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    Deutscher Bundestag 106. Sitzung Bonn, den 27. April 1967 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Paul 4917 A Fragestunde (Drucksachen V/1634, zu V/1634) Frage des Abg. Ertl: Grundgesetzänderungen zur Neugestaltung der Beziehungen zwischen Bund und Ländern Benda, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 4917 B Ertl (FDP) . . . . . . . . . . 4917 B Frage des Abg. Sanger: Abgrenzung zwischen Anzeigeblättern und Zeitungen bzw. Zeitschriften Benda, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 4917 D Sänger (SPD) . . . . . . . . 4918 B Frage des Abg. Porten: Übergangszeit für einen gemeinsamen Mehlmarkt Höcherl, Bundesminister 4918 C Porten (CDU/CSU) 4918 DFragen des Abg. Ertl: Finanzierung kostenloser Getreidelieferungen an Entwicklungsländer Höcherl, Bundesminister . . . . 4919 B Ertl (FDP) 4919 C Fragen des Abg. Bading: Einbeziehung von Bananen und Ananas in die EWG-Marktordnung für Obst und Gemüse Höcherl, Bundesminister . . . . . 4919 D Urban (SPD) . . . . . . . . . 4920 A Fragen des Abg. Budde: Milchwirtschaft in der Bundesrepublik 4920 B Fragen des Abg. Jung: Ausrüstung der Seenotrettungsstaffel Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 4920 C Ollesch (FDP) 4920 D van Delden (CDU/CSU) 4921 A II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 Fragen des Abg. Burger: Sommeruniform für Heeresstreitkräfte der Bundeswehr . . . . . . . . 4921 B Fragen des Abg. Hübner: Einsatz- und Nutzungsmöglichkeiten von elektrischen Großrechenanlagen 4921 C Fragen des Abg. Lemper: Reduzierung der Wehrdienstzeit und der Gesamtzahl der Soldaten sowie dadurch mögliche Einsparungen Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . .. . 4921 D Mertes (FDP) 4922 A Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) 4922 B Frage des Abg. Ollesch: Notwendigkeit der Anwesenheit des Bundesarbeitsimnisters im Ausschuß für mittelfristige Finanzplanung Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 4922 D Frage des Abg. Geldner: Vergabe von Aufträgen für Investitionsmaßnahmen nach Bayern Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 4923 A Geldner (FDP) 4923 C Fritsch (Deggendorf) (FDP) . . . 4923 D Ertl (FDP) 4924 B Frage des Abg. Logemann: Änderung des Verkehrsfinanzgesetzes Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 4924 D Logemann (FDP) 4924 D Fragen des Abg. Logemann: Dieselölpreis für Landwirte Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 4925 A Logemann (FDP) 4925 C Ertl (FDP) . . . . . . . . . . 4926 B Wächter (FDP) . . . . . . . . 4926 D Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) . 4927 A Reichmann (FDP) . . . . . . . 4927 B Fragen des Abg. Hellenbrock: Militärisch genutztes Gelände der Gemeinde Bracht im Lkr. Kempen/Krefeld Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 4927 C Dr. Hammans (CDU/CSU) . . . . 4927 D Frage des Abg. Lemmrich: Einnahmen aus der Mineralölsteuer Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 4928 A Fragen des Abg. Flämig: Exerzierplatz Großauheim am Main 4928 B Fragen des Abg. Baier: Baustopp für alle staatlich geförderten Hochbauten in Baden-Württemberg Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 4928 C Baier (CDU/CSU) 4928 D Fragen des Abg. Wächter: Bewerber um Aufträge des Bundes Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 4929 C Wächter (FDP) . . . . . . . 4929 C Fragen des Abg. Porten: Praktiken des Quotenhandels in der Mühlenwirtschaft Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 4930 A Porten (CDU/CSU) 4930 A Große Anfrage der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD betr. Atomwaffensperrvertrag (Drucksache V/1650) in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. atomare Rüstung und friedliche Nutzung von Kernenergie (Drucksache V/ 1494) Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) . 4930 D Dr. Eppler (SPD) . . . . . . . . 4935 B Brandt, Bundesminister . 4939 D, 4972 D Dr. Birrenbach (CDU/CSU) . . . . 4946 D Schoettle, Vizepräsident . . . . . 4952 B Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . . 4952 C Borm (FDP) . . . . . . . : . 4955 C Dr. Stoltenberg, Bundesminister . . 4959 B Dr. Zimmermann (CDU/CSU) . . . 4961 B Berkhan (SPD) . . . . . . . . 4965 A Flämig (SPD) . . . . . . . . . 4966 A Genscher (FDP) 4967 D Dr. Barzel (CDU/CSU) 4969 D Ollesch (FDP) 4972 A Mischnick (FDP) . . . . . . . . 4975 C Dr. h. c. Kiesinger, Bundeskanzler . 4976 B Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 III Beratung des Dritten Jahresgutachtens des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der Stellungnahme der Bundesregierung zum Jahresgutachten 1966 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sowie des Sondergutachtens über die Wirtschaftslage im Frühjahr 1967 (Drucksachen V/1160, V/1313, V/1588) Dr. Schiller, Bundesminister . . . 4976 C Dr. Haas (FDP) . . . . . . . . 4985 B Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . . 4992 C Porzner (SPD) . . . . . . . 4997 A Nächste Sitzung 5000 B Anlagen 5001 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 4917 106. Sitzung Bonn, den 27. April 1967 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Beurlaubungen Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Aigner ** 27. 4. Arendt (Wattenscheid) 27. 4. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 28. 4. Bading** 27. 4. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 28. 4. Bauer (Würzburg) * 28. 4. Prinz von Bayern 1. 6. Berkhan * 28. 4. Berlin 28. 4. Blumenfeld * 28. 4. Frau Brauksiepe 28. 4. Buchstaller 27. 4. Corterier * 28. 4. Dr. Dittrich** 28. 4. Draeger * 28. 4. Dröscher ** 27. 4. von Eckardt 27. 4. Eisenmann 28. 4. Flämig* 28. 4. Frau Freyh 12. 5. Frau Geisendörfer 28. 4. Gerlach ** 28. 4. Gewandt 28. 4. Graaff 28. 4. Dr. Gradl 28. 4. Hahn (Bielefeld) ** 28. 4. Dr. Hellige * 28. 4. Frau Herklotz * 28. 4. Herold* 28.. 4. Hilbert * 28. 4. Höhne 15. 6. Hösl * 28. 4. Jacobi (Köln) 15. 5. Kahn-Ackermann * 28. 4. Dr. Kempfler * 28. 4. Kiep 12. 5. Frau Klee * 28. 4. Dr. Kliesing (Honnef) * 28. 4. Klinker * 28. 4. Dr. Kopf * 28. 4. Kunze 6. 5. Lemmer 28. 4. Lemmrich * 28. 4. Lenz (Brühl) 30. 4. Lenz (Trossingen) 23. 5. Lenze (Attendorn) * 28. 4. Lücker (München) ** 28. 4. Matthes 28. 4. Mauk ** 28. 4. Frau Dr. Maxsein " 28. 4. Mengelkamp 15. 5. Merten** 28. 4. Metzger ** 28. 4. Michels 28. 4. Müller (Aachen-Land) ** 28. 4. Paul 28. 4. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Peters (Norden) 30. 6. Frau Pitz-Savelsberg 2. 6. Pöhler * 28. 4. Frau Dr. Probst 12. 5. Raffert 28. 4. Richarts ** 28. 4. Richter * 28. 4. Dr. Rinderspacher * 28. 4. Rösing 28. 4. Ross 28. 4. Dr. Rutschke * 28. 4. Scheel 28. 4. Schmidt (Würgendorf) * 28. 4. Dr. Schulz (Berlin) * 28. 4. Dr. Serres * 28. 4. Dr. Starke (Franken) ** 27. 4. Struve 31. 5. Dr. Süsterhenn 27. 4. Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell* 28. 4. Dr. Wahl * 28. 4. Wellmann 30. 4. Wienand * 28. 4. Dr. Wuermeling 27. 4. Zerbe 28. 