziger und dreißiger Jahre genügend Beispiele. Die Marktteilnehmer können sich aber nicht allein an ihren unmittelbaren wirtschaftlichen Erfahrungen, die sich meistens nur auf einen schmalen Sektor beziehen, orientieren, sondern sie sind auch darauf angewiesen, wie die öffentliche Meinung und die für die Wirtschaftspolitik Verantwortlichen die Lage beurteilen. Insofern setzt auch der Sachverständigenrat selbst durch seine gutachtlichen Äußerungen ein konjunkturelles Datum. Er ist also in der Lage des Arztes, der bei der Mitteilung der Diagnose an den Patienten die Wirkungen bedenken muß, die diese Mitteilung auf den Kranken haben könnte. Überspitzt könnte man hierbei von dem „prozyklischen Effekt von Gutachten" sprechen, wobei ich insbesondere die möglichen Wirkungen auf das Konsumentenverhalten im Auge habe. Dies ist die Folge davon, daß die Erörterung konjunkturpolitischer Fragen, der durch das Gesetz institutionalisierte Dialog zwischen Sachverständigenrat und Bundesregierung sich im vollen Licht der Öffentlichkeit vollzieht. Dabei kann der Sachverständigenrat möglicherweise in eine ähnliche Situation geraten wie die Demoskopen bei der letzten Bundestagswahl, nämlich daß man ihnen später den Vorwurf macht, sie hätten durch ihre Prognose das Ergebnis beeinflußt. Man sieht, die „informierte Gesellschaft" hat auch ihre Gefahren. Man sollte daraus keinesfalls die Konsequenz ziehen, einer öffentlichen Erörterung konjunkturpolitischer Fragen aus dem Wege zu gehen. Allerdings sollte man diese unerwünschten Nebeneffekte bei der Formulierung und unter Umständen bei der Wahl des Zeitpunktes der Äußerung zu vermeiden suchen. Die zweite Bemerkung betrifft das Problem der außenwirtschaftlichen Absicherung der Währungsstabilität, den Schutz vor der sogenannten importierten Inflation. Niemand wird sich der in mehreren Stellungnahmen vorgetragenen Sorge des Sachverständigenrates zu verschließen vermögen, die binnenwirtschaftliche Stabilität werde durch außenwirtschaftliche Einflüsse gefährdet. Die vom Sachverständigenrat vorgeschlagenen autonomen Lösungsmöglichkeiten bergen — abgesehen von juristischen Hindernissen — jedoch schwer überschaubare Risiken in sich. An erster Stelle steht dabei die heute schon einmal ausgesprochene Befürchtung, die Exporterfolge der deutschen Wirtschaft könnten darunter leiden. Die Abneigung gegenüber einer Verminderung der Währungsparitäten resultiert letztlich aus der Tatsache, daß derartige Operationen die Handelsströme oft auf lange Zeit erheblich beeinträchtigen, ja sogar auf die Dauer umlenken können. Aus diesem Grund hat der Wirtschaftsausschuß die im Entwurf des Stabilitätsgesetzes vorgesehene Möglichkeit einer Senkung der Sätze der Umsatzausgleichsteuer und der Ausfuhrvergütung — ein Instrument, das man als partiell und zeitlich begrenzten Aufwertungsersatz ansehen könnte — gestrichen. Die importierte Inflation ist im übrigen nicht das wirtschaftspolitische Problem des Jahres 1967. Auf längere Sicht — vielleicht schon im nächsten Jahr — wird uns allerdings diese Frage immer wieder beschäftigen. Die Wechselbeziehungen zwischen den Wirkungen des internationalen Preiszusammenhangs und den monetären Folgen eines strukurellen Zahlungsbilanzüberschusses einerseits und dem Auslastungsgrad der binnenwirtschaftlichen Produktionskapazitäten andererseits bedürfen im übrigen noch weiterer quantitativer Untersuchungen. Vorerst bleibt nur ein Ausweg, um den Gleichschritt der westlichen Industriestaaten in die Inflation zu bremsen bzw. zu stoppen, nämlich sich verstärkt um eine internationale Koordinierung der nationalen Wirtschafts- und Finanzpolitik der einzelnen Staaten zu bemühen. Gewisse Möglichkeiten bietet dazu das Europäische Währungsabkommen sowie Art. 107 des EWG-Vertrages und last not least die ökonomische Vernunft und das wohlverstandene gemeinsame Interesse an einer gesunden internationalen Finanzordnung. Anlage 4 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Stein (Honrath) (CDU/CSU) zu Punkt 4 'der Tagesordnung. Ich möchte mich nicht mit dem Inhalt des Dritten Jahresgutachtens und des Sondergutachtens unseres Sachverständigenrates befassen. Kritik und Zustimmung sind zu diesem Inhalt geäußert worden, zu dem Sondergutachten fast nur Kritik, in der Öffentlichkeit noch mehr als hier. Ich habe das bewußt anderen überlassen und will mich mit einer anderen, wie mir scheint, ebenfalls sehr wichtigen Frage beschäftigen, einer Frage, die die Gutachten aufwerfen und von anderen schon kurz gestreift wurden. Dieses Hauptgutachten, das wir diskutieren, ist das dritte, das Sondergutachten das erste seiner Art. Im August 1963 wurde durch das Gesetz, das dem ganzen Vorgang zugrunde liegt, der Auftrag gegeben, Untersuchungen über die Ausgewogenheit unserer wirtschaftlichen Entwicklung mit Hilfe eines unabhängigen Sachverständigengremiums vorzunehmen. Die beiden heutigen Gutachten sollten meines Erachtens Anlaß sein, uns unsererseits zu prüfen, ob wir mit dieser Art und Form der Gutachten, an die wir uns sozusagen schon gewähnt haben, auf dem richtigen Wege sind. Ist es das, was wir wollen und erhofft haben? Mit anderen Worten: Haben sich das Gesetz und seine Absicht 5004 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 mit diesem Gutachten bewährt, oder sollten wir etwas andere Wege beschreiten? Wenn ja, welche? Ich denke, daß man diese Frage in aller Ruhe aufwerfen und daß man allmählich mit dieser Diskussion beginnen kann. Diese Diskussion müßten zunächst wir in diesem Hause führen. Denn wir sind zunächst die Empfänger der Gutachten, wie wir auch die Initiatoren des Gesetzes gewesen sind. Die Bundesregierung gibt zwar eine Stellungnahme dazu ab, sie ist aber vielleicht nicht so frei in ihrer Äußerung zur Frage des Gelingens des gesetzlichen Auftrages und zu den Verfahrensfragen der Gutachten. Die Regierung könnte in den Verdacht kommen, sich mit grundsätzlichen Änderungen oder Ausgestaltungsvorschlägen einen unbequemen Aufpasser oder Kritiker vom Halse schaffen oder ihn an die Kette legen zu wollen. Vielleicht auch umgekehrt. Deshalb sollte ,der Bundestag, sollte das Parlament diesen ersten Saldo der Betrachtung der bisher gewählten Form !der Untersuchungsmethode ziehen und die Frage der Verbesserungserfordernisse und Verbesserungsmöglichkeiten sich selbst stellen. Eine kleine Vorbemerkung! In Deutschland, aber auch anderwärts, gerät man leicht in den Geruch, geistig etwas minderbemittelt zu sein, wenn man den Spruch von Weisen nicht sozusagen auf den Knien entgegennimmt. Wird diese Ergebenheit, so frage ich, als Preis dargebracht für die Unabhängigkeit, also dafür, daß die Männer im Elfenbeinturm den Kampf gegen Interessen und unsachliche Einflüsse gewagt oder sich um weisungsfreie Beurteilung bemüht haben? Es lohnt sich, über diese Frage, deren Beantwortung über unsere Gesellschaft viel aussagen würde, nachzudenken. Der allgemeine Gutachter ist in Deutschland leider stark abgewertet. Im Volksmund, jedenfalls im qualifizierteren, sagt man, nicht ganz zu Unrecht, daß man für alles und jedes, für alle nur denkbaren Ansichten zu einer Sache einen Gutachter haben kann. Wir kennen ja alle die Prozesse, deren Akten mit vielen einander widersprechenden Gutachten angefüllt sind. Wenn ich das sage, so will ich damit unterstreichen, daß die Unabhängigkeit eines Gutachters in der Tat nach der Überzeugung vieler mit besonderen Kautelen hergestellt werden muß. Es muß eine staubfreie Atmosphäre gesichert sein. Ich bekenne mich jedenfalls ganz grundsätzlich zu der Auffassung, daß das unabhängige Gutachten in Deutschland einen hohen Rang anstreben und erhalten muß und daß die Gutachter ihre Ehre in die völlig unabhängige Begutachtung setzen müssen. Weisungsfrei und unabhängig heißt aber nicht, daß ein Gutachten sozusagen im luftleeren Raum gestaltet werden müsse. Je elfenbeinerner ein Gutachten ist, um so luftleerer ist es aber. Nun garantiert in unserem Falle des gesamtwirtschaftlichen Sachverständigenrates die Persönlichkeit der Gutachter, die sich in ihren Kreisen und gegenüber der Öffentlichkeit ja auch wieder über ihre Thesen auseinanderzusetzen haben, für die lebensvolle Komprimierung des Stoffes und für eine gewisse Bodennähe der Betrachtung. Aber dieser Status, den wir den Gutachtern zugewiesen haben, reicht nach meiner Ansicht nicht aus, blut- und lebensvolle Gutachten sozusagen von der Methode her sicherzustellen. Wir befinden uns mit unserem Untersuchungsauftrag nicht in der Justiz oder einem sonstigen Bereich, bei dem es um die abstrakte und theoretische Frage des Falsch oder Richtig geht, sondern in der Wirtschaft, einem Bereich also, bei dem letzten Endes nur das konkrete Ergebnis interessiert, die Frage, ob diese konkrete Vorstellung mit Hilfe der vorausgeschickten Daten auch wirklich überzeugt. Ich habe oft die Meinung gehört, daß der Auftrag an den Sachverständigenrat an sich utopisch sei, weil dieser Auftrag sich in einem theoretischen Idealbild, nämlich der Stabilität des Preisniveaus, einem hohen Beschäftigungsstand, dem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wachstum zu vollziehen habe und die Einzeluntersuchungen dieser Zielsetzung zu dienen hätten. Nun gut, Gesetze können sich ideale und vielleicht unerreichbare Ziele setzen. Aber wir hier sind leider auf die Realitäten der vier Ideale angewiesen. Wir können zwar anordnen, daß die Vorstellungen der Sachverständigen keine Empfehlungen sein sollen. Aber alle Welt faßt sie als solche auf, besonders wenn sie — wie z. B. dieses unglückliche Ergänzungsgutachten — wenig Alternativen haben und wenn die Presse von den Gutachten als dem volkswirtschaftlichen Gewissen der Nation spricht. Die Vorstellungen der Sachverständigen, hoch in den Raum gestellt, sind dann natürlich die Basis für politische Attacken und Alibis, obwohl irgendeine Bewährung dieser Vorstellungen im politischen Raum nicht stattgefunden hat, die Regierung vielmehr sofort in der Rolle des Angeklagten ist. Ja, das Gutachten selbst kann sofort Angreiferin sein. Wer will das für die Vergangenheit der 31/2 Gutachten bestreiten? Es kann aktiv in eine ganz bestimmte Richtung wirken, statt nur Möglichkeiten für die eine oder andere Handhabung aufzuzeigen. Die Gefahr dieser unabhängigen, also wertfreien und unpolitischen, aber politisch höchst wirksamen, eindeutig als Empfehlung wirkenden Nichtempfehlung ist groß, sehr groß. Wir haben sie bisher gebändigt, aber das muß nicht immer so sein. Ich habe 'sogar den Eindruck, daß das von Jahr zu Jahr schwieriger wird. Die Wirtschaft darf nach meiner Auffassung nicht in dieser Weise nur den Sachverständigen zu einem so hohen und unmittelbaren Einfluß überlassen werden. Der Sachverständigenrat soll in diesem Gutachten darstellen, die Situation darstellen, aber nicht an Hand eines Bildes, das sich an Idealen und nicht ganz realistischen Generalklauseln orientiert. Nur eine einzige der vier von mir vorhin genannten Komponenten braucht, aus welchen Gründen auch immer, nicht realistisch zu sein, dann ist das ganze Bild schief. Hier scheint mir ein wesentlicher Mangel unseres Gesetzes zu liegen. Ein zweiter Mangel hängt damit zusammen und scheint mir darin zu liegen, daß der Sachverständigenrat personell ergänzt oder etwas anders zusammengesetzt werden muß. Meines Erachtens müßte mindestens ein von Berufs wegen sicherer Kenner der politischen Zusammenhänge in das Gremium herein. Außerdem müßten die Mitglieder des Sachverständigenrates einen Status haben, der es ihnen zur Pflicht macht, die Valuta ihres Gut- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 5005 achtens mit einer voll funktionierenden Methode zu erreichen. Was verstehe ich hierunter? Betrachten wir einmal mit einem kurzen Streiflicht die bisherigen 31/2 Gutachten. Leider ist ja unsere Gegenwart so schrecklich vergeßlich. Was wäre geschehen, wenn wir den Vorstellungen der zurückliegenden Gutachten gefolgt wären? Was würde geschehen, wenn wir das vorliegende dritte und das Sondergutachten unter Hinnahme der Korrekturen zur Grundlage unserer Entscheidung machen würden? Sicher gibt es überzeugte, positive Beurteiler. Auf diese Frage des Falsch oder Richtig kommt es mir aber — wie gesagt — in diesem Zusammenhang gar nicht an, sondern darauf, daß in der Beurteilung und in den Vorschlägen des Sachverständigenrates zu wichtigen Problemen nach der Ansicht einer sehr großen Zahl von anderen Sachverständigen deutlich Fehlbetrachtungen vorliegen und einzelne vorgeschlagene Ziele auf den erörterten Wegen nicht erreicht werden können. Anders gesagt, daß die etwa in der Richtung des Gutachtens eingeleiteten Maßnahmen weder auf einer zuverlässigen sachlichen noch politischen Basis aufgebaut und realisiert werden können. Ich meine, daß die Gutachten und die Gutachter durch diese Situation in die Gefahr einer allmählichen und längst aktuellen Entwertung geraten. Die freundlichen Bemerkungen der Bundesregierung in der Einleitung ihrer Stellungnahme zum dritten Gutachten können darüber nicht hinwegtäuschen. Mein heutiges Thema ist, wie es dazu kommt und wie wir diese Devaluierung vermeiden, einer weiteren Abwertung vorbeugen können. In dieser ersten Diskussion hierüber ist das Ganze mit wenigen Sätzen darzustellen. Wir brauchen nur einmal die Gutachten ganz klar ins Auge zu fassen. Sie bestehen aus zugrunde gelegten Daten, allgemeinen oder speziellen Prämissen und Aspekten sowie einer Analyse, das Sondergutachten ferner aus Korrekturen. Die Gutachter setzen sich vor den Gutachten in freier Weise mit diesen oder jenen Stellen, sicherlich allen sachlich zu einem Beitrag berufenen, in Verbindung und informieren sich. Wir alle sind gehalten, sie in ihrer Arbeit zu unterstützen, und tun das gern. Welche Ansichten die Gutachter mitbringen, sei es zur Diagnose oder zur Therapie, erfahren wir nicht oder nicht unbedingt, jedenfalls nicht in einer verbindlich geregelten Form. Oft oder wohl meist spricht auch nur einer der Gutachter mit diesem oder jenem Bedarfsträger oder verantwortlichem Gremium. Soweit nicht das Statistische Bundesamt eingeschaltet ist, werden die Daten wohl auch nicht verbindlich abgestimmt, die Prämissen und Aspekte bleiben auf beiden Seiten, also sowohl bei den befragten Gebern als den nehmenden Sachverständigen, etwas im angenehmen Dunkel; es wird ja auch aus Gründen, die man menschlich verstehen kann, mit allerlei Vorsicht gearbeitet. Die nachfolgende Analyse — das haben wir ja nun schon mehrfach und mit steigender Intensität erlebt — hebt sich dann leicht wie von selbst etwas vom Boden und kann in dieser oder jener Einzelfrage, wie wir gehört haben, sogar in eine bedenkliche Höhe geraten, eine Erscheinung, an die wir uns im Bereich der theoretischen Wirtschaftspolitik beinahe schon gewöhnt haben, die aber wegen der Neigung des deutschen Charakters, den Politikern zu mißtrauen, den Gutachtern zu vertrauen, auch nicht völlig ungefährlich ist. Nach meiner Ansicht muß sich das Gutachtergremium, müssen sich die grundlegenden Ausgangspunkte und die entwickelten Vorstellungen zunächst dem politischen Raum im weitesten Sinn stellen, bevor sie mit dieser Feierlichkeit verkündet, der Regierung übermittelt und von dieser an uns weitergegeben werden. Wir wollen, daß gutachtliche Meinungen nicht nur richtig und von den sonstigen Qualitätsgutachten in Deutschland, soweit wie möglich, gleich mitgetragen werden, sondern daß diese Gedankengänge auch politisch und praktisch realisierungsfähig erscheinen. Ich kann diesen Punkt nicht deutlich genug unterstreichen. Er bedeutet nicht, daß die Gutachter nur erörtern sollen, was auch Aussicht hat, vollzogen zu werden. Welcher Irrtum wäre das! Er bedeutet vielmehr, daß der Sachverständigenrat unter Einsatz seiner eigenen, wenn auch zunächst nur vorläufigen Ansicht mit allen in Betracht kommenden Stellen in einem nicht allzu streng, aber in diesem Punkt klar geregelten Verfahren sprechen muß und daß er seine Prämissen, Aspekte und Analysen in voller Kenntnis der sachlichen und politischen Auffassungen und Pläne, die zu seinem Aufgabenbereich gehören, darzulegen hat. Das Material dieser Vorauseinandersetzung könnte in übersichtlicher Form dem Jahresgutachten beigefügt werden. Zur Veranschaulichung dieses Änderungsbedürfnisses unseres Gesetzes kann man natürlich mehrere sehr aktuelle Beispiele wählen. Das Sondergutachten allein rechtfertigt die ganze Skala der Kritik an der jetzigen Praxis der Gutachtenerstattung: Der gesetzliche Auftrag ist nichtvoll eingehalten, wenig Alternativen sind aufgezeigt, die Vorschläge wirken klar als Empfehlung, über die Stellungnahme wichtiger Partner, z. B. des Außenhandelsbeirats, ist man hinweggegangen, der Vollzug des Eventualhaushaltes ist nicht ganz zutreffend beurteilt, und zu manchen Einzelfragen fehlt eben die Mitteilung der Stellungnahme der Hauptbeteiligten und anderes mehr. Diese Gesprächspartner sind nämlich die Träger unser marktwirtschaftlichen Ordnung. Diese Träger und ihre Ansichten hat das Gutachten neben den sonstigen Begebenheiten und Bindungen nationaler und internationaler Art mit einzubeziehen und zu würdigen. Wenn z. B. ein wesentlicher Teil dieser Partner, selbstverständlich mit guten Gründen, die Erwägung des Sachverständigenrates ablehnt oder als politisch undurchführbar bezeichnet, ist das ein Faktum im Bewußtsein dessen, daß die Vorschläge des Gutachtens lebensvoll und politisch durchblutet sein müssen; sonst haben sie nur wissenschaftlichen Wert. Ich meine, daß wir nur bei Beachtung dieses Grundsatzes den Gutachtern den Status sichern können, der unserer Hoffnung auf die Nützlichkeit und den nationalen und gesamtwirtschaftlichen Wert ihrer Gutachten entspricht. 5006 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 Unser Gesetz muß ergänzt werden. Das dritte Gutachten und das Sondergutachten zeigen dies mit einer mehr als ausreichenden Deutlichkeit. Das ist meine Ansicht und die vieler meiner Freunde. Die Änderung kann mit einigen wenigen Pinselstrichen geschehen, die die Geborgenheit des Gutachtens im gesamten politischen Raum, die Anlehnung an die tragenden Kräfte unserer Gesellschaft garantieren, und wird uns schnell zu der gewünschten Form der Gutachten weitrhelfen. Ich verrate wohl auch kein Geheimnis, wenn ich sage, daß die wissenschaftlichen Gutachter selber im In- und Ausland sich über wesentliche Grundlagen solcher gutachtlicher wirtschafts-wissenschaftlicher Aussagen im Streit oder nicht in Übereinstimmung befinden. Einzelne meinen z. B., daß zwischen Analysen und Empfehlungen sowie zwischen Gutachten und politischen Entscheidungen nicht getrennt werden könne. Andere meinen, daß die Gutachter auch über Mittel zur wirksamen Durchführung ihrer Gedanken verfügen müßten usw. Jedes Land kann das natürlich halten, wie es will. Was wir wollen, ist jedenfalls, daß die Gutachter die anstehenden Probleme herausstellen und begutachten, wobei es natürlich in erster Linie und gerade auf diejenigen Erscheinungen ankommt, die außerhalb des normalen oder vermuteten Konjunkturablaufes liegen. Die Gutachter müssen dabei auf wissenschaftlich verläßlichem Boden bleiben und allzu kontroverse Theorien vermeiden. Sie sollen aber ihr Votum vertreten, und zwar so, daß die Regierung, die die Richtigkeit und Zweckmäßigkeit des Gutachtens zu prüfen und die anschließend nach ihrem politischen Auftrag zu handeln hat, die in dem Gutachten geäußersten Auffassungen nach ihrer Durchführbarkeit beurteilen kann. Was diese Auffassungen nun angeht, so hat ein sehr angesehenes Mitglied dieses Hauses in diesen Tagen höchst lapidar festgestellt, es sei reiner Aberglaube, daß Wissenschaftler allgemein bessere Ideen hätten als Politiker. Wir wollten diese Frage schon aus Höflichkeit gegenüber der Wissenschaft offenlassen, jedenfalls aber nicht vom Gegenteil ausgehen. Die Devise müßte lauten: noch lebensvoller, noch realistischer, noch praxisgerechter. Die Wissenschaft braucht dabei insbesondere in den Präliminarien nicht zu kurz zu kommen. Ich breite diese Gedanken hier einmal aus in voller Sorge, daß eine Sache, die ich persönlich zwar für politisch unzweckmäßig gehalten habe, die wir aber so gut wie möglich zu gestalten haben, an Überzeugungsfähigkeit und Bodennähe noch mehr verliert, wenn wir ihr nicht zu Hilfe kommen. Letzten Endes sind Sachverständigengutachten soviel wert, wie sie sich mit ihren Hauptgedanken als durchsetzbar erweisen. Mein Vorschlag ist, in Zusammenarbeit mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister im Wirtschaftsausschuß dieses Hauses die Frage der künftigen Methode der kommenden Gutachten grundsätzlich zu diskutieren. Wir sind ja in der glücklichen Lage, daß die jetzige Koalition eine solche Diskussion ohne politische Hektik und die Gefahr allzu kurzsichtiger Betrachtungsweise ermöglicht. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Adorno vom 27. April 1967 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Hübner (Drucksache V/1634 Fragen 69, 70 und 71) : Ist daran gedacht, die durch den Einsatz von einer elektronischen Großrechenanlage beim Übersetzerdienst der Bundeswehr erzielten Arbeitsvereinfachungen auch der interessierten Öffentlichkeit in der Weise nutzbar zu machen, daß sie gegen eine Gebühr die damit gegebenen Möglichkeiten nutzen kann? Bestehen Pläne, die beim Übersetzerdienst der Bundeswehr durch den Einsatz einer elektronischen Großrechenanlage möglichen Arbeitsvereinfachungen auch für die fremdsprachliche Arbeit anderer Ressorts zu nutzen? Bestehen Pläne zur Gründung eines zentralen Bundessprachenamtes zur Koordinierung und zentralen Finanzierung der Arbeit an wichtigen sprachlichen Problemen, zum Beispiel der Einsatzmöglichkeiten von Großrechenanlagen oder der Koordinierung terminologischer Vorhaben, um so Doppelarbeit zu vermeiden? Es ist in der Tat daran gedacht, die beim Übersetzerdienst der Bundeswehr erarbeiteten Verfahren der maschinellen Übersetzungshilfe und Lexikographie unter Verwendung einer elektronischen Datenverarbeitungsanlage für interessierte Kreise von Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung nutzbar zu machen. Ein Erlaß . an den Übersetzerdienst, in dem die Modalitäten der Überlassung von Arbeitsergebnissen dieser Art an Stellen außerhalb der Bundeswehr geregelt werden, steht vor der Herausgabe. Was für die interessierten Stellen von Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung gilt, gilt erst recht für die übrigen Bundesverwaltungen. Die anderen Bundesressorts können sich bereits heute für ihre fremdsprachliche Arbeit im Wege der Amtshilfe der Möglichkeiten bedienen, die im Sprachendienst der Bundeswehr und speziell beim Übersetzerdienst der Bundeswehr durch den Einsatz einer elektronischen Großrechenanlage für linguistische Zwecke zur Verfügung stehen. Es ist beabsichtigt, die interministerielle Zusammenarbeit auf diesem Gebiet durch Vereinheitlichung der Verfahren der Terminologiearbeit und durch Einspeisung möglichst aller terminologisch-lexikographischen Arbeitsergebnisse in den Zentralspeicher zum Nutzen sämtlicher Beteiligten zu rationalisieren und zu intensivieren. Es ist vorgesehen, die Sprachenschule der Bundeswehr, den Übersetzerdienst der Bundeswehr und einige Arbeitsgebiete des Sprachenreferats des Verteidigungsministeriums zu einem Sprachenamt zusammenzufassen. Da die linguistischen Disziplinen Übersetzen, Sprachunterricht und sprachwissenschaftliche Arbeit wechselseitig eng verzahnt sind, garantiert erst eine organisatorische und räumliche Zusammenfassung den größtmöglichen Arbeitserfolg. Erst nach dieser Zusammenfassung werden alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden können, die in Gestalt moderner technischer Hilfsmittel und moderner Verfahren der angewandten Linguistik heute zu Gebote stehen. Das Sprachenamt soll als Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Verteidigungsressorts konstituiert werden. Es soll zu etwa 20-25 % seiner Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 5007 Kapazität den übrigen Bundesverwaltungen zur Verfügung stehen. Es wird gem. einer Vereinbarung mit dem federführenden Bundesministerium des Innern die Bezeichnung „Bundessprachenamt" führen. Ein Grundstück für das Bundessprachenamt steht in Hürth bei Köln zur Verfügung. Die Bauplanung ist in etwa abgeschlossen. Angesichts der absolut unzureichenden derzeitigen Unterbringung der Sprachenschule der Bundeswehr kann der Baubeginn nicht mehr länger hinausgeschoben werden. Die Lösung dieser Frage steht aber unter dem Zwang, den ein eingeschränkter Haushalt auferlegt. Die Vorstellungen über die Finanzierung bestimmter, über den Verteidigungsbereich hinausgreifender Aufgabenkomplexe des Amtes bedürfen noch der weiteren interministeriellen Abstimmung.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Fritz Burgbacher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte das Hohe Haus um Entschuldigung, wenn ich zum Thema zurückkehre.

