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    1. tocInhaltsverzeichnis
      Deutscher Bundestag 106. Sitzung Bonn, den 27. April 1967 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Paul 4917 A Fragestunde (Drucksachen V/1634, zu V/1634) Frage des Abg. Ertl: Grundgesetzänderungen zur Neugestaltung der Beziehungen zwischen Bund und Ländern Benda, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 4917 B Ertl (FDP) . . . . . . . . . . 4917 B Frage des Abg. Sanger: Abgrenzung zwischen Anzeigeblättern und Zeitungen bzw. Zeitschriften Benda, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 4917 D Sänger (SPD) . . . . . . . . 4918 B Frage des Abg. Porten: Übergangszeit für einen gemeinsamen Mehlmarkt Höcherl, Bundesminister 4918 C Porten (CDU/CSU) 4918 DFragen des Abg. Ertl: Finanzierung kostenloser Getreidelieferungen an Entwicklungsländer Höcherl, Bundesminister . . . . 4919 B Ertl (FDP) 4919 C Fragen des Abg. Bading: Einbeziehung von Bananen und Ananas in die EWG-Marktordnung für Obst und Gemüse Höcherl, Bundesminister . . . . . 4919 D Urban (SPD) . . . . . . . . . 4920 A Fragen des Abg. Budde: Milchwirtschaft in der Bundesrepublik 4920 B Fragen des Abg. Jung: Ausrüstung der Seenotrettungsstaffel Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 4920 C Ollesch (FDP) 4920 D van Delden (CDU/CSU) 4921 A II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 Fragen des Abg. Burger: Sommeruniform für Heeresstreitkräfte der Bundeswehr . . . . . . . . 4921 B Fragen des Abg. Hübner: Einsatz- und Nutzungsmöglichkeiten von elektrischen Großrechenanlagen 4921 C Fragen des Abg. Lemper: Reduzierung der Wehrdienstzeit und der Gesamtzahl der Soldaten sowie dadurch mögliche Einsparungen Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . .. . 4921 D Mertes (FDP) 4922 A Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) 4922 B Frage des Abg. Ollesch: Notwendigkeit der Anwesenheit des Bundesarbeitsimnisters im Ausschuß für mittelfristige Finanzplanung Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 4922 D Frage des Abg. Geldner: Vergabe von Aufträgen für Investitionsmaßnahmen nach Bayern Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 4923 A Geldner (FDP) 4923 C Fritsch (Deggendorf) (FDP) . . . 4923 D Ertl (FDP) 4924 B Frage des Abg. Logemann: Änderung des Verkehrsfinanzgesetzes Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 4924 D Logemann (FDP) 4924 D Fragen des Abg. Logemann: Dieselölpreis für Landwirte Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 4925 A Logemann (FDP) 4925 C Ertl (FDP) . . . . . . . . . . 4926 B Wächter (FDP) . . . . . . . . 4926 D Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) . 4927 A Reichmann (FDP) . . . . . . . 4927 B Fragen des Abg. Hellenbrock: Militärisch genutztes Gelände der Gemeinde Bracht im Lkr. Kempen/Krefeld Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 4927 C Dr. Hammans (CDU/CSU) . . . . 4927 D Frage des Abg. Lemmrich: Einnahmen aus der Mineralölsteuer Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 4928 A Fragen des Abg. Flämig: Exerzierplatz Großauheim am Main 4928 B Fragen des Abg. Baier: Baustopp für alle staatlich geförderten Hochbauten in Baden-Württemberg Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 4928 C Baier (CDU/CSU) 4928 D Fragen des Abg. Wächter: Bewerber um Aufträge des Bundes Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 4929 C Wächter (FDP) . . . . . . . 