4. * Für die Teilnahme an einer Tagung der Beratenden Versammlung des Europarats ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Luda (CDU/CSU) zu Punkt 4 der Tagesordnung. Der Sachverständigenrat verfährt nach der Methode von Professor Heller, USA, des früheren Vorsitzenden des Konjunkturrates: er versucht, den Umfang der Unterauslastung der Wirtschaft zu ermitteln, um dann vorzuschlagen, wie die fehlende Nachfrage zu erzeugen ist. Das ist eine rein liquiditätsorientierte Betrachtungsweise. Um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, bedarf es zunächst einer Ermittlung der Ursachen der Konjunkturabflachung. Abgesehen von der politischen Krise des vorigen Jahres liegt diese Ursache in den öffentlichen Defiziten, in der Kostenentwicklung und, inzwischen weitgehend überwunden, in der Preisauftriebstendenz. Also müssen zuerst die öffentlichen Finanzen saniert werden, die Haushalte müssen umstrukturiert werden. Darüber sagt das Gutachten leider nichts. Der Etat ist nicht zuerst ein Instrument der Konjunkturpolitik, sondern in erster Linie Prüfstein für die Ordnung im Staat, also politische Vertrauensgrundlage. Bedenklich ist es meines Erachtens auch, daß das Gutachten sich ausschließlich an Globalzahlen orien- 5002 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 tiert. An Stelle einer Ahalyse der derzeitigen relativen Arbeitslosigkeit wird lediglich von „allenthalben brachliegenden Kapazitäten" gesprochen. Das gibt ein falsches Bild. So liegt die Arbeitslosigkeit im Raum Rhein-Neckar und Rhein-Main unter 1 %, dagegen im Ruhrgebiet, an der Saar, in Teilgebieten von Niedersachsen und im Bayerischen Wald weit über dem Durchschnitt. Die heutige Konjunkturpolitik kann nicht isoliert von den Strukturproblemen betrachtet werden. Sie beziehen sich nicht nur auf die Eisen schaffende Industrie und den Bergbau, sondern auch auf Teile der Eisen und Metall verarbeitenden Industrie, der Holz- und der Textilindustrie. Durch Gewährung globaler Kreditspritzen ist hier keine Hilfe zu erwarten, das würde die notwendige Strukturbereinigung nur hinausschieben. Es wäre auch zu begrüßen gewesen, wenn das Sondergutachten die bisherige Investitionstätigkeit näher untersucht hätte. In der EWG-Investitionsstatistik ist die Bundesrepublik Deutschland nämlich eindeutig führend. Die Brutto-Anlage-Investitionen der Industrie hatten 1964 eine Zuwachsrate von 18 %, 1965 von 15 % und sind sogar im Jahresdurchschnitt 1966 noch leicht gestiegen. Läßt das nicht den Schluß zu, daß die nachlassende Investitionsneigung eine insoweit natürliche Reaktion auf sehr hohe Investitionsraten der vergangenen Jahre mit dem Zwang der einzelnen Unternehmen, nunmehr zu konsolidieren, ist? Zum Vorschlag des Sondergutachtens! Er bedeutet einen klaren Stellungswechsel des Rates im Vergleich zu dem vor vier Monaten veröffentlichten Dritten Jahresgutachten. Damals hatte der Rat drei Alternativprojektionen dargelegt (I „Stabilität um jeden Preis", II „ungezügelte Expansion", III „kontrollierte Expansion"). Im Dritten Jahresgutachten hatte der Rat eindeutig das Konzept der „kontrollierten Expansion" propagiert. Der Vorschlag im Sondergutachten deckt sich demgegenüber weitgehend mit der seinerzeitigen Alternativprojektion II. Natürlich kann in der Wirtschaftspolitik kurzfristig ein Stellungswechsel nötig werden. Was aber bedenklich erscheint, ist die Tatsache, daß die Öffentlichkeit sich inzwischen auf die amtlich übernommene „kontrollierte Expansion" eingestellt hat, die durch die neue Politik weitgehend sinnentleert ist, und daß, genaugenommen, der jetzige Vorschlag des Sachverständigen-Rates „ungezügelte Expansion" lauten müßte, zumal von vornherein feststeht, daß die Bundesregierung die vorgeschlagene „Kontrolle" der außenwirtschaftlichen Absicherung (Wechselkurspolitik) nicht praktizieren will — mit Recht — und daß sie die zweite „Kontroll"-Maßnahme der lohnpolitischen Absicherung in dem vom Dritten Jahresgutachten vorgeschlagenen Sinne der „Richtzahlen" und „Lohnleitlinien", also der Datensetzung von oben nicht praktizieren kann und nicht praktizieren will. Also: Vor Schlagworten wird gewarnt! Zur Frage des zweiten Eventualhaushaltes! Die Liquiditätsversorgung entwickelt sich zufriedenstellend. Die Zinssenkungstendenz ist zu begrüßen. Leider ist jedoch die Freigabe der Haben-Zinsen ohne Wirkung geblieben. Ganz offensichtlich ist das auf die Tatsache zurückzuführen, daß trotz Zinsfreigabe die Steuerprivilegien der Sparkassen unangetastet geblieben sind. Diese Privilegien werden auch weiterhin zu einem verzerrten, unnötig hohen Zinsniveau führen, wenn man sie nicht unverzüglich abbaut. Die Entwicklung der Liquiditätsnachfrage ist zur Zeit noch gehemmt. Da der Bundeshaushalt 1967 noch nicht verabschiedet ist, macht sich zum Nachteil der Wirtschaft ein Ausgabestau nach wie vor hemmend bemerkbar. Nach Verabschiedung des Bundeshaushalts im Juni wird sich das schlagartig ändern. Zur gleichen Zeit geht auch die Anlaufzeit des ersten Eventualhaushalts zu Ende. Also: In der zweiten Jahreshälfte ist mit einer spürbaren Massierung der öffentlichen Ausgaben zu rechnen, zumal dann auch das Defizit der Sozialversicherungsträger mit etwa 1,5 Milliarden DM stark expansiv wirken wird. Für alles das ist offenbar genug Liquidität vorhanden. Funktioniert die beabsichtigte Initialzündung gleichfalls in der zweiten Jahreshälfte, womit wohl zu rechnen ist, dann ergäbe sich wahrscheinlich die Gefahr einer Überforderung des Kapitalmarktes, falls man gleichzeitig einen zweiten Eventualhaushalt praktizieren wollte. Es geht also nicht an, heute schon über die Frage eines zweiten Eventualhaushaltes — der nach Ansicht des Berliner Instituts ein Volumen von 4 Milliarden DM haben sollte — zu entscheiden. Eventuelle Liquiditätsreserven sollte der Bund lieber den Ländern und Gemeinden für Infrastrukturmaßnahmen überlassen. Im Dritten Jahresgutachten war in der Alternativprojektion II („ungezügelte Expansion") auf die Gefahr eines kumulativen Prozesses im Jahre 1968 hingewiesen worden. Dieser Hintergrund muß auch heute noch beachtet werden,desgleichen der Hintergrund eines Haushaltsdefizits des Bundes für 1968 in Höhe von 6,8 Milliarden DM. Ein zweiter Eventualhaushalt würde also eine Vervielfachung späterer Konsolidierungsschwierigkeiten bedeuten. Auch aus diesem Grunde darf man sich nicht vorzeitig und nicht ohne Not für ihn entscheiden. Anlage 3 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Schmidhuber (CDU/CSU) zu Punkt 4 der Tagesordnung. Heute ist schon mehrmals von der psychologischen Komponente der Konjunkturpolitik gesprochen worden. Meiner Meinung nach kann man diesem Fragenkomplex nicht genügend Aufmerksamkeit widmen. Steht doch hinter den Summengrößen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung eine unübersehbare Zahl von Einzelentscheidungen, die von den Marktteilnehmern, von den Konsumenten und Produzenten, Tag für Tag gefällt werden müssen. Kollektivurteile über die Entwicklung der Konjunk- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 5003 tur, wie etwa die sogenannte Krisenfurcht, können — selbst wenn sie unbegründet sind — den weiteren konjunkturellen Ablauf unter Umständen stärker beeinflussen als wirtschaftspolitische Maßnahmen; ja, sie können Wirkungen auslösen, deren Größe und Mächtigkeit in keinem Verhältnis steht zu den relativ bescheidenen Einflußmöglichkeiten der öffentlichen Hand. Dafür gibt es in der Wirtschaftsgeschichte der zwanziger und dreißiger Jahre genügend Beispiele. Die Marktteilnehmer können sich aber nicht allein an ihren unmittelbaren wirtschaftlichen Erfahrungen, die sich meistens nur auf einen schmalen Sektor beziehen, orientieren, sondern sie sind auch darauf angewiesen, wie die öffentliche Meinung und die für die Wirtschaftspolitik Verantwortlichen die Lage beurteilen. Insofern setzt auch der Sachverständigenrat selbst durch seine gutachtlichen Äußerungen ein konjunkturelles Datum. Er ist also in der Lage des Arztes, der bei der Mitteilung der Diagnose an den Patienten die Wirkungen bedenken muß, die diese Mitteilung auf den Kranken haben könnte. Überspitzt könnte man hierbei von dem „prozyklischen Effekt von Gutachten" sprechen, wobei ich insbesondere die möglichen Wirkungen auf das Konsumentenverhalten im Auge habe. Dies ist die Folge davon, daß die Erörterung konjunkturpolitischer Fragen, der durch das Gesetz institutionalisierte Dialog zwischen Sachverständigenrat und Bundesregierung sich im vollen Licht der Öffentlichkeit vollzieht. Dabei kann der Sachverständigenrat möglicherweise in eine ähnliche Situation geraten wie die Demoskopen bei der letzten Bundestagswahl, nämlich daß man ihnen später den