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das dritte Jahresgutachten der Sachverständigen ist eine wissenschaftliche Arbeit von hohem Rang. Was man an ihm beanstanden muß, ist der unmögliche Versuch, in einer übersehbaren Zeit exakte Zahlen bis zur Dezimale hinter dem Komma vorauszuschauen. Hätte sich das Sachverständigengutachten auf Maximal- und Minimalpositionen beschränkt, dann wäre das peinliche Nachtragsgutachten nicht notwendig gewesen — peinlich deshalb, weil es die Zuversicht in Prognosen nicht gerade fördert, wenn nach einem halben Jahr so etwas notwendig ist.
    Ich weiß nicht, wieweit das Haus noch aufnahmefähig ist für an sich dazugehörende Betrachtungen z. B. über die Problematik des Durchschnittsveränderungsfaktors des Bruttosozialprodukts. In dem Sachverständigengutachten ist ausgeführt, daß dieser Faktor ein Produkt ist aus Zuwachsraten in Branchen mit plus 10 und minus 11. Ich spreche im Telegrammstil und will damit sagen, daß der Durchschnittsfaktor überhaupt keine Beweiskraft hat. Die Beweiskraft des ,Durchschnittsfaktors wächst, je mehr der Fächer der äußersten Plus- und der äußersten Minusposition zusammengeht, und sie fällt, je breiter der Fächer sich spannt. Ich bitte um Entschuldigung, wenn ,das wie eine Binsenweisheit klingt. Aber es ist notwendig, sich bei der Beurteilung eines Bruttosozialprodukts die Analyse deis Fächers — nämlich die Plusposition und die Minusposition — anzusehen.
    Die Steigerung der privaten Einkommen ist dargelegt. Wenn Sie diese Kurve genau vergleichen, dann können Sie feststellen, daß von der Steigerung der privaten Einkommen in den letzten Jahren gegenüber den Vorjahren zwar ein guter Teil gespart wurde; proportional wurde aber weniger gespart. Wenn Sie das ausrechnen, dann kommen Sie zu einem Betrag, der, wenn er weiter gespart worden wäre, die Kapitalmarktsituation wesentlich erleichtert hätte.
    Bei dem Lebenshaltungskostenindex — einer anderen Krücke des menschlichen Geistes neben dem Durchschnittsfaktor des Bruttosozialproduktes — ist festzustellen, daß der Hauptfaktor seiner Steige-