4929 C Fragen des Abg. Porten: Praktiken des Quotenhandels in der Mühlenwirtschaft Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 4930 A Porten (CDU/CSU) 4930 A Große Anfrage der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD betr. Atomwaffensperrvertrag (Drucksache V/1650) in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. atomare Rüstung und friedliche Nutzung von Kernenergie (Drucksache V/ 1494) Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) . 4930 D Dr. Eppler (SPD) . . . . . . . . 4935 B Brandt, Bundesminister . 4939 D, 4972 D Dr. Birrenbach (CDU/CSU) . . . . 4946 D Schoettle, Vizepräsident . . . . . 4952 B Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . . 4952 C Borm (FDP) . . . . . . . : . 4955 C Dr. Stoltenberg, Bundesminister . . 4959 B Dr. Zimmermann (CDU/CSU) . . . 4961 B Berkhan (SPD) . . . . . . . . 4965 A Flämig (SPD) . . . . . . . . . 4966 A Genscher (FDP) 4967 D Dr. Barzel (CDU/CSU) 4969 D Ollesch (FDP) 4972 A Mischnick (FDP) . . . . . . . . 4975 C Dr. h. c. Kiesinger, Bundeskanzler . 4976 B Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 III Beratung des Dritten Jahresgutachtens des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der Stellungnahme der Bundesregierung zum Jahresgutachten 1966 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sowie des Sondergutachtens über die Wirtschaftslage im Frühjahr 1967 (Drucksachen V/1160, V/1313, V/1588) Dr. Schiller, Bundesminister . . . 4976 C Dr. Haas (FDP) . . . . . . . . 4985 B Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . . 4992 C Porzner (SPD) . . . . . . . 4997 A Nächste Sitzung 5000 B Anlagen 5001 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 4917 106. Sitzung Bonn, den 27. April 1967 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
    2. folderAnlagen
      Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Beurlaubungen Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Aigner ** 27. 4. Arendt (Wattenscheid) 27. 4. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 28. 4. Bading** 27. 4. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 28. 4. Bauer (Würzburg) * 28. 4. Prinz von Bayern 1. 6. Berkhan * 28. 4. Berlin 28. 4. Blumenfeld * 28. 4. Frau Brauksiepe 28. 4. Buchstaller 27. 4. Corterier * 28. 4. Dr. Dittrich** 28. 4. Draeger * 28. 4. Dröscher ** 27. 4. von Eckardt 27. 4. Eisenmann 28. 4. Flämig* 28. 4. Frau Freyh 12. 5. Frau Geisendörfer 28. 4. Gerlach ** 28. 4. Gewandt 28. 4. Graaff 28. 4. Dr. Gradl 28. 4. Hahn (Bielefeld) ** 28. 4. Dr. Hellige * 28. 4. Frau Herklotz * 28. 4. Herold* 28.. 4. Hilbert * 28. 4. Höhne 15. 6. Hösl * 28. 4. Jacobi (Köln) 15. 5. Kahn-Ackermann * 28. 4. Dr. Kempfler * 28. 4. Kiep 12. 5. Frau Klee * 28. 4. Dr. Kliesing (Honnef) * 28. 4. Klinker * 28. 4. Dr. Kopf * 28. 4. Kunze 6. 5. Lemmer 28. 4. Lemmrich * 28. 4. Lenz (Brühl) 30. 4. Lenz (Trossingen) 23. 5. Lenze (Attendorn) * 28. 4. Lücker (München) ** 28. 4. Matthes 28. 4. Mauk ** 28. 4. Frau Dr. Maxsein " 28. 4. Mengelkamp 15. 5. Merten** 28. 4. Metzger ** 28. 4. Michels 28. 4. Müller (Aachen-Land) ** 28. 4. Paul 28. 4. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Peters (Norden) 30. 6. Frau Pitz-Savelsberg 2. 6. Pöhler * 28. 4. Frau Dr. Probst 12. 5. Raffert 28. 4. Richarts ** 28. 4. Richter * 28. 4. Dr. Rinderspacher * 28. 4. Rösing 28. 4. Ross 28. 4. Dr. Rutschke * 28. 4. Scheel 28. 4. Schmidt (Würgendorf) * 28. 4. Dr. Schulz (Berlin) * 28. 4. Dr. Serres * 28. 4. Dr. Starke (Franken) ** 27. 4. Struve 31. 5. Dr. Süsterhenn 27. 4. Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell* 28. 4. Dr. Wahl * 28. 4. Wellmann 30. 4. Wienand * 28. 4. Dr. Wuermeling 27. 4. Zerbe 28. 