Vorwurf macht, sie hätten durch ihre Prognose das Ergebnis beeinflußt. Man sieht, die „informierte Gesellschaft" hat auch ihre Gefahren. Man sollte daraus keinesfalls die Konsequenz ziehen, einer öffentlichen Erörterung konjunkturpolitischer Fragen aus dem Wege zu gehen. Allerdings sollte man diese unerwünschten Nebeneffekte bei der Formulierung und unter Umständen bei der Wahl des Zeitpunktes der Äußerung zu vermeiden suchen. Die zweite Bemerkung betrifft das Problem der außenwirtschaftlichen Absicherung der Währungsstabilität, den Schutz vor der sogenannten importierten Inflation. Niemand wird sich der in mehreren Stellungnahmen vorgetragenen Sorge des Sachverständigenrates zu verschließen vermögen, die binnenwirtschaftliche Stabilität werde durch außenwirtschaftliche Einflüsse gefährdet. Die vom Sachverständigenrat vorgeschlagenen autonomen Lösungsmöglichkeiten bergen — abgesehen von juristischen Hindernissen — jedoch schwer überschaubare Risiken in sich. An erster Stelle steht dabei die heute schon einmal ausgesprochene Befürchtung, die Exporterfolge der deutschen Wirtschaft könnten darunter leiden. Die Abneigung gegenüber einer Verminderung der Währungsparitäten resultiert letztlich aus der Tatsache, daß derartige Operationen die Handelsströme oft auf lange Zeit erheblich beeinträchtigen, ja sogar auf die Dauer umlenken können. Aus diesem Grund hat der Wirtschaftsausschuß die im Entwurf des Stabilitätsgesetzes vorgesehene Möglichkeit einer Senkung der Sätze der Umsatzausgleichsteuer und der Ausfuhrvergütung — ein Instrument, das man als partiell und zeitlich begrenzten Aufwertungsersatz ansehen könnte — gestrichen. Die importierte Inflation ist im übrigen nicht das wirtschaftspolitische Problem des Jahres 1967. Auf längere Sicht — vielleicht schon im nächsten Jahr — wird uns allerdings diese Frage immer wieder beschäftigen. Die Wechselbeziehungen zwischen den Wirkungen des internationalen Preiszusammenhangs und den monetären Folgen eines strukurellen Zahlungsbilanzüberschusses einerseits und dem Auslastungsgrad der binnenwirtschaftlichen Produktionskapazitäten andererseits bedürfen im übrigen noch weiterer quantitativer Untersuchungen. Vorerst bleibt nur ein Ausweg, um den Gleichschritt der westlichen Industriestaaten in die Inflation zu bremsen bzw. zu stoppen, nämlich sich verstärkt um eine internationale Koordinierung der nationalen Wirtschafts- und Finanzpolitik der einzelnen Staaten zu bemühen. Gewisse Möglichkeiten bietet dazu das Europäische Währungsabkommen sowie Art. 107 des EWG-Vertrages und last not least die ökonomische Vernunft und das wohlverstandene gemeinsame Interesse an einer gesunden internationalen Finanzordnung. Anlage 4 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Stein (Honrath) (CDU/CSU) zu Punkt 4 'der Tagesordnung. Ich möchte mich nicht mit dem Inhalt des Dritten Jahresgutachtens und des Sondergutachtens unseres Sachverständigenrates befassen. Kritik und Zustimmung sind zu diesem Inhalt geäußert worden, zu dem Sondergutachten fast nur Kritik, in der Öffentlichkeit noch mehr als hier. Ich habe das bewußt anderen überlassen und will mich mit einer anderen, wie mir scheint, ebenfalls sehr wichtigen Frage beschäftigen, einer Frage, die die Gutachten aufwerfen und von anderen schon kurz gestreift wurden. Dieses Hauptgutachten, das wir diskutieren, ist das dritte, das Sondergutachten das erste seiner Art. Im August 1963 wurde durch das Gesetz, das dem ganzen Vorgang zugrunde liegt, der Auftrag gegeben, Untersuchungen über die Ausgewogenheit unserer wirtschaftlichen Entwicklung mit Hilfe eines unabhängigen Sachverständigengremiums vorzunehmen. Die beiden heutigen Gutachten sollten meines Erachtens Anlaß sein, uns unsererseits zu prüfen, ob wir mit dieser Art und Form der Gutachten, an die wir uns sozusagen schon gewähnt haben, auf dem richtigen Wege sind. Ist es das, was wir wollen und erhofft haben? Mit anderen Worten: Haben sich das Gesetz und seine Absicht 5004 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 mit diesem Gutachten bewährt, oder sollten wir etwas andere Wege beschreiten? Wenn ja, welche? Ich denke, daß man diese Frage in aller Ruhe aufwerfen und daß man allmählich mit dieser Diskussion beginnen kann. Diese Diskussion müßten zunächst wir in diesem Hause führen. Denn wir sind zunächst die Empfänger der Gutachten, wie wir auch die Initiatoren des Gesetzes gewesen sind. Die Bundesregierung gibt zwar eine Stellungnahme dazu ab, sie ist aber vielleicht nicht so frei in ihrer Äußerung zur Frage des Gelingens des gesetzlichen Auftrages und zu den Verfahrensfragen der Gutachten. Die Regierung könnte in den Verdacht kommen, sich mit grundsätzlichen Änderungen oder Ausgestaltungsvorschlägen einen unbequemen Aufpasser oder Kritiker vom Halse schaffen oder ihn an die Kette legen zu wollen. Vielleicht auch umgekehrt. Deshalb sollte ,der Bundestag, sollte das Parlament diesen ersten Saldo der Betrachtung der bisher gewählten Form !der Untersuchungsmethode ziehen und die Frage der Verbesserungserfordernisse und Verbesserungsmöglichkeiten sich selbst stellen. Eine kleine Vorbemerkung! In Deutschland, aber auch anderwärts, gerät man leicht in den Geruch, geistig etwas minderbemittelt zu sein, wenn man den Spruch von Weisen nicht sozusagen auf den Knien entgegennimmt. Wird diese Ergebenheit, so frage ich, als Preis dargebracht für die Unabhängigkeit, also dafür, daß die Männer im Elfenbeinturm den Kampf gegen Interessen und unsachliche Einflüsse gewagt oder sich um weisungsfreie Beurteilung bemüht haben? Es lohnt sich, über diese Frage, deren Beantwortung über unsere Gesellschaft viel aussagen würde, nachzudenken. Der allgemeine Gutachter ist in Deutschland leider stark abgewertet. Im Volksmund, jedenfalls im qualifizierteren, sagt man, nicht ganz zu Unrecht, daß man für alles und jedes, für alle nur denkbaren Ansichten zu einer Sache einen Gutachter haben kann. Wir kennen ja alle die Prozesse, deren Akten mit vielen einander widersprechenden Gutachten angefüllt sind. Wenn ich das sage, so will ich damit unterstreichen, daß die Unabhängigkeit eines Gutachters in der Tat nach der Überzeugung vieler mit besonderen Kautelen hergestellt werden muß. Es muß eine staubfreie Atmosphäre gesichert sein. Ich bekenne mich jedenfalls ganz grundsätzlich zu der Auffassung, daß das unabhängige Gutachten in Deutschland einen hohen Rang anstreben und erhalten muß und daß die Gutachter ihre Ehre in die völlig unabhängige Begutachtung setzen müssen. Weisungsfrei und unabhängig heißt aber nicht, daß ein Gutachten sozusagen im luftleeren Raum gestaltet werden müsse. Je elfenbeinerner ein Gutachten ist, um so luftleerer ist es aber. Nun garantiert in unserem Falle des gesamtwirtschaftlichen Sachverständigenrates die Persönlichkeit der Gutachter, die sich in ihren Kreisen und gegenüber der Öffentlichkeit ja auch wieder über ihre Thesen auseinanderzusetzen haben, für die lebensvolle Komprimierung des Stoffes und für eine gewisse Bodennähe der Betrachtung. Aber dieser Status, den wir den Gutachtern zugewiesen haben, reicht nach meiner Ansicht nicht aus, blut- und lebensvolle Gutachten sozusagen von der Methode her sicherzustellen. Wir befinden uns mit unserem Untersuchungsauftrag nicht in der Justiz oder einem sonstigen Bereich, bei dem es um die abstrakte und theoretische Frage des Falsch oder Richtig geht, sondern in der Wirtschaft, einem Bereich also, bei dem letzten Endes nur das konkrete Ergebnis interessiert, die Frage, ob diese konkrete Vorstellung mit Hilfe der vorausgeschickten Daten auch wirklich überzeugt. Ich habe oft die Meinung gehört, daß der Auftrag an den Sachverständigenrat an sich utopisch sei, weil dieser Auftrag sich in einem theoretischen Idealbild, nämlich der Stabilität des Preisniveaus, einem hohen Beschäftigungsstand, dem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wachstum