    Dr. Burgbacher
    rung in der letzten Zeit die Erhöhung der Mieten ist. Anders formuliert: wären die gesetzlich festgelegten Zwangsmieten noch niedriger gewesen, dann wäre der Lebenshaltungskostenindex noch höher gestiegen. Was heißt das? Es- ist ein gewaltiger Unterschied, ob die Steigerung des Lebenshaltungskostenfaktors auf die normale Steigerung freier Preise oder auf die Beseitigung der Zwangswirtschaft zurückzuführen ist. Auch deshalb sage ich: verwenden wir doch nicht nur den letzten Begriff wie einen Fetisch, sondern analysieren wir jeden letzten Begriff, damit wir ihn nicht nur sehen, sondern auch gewichten können.
    Ich wiederhole den Vorschlag, die öffentlichen Haushalte in drei Positionen aufzuteilen: den Verwaltungshaushalt, den Sozialhaushalt und den Investitionshaushalt. Ich würde ganz besonderen Wert darauf legen, den Investitionshaushalt von den anderen getrennt zu sehen.
    In dem Sachverständigengutachten ist festgestellt, daß die Investitionen der öffentlichen Hände, die vorwiegend aus laufenden Einnahmen finanziert sind, in den letzten drei Jahren pro Jahr rund 20 Milliarden DM betragen haben; im Jahre 1966 haben sie 21,5 Milliarden DM betragen. Auch hier der Zeit wegen eine Bemerkung im Telegrammstil. Wenn ein Haushalt im Jahre 1966 mit 7 oder 8 Milliarden DM Defizit abschließt — oder sagen wir besser: mit einer Finanzierungslücke — und diese Finanzierungslücke nicht auf Konsumausgaben, sondern auf Investitionsausgaben zurückzuführen ist, dann habe ich das Recht und, wenn Sie wollen, je nach der Konjunkturlage sogar die Pflicht, eine solche Finanzierungslücke ganz anders zu betrachten, als wenn sie durch Konsumausgaben verschuldet ist. Was durch Konsumausgaben verschuldet ist, muß gedeckt werden, und wenn das nicht möglich ist, muß die Ausgabe gesenkt werden. Was durch Investitionen verschuldet ist, kann, wenn es in einem angemessenen Verhältnis zu den Gesamtinvestitionen steht, auch anders als über den laufenden Haushalt finanziert werden. Auf diesem Wege befinden wir uns.
    Wir alle sind an der Entwicklung nicht ganz unschuldig. Ich erinnere an das im vorigen Jahr für meine Begriffe oft leichtfertig gebrauchte Wort der „Inflation", an die pauschale Verurteilung aller öffentlichen Haushalte und aller öffentlichen Investitionen. Nichts, was war, ist nur gewesen. Dieses Trommelfeuer klingt noch in den Ohren nach. Ich möchte den Herrn Bundeswirtschaftsminister, dem wir als Wirtschaftsminister unserer Koalitionsregierung natürlich vollen Erfolg wünschen und den wir auch in allen Dingen, die wir vertreten können, aktiv unterstützen werden, auf diese psychologische Seite der Dinge mit besonderem Nachdruck hinweisen. Die Situation ist nicht in erster Linie durch institutionelle Maßnahmen, durch neue Begriffe oder durch Spritzen zu heilen, sondern sie ist nur zu heilen, wenn das Gefühl der Unsicherheit vor der näheren Zukunft verschwunden und das Vertrauen Allgemeingut geworden ist.
    Der Herr Vorredner hat soeben von den nächsten Haushalten gesprochen. Ich stimme mit ihm darin überein, daß es, nachdem die öffentliche Kritik dieser Haushalte auch heute hier wieder stattgefunden hat, im Interesse der Konjunkturpolitik ein dringendes Erfordernis ist, daß so bald wie möglich in der Öffentlichkeit über diese Haushalte und über die Vorschläge zur Behebung der Schwierigkeiten zahlenmäßige Klarheit besteht. Denn wenn wir vor die Wirtschaft treten und sagen: „Hier hast du Sonderabschreibungen, hier hast du Steuererleichterungen, hier hast du dies, und hier hast du jenes, aber in zwei oder drei Jahren stehst du vor harten Tatsachen", dann droht das eine das andere aufzuheben. Nachdem man sich nun in fast selbstquälerischer Weise darin gefallen hat, in den Finanzierungslücken dieser Haushalte beinahe wollüstig zu baden, kann ich nur sagen: Nun bringt doch so bald wie möglich die Butter zum Fisch auf den Tisch! Und sagt: Die Haushalte haben voraussichtlich diese — ich warne vor dem Wort „Defizit" — Finanzierungslücke. „Defizit" ist in einem Haushalt nur das, was durch Konsum verschuldet ist; „Finanzierungslücke" ist ein Fehlbetrag, der durch Investitionen verschuldet ist.