4. * Für die Teilnahme an einer Tagung der Beratenden Versammlung des Europarats ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Luda (CDU/CSU) zu Punkt 4 der Tagesordnung. Der Sachverständigenrat verfährt nach der Methode von Professor Heller, USA, des früheren Vorsitzenden des Konjunkturrates: er versucht, den Umfang der Unterauslastung der Wirtschaft zu ermitteln, um dann vorzuschlagen, wie die fehlende Nachfrage zu erzeugen ist. Das ist eine rein liquiditätsorientierte Betrachtungsweise. Um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, bedarf es zunächst einer Ermittlung der Ursachen der Konjunkturabflachung. Abgesehen von der politischen Krise des vorigen Jahres liegt diese Ursache in den öffentlichen Defiziten, in der Kostenentwicklung und, inzwischen weitgehend überwunden, in der Preisauftriebstendenz. Also müssen zuerst die öffentlichen Finanzen saniert werden, die Haushalte müssen umstrukturiert werden. Darüber sagt das Gutachten leider nichts. Der Etat ist nicht zuerst ein Instrument der Konjunkturpolitik, sondern in erster Linie Prüfstein für die Ordnung im Staat, also politische Vertrauensgrundlage. Bedenklich ist es meines Erachtens auch, daß das Gutachten sich ausschließlich an Globalzahlen orien- 5002 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 tiert. An Stelle einer Ahalyse der derzeitigen relativen Arbeitslosigkeit wird lediglich von „allenthalben brachliegenden Kapazitäten" gesprochen. Das gibt ein falsches Bild. So liegt die Arbeitslosigkeit im Raum Rhein-Neckar und Rhein-Main unter 1 %, dagegen im Ruhrgebiet, an der Saar, in Teilgebieten von Niedersachsen und im Bayerischen Wald weit über dem Durchschnitt. Die heutige Konjunkturpolitik kann nicht isoliert von den Strukturproblemen betrachtet werden. Sie beziehen sich nicht nur auf die Eisen schaffende Industrie und den Bergbau, sondern auch auf Teile der Eisen und Metall verarbeitenden Industrie, der Holz- und der Textilindustrie. Durch Gewährung globaler Kreditspritzen ist hier keine Hilfe zu erwarten, das würde die notwendige Strukturbereinigung nur hinausschieben. Es wäre auch zu begrüßen gewesen, wenn das Sondergutachten die bisherige Investitionstätigkeit näher untersucht hätte. In der EWG-Investitionsstatistik ist die Bundesrepublik Deutschland nämlich eindeutig führend. Die Brutto-Anlage-Investitionen der Industrie hatten 1964 eine Zuwachsrate von 18 %, 1965 von 15 % und sind sogar im Jahresdurchschnitt 1966 noch leicht gestiegen. Läßt das nicht den Schluß zu, daß die nachlassende Investitionsneigung eine insoweit natürliche Reaktion auf sehr hohe Investitionsraten der vergangenen Jahre mit dem Zwang der einzelnen Unternehmen, nunmehr zu konsolidieren, ist? Zum Vorschlag des Sondergutachtens! Er bedeutet einen klaren Stellungswechsel des Rates im Vergleich zu dem vor vier Monaten veröffentlichten Dritten Jahresgutachten. Damals hatte der Rat drei Alternativprojektionen dargelegt (I „Stabilität um jeden Preis", II „ungezügelte Expansion", III „kontrollierte Expansion"). Im Dritten Jahresgutachten hatte der Rat eindeutig das Konzept der „kontrollierten Expansion" propagiert. Der Vorschlag im Sondergutachten deckt sich demgegenüber weitgehend mit der seinerzeitigen Alternativprojektion II. Natürlich kann in der Wirtschaftspolitik kurzfristig ein Stellungswechsel nötig werden. Was aber bedenklich erscheint, ist die Tatsache, daß die Öffentlichkeit sich inzwischen auf die amtlich übernommene „kontrollierte Expansion" eingestellt hat, die durch die neue Politik weitgehend sinnentleert ist, und daß, genaugenommen, der jetzige Vorschlag des Sachverständigen-Rates „ungezügelte Expansion" lauten müßte, zumal von vornherein feststeht, daß die Bundesregierung die vorgeschlagene „Kontrolle" der außenwirtschaftlichen Absicherung (Wechselkurspolitik) nicht praktizieren will — mit Recht — und daß sie die zweite „Kontroll"-Maßnahme der lohnpolitischen Absicherung in dem vom Dritten Jahresgutachten vorgeschlagenen Sinne der „Richtzahlen" und „Lohnleitlinien", also der Datensetzung von oben nicht praktizieren kann und nicht praktizieren will. Also: Vor Schlagworten wird gewarnt! Zur Frage des zweiten Eventualhaushaltes! Die Liquiditätsversorgung entwickelt sich zufriedenstellend. Die Zinssenkungstendenz ist zu begrüßen. Leider ist jedoch die Freigabe der Haben-Zinsen ohne Wirkung geblieben. Ganz offensichtlich ist das auf die Tatsache zurückzuführen, daß trotz Zinsfreigabe die Steuerprivilegien der Sparkassen unangetastet geblieben sind. Diese Privilegien werden auch weiterhin zu einem verzerrten, unnötig hohen Zinsniveau führen, wenn man sie nicht unverzüglich abbaut. Die Entwicklung der Liquiditätsnachfrage ist zur Zeit noch gehemmt. Da der Bundeshaushalt 1967 noch nicht verabschiedet ist, macht sich zum Nachteil der Wirtschaft ein Ausgabestau nach wie vor hemmend bemerkbar. Nach Verabschiedung des Bundeshaushalts im Juni wird sich das schlagartig ändern. Zur gleichen Zeit geht auch die Anlaufzeit des ersten Eventualhaushalts zu Ende. Also: In der zweiten Jahreshälfte ist mit einer spürbaren Massierung der öffentlichen Ausgaben zu rechnen, zumal dann auch das Defizit der Sozialversicherungsträger mit etwa 1,5 Milliarden DM stark expansiv wirken wird. Für alles das ist offenbar genug Liquidität vorhanden. Funktioniert die beabsichtigte Initialzündung gleichfalls in der zweiten Jahreshälfte, womit wohl zu rechnen ist, dann ergäbe sich wahrscheinlich die Gefahr einer Überforderung des Kapitalmarktes, falls man gleichzeitig einen zweiten Eventualhaushalt praktizieren wollte. Es geht also nicht an, heute schon über die Frage eines zweiten Eventualhaushaltes — der nach Ansicht des Berliner Instituts ein Volumen von 4 Milliarden DM haben sollte — zu entscheiden. Eventuelle Liquiditätsreserven sollte der Bund lieber den Ländern und Gemeinden für Infrastrukturmaßnahmen überlassen. Im Dritten Jahresgutachten war in der Alternativprojektion II („ungezügelte Expansion") auf die Gefahr eines kumulativen Prozesses im Jahre 1968 hingewiesen worden. Dieser Hintergrund muß auch heute noch beachtet werden,desgleichen der Hintergrund eines Haushaltsdefizits des Bundes für 1968 in Höhe von 6,8 Milliarden DM. Ein zweiter Eventualhaushalt würde also eine Vervielfachung späterer Konsolidierungsschwierigkeiten bedeuten. Auch aus diesem Grunde darf man sich nicht vorzeitig und nicht ohne Not für ihn entscheiden. Anlage 3 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Schmidhuber (CDU/CSU) zu Punkt 4 der Tagesordnung. Heute ist schon mehrmals von der psychologischen Komponente der Konjunkturpolitik gesprochen worden. Meiner Meinung nach kann man diesem Fragenkomplex nicht genügend Aufmerksamkeit widmen. Steht doch hinter den Summengrößen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung eine unübersehbare Zahl von Einzelentscheidungen, die von den Marktteilnehmern, von den Konsumenten und Produzenten, Tag für Tag gefällt werden müssen. Kollektivurteile über die Entwicklung der Konjunk- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 5003 tur, wie etwa die sogenannte Krisenfurcht, können — selbst wenn sie unbegründet sind — den weiteren konjunkturellen Ablauf unter Umständen stärker beeinflussen als wirtschaftspolitische Maßnahmen; ja, sie können Wirkungen auslösen, deren Größe und Mächtigkeit in keinem Verhältnis steht zu den relativ bescheidenen Einflußmöglichkeiten der öffentlichen Hand. Dafür gibt es in der Wirtschaftsgeschichte der zwanziger und dreißiger Jahre genügend Beispiele. Die Marktteilnehmer können sich aber nicht allein an ihren unmittelbaren wirtschaftlichen Erfahrungen, die sich meistens nur auf einen schmalen Sektor beziehen, orientieren, sondern sie sind auch darauf angewiesen, wie die öffentliche Meinung und die für die Wirtschaftspolitik Verantwortlichen die Lage beurteilen. Insofern setzt auch der Sachverständigenrat selbst durch seine gutachtlichen Äußerungen ein konjunkturelles Datum. Er ist also in der Lage des Arztes, der bei der Mitteilung der Diagnose an den Patienten die Wirkungen bedenken muß, die diese Mitteilung auf den Kranken haben könnte. Überspitzt könnte man hierbei von dem „prozyklischen Effekt von Gutachten" sprechen, wobei ich insbesondere die möglichen Wirkungen auf das Konsumentenverhalten im Auge habe. Dies ist die Folge davon, daß die Erörterung konjunkturpolitischer Fragen, der durch das Gesetz institutionalisierte Dialog zwischen Sachverständigenrat und Bundesregierung sich im vollen Licht der Öffentlichkeit vollzieht. Dabei kann der Sachverständigenrat möglicherweise in eine ähnliche Situation geraten wie die Demoskopen bei der letzten Bundestagswahl, nämlich daß man ihnen später den Vorwurf macht, sie hätten durch ihre Prognose das Ergebnis beeinflußt. Man sieht, die „informierte Gesellschaft" hat auch ihre Gefahren. Man sollte daraus keinesfalls die Konsequenz ziehen, einer öffentlichen Erörterung konjunkturpolitischer Fragen aus dem Wege zu gehen. Allerdings sollte man diese unerwünschten Nebeneffekte bei der Formulierung und unter Umständen bei der Wahl des Zeitpunktes der Äußerung zu vermeiden suchen. Die zweite Bemerkung betrifft das Problem der außenwirtschaftlichen Absicherung der Währungsstabilität, den Schutz vor der sogenannten importierten Inflation. Niemand wird sich der in mehreren Stellungnahmen vorgetragenen Sorge des Sachverständigenrates zu verschließen vermögen, die binnenwirtschaftliche Stabilität werde durch außenwirtschaftliche Einflüsse gefährdet. Die vom Sachverständigenrat vorgeschlagenen autonomen Lösungsmöglichkeiten bergen — abgesehen von juristischen Hindernissen — jedoch schwer überschaubare Risiken in sich. An erster Stelle steht dabei die heute schon einmal ausgesprochene Befürchtung, die Exporterfolge der deutschen Wirtschaft könnten darunter leiden. Die Abneigung gegenüber einer Verminderung der Währungsparitäten resultiert letztlich aus der Tatsache, daß derartige Operationen die Handelsströme oft auf lange Zeit erheblich beeinträchtigen, ja sogar auf die Dauer umlenken können. Aus diesem Grund hat der Wirtschaftsausschuß die im Entwurf des Stabilitätsgesetzes vorgesehene Möglichkeit einer Senkung der Sätze der Umsatzausgleichsteuer und der Ausfuhrvergütung — ein Instrument, das man als partiell und zeitlich begrenzten Aufwertungsersatz ansehen könnte — gestrichen. Die importierte Inflation ist im übrigen nicht das wirtschaftspolitische Problem des Jahres 1967. Auf längere Sicht — vielleicht schon im nächsten Jahr — wird uns allerdings diese Frage immer wieder beschäftigen. Die Wechselbeziehungen zwischen den Wirkungen des internationalen Preiszusammenhangs und den monetären Folgen eines strukurellen Zahlungsbilanzüberschusses einerseits und dem Auslastungsgrad der binnenwirtschaftlichen Produktionskapazitäten andererseits bedürfen im übrigen noch weiterer quantitativer Untersuchungen. Vorerst bleibt nur ein Ausweg, um den Gleichschritt der westlichen Industriestaaten in die Inflation zu bremsen bzw. zu