zu vollziehen habe und die Einzeluntersuchungen dieser Zielsetzung zu dienen hätten. Nun gut, Gesetze können sich ideale und vielleicht unerreichbare Ziele setzen. Aber wir hier sind leider auf die Realitäten der vier Ideale angewiesen. Wir können zwar anordnen, daß die Vorstellungen der Sachverständigen keine Empfehlungen sein sollen. Aber alle Welt faßt sie als solche auf, besonders wenn sie — wie z. B. dieses unglückliche Ergänzungsgutachten — wenig Alternativen haben und wenn die Presse von den Gutachten als dem volkswirtschaftlichen Gewissen der Nation spricht. Die Vorstellungen der Sachverständigen, hoch in den Raum gestellt, sind dann natürlich die Basis für politische Attacken und Alibis, obwohl irgendeine Bewährung dieser Vorstellungen im politischen Raum nicht stattgefunden hat, die Regierung vielmehr sofort in der Rolle des Angeklagten ist. Ja, das Gutachten selbst kann sofort Angreiferin sein. Wer will das für die Vergangenheit der 31/2 Gutachten bestreiten? Es kann aktiv in eine ganz bestimmte Richtung wirken, statt nur Möglichkeiten für die eine oder andere Handhabung aufzuzeigen. Die Gefahr dieser unabhängigen, also wertfreien und unpolitischen, aber politisch höchst wirksamen, eindeutig als Empfehlung wirkenden Nichtempfehlung ist groß, sehr groß. Wir haben sie bisher gebändigt, aber das muß nicht immer so sein. Ich habe 'sogar den Eindruck, daß das von Jahr zu Jahr schwieriger wird. Die Wirtschaft darf nach meiner Auffassung nicht in dieser Weise nur den Sachverständigen zu einem so hohen und unmittelbaren Einfluß überlassen werden. Der Sachverständigenrat soll in diesem Gutachten darstellen, die Situation darstellen, aber nicht an Hand eines Bildes, das sich an Idealen und nicht ganz realistischen Generalklauseln orientiert. Nur eine einzige der vier von mir vorhin genannten Komponenten braucht, aus welchen Gründen auch immer, nicht realistisch zu sein, dann ist das ganze Bild schief. Hier scheint mir ein wesentlicher Mangel unseres Gesetzes zu liegen. Ein zweiter Mangel hängt damit zusammen und scheint mir darin zu liegen, daß der Sachverständigenrat personell ergänzt oder etwas anders zusammengesetzt werden muß. Meines Erachtens müßte mindestens ein von Berufs wegen sicherer Kenner der politischen Zusammenhänge in das Gremium herein. Außerdem müßten die Mitglieder des Sachverständigenrates einen Status haben, der es ihnen zur Pflicht macht, die Valuta ihres Gut- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 5005 achtens mit einer voll funktionierenden Methode zu erreichen. Was verstehe ich hierunter? Betrachten wir einmal mit einem kurzen Streiflicht die bisherigen 31/2 Gutachten. Leider ist ja unsere Gegenwart so schrecklich vergeßlich. Was wäre geschehen, wenn wir den Vorstellungen der zurückliegenden Gutachten gefolgt wären? Was würde geschehen, wenn wir das vorliegende dritte und das Sondergutachten unter Hinnahme der Korrekturen zur Grundlage unserer Entscheidung machen würden? Sicher gibt es überzeugte, positive Beurteiler. Auf diese Frage des Falsch oder Richtig kommt es mir aber — wie gesagt — in diesem Zusammenhang gar nicht an, sondern darauf, daß in der Beurteilung und in den Vorschlägen des Sachverständigenrates zu wichtigen Problemen nach der Ansicht einer sehr großen Zahl von anderen Sachverständigen deutlich Fehlbetrachtungen vorliegen und einzelne vorgeschlagene Ziele auf den erörterten Wegen nicht erreicht werden können. Anders gesagt, daß die etwa in der Richtung des Gutachtens eingeleiteten Maßnahmen weder auf einer zuverlässigen sachlichen noch politischen Basis aufgebaut und realisiert werden können. Ich meine, daß die Gutachten und die Gutachter durch diese Situation in die Gefahr einer allmählichen und längst aktuellen Entwertung geraten. Die freundlichen Bemerkungen der Bundesregierung in der Einleitung ihrer Stellungnahme zum dritten Gutachten können darüber nicht hinwegtäuschen. Mein heutiges Thema ist, wie es dazu kommt und wie wir diese Devaluierung vermeiden, einer weiteren Abwertung vorbeugen können. In dieser ersten Diskussion hierüber ist das Ganze mit wenigen Sätzen darzustellen. Wir brauchen nur einmal die Gutachten ganz klar ins Auge zu fassen. Sie bestehen aus zugrunde gelegten Daten, allgemeinen oder speziellen Prämissen und Aspekten sowie einer Analyse, das Sondergutachten ferner aus Korrekturen. Die Gutachter setzen sich vor den Gutachten in freier Weise mit diesen oder jenen Stellen, sicherlich allen sachlich zu einem Beitrag berufenen, in Verbindung und informieren sich. Wir alle sind gehalten, sie in ihrer Arbeit zu unterstützen, und tun das gern. Welche Ansichten die Gutachter mitbringen, sei es zur Diagnose oder zur Therapie, erfahren wir nicht oder nicht unbedingt, jedenfalls nicht in einer verbindlich geregelten Form. Oft oder wohl meist spricht auch nur einer der Gutachter mit diesem oder jenem Bedarfsträger oder verantwortlichem Gremium. Soweit nicht das Statistische Bundesamt eingeschaltet ist, werden die Daten wohl auch nicht verbindlich abgestimmt, die Prämissen und Aspekte bleiben auf beiden Seiten, also sowohl bei den befragten Gebern als den nehmenden Sachverständigen, etwas im angenehmen Dunkel; es wird ja auch aus Gründen, die man menschlich verstehen kann, mit allerlei Vorsicht gearbeitet. Die nachfolgende Analyse — das haben wir ja nun schon mehrfach und mit steigender Intensität erlebt — hebt sich dann leicht wie von selbst etwas vom Boden und kann in dieser oder jener Einzelfrage, wie wir gehört haben, sogar in eine bedenkliche Höhe geraten, eine Erscheinung, an die wir uns im Bereich der theoretischen Wirtschaftspolitik beinahe schon gewöhnt haben, die aber wegen der Neigung des deutschen Charakters, den Politikern zu mißtrauen, den Gutachtern zu vertrauen, auch nicht völlig ungefährlich ist. Nach meiner Ansicht muß sich das Gutachtergremium, müssen sich die grundlegenden Ausgangspunkte und die entwickelten Vorstellungen zunächst dem politischen Raum im weitesten Sinn stellen, bevor sie mit dieser Feierlichkeit verkündet, der Regierung übermittelt und von dieser an uns weitergegeben werden. Wir wollen, daß gutachtliche Meinungen nicht nur richtig und von den sonstigen Qualitätsgutachten in Deutschland, soweit wie möglich, gleich mitgetragen werden, sondern daß diese Gedankengänge auch politisch und praktisch realisierungsfähig erscheinen. Ich kann diesen Punkt nicht deutlich genug unterstreichen. Er bedeutet nicht, daß die Gutachter nur erörtern sollen, was auch Aussicht hat, vollzogen zu werden. Welcher Irrtum wäre das! Er bedeutet vielmehr, daß der Sachverständigenrat unter Einsatz seiner eigenen, wenn auch zunächst nur vorläufigen Ansicht mit allen in Betracht kommenden Stellen in einem nicht allzu streng, aber in diesem Punkt klar geregelten Verfahren sprechen muß und daß er seine Prämissen, Aspekte und Analysen in voller Kenntnis der sachlichen und politischen Auffassungen und Pläne, die zu seinem Aufgabenbereich gehören, darzulegen hat. Das Material dieser Vorauseinandersetzung könnte in übersichtlicher Form dem Jahresgutachten beigefügt werden. Zur Veranschaulichung dieses Änderungsbedürfnisses unseres Gesetzes kann man natürlich mehrere sehr aktuelle Beispiele wählen. Das Sondergutachten allein rechtfertigt die ganze Skala der Kritik an der jetzigen Praxis der Gutachtenerstattung: Der gesetzliche Auftrag ist nichtvoll eingehalten, wenig Alternativen sind aufgezeigt, die Vorschläge wirken klar als Empfehlung, über die Stellungnahme wichtiger Partner, z. B. des Außenhandelsbeirats, ist man hinweggegangen, der Vollzug des Eventualhaushaltes ist nicht ganz zutreffend beurteilt, und zu manchen Einzelfragen fehlt eben die Mitteilung der Stellungnahme der Hauptbeteiligten und anderes mehr. Diese Gesprächspartner sind nämlich die Träger unser marktwirtschaftlichen Ordnung. Diese Träger und ihre Ansichten hat das Gutachten neben den sonstigen Begebenheiten und Bindungen nationaler und internationaler Art mit einzubeziehen und zu würdigen. Wenn z. B. ein wesentlicher Teil dieser Partner, selbstverständlich mit guten Gründen, die Erwägung des Sachverständigenrates ablehnt oder als politisch undurchführbar bezeichnet, ist das ein Faktum im Bewußtsein dessen, daß die Vorschläge des Gutachtens lebensvoll und politisch durchblutet sein müssen; sonst haben sie nur wissenschaftlichen Wert. Ich meine, daß wir nur bei Beachtung dieses Grundsatzes den Gutachtern den Status sichern können, der unserer Hoffnung auf die Nützlichkeit und den nationalen und gesamtwirtschaftlichen Wert ihrer Gutachten entspricht. 5006 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 Unser Gesetz muß ergänzt werden. Das dritte Gutachten und das Sondergutachten zeigen dies mit einer mehr als ausreichenden Deutlichkeit. Das ist meine Ansicht und die vieler meiner Freunde. Die Änderung kann mit einigen wenigen Pinselstrichen geschehen, die die Geborgenheit des Gutachtens im gesamten politischen Raum, die Anlehnung an die tragenden Kräfte unserer Gesellschaft garantieren, und wird uns schnell zu der gewünschten Form der Gutachten weitrhelfen. Ich verrate wohl auch kein Geheimnis, wenn ich sage, daß die wissenschaftlichen Gutachter selber im In- und Ausland sich über wesentliche Grundlagen solcher gutachtlicher wirtschafts-wissenschaftlicher Aussagen im Streit oder nicht in Übereinstimmung befinden. Einzelne meinen z. B., daß zwischen Analysen und Empfehlungen sowie zwischen Gutachten und politischen Entscheidungen nicht getrennt werden könne. Andere meinen, daß die Gutachter auch über Mittel zur wirksamen Durchführung ihrer Gedanken verfügen müßten usw. Jedes Land kann das natürlich halten, wie es will. Was wir wollen, ist jedenfalls, daß die Gutachter die anstehenden Probleme herausstellen und begutachten, wobei es natürlich in erster Linie und gerade auf diejenigen Erscheinungen ankommt, die außerhalb des normalen oder vermuteten Konjunkturablaufes liegen. Die Gutachter müssen dabei auf wissenschaftlich verläßlichem Boden bleiben und allzu kontroverse Theorien vermeiden. Sie sollen aber ihr Votum vertreten, und zwar so, daß die Regierung, die die Richtigkeit und Zweckmäßigkeit des Gutachtens zu prüfen und die anschließend nach ihrem politischen Auftrag zu handeln hat, die in dem Gutachten geäußersten Auffassungen nach ihrer Durchführbarkeit beurteilen kann. Was diese Auffassungen nun angeht, so hat ein sehr angesehenes Mitglied dieses Hauses in diesen Tagen höchst lapidar festgestellt, es sei reiner Aberglaube, daß Wissenschaftler allgemein bessere Ideen hätten als Politiker. Wir wollten diese Frage schon aus Höflichkeit gegenüber der Wissenschaft offenlassen, jedenfalls aber nicht vom Gegenteil ausgehen. Die Devise müßte lauten: noch lebensvoller, noch realistischer, noch praxisgerechter. Die Wissenschaft braucht dabei insbesondere in den Präliminarien nicht zu kurz zu kommen. Ich breite diese Gedanken hier einmal aus in voller Sorge, daß eine Sache, die ich persönlich zwar für politisch unzweckmäßig gehalten habe, die wir aber so gut wie möglich zu gestalten haben, an Überzeugungsfähigkeit und Bodennähe noch mehr verliert, wenn wir ihr nicht zu Hilfe kommen. Letzten Endes sind Sachverständigengutachten soviel wert, wie sie sich mit ihren Hauptgedanken als durchsetzbar erweisen. Mein Vorschlag ist, in Zusammenarbeit mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister im Wirtschaftsausschuß dieses Hauses die Frage der künftigen Methode der kommenden Gutachten grundsätzlich zu diskutieren. Wir sind ja in der glücklichen Lage, daß die jetzige Koalition eine solche Diskussion ohne politische Hektik und die Gefahr allzu kurzsichtiger Betrachtungsweise ermöglicht. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Adorno vom 27. April 1967 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Hübner (Drucksache V/1634 Fragen 69, 70 und 71) : Ist daran gedacht, die durch den Einsatz von einer elektronischen Großrechenanlage beim Übersetzerdienst der Bundeswehr erzielten Arbeitsvereinfachungen auch der interessierten Öffentlichkeit in der Weise nutzbar zu machen, daß sie gegen eine Gebühr die damit gegebenen Möglichkeiten nutzen kann? Bestehen Pläne, die beim Übersetzerdienst der Bundeswehr durch den Einsatz einer elektronischen Großrechenanlage möglichen Arbeitsvereinfachungen auch für die fremdsprachliche Arbeit anderer Ressorts zu nutzen? Bestehen Pläne zur Gründung eines zentralen Bundessprachenamtes zur Koordinierung und zentralen Finanzierung der Arbeit an wichtigen sprachlichen Problemen, zum Beispiel der Einsatzmöglichkeiten von Großrechenanlagen oder der Koordinierung terminologischer Vorhaben, um so Doppelarbeit zu vermeiden? Es ist in der Tat daran gedacht, die beim Übersetzerdienst der Bundeswehr erarbeiteten Verfahren der maschinellen Übersetzungshilfe und Lexikographie unter Verwendung einer elektronischen Datenverarbeitungsanlage für interessierte Kreise von Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung nutzbar zu machen. Ein Erlaß . an den Übersetzerdienst, in dem die Modalitäten der Überlassung von Arbeitsergebnissen dieser Art an Stellen außerhalb der Bundeswehr geregelt werden, steht vor der Herausgabe. Was für die interessierten Stellen von Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung gilt, gilt erst recht für die übrigen Bundesverwaltungen. Die anderen Bundesressorts können sich bereits heute für ihre fremdsprachliche Arbeit im Wege der Amtshilfe der Möglichkeiten bedienen, die im Sprachendienst der Bundeswehr und speziell beim Übersetzerdienst der Bundeswehr durch den Einsatz einer elektronischen Großrechenanlage für linguistische Zwecke zur Verfügung stehen. Es ist beabsichtigt, die interministerielle Zusammenarbeit auf diesem Gebiet durch Vereinheitlichung der Verfahren der Terminologiearbeit und durch Einspeisung möglichst aller terminologisch-lexikographischen Arbeitsergebnisse in den Zentralspeicher zum Nutzen sämtlicher Beteiligten zu rationalisieren und zu intensivieren. Es ist vorgesehen, die Sprachenschule der Bundeswehr, den Übersetzerdienst der Bundeswehr und einige Arbeitsgebiete des Sprachenreferats des Verteidigungsministeriums zu einem Sprachenamt zusammenzufassen. Da die linguistischen Disziplinen Übersetzen, Sprachunterricht und sprachwissenschaftliche Arbeit wechselseitig eng verzahnt sind, garantiert erst eine organisatorische und räumliche Zusammenfassung den größtmöglichen Arbeitserfolg. Erst nach dieser Zusammenfassung werden alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden können, die in Gestalt moderner technischer Hilfsmittel und moderner Verfahren der angewandten Linguistik heute zu Gebote stehen. Das Sprachenamt soll als Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Verteidigungsressorts konstituiert werden. Es soll zu etwa 20-25 % seiner Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 5007 Kapazität den übrigen Bundesverwaltungen zur Verfügung stehen. Es wird gem. einer Vereinbarung mit dem federführenden Bundesministerium des Innern die Bezeichnung „Bundessprachenamt" führen. Ein Grundstück für das Bundessprachenamt steht in Hürth bei Köln zur Verfügung. Die Bauplanung ist in etwa abgeschlossen. Angesichts der absolut unzureichenden derzeitigen Unterbringung der Sprachenschule der Bundeswehr kann der Baubeginn nicht mehr länger hinausgeschoben werden. Die Lösung dieser Frage steht aber unter dem Zwang, den ein eingeschränkter Haushalt auferlegt. Die Vorstellungen über die Finanzierung bestimmter, über den Verteidigungsbereich hinausgreifender Aufgabenkomplexe des Amtes bedürfen noch der weiteren interministeriellen Abstimmung.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Karl Wilhelm Berkhan