    (Lachen bei der FDP. — Vereinzelter Widerspruch in der Mitte.)

    — Schüttelt ruhig alle den Kopf! Ich bleibe dabei, .daß ein gewaltiger Unterschied zwischen einem Fehlbetrag durch Konsumausgaben und einem Fehlbetrag durch Investitionsausgaben besteht.

    (Zuruf von der FDP. — Gegenruf von der Mitte: Das verstehen Sie nur nicht! — Unruhe.)

    Ich komme noch ganz kurz auf die Schuldenfrage. Interessant ist im Sachverständigengutachten eine einseitige Tabelle, in der die Entwicklung des Lebenshaltungskostenindex fast aller westlichen Länder mit der in der Bundesrepublik verglichen wird. Die Identität ist so groß, daß sie fast zur Kongruenz wird. Was heißt das? Das heißt, daß die Indexentwicklung in der gesamten westlichen Welt in den letzten Jahren gleichmäßig verlaufen ist. Solange diese Gle"ichmäßigkeit besteht, ist das Problem der außenwirtschaftlichen Absicherung theoretisch vorhanden, aber praktisch nicht notwendig. Bitte, das ist eine wichtige Feststellung. Der Vorschlag der Sachverständigen, die 2 bis 3 %, die vom Rat der Sachverständigen als Steigerungsquote jährlich angenommen werden, durch einen flexiblen Wechselkurs aufzufangen, lehnen wir, glaube ich, alle ab. Wir lehnen nicht die Richtigkeit der Überlegung ab. Es kann nicht bestritten werden, daß auf die Dauer, vor allem wenn die Entwicklungskurven der Indizes der westlichen Welt etwa auseinanderlaufen würden, während sie jetzt identisch verlaufen, das Problem der außenwirtschaftlichen Absicherung vorhanden ist.
    Jetzt sind wir gegen jeden flexiblen Wechselkurs, auch gegen die periodische Erhöhung, auch gegen die Veränderung der Interventionspunkte von ±1 % auf ± 4 % oder 5 %; das wäre eine Spanne von 8 bis 10 %. Das würde die internationalen Handelsbeziehungen und unsere gesamten Export- und Importbeziehungen durcheinanderbringen. Aber ich



    Dr. Burgbacher
    mache ausdrücklich darauf aufmerksam, daß nach meiner Meinung auf die außenwirtschaftliche Absicherung nur so lange verzichtet werden kann — ich wiederhole es —, wie die Indexentwicklung in den wichtigsten Ländern der freien Welt mit der unsrigen identisch oder fast identisch verläuft.

    (Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Sehr richtig!)

    Von all den Vorschlägen des Rates ist — das hat auch der Herr Bundeswirtschaftsminister in seinem Referat gesagt — derjenige der sogenannten Devisenhärtung sehr ernst zu nehmen. Das heißt, daß sich die wichtigsten Länder der freien Welt — ob im Rahmen des Bretton-Woods-Abkommens oder des GATT — zusammensetzen und sich sozusagen im privatrechtlichen Sinne verpflichten, keinerlei Abwertung vorzunehmen. Denn man muß sich darüber klar sein, daß die übrige Welt, wenn wir aus unserer Sicht eine Änderung der Wechselkurse vornehmen, nicht mit den Händen in der Tasche zusieht, sondern darauf reagiert. Diese Reaktionen entziehen sich dann der Kontrolle. Deshalb ist der Vorschlag der Devisenhärtung von einem besonderen Gewicht. Wie wir vom Bundeswirtschaftsminister gehört haben, wird dieser Weg, der ein harter Weg ist, weitergeführt.
    Wenn in diesem Jahr die Wachstumsquote ± 0 wäre, wäre das zwar nicht schön; aber ich würde jedermann warnen, das als eine Katastrophe zu bezeichnen.

    (Zuruf von der SPD: 3 % Produktivitätszuwachs!)

    Natürlich sind 2 % plus viel besser als ± 0. Der Wirtschaftsminister hat ganz richtig gesagt: ± 0 ist auch wieder .ein Durchschnitt. Das ist ja die berühmte Sache: ± 0 ist nur dann da, wenn so viel im Minus ist, wie im Plus ist. Darin liegt die Gefahr. Wenn der Fächer da weit aufgeht, ist zu ± 0 als Durchschnittszahl genau dasselbe Kritische zu sagen wie zu +4 %: +4 % sind auch ein Durchschnitt zwischen —10 und +11 %. Wenn sich dann vor allem die Lohn- und Gehaltspolitik auf die +4 % uniform ausrichtet, dann ist das für denjenigen, der sich auf der Wachstumsseite befindet, ein warmer Regen, und er kommt billig dabei weg, und wer auf der Schattenseite steht, muß mehr tragen, als er tragen kann. Deshalb ist in der Frage — ich komme noch darauf, aber ich halte mich an unsere Absprache bezüglich der Einteilung der Zeit, Herr Kollege — —

    (Lachen und Zurufe von der FDP.)

    Ja, das machen wir so in der Koalition, .wir teilen den Rest der Zeit auf, wir teilen Freude und Leid; so haben wir es uns vorgenommen.

    (Heiterkeit.)

    Eine andere gern gebrauchte Modebehauptung ist °die, alle öffentlichen Haushalte dürften sich nur im Ausmaß der Steigerung des Bruttosozialprodukts verändern. Das ist immer ein Märchen gewesen. Aber es ist weit verbreitet und auch von hohen Regierungsstellen vertreten worden. Damit räumt der Rat auf. Er stellt fest — was richtig ist —:
    Nicht auf die Höhe der Steigerung des Haushalts, sondern auf seine konjunkturgerechte Deckung kommt es an.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Es ist also überhaupt nicht zu verstehen, wie man meinen kann, in einer aktiv lebenden Volkswirtschaft könnte und dürfte der Anteil der öffentlichen Haushalte aller Art für alle Zwecke des öffentlichen Lebens immer nur den gleichen Prozentsatz vom Bruttosozialprodukt haben. Das ist ja eine Blockierung eines Teils des Lebens, das bei uns immerhin 40 % vom Bruttosozialprodukt ausmacht.
    Ich lege deshalb Wert auf die Feststellung, daß es nicht auf die Höhe der Steigerung, sondern auf die ordnungsgemäße Deckung ankommt, und wiederhole noch einmal, daß ein bedeutsamer volkswirtschaftlicher Unterschied zwischen Konsum- und Investitionsausgaben besteht und beachtet werden muß.
    Der Rat schrieb einen massiven Satz: „Preisstabilität ist nicht erreichbar, ohne daß die Bundesrepublik das Prinzip eines konstanten Wechselkurses der D-Mark zugunsten des Prinzips einer konstanten Kaufkraft der D-Mark aufgibt." Dazu habe ich schon gesagt: wissenschaftlich stimmt dieser Satz. Daraus folgt aber so lange keine Pflicht zur Praktizierung, solange — entschuldigen Sie, wenn ich es noch einmal sage — die Indexentwicklung der Wettbewerbswelt, der freien Welt, mit der unseren nicht identisch ist. Aus dieser Gleichartigkeit ergibt sich übrigens auch die Abhängigkeit unseres volkswirtschaftlichen Ablaufs von dem der übrigen Welt. Die Interdependenz unserer Volkswirtschaft ist enorm: durch festgelegte Wechselkurse, durch freie Konvertibilität, durch Freizügigkeit, durch GATT-Abkommen, durch Bretton Woods und vor allem durch den Gemeinsamen Markt im EWG-Gebiet. Wir sind nicht mehr im klassischen Sinne der souveräne Herr unserer Volkswirtschaft! Bei allen Maßnahmen, die wir treffen, auch konjunktureller Art, müssen wir die Interdependenz bedenken.
    Wir haben schon vom Bundeswirtschaftsminister gehört, daß es zwar sehr erfreulich ist, daß unser Export so hoch ist, daß uns die Sache in den internationalen Finanzbeziehungen aber in den Verdacht zu bringen beginnt, wir störten das Gleichgewicht. Für uns selbst ist es von Interesse, und wir dürfen das, was wir einmal gelernt haben, nicht wieder vergessen: daß bei einem übergroßen Export der Gegenwert in die Bundesrepublik kommt, hier in D-Mark umgewechselt wird und diese D-Mark als Kaufkraft am Markt auftritt, also — entschuldigen Sie die groteske Formulierung — ein Gastarbeiter, der Geld nach Hause schickt, wirkt stabilisierend; jeder von uns, der seinen Urlaub im Ausland verbringt, wirkt stabilisierend, weil er etwas von dem Devisenüberhang wieder herausbringt und damit preisneutral wirkt.
    Eine Frage, die sicherlich an das Bundeswirtschaftsministerium herankommen wird, ist: Was kann man tun, um den Überhang aus dem erfreulich hohen Export — den wollen wir uns so lange als möglich erhalten, um auch den Import so weit wie



    Dr. Burgbacher
    möglich zu beleben — in investive Ausgaben zu bringen und damit zu vermeiden, daß er in Konsumausgaben geht, weil von daher wieder eine Gefährdung ausgehen könnte?
    Entschuldigen Sie, Herr Minister, wenn ich die Formulierung wage: Mit den Mitteln eines noch so hohen Intellekts sind Investitionen nicht zu schaffen, wenn der Investor nicht will. Und jetzt komme ich zu einer Formulierung, von der ich selbst sage, daß sie zu sehr zugespitzt ist. Sie lautet: Je mehr ich tue, um Investitionen anzuregen, um so mißtrauischer werden viele Investoren. Ruhe, Sicherheit und vor allem das Vertrauen — entschuldigen Sie diese etwas privatwirtschaftliche Formulierung — in den bleibenden Ertrag der neuen Investitionen ist eine ganz entscheidende Frage. Deshalb ist es auch so wichtig, daß über die Haushalte, über die mittelfristige Finanzvorschau baldigst zahlenmäßig Klarheit geschaffen wird.
    Ich mache jetzt eine persönliche Bemerkung, spreche nicht für meine Fraktion; für die Bemerkung, die jetzt kommt, trage ich allein die Verantwortung.

    (Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Na, na!)

    — Doch, das muß ich nach der Abstimmung von gestern. Zu den wenigen Punkten, in denen ich mit dem Herrn Vorredner übereinstimme, gehört seine Kritik an der Behandlung der Altvorräte im Mehrwertsteuergesetz und — das füge ich noch hinzu — die Kritik am Stufenplan. Man kann nicht auf der einen Seite Investitionen fördern und sie auf der anderen Seite mit einem anderen Gesetz, im gleichen Gesetzblatt, hemmen. Das kann auf die Dauer nicht zu einem Erfolg führen, den wir doch haben wollen.
    Eines der heißen Eisen ist die Lohn- und Gehaltspolitik, die auch die Unternehmerschaft sehr beschäftigt. Der Herr Minister hat mit Recht auf die bisher erzielten Erfolge hingewiesen. Sie sind unstreitig, wie es auch unstreitig ist, daß diese Erfolge ohne die Gewerkschaften nicht möglich gewesen wären. Ebenso richtig ist natürlich — im Sinne der sozialen Marktwirtschaft —, daß jeder seinen Anteil hat, wenn sich das Bruttosozialprodukt wieder erhöht. Ist es nicht möglich, unsere Lohn- und Gehaltspolitik, die sich an kurzfristigen, einjährigen Prognosen orientiert — wir haben ja gerade gesehen, daß die Prognose vom vorigen Jahr im Frühjahr schon nicht mehr gestimmt hat —, statt auf die Faktoren einer kurzfristigen Jahresprognose auf einen mehrjährigen Durchschnitt zu beziehen? Damit würde im Interesse beider Teile eine wesentliche Stabilität in die Lohn- und Gehaltspolitik kommen. Über dieses System könnte man ein Semester lang reden; ich kann es hier nur andeuten. Ich möchte aber doch allen Verantwortlichen ans Herz legen, daß sich hier vielleicht eine Lösung abzeichnet, um diesen sich aus kurzfristigen Bewegungen ergebenden problematischen Durchschnitt auf eine längere Zeit umzulegen.
    Über die Projektion will ich nicht mehr sprechen, das hat der Herr Wirtschaftsminister getan. Ich meine das Problem der kostenniveauneutralen
    Lohnpolitik, das im Ratsgutachten angesprochen wird, wenn ich von der Abkehr von der Jahresprognose zugunsten eines mehrjährigen Durchschnitts spreche.
    Sieht man sich die Eigentumsbildung an, so kann man feststellen, daß sie zugunsten der privaten Haushalte gestiegen ist, zugunsten der Wirtschaft gefallen und zugunsten der öffentlichen Hände unverändert hoch geblieben ist. Warum? Nun, unser Geldmarkt ist jetzt sehr flüssig, unser Kapitalmarkt ist, gemessen an der bestehenden Nachfrage, ausreichend. Wenn aber die Nachfrage kommt, die wir für langfristige Investitionen haben wollen, dann ist er knapp. Man muß also wiederholen, so komisch das in einer Konjunkturdebatte klingen mag, daß wir auf die Sparkapitalbildung nach wie vor großen Wert legen müssen, denn wir werden aus diesen Rezessionsgefahren nie ohne organische Gesundung des Kapitalmarkts herauskommen. Wir werden vom Kapitalmarkt her Zyklen haben, und wir wollen ja möglichst keine Zyklen mehr haben. Deshalb müssen wir diese Gratwanderung versuchen, die zwischen dem konjunkturellen Wunsch nach Konsum und dem ebenso konjunkturellen Wunsch nach Kapitalbildung liegt.
    Wir müssen unser Volk bitten, nun nicht etwa zum radikalen Käuferstreik überzugehen, den wir zur Zeit zum Teil haben. Das ist natürlich falsch. Aber wenn wir zum Konsum anregen wollen, dürfen wir nie versäumen, auch auf die notwendige Kapitalbildung aufmerksam zu machen. Denn sie ist die Voraussetzung dafür, daß die Investitionen, die bisher über die Haushalte aller öffentlichen Hände aus den laufenden Steuern finanziert wurden, teilweise auf dem Kapitalmarkt finanziert werden können. Ich kann mir nicht verkneifen, einen Satz aus dem Gutachten, Ziffer 320, vorzulesen:
    Eine großzügigere Sparförderung der öffentlichen Hand erscheint daher, unbeschadet der Zweckmäßigkeit einer Reform, geldwertpolitisch völlig unbedenklich.
    Wörtlich aus dem Gutachten des Rats! Dieses Zitat möchte ich an die Adresse all derer richten, die sich demnächst mit der Reform der Sparprämien und ähnlicher Einrichtungen befassen.
    Die Bundesregierung hat sich in einer Stellungnahme mit dem Gutachten befaßt. Ich bitte unsere Bundesregierung um Nachsicht, wenn ich sage, daß diese Stellungnahme, sagen wir einmal, nach dem vereinfachten Verfahren vorgenommen wurde. Darin steht: Nicht durch Steuerung der Nachfrage, sondern auch durch Produktivitätsförderung muß alles erreicht werden. Wenn wir die Investitionsförderung mit Erfolg durchziehen, ohne daß eine Steigerung der allgemeinen Nachfrage eintritt, dann ist die Sache wieder halb. Wir müssen also bei allen Maßnahmen die Steigerung der Nachfrage genauso äquivalent sehen wie die natürlich vorrangige Steigerung der Investition.
    Was der Herr Wirtschaftsminister gesagt hat — daß die öffentlichen Hände ihre nicht verbrauchten Mittel in Aufträge geben sollen und daß überhaupt ein bedeutendes Auftragsvolumen, nicht schlag-