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    (Heiterkeit.)


    (Abg. Schmidt [Hamburg] : Ich auch!)

    — Da Sie nur „mindestens" sagen können, kann ich auch nur die Antwort geben: Dann muß mindestens die CSU prüfen, ob die Tonart, die die CSU in der öffentlichen Debatte damals angeschlagen hat, wirklich eine für die deutsche Politik nützliche Tonart gewesen ist.

    (Beifall bei der SPD und bei der FDP.)

    Das bedeutet nicht, Herr Dr. Zimmermann — daß wir uns ganz klar sind —, daß Sozialdemokraten in diesem Hause etwas gegen eine öffentliche Debatte hätten. Das bedeutet nur, daß wir erwarten, daß verantwortliche Politiker — ich rede jetzt aus Erfahrung, weil ich an der Sitzung des außenpolitischen Ausschusses teilgenommen habe; ich bin in diesem Ausschuß Stellvertreter und darf da hingehen — die gleiche Tonart in der bayerischen Heimat, in der schönen bayerischen Heimat vor der Kulisse der Alpen anschlagen wie hier im außenpolitischen Ausschuß.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Im außenpolitischen Ausschuß sind die Herren sehr zurückhaltend gewesen, und dort habe ich Vokabeln wie „Super-Versailles" und dergleichen nicht gehört.

    (Abg. Stücklen: In Bayern ist man nicht so zart! Da muß man es anders aussprechen!)

    — In Bayern ist man nicht so zart? Wenn ich Sie so betrachte, Herr Kollege, dann meine ich, wir hätten e i n Format. Sie sehen, bei uns ist man auch nicht so zart. Sie meinen zurückhaltend, und die Bayern sind nicht so empfindlich; gut, einverstanden. Aber Deutschland ist nicht Bayern,

    (Hört! Hört! bei der SPD — Heiterkeit)

    und die deutsche Politik wird nicht nur in Bayern gemacht, und die Verantwortung für die deutsche Politik ist weiter zu tragen als in Bayern, ganz abgesehen davon, daß ich schon sehr zurückhaltende, sehr wohlformulierende Bayern getroffen habe. Ich kenne dieses Land auch etwas.
    Ich darf mich jetzt noch einmal mit der Gruppe von Einwänden beschäftigen, die allgemeiner politischer Natur sind und die Herr Dr. Zimmermann hier hat anklingen lassen. Da klang so an — er verteidigte den Hauptsprecher dieser Denkungsart —, daß Nationen ohne eigene Kernwaffen in der Zukunft zweitklassige Nationen sein würden.

    (Abg. Dr. Zimmermann: Das Wort ist von mir nicht gefallen!)

    — Nein, ich weiß, aber Sie haben sich hier sehr warm eingesetzt für Herrn Grewe — ich wollte ihn nicht zitieren, jetzt muß ich ihn zitieren —, der gesagt oder geschrieben hat, Nationen ohne eigene Kernwaffenproduktion werden in ihrer wissenschaftlich-technischen Entwicklung nicht mit jenen



    Berkhan
    Schritt halten, die selber Kernwaffen entwickeln oder herstellen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Sehen Sie, wenn Sie so einen Satz lesen, Herr Dr. Zimmermann, dann ist immer die Gefahr in der Welt, daß andere Leute daraus die Schlußfolgerung ziehen:. Die Deutschen meinen es nicht so ernst mit den Verträgen, die sie weiland 1954 unterschrieben haben.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Lassen Sie mich die Debatte hier nicht verlängern. Ich weiß, daß auch noch andere zu Wort kommen wollen. Ich will also abschließen. Ich will Ihnen sagen — vielleicht macht das unsere Zusammenarbeit in alter Form wieder möglich; sie war ja in den Fragen, in denen wir zusammengearbeitet haben, immer recht gut —, daß ich in sachlichen Fragen mit Ihnen in vielen Punkten übereinstimme. Allein diese bayerischen Untertöne waren mir unheimlich.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Erwin Schoettle
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Flämig.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Gerhard Flämig


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Verlauf der Debatte an diesem Nachmittag hat wohl gezeigt, vor welch eine schwierige Aufgabe ein Parlament gestellt ist, das nicht nur eine Fülle hochpolitischer Probleme, sondern auch eine Fülle von technischen Fragen zu beraten hat, die mit den politischen eng verknüpft sind. Wir wären gewiß überfordert, würden wir uns nunmehr in dieser späten Stunde der Debatte in technische Details einlassen. Aber ich glaube, daß wir diese Debatte nicht abschließen sollten, ohne noch einmal deutlich zum Ausdruck ,gebracht zu haben, welcher Art die Sorgen sind, von denen hier mehrere Kollegen mehr oder minder deutlich sprachen. Wir haben in der Beratung des Atomsperrvertrages jetzt einen Punkt erreicht, der — wie ein Januskopf — zum Teil auf das zurückschaut, was gewesen ist und was sich in der Vergangenheit verändert hat, der andererseits aber auch den Blick in die Zukunft richtet.
    Was gilt es bei den weiteren Verhandlungen für unsere deutschen, aber auch für die Euratom-Interessen und darüber hinaus für die Interessen der zivilen Atommächte zu erreichen? Zunächst eine Feststellung, die heute immer wieder zum Ausdruck kam: Die Notwendigkeit der Kontrolle ist unbestritten. Nicht das Ob wird hoch diskutiert, sondern das Wie. Die zweite Feststellung: Die Gefahren, die mit diesem so oft zitierten Art. III des Atomsperrvertrages gebannt werden sollen, erwachsen nicht aus der Tätigkeit in den kerntechnischen Anlagen der Bundesrepublik, in den Fabriken zur Verarbeitung von Kernbrennstoffen und zur Herstellung von Brennelementen, in Reaktoren oder Wiederaufarbeitungsanlagen; die Gefahren, die die Kontrolle bannen will, drohen aus einer mißbräuchlichen Verwendung spaltbaren Materials außerhalb dieser Anlagen.

    (Abg. Memmel: Außerhalb Deutschlands!)

    — In aller Deutlichkeit, Herr Memmel: zur Zeit außerhalb Deutschlands! Es ist natürlich möglich, daß die Technik fortschreitet. Wir wollen nicht bestreiten, daß die Möglichkeit besteht — ich erinnere an den schnellen Brüter —, auch bei uns Plutonium für militärische Zwecke herzustellen. Aber Sie haben völlig recht, im Augenblick brauchten wir uns gar nicht angesprochen zu fühlen.
    Wenn deshalb die Betreiber kerntechnischer Anlagen bereit sind, sich freiwillig einer strengen Sicherheitsüberwachung zu unterwerfen, so ist es verständlich, daß sie daran interessiert sind, daß diese Kontrollen auf den vorhandenen betriebsinternen Sicherheitsüberwachungsmaßnahmen aufbauen und so weit wie möglich auf zusätzliche, den Betrieb störende Maßnahmen verzichtet wird. Die Fachleute stimmen darin überein, daß Kontrollen, die in jeder kerntechnischen Anlage zum Zwecke der betrieblichen Sicherheit und Wirtschaftlichkeit regelmäßig auch heute schon ohne Atomsperrvertrag vorgenommen werden, sehr gut geeignet sind, verläßliche Daten für die Sicherheitsüberwachung im Sinne des Art. III zu liefern. Die Betriebe sind aus finanziellen Gründen gar nicht daran interessiert, mit ,spaltbarem Material leichtfertig umzugehen. Der Wert des spaltbaren Materials übersteigt z. B. den Wert von Edelmetallen. Industrie und Institute haben zuverlässige Methoden zur Mengen- und Qualitätsbestimmung entwickelt; im. eigenen Interesse, denn .das radioaktive und giftige Material, um das es sich hier handelt, darf ja auf keinen Fall mit dem menschlichen Körper in Berührung kommen. Wir haben in der Bundesrepublik ein strenges Atomgesetz und eine Strahlenschutzverordnung. Weil unser aller Sicherheit auf dem Spiel steht, muß durch strikte Beachtung strenger Sicherheitsmaßnahmen gewährleistet sein, daß auch nicht versehentlich eine gewisse kritische Ansammlung spaltbaren Materials entstehen kann.
    Die Betroffenen und die Fachleute sind sich einig, daß sie ihre Kontrollmethoden offenlegen und die erhaltenen Ergebnisse für die Sicherheitsüberwachung zur Verfügung stellen wollen. Sie halten das für selbstverständlich, sie sind dazu bereit. Was aber — und nun komme ich zu den Sorgen, die hier angesprochen worden sind — den Betroffenen erhebliche Sorge bereitet, ist die Frage, welche Form der Sicherheitsüberwachung gewählt wird. Sie darf ihrem Wesen nach nicht auf das betriebliche Geschehen zielen, sondern auf Qualität und Quantität des verwendeten Materials und seinen Verbleib. Sie sollte nur der Feststellung und der Berichterstattung dienen, aber nicht befugt sein, in das betriebliche Geschehen einzugreifen.
    Herr Dr. Zimmermann hat gesagt: „Was wir nicht wollen dürfen, ist, daß die IAEO die Kontrolle ausübt."