    Dr. Burgbacher
    artig, aber im Laufe dieses Jahres, von allen öffentlichen Händen in die Wirtschaft gehen muß —, ist wichtiger als der nun auch von der Bundesregierung zurückgestellte zweite Eventualhaushalt, von dem meine Freunde nichts wissen wollen. Wir sind nicht der Meinung, daß der Zeitpunkt für einen zweiten Eventualhaushalt gegeben ist.

    (Abg. Dr. Schwörer: Aber vorbereiten sollten wir ihn!)

    — Ein guter General hat immer mehrere Feldzugspläne in der Schublade, sonst ist er kein guter. Man soll sie aber nicht vorher auf der Straße besprechen. Sonst bleibt von keinem etwas übrig.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Ich meine also, die öffentlichen Hände müssen diese Aufträge geben, und zwar dosiert, wie ich überhaupt dazu neige, den westfälischen Lebensgrundsatz zu befolgen: Man gehe Schritt vor Schritt. Ich bin von Westfalen unterrichtet worden, das sei ein westfälischer Lebensgrundsatz, und ich meine, den könnten wir gut vertreten.

    (Abg. Dr. Schwörer: Das könnte auch ein schwäbischer Grundsatz sein!)

    Nun wird mancher vor allem von unserer hochgeschätzten Opposition wahrscheinlich gedacht haben, als ich über die Investitionen in den öffentlichen Haushalten sprach: Wie sollen sie denn finanziert werden? Nun sage ich Ihnen hart und klar ein Wort, das Sie wahrscheinlich zum Entsetzen bringt: durch Verschuldung. Das muß ich verantworten. Die Schuldenlasten sind in den einzelnen Ländern verschieden. Ich nenne jetzt für vier Länder jeweils drei Zahlen, alles auf D-Mark umgerechnet. Die erste Zahl ist die Gesamtverschuldung der öffentlichen Hände dieses Landes, die zweite Zahl ist die Verschuldung je Einwohner, und die dritte Zahl ist die Spareinlage je Einwohner. Frankreich: 78,5 Milliarden DM Gesamtverschuldung, 1605 DM Verschuldung pro Kopf und 1320 DM Spareinlage je Einwohner; Großbritannien: 439,4 Milliarden DM Gesamtverschuldung, 8072 DM Verschuldung pro Kopf, 2680 DM Spareinlage je Einwohner; Vereinigte Staaten: 1646 Milliarden DM öffentliche Verschuldung, 8500 DM Verschuldung je Einwohner, 6200 DM Spareinlage je Einwohner; Bundesrepublik mit West-Berlin: 83,9 Milliarden DM öffentliche Schuld, 1421 DM Verschuldung pro Kopf und 2000 DM Spareinlage je Einwohner.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Wer bei solchen Zahlen im Falle einer Rezession nicht den Weg findet, durch Verschuldung die in erster Linie notwendigen Investitionen teilweise langfristig zu finanzieren, dem ist einfach nicht zu helfen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Auch hier ist wieder einzublenden: Voraussetzung ist, daß der Kapitalmarkt es hergibt. Deshalb diese berühmte Gratwanderung zwischen Konsum und Investitionen.
    Das Sondergutachten will ich mir schenken. Damit wird sich, wenn die Debatte morgen weitergeht, unser Kollege Luda besonders auseinandersetzen.
    Auf jeden Fall möchte ich aber sagen: Wir sind in keiner Krise, sondern wir sind in einer Phase normaler Reaktion auf lange Jahre stürmischer Konjunktur. Die Tatsache, daß wir eine stürmische Konjunktur hatten, veranlaßt vielleicht manchen von uns, teilweise leider von der Presse unterstützt, von Krise zu sprechen, so wie ein Mann, der sein ganzes Leben lang nie krank war, wenn er einen Schnupfen kriegt, schon meint, er müsse übermorgen sterben.

    (Heiterkeit.)

    Es ist im deutschen Volk keine gesunde Reaktionsempfindung mehr für leichte Störungen und Krisen, weil wir bisher immer nur gewohnt waren: mehr, mehr, mehr. Jetzt geht es auf einmal auf einer Ebene weiter, auf einer hochliegenden Ebene, oder, hoffentlich, langsam bergauf, find schon sind die Nerven strapaziert. Das halte ich für eine ganz falsche Einstellung zu den Problemen.
    In einem Punkt, sehr verehrter Herr Wirtschaftsminister, muß ich mein Veto einlegen. Sie haben dreimal — zwar haben Sie es einmal mit Hamburger Charme gesagt; aber der Götz von Berlichingen hatte einen Samthandschuh, und darunter war eine eiserne Hand; Sie haben also einen Samthandschuh darübergezogen — den Bundesbankpräsidenten kritisiert. Ich halte das — ich bitte um Entschuldigung — nicht für richtig.

    (Beifall bei der CDU/CSU unid bei der FDP.)

    Die Bundesbank ist eine unabhängige Einrichtung, und unser Volk vertraut auch auf diese unabhängige Einrichtung.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

    Es muß auf uns und auf unsere Regierung vertrauen, und es muß auf die Bundesbank vertrauen. Die Addition des Vertrauens wird aber nicht größer, wenn der eine den anderen angreift.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Das ist doch keine heilige Institution!)

    — Das ist keine geheiligte Institution. Aber Vertrauen ist ein diffiziles Gefäß; auch wenn man es flicken kann, ist es niemals mehr das alte.

    (Abg. Ravens: Aber, Herr Kollege Burgbacher, das müssen Sie auch dem Bundesbankpräsidenten sagen bei seinen Reden draußen in der Öffentlichkeit! — Abg. Dr. Luida: Dann muß man das im stillen Kämmerlein austragen, nicht im Parlament!)

    — Ich bitte um Verständnis. Ich sage das in guter Meinung und in keiner anderen.
    Natürlich kann man darüber reden, ob man 160 Tage auf die erste Diskontsenkung warten mußte. Es besteht auch ein natürliches Spannungsverhältnis zwischen Bundeswirtschaftsminister unid Bundesbankpräsident, und das ist gut. Spannungen sind ja nicht unproduktiv, sondern meistens sind Spannungen überhaupt die Voraussetzung für Produktivität. Wenn wir nicht die Spannung zwischen Mann und Frau hätten, wären wir gar nicht da.

    (Heiterkeit.)




    Dr. Burgbacher
    Ich habe meinem Kollegen gesagt, wir wollen uns die Zeit bis 21 Uhr teilen. Deshalb will ich Schluß machen, damit wir Sie nicht über 21 Uhr hinaus festhalten müssen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Karl Mommer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Porzner.

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    Rede von Konrad Porzner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Ich will mich bemühen, Ihre Geduld nicht allzu sehr zu strapazieren, und will versuchen, es sogar noch kürzer zu machen als Herr Professor Burgbacher.
    Es ist nicht die Erklärung einer Regierung, die aus einem glänzenden Wahlsieg, sondern aus einer von unserem Volk mit tiefer Sorge verfolgten Krise hervorging.
    Dieses Zitat aus der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 bezog sich nicht nur auf den desolaten Zustand der vorhergehenden Koalition und nicht nur auf die Außenpolitik, sondern damit war, wie wir jetzt wissen, auch die Wirtschaft gemeint. Noch in der ersten Lesung des Entwurfs des Stabilisierungsgesetzes — damals hieß er noch so — war die Regierung Erhard von dem Gedanken geleitet, die Nachfrage zu bremsen. Man sprach von Übernachfrage, die zu beseitigen wäre, und von Überbeschäftigung. Der damalige Bundeskanzler — Sie erinnern sich; Herr Wirtschaftsminister Schiller hat es damals schon zitiert — meinte vor der Einbringung des Stabilisierungsgesetzes: „Wenn das deutsche Volk nicht hören will, dann muß es eben fühlen."
    Die Anregung des jetzigen Parlamentarischen Staatssekretärs im Wirtschaftsministerium, Herrn Dr. Klaus Dieter Arndt, daß es höchste Zeit sei, eine halbe Milliarde Mark für den Straßenbau oder für den Ausbau der Fernmeldeanlagen zur Verfügung zu stellen, wurde damals — schon im September — leider nicht aufgenommen. Während sich die Regierung befriedigt über den Rückgang der Nachfrage und über den Rückgang der Aufträge äußerte, fragte Herr Arndt, wann die Regierung denn endlich etwas dagegen tun wolle; wohl erst, wenn die Binnennachfrage völlig im Keller sei. Heute ist sie im Keller, mit minus 13 % bei der Industrie — das sind die Februar-Daten — und mit minus 20 % bei den Investitionsgüterindustrien.
    Daran ändert alle Kritik nichts, die jetzt an dem Sondergutachten des Sachverständigenrats geübt wird. An diesen Zahlen ist nicht zu rütteln und nicht zu deuteln. Ich möchte. mich jetzt nicht mit dieser Kritik auseinandersetzen, ich möchte nur sagen, daß der Sachverständigenrat keine Wetterstation ist, die sich nur dann zu melden hat, wenn die Konjunktursonne scheint. Der Sachverständigenrat hat die Pflicht, die Daten und Tatsachen so darzustellen, wie sie sind. Er" würde seine Aufgabe und seine Pflicht verfehlen, wenn er auch nur das Geringste beschönigen und vertuschen wollte.
    Die Lage, die in dem Sondergutachten dargestellt wird, ist ernst genug. Herr Kollege Haas, ich gehöre nicht zu denen, die glauben, man dürfe nicht über eine schlechte Situation reden, weil man sie dann noch schlechter mache. Wir brauchen niemandem in der Wirtschaft hier etwas vorzumachen; die wissen alle selbst Bescheid, die brauchen nur in ihre Auftragsbücher zu schauen. Die Tendenz hat sich auch noch verschlechtert. Die industrielle Produktion ging im Februar gegenüber dem gleichen Vorjahresmonat um 4,7 % und im März um 7,5 % zurück. Bei der Investitionsgüterindustrie ging die Produktion in den gleichen Monaten gegenüber den gleichen Vorjahresmonaten um 11 % bzw. 14 % zurück. Das sind März-Daten; neuere haben. wir noch nicht. Jedenfalls läßt sich daraus lesen und daraus schließen — ebenso wie aus der Arbeitslosenzahl, die konjunkturell nicht günstiger geworden ist, die nur saisonal sich verbessert hat —, daß insgesamt die rezessiven Faktoren noch überwiegen und ,daß es länger dauern wird, einen neuen Aufschwung zu erreichen, als allgemein angenommen wurde.
    Wenn Sie meinen, Herr Dr. Haas, daß es nicht Aufgabe der öffentlichen Hand sei, einzuspringen, daß man es der Wirtschaft selber überlassen müsse, sich wieder zu fangen, dann verstehen Sie den Begriff der sozialen Marktwirtschaft falsch.