    (Zuruf des Abg. Dr. Zimmermann.)

    — Ja; wir müssen hier aber auch deutlich sagen, warum wir das nicht wollen dürfen.

    (Zuruf: Wir wissen es doch!)

    Das „Dürfen" bezieht sich meiner Meinung nach vor
    allen Dingen darauf, daß wir einen Vertrag unter-



    Flämig
    zeichnet haben, den Euratom-Vertrag, und uns dadurch eines Teiles unserer Souveränität begeben haben. Es ist hier wiederholt zitiert worden: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser." Was spricht denn sonst dagegen? Man könnte ja sagen: Dann laßt sie doch alle kontrollieren, laßt die IAEO und die Euratom kontrollieren; doppelt hält besser. Aber gerade das ist auch eine solche Sorge, meine Damen und Herren, die unsere Industrie hat. Ich möchte das an einem Beispiel verdeutlichen, das nicht von mir stammt, sondern das einer der Industriellen mir kürzlich einmal darlegte: Wenn Sie mit einem Lkw von Köln nach Frankfurt fahren und unterwegs von der Polizei angehalten und kontrolliert werden, sagen Sie sich: „Na schön, was sein muß, muß sein"; wenn Sie aber zum zweiten oder zum dritten Male oder gar viermal auf der Strecke Köln—Frankfurt angehalten werden, dann sagen Sie: „Was zu viel ist, ist zu viel, das behindert ja man ganzes Geschäftsleben; ich komme ja nicht mehr voran." So ähnlich sind auch die Besorgnisse unserer Techniker und Atomwissenschaftler.
    Ich möchte deshalb nur noch folgendes sagen — denn ich will die Debatte nicht wesentlich verlängern —: Es gibt keine wirksamere Kontrolle als die der Euratom. Sie ist wesentlich weitergehend als die Kontrolle der IAEO. An Hand der detaillierten Angaben, die unsere Industrie — überhaupt die Euratom-Industrie — auf Grund der Verträge erbringen muß, ist es einer mit der Sicherheitsüberwachung betrauten Behörde wie der Euratom möglich, den Mengenfluß an spaltbarem Material vollständig zu erfassen. Unbegründete Verluste und Differenzen können kurzfristig erkannt und die Stelle, an der Unregelmäßigkeiten aufgetreten sind, ausfindig gemacht werden, weil bei der Euratom sämtliche Bewegungen in einem geschlossenen Gebiet erfaßt werden. Gerade die mit dem Anwachsen der Kerntechnik immer stärker werdende Interdependenzen der Materialbilanzen verschiedener Anlagen gibt der Sicherheitsüberwachung auf Grund von Buchführung und Buchprüfung größte Zuverlässigkeit.
    Nun ist hier ganz kurz die Sache mit den „black boxes", mit den schwarzen Kästen, mit der technischen Überwachung angeklungen. Das wäre zweifellos eine ideale Sache. Allerdings müssen wir uns darüber im klaren sein, daß die beste Gasuhr, auch die beste Wasseruhr von Zeit zu Zeit abgelesen werden muß. Man wird sich also mit gelegentlichen Kontrolleuren abfinden müssen.
    Ich komme zu einigen Schlußfolgerungen.
    Erstens. Die Frage ist, ob in der Zukunft die Möglichkeit geschaffen werden kann, die Euratom-Kontrolle mit der IAEO-Kontrolle zu koordinieren. Das ist selbstverständlich keine spezifisch deutsche Frage, kann aber für einen wichtigen und zukunftsträchtigen Teil der deutschen Industrie eine lebenswichtige Frage werden. Wir müssen uns darüber klar sein, daß wir, wenn wir von einer Koordinierung dieser beiden Kontrollen sprechen — und das ist in dieser Debatte noch nicht so deutlich gesagt worden —, dann auch mit derartigen Kontrollinstanzen außerhalb des Euratom-Bereichs einverstanden sein müssen. Es genügt aber, dafür zu sorgen, daß die regionale Kontrolle, sei sie hier bei uns im Westen, sei sie im Warschauer Pakt oder anderswo, voll den Zweck im Sinne des Nichtweiterverbreitungsvertrages erfüllt.
    Die zweite Schlußfolgerung: Für uns stellt sich nicht die Frage, wie der Primat ist, ob die wirtschaftlichen Fragen vor der Friedenssicherung stehen oder umgekehrt. Der Frieden ist die Voraussetzung jeglicher wirtschaftlicher Entwicklung in der Zukunft.

    (Vorsitz: Präsident D. Dr. Gerstenmaier.)

    Herr Bundesaußenminister Brandt, ich möchte Ihnen dafür danken, daß Sie heute namens der Bundesregierung durch Ihre Darlegungen dazu beigetragen haben, einen gewissen Teil von Besorgnissen im Ausland abzubauen. Ich war gestern im Europarat in Straßburg. Wir hatten dort eine ähnliche Debatte, und man spürte, daß diese Besorgnisse nicht nur auf die Sowjetunion beschränkt sind. Auch in anderen Staaten wird die Frage gestellt: Wie werden sich die Deutschen verhalten? Ihre Erklärung, Herr Bundesaußenminister, die Sie hier namens der Bundesregierung abgegeben haben, war eindeutig und klar. Sie haben damit gleichzeitig, weil Sie speziell auf die Fragen 3 bis 5 eingingen, dazu beigetragen, auch im Innern Besorgnisse abzubauen, die verständlich sind. Denn unsere Industrie hat — ich sagte es schon — hier einen wichtigen, zukunftsträchtigen Zweig, und hier handelt es sich nicht nur um Betriebe, nicht nur um Unternehmer, hier handelt es sich auch um Tausende, heute vielleicht sogar schon Zehntausende von Arbeitnehmern, deren Zukunft mit dem Atomsperrvertrag auf dem Spiel steht.

    (Beifall bei der SPD.)