    (Zuruf von der FDP.)

    — Vielleicht habe ich Sie falsch verstanden; ich will Sie jetzt gar nicht mehr provozieren. — Soziale Marktwirtschaft heißt nicht, daß die öffentliche Hand nirgends eingreifen oder helfen soll. Durch den Investitionshaushalt, den wir beschlossen haben, wird ja im Grunde nicht anderes getan als eine Lücke gefüllt, die durch die mangelnde Nachfrage der privaten Wirtschaft entstanden ist. Deswegen begrüßten wir ja diesen Eventualhaushalt.
    Ich muß allerdings bedauern und schon kritisieren, daß es bei der Vorbereitung und bei der Abwicklung doch Schwierigkeiten gegeben hat, die unserer Ansicht nach schneller hätten überwunden werden können, und zwar ohne daß deswegen bei der. Vergabe der Aufträge nicht ordnungsgemäß verfahren wird. Auch in diesem Falle darf nicht unterlassen werden, für Wettbewerb zu sorgen, wenn es um öffentliche Aufträge geht. Die Deutsche Bundesbank hat durch die Lockerung ihrer Kreditbremsen auch die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß der Kapitalmarkt sich wieder normalisiert, daß die Expansion der Inlandsnachfrage sich nun vollziehen kann. Aber — da möchte ich Herrn Wirtschaftsminister Schiller zustimmen — diese allmähliche und nur stufenweise Herabsetzung des Diskontsatzes war der Lage nicht angemessen. Ich zitiere — mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten — aus dem Sondergutachten des Sachverständigenrates:
    Hätte die Bundesbank die Zinsen rascher auf jenes Niveau gebracht, bei dem das Publikum keinen weiteren Zinsrückgang mehr erwartet hätte, dann wäre die Verschuldungsbereitschaft der privaten Investoren eher gestiegen, und Spekulationen mit niedrigeren Zinssätzen wären dann ausgeblieben.



    Porzner
    Nun, unabhängig davon, ob noch weitere Beschlüsse zu erwarten sind: die Zinsen sind jedenfalls weit entfernt von jenen exotischen Sätzen des vergangenen Jahres, die Kapitalkosten sind wieder erträglich, und der Kapitalmarkt ist wieder ergiebig. Vom Kapitalmarkt und von den Kosten her gesehen können die Unternehmer jedenfalls wieder investieren. Daß sie selbstverständlich bei ihren Überlegungen auch anderes berücksichtigen müssen, wird hier gar nicht bestritten.
    Wir erwarten wegen dieser doch sehr deutlichen Stagnation, daß die Bundesregierung die Fristen, die sie sich bei dem Vollzug des Eventualhaushalts selbst gesetzt hat, ernst nimmt. Uns wäre es lieber gewesen, man hätte sich die Fristen von Anfang an gesetzt. Aber wir müssen alle — das muß man hierbei feststellen — mit diesem ersten Investitionshaushalt unsere Erfahrungen machen. Wir hoffen, daß man bei späteren Maßnahmen, die eventuell erfolgen müssen, aus diesen Erfahrungen gelernt haben wird.
    Wir stimmen dem Sachverständigenrat zu, wenn gefordert wird, daß die Bundesregierung sich für eine beschleunigte Verwirklichung all der Investitionsmaßnahmen einsetzt, die in den öffentlichen Haushalten, vor allem im Bundeshaushalt, des Jahres 1967 vorgesehen sind. Wir wünschen nur, daß auch die Länder und die Gemeinden das tun. Denn je mehr öffentliche Aufgaben in den nächsten Monaten vorgezogen werden, desto größer ist die Chance, daß gefährdete Arbeitsplätze noch rechtzeitig gesichert und unwiederbringliche Produktionsausfälle vermieden werden.
    Die Erfahrungen, die wir mit diesem ersten Investitionshaushalt gemacht haben, zwingen uns alle dazu, dafür zu sorgen, daß jetzt schon neue Projekte vorbereitet werden, damit sie, wie Herr Wirtschaftsminister Schiller gesagt hat, sehr schnell in Angriff genommen werden könnnen, wenn es nötig sein wird.
    Herr Haas, jetzt muß ich mich doch noch kurz mit Ihnen auseinandersetzen. Wenn Sie meinen, daß die Regierung damit unter Umständen sogar inflationistische Politik treiben würde, und wenn Sie der Regierung bei dieser Gelegenheit vorwerfen, daß sie da nicht vorsichtig genug sei, und sich auf einen Zeitungsartikel berufen, dann würde ich zuerst einmal empfehlen, sich nicht an Zeitungsartikel zu halten, die vor vierzehn oder zehn Tagen geschrieben wurden, sondern an die Rede, die Herr Minister Schiller hier gehalten hat, und er hat hier ganz offen von den Dingen gesprochen. Zum anderen: Die Regierung hat ausdrücklich wegen ihrer Sorge um die Stabilität der Wirtschaft — auf Seite 13 der Regierungserklärung ist das zu lesen — nein gesagt zur Gewährung weiterer Sonderabschreibungen, sie hat nein gesagt zur sofortigen Verwirklichung eines zweiten Eventualhaushalts, und sie hat auch befristete lineare Senkungen der Einkommen- und Körperschaftsteuer abgelehnt. Die Gründe hierfür akzeptieren wir und halten wir für richtig. Wir hoffen auch, daß mit dem Beschluß des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums — worauf ich jetzt mehr Wert legen möchte — der Wirtschaft, mit der abschließenden Beratung dieses Gesetzes in der nächsten Sitzungswoche die Regierung von uns ein Instrument in die Hand bekommt, das sie befähigt, allen Möglichkeiten wirksam zu begegnen und dann auch ausdrücklich die Kreditermächtigung in Höhe von 5 Milliarden DM in Anspruch zu nehmen.
    Wir sind der Ansicht, daß, wenn der Bund allein diese antizyklische Haushaltspolitik betreibt, dies alles nicht ausreichen wird. Die Sachverständigen befürchten, daß es bei den Ländern und Gemeinden zu einem gefährlichen Wettlauf zwischen nach unten revidierten Einnahmeschätzungen und Ausgabekürzungen kommt. Der Anteil der Investitionen der Länder und Gemeinden an den öffentlichen Investitionen ist sehr groß; beide zusammen investieren doppelt soviel wie der Bund. Konjunkturpolitisch wäre eine solche Spirale nach unten in den Haushalten, auf die wir unmittelbar keinen Einfluß haben, sehr bedenklich, und es würde die Anstrengungen des Bundes sehr beeinträchtigen. Deswegen ist den Ländern und den Gemeinden zu empfehlen, sich ebenfalls antizyklisch zu verhalten. Die Länder sollten Kredite aufnehmen und damit zusätzliche Ausgaben finanzieren und auch die Finanzierung von Aufgaben, die die Gemeinden erfüllen, damit unterstützen. Die Gemeinden, die ja zum Teil Rücklagen haben, die Rücklagen jedoch nicht auflösen können, weil ihnen die Zuschüsse von den Länderhaushalten fehlen, warten darauf. Es wäre auch zu empfehlen — es ist nach Ländern sehr verschieden —, daß sich die Länderregierungen Gedanken über die Verschuldungsgrenzen der Gemeinden machen, die man unter Umständen anheben muß, damit die Gemeinden weitere Kredite aufnehmen können.
    Ich muß mich sehr kurz fassen, selbst auf die Gefahr hin, daß es mißverständlich ist. Es handelt sich bei allem ja immer nur um ein Vorziehen von Aufgaben, von Investitionen, die sinnvoll sind und die später sowieso erfolgen würden, z. B. beim Straßenbau, beim Bau von Schulen, Universitäten, Sportstätten, Krankenhäusern und vielem anderen mehr, kurz alles, was zur Verbesserung der Infrastruktur beiträgt. Wenn dies mit einer höheren öffentlichen Verschuldung verbunden ist, dann ist das keine Katastrophe, sondern dann ist das etwas, was man in dieser Situation tun muß.
    Ich will nur zitieren, was ,die Forschungsinstitute gemeinsam in dieser Woche erarbeitet haben.
    Es heißt da auf Seite 18:
    Bei der Vorstellung, weitere konjunkturpolitisch erforderliche Ausgaben wären fiskalpolitisch nicht tragbar, weil der Bundeshaushalt für längere Zeit hohe Defizite aufweise, wird übersehen, daß durch eine Verweigerung solcher Ausgaben die Vergrößerung des Defizits ungeplant entsteht. Eine rezessive Konjunkturentwicklung würde, wie die letzte Vergangenheit gezeigt hat, die Entwicklung der öffentlichen Einnahmen beeinträchtigen und die Finanzwirt-

    Porzner
    schaft zwingen, das ungeplante Defizit in Kauf zu nehmen.
    Das ungeplante Defizit aber. hätte für die Konjunkturentwicklung eine viel geringere Wirksamkeit als ein geplantes. Bei einem geplanten Defizit können die Mittel nämlich gezielt eingesetzt werden und genau dort Nachfrage schaffen, wo es gewünscht ist.
    Selbstverständlich kommt es auf die konjunkturelle Deckung an, wie Sie, Herr Professor Burgbacher, das vorhin richtig sagten. Aber im Konjunkturrückgang wird eben die Deckung der Investitionen mehr durch Kredite erfolgen als in einem Konjunkturaufschwung, wo man den Versuch machen muß, die öffentliche Verschuldung wieder abzubauen.
    Die Sorge, daß die Anregungen für das Wirtschaftswachstum die Stabilität des Geldwerts gefährdeten, teile ich nicht. Produktionsanregungen wirken bei der bestehenden geringen Auslastung der Kapazität nicht inflationär. Der Geldwert ist derzeit nicht gefährdet. Im übrigen stehen wir, selbst wenn sich in einem Jahr oder später zeigen sollte, daß wieder Spannungen auf den Märkten eintreten, einer solchen Entwicklung doch nicht hilflos gegenüber. Erstens kann die Bundesregierung und können die Länderregierungen ihre Ausgaben dosieren und ihre Pläne rechtzeitig ändern. Zweitens wird der Bundesregierung durch das Stabilisierungsgesetz ein Instrument in die Hand gegeben, das sie sehr differenziert anwenden kann. Drittens besteht doch die Möglichkeit, in der Wettbewerbspolitik aktiv zu werden und dafür zu sorgen, daß der Wettbewerb in der Wirtschaft größer wird.
    Ich habe kein Verständnis dafür, daß man jetzt, wie das z. B. in einer Pressemitteilung heute zu lesen ist, den Vorschlag macht, Steuervergünstigungen für den Kauf von Autos zu gewähren. Wozu denn? Warum senken denn diese Großunternehmungen, die dazu durchaus in der Lage sind, nicht ihre Preise? Warum ist man denn nicht bereit, auf diese Weise in einem Wettbewerb einzutreten und dafür zu sorgen, daß die Absätze steigen?
    Zur außenwirtschaftlichen Absicherung nur ein Satz. Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme dazu gesagt, daß sie zur rechten Zeit, falls es notwendig werden sollte, die entsprechenden Mittel einsetzten werden. Wir haben im Augenblick nicht die Sorge, daß die Bundesrepublik Inflation importiert, sie exportiert vielmehr Deflation und Arbeitslosigkeit in andere Länder.
    Herr Dr. Haas, Sie meinten — Sie haben das hier ausdrücklich gesagt; draußen ist das ständig zu hören —, daß man jetzt wegen der Sorge um den stabilen Geldwert sehr vorsichtig mit zusätzlicher Nachfrage sein müsse, weil es sonst später Schwierigkeiten geben würde. Das ist kein Argument, jetzt nichts zu tun, weil man später Schwierigkeiten erwartet. Das ist doch die Aufgabe der Verantwortung, die man für die Wirtschaftspolitik hat. Regierungskunst ist immer verlangt, und zur Zeit ist das Ziel der Vollbeschäftigung am meisten gefährdet. Deswegen muß jetzt etwas getan werden, um dieses Ziel zu erreichen.
    Herr Haas, Sie geben der Stabilität immer noch Vorrang, immer noch, obwohl wir zu geringe Aufträge haben, obwohl die Nachfrage zu gering ist, obwohl die Investitionen so sehr abnehmen. Wer jetzt noch empfiehlt, abzuwarten, der findet sich mit der Arbeitslosigkeit, die wir haben, nicht nur ab, sondern der riskiert und kalkuliert größere Arbeitslosigkeit ein; denn wer sich mit einem Wachstum des Sozialprodukts von Null zufriedengibt und weiß, daß auch jetzt die Produktivität steigt, der kann errechnen, daß dann die Arbeitslosigkeit zunehmen muß.

    (Zuruf von der FDP: Das ist reine Theorie!)

    Das Gesundschrumpfen ist kein Mittel und kein Ziel — ich gehe nachher darauf ein; ich meine Sie mit allem gar nicht wörtlich —, das man der Regierung empfehlen kann. Die Gemeinschaft zum Schutz der deutschen Sparer drückt aus, was gemeint ist.

    (Abg. Dr. Haas: Wer hat denn das behauptet?)

    — Die Gemeinschaft zum Schutze der deutschen Sparer. Von der rede ich jetzt.

    (Abg. Dr. Haas: Aber ich doch nicht!)

    Sie hält den gegenwärtigen Umstellungs- und Regenerationsprozeß für unerläßlich, so schmerzhaft er für die Betroffenen auch ist.
    Wer sind denn die Betroffenen? Das sind die Arbeiter, die Angestellten und auch die kleinen Gewerbetreibenden. Sie sollen. Opfer eines solchen Regenerationsprozesses sein. Gerade diejenigen, denen man noch vor kurzem empfohlen hat, eine Stunde mehr zu arbeiten, sollen jetzt durch Arbeitslosigkeit die Voraussetzungen für den neuen Aufschwung schaffen. Arbeitslosigkeit der einen als Mittel für Zwecke anderer: das ist die Weisheit konservativer Ökonomen.
    Arbeitslosigkeit, meine Damen und Herren, ist nicht nur eine Sache der Wirtschaftsstatistik. Dahinter steht doch viel mehr. Hinter einer Arbeitslosenquote von 3 oder 21/2'0/o muß man doch einige Hunderttausend Beschäftigte' und deren Familien sehen. Für sie sinkt das Nettoeinkommen um etwa ein Drittel oder mehr, ohne daß die Kosten für die Lebenshaltung zurückgehen; sie müssen die gleiche Miete bezahlen, sie müssen die gleichen Preise für die Nahrungsmittel bezahlen. Man muß also, wenn man schon sehr nüchtern und kalt Arbeitslosigkeit einkalkuliert, auch wissen, was das für Hunderttausende bedeutet.
    Man sagt, in vielen anderen Staaten sei die Arbeitslosenquote größer als in der Bundesrepublik. 3 % würden international schon als Vollbeschäftigung betrachtet. Mag sich jeder um diese Prozentzahlen streiten, soviel er will; für uns ist Vollbeschäftigung nur dann gegeben, wenn jeder arbeiten kann, der arbeiten will, und es ist keine Frage von Prezentzahlen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Auch ein Blick auf bestimmte Branchen unserer Wirtschaft zeigt doch, daß die Schwierigkeiten um so größer werden, je länger die Stagnation anhält und je länger der Aufschwung auf sich warten läßt.



    Porzner
    Ohne eine baldige Erholung, ohne einen baldigen Aufschwung lassen sich doch die eminenten Schwierigkeiten im Kohlebergbau nicht beseitigen. Wie will man z. B. denn Unternehmrungen dazu bringen, im Ruhrgebiet zu investieren, Fabriken zu bauen, wenn die jetzigen Kapazitäten nicht ausgelastet sind? Das gleiche gilt für die anderen Branchen und auch für andere Regionen.
    In diesem Zusammenhang möchte ich nur stichwortartig darauf hinweisen, welche Bedeutung die Mobilität der Arbeitskräfte in Zukunft für die Überwindung der strukturellen Schwierigkeiten und für die Sicherung eines stetigen Wachstums haben wird. Ich möchte weiter anführen, welche Bedeutung die Qualität der Berufsausbildung haben wird und wie wichtig es sein wird, daß wir ein leistungsfähiges Bildungswesen haben. Die Beratungen des Arbeitsmarktanpassungsgesetzes und des Berufsausbildungsgesetzes — beide Gesetze liegen dem Bundestag vor — bitte ich unter diesem Aspekt zu führen.
    In der Regierungserklärung vom 13. Dezember des vergangenen Jahres — und damit möchte ich abschließen — stehen folgende Sätze:
    Die Bundesregierung bekennt sich daher ausdrücklich zu den wirtschaftspolitischen Zielsetzungen, die der Deutsche Bundestag im Gesetz über die Bildung des Sachverständigenrates niedergelegt hat: im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig Stabilität des Preisniveaus, hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftliches Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wachstum anzustreben.
    Diese Aufgabenkombination verlangt von der
    Wirtschaftspolitik, daß sie sich jeweils auf die
    Einzelziele konzentriert, die am meisten gefährdet sind. Dies sind nach Auffassung der Bundesregierung zur Zeit das optimale Wirtschaftswachstum und die Sicherung eines hohen Beschäftigungsstandes. ...
    Bei dieser Ausgangslage ist daher eine expansive und stabilitätsorientierte Wirtschaftspolitik das Gebot der Stunde.
    Dies gilt heute noch mehr als damals.

    (Beifall bei der SPD und 'bei Abgeordneten der CDU/CSU.)