stoppen, nämlich sich verstärkt um eine internationale Koordinierung der nationalen Wirtschafts- und Finanzpolitik der einzelnen Staaten zu bemühen. Gewisse Möglichkeiten bietet dazu das Europäische Währungsabkommen sowie Art. 107 des EWG-Vertrages und last not least die ökonomische Vernunft und das wohlverstandene gemeinsame Interesse an einer gesunden internationalen Finanzordnung. Anlage 4 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Stein (Honrath) (CDU/CSU) zu Punkt 4 'der Tagesordnung. Ich möchte mich nicht mit dem Inhalt des Dritten Jahresgutachtens und des Sondergutachtens unseres Sachverständigenrates befassen. Kritik und Zustimmung sind zu diesem Inhalt geäußert worden, zu dem Sondergutachten fast nur Kritik, in der Öffentlichkeit noch mehr als hier. Ich habe das bewußt anderen überlassen und will mich mit einer anderen, wie mir scheint, ebenfalls sehr wichtigen Frage beschäftigen, einer Frage, die die Gutachten aufwerfen und von anderen schon kurz gestreift wurden. Dieses Hauptgutachten, das wir diskutieren, ist das dritte, das Sondergutachten das erste seiner Art. Im August 1963 wurde durch das Gesetz, das dem ganzen Vorgang zugrunde liegt, der Auftrag gegeben, Untersuchungen über die Ausgewogenheit unserer wirtschaftlichen Entwicklung mit Hilfe eines unabhängigen Sachverständigengremiums vorzunehmen. Die beiden heutigen Gutachten sollten meines Erachtens Anlaß sein, uns unsererseits zu prüfen, ob wir mit dieser Art und Form der Gutachten, an die wir uns sozusagen schon gewähnt haben, auf dem richtigen Wege sind. Ist es das, was wir wollen und erhofft haben? Mit anderen Worten: Haben sich das Gesetz und seine Absicht 5004 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 mit diesem Gutachten bewährt, oder sollten wir etwas andere Wege beschreiten? Wenn ja, welche? Ich denke, daß man diese Frage in aller Ruhe aufwerfen und daß man allmählich mit dieser Diskussion beginnen kann. Diese Diskussion müßten zunächst wir in diesem Hause führen. Denn wir sind zunächst die Empfänger der Gutachten, wie wir auch die Initiatoren des Gesetzes gewesen sind. Die Bundesregierung gibt zwar eine Stellungnahme dazu ab, sie ist aber vielleicht nicht so frei in ihrer Äußerung zur Frage des Gelingens des gesetzlichen Auftrages und zu den Verfahrensfragen der Gutachten. Die Regierung könnte in den Verdacht kommen, sich mit grundsätzlichen Änderungen oder Ausgestaltungsvorschlägen einen unbequemen Aufpasser oder Kritiker vom Halse schaffen oder ihn an die Kette legen zu wollen. Vielleicht auch umgekehrt. Deshalb sollte ,der Bundestag, sollte das Parlament diesen ersten Saldo der Betrachtung der bisher gewählten Form !der Untersuchungsmethode ziehen und die Frage der Verbesserungserfordernisse und Verbesserungsmöglichkeiten sich selbst stellen. Eine kleine Vorbemerkung! In Deutschland, aber auch anderwärts, gerät man leicht in den Geruch, geistig etwas minderbemittelt zu sein, wenn man den Spruch von Weisen nicht sozusagen auf den Knien entgegennimmt. Wird diese Ergebenheit, so frage ich, als Preis dargebracht für die Unabhängigkeit, also dafür, daß die Männer im Elfenbeinturm den Kampf gegen Interessen und unsachliche Einflüsse gewagt oder sich um weisungsfreie Beurteilung bemüht haben? Es lohnt sich, über diese Frage, deren Beantwortung über unsere Gesellschaft viel aussagen würde, nachzudenken. Der allgemeine Gutachter ist in Deutschland leider stark abgewertet. Im Volksmund, jedenfalls im qualifizierteren, sagt man, nicht ganz zu Unrecht, daß man für alles und jedes, für alle nur denkbaren Ansichten zu einer Sache einen Gutachter haben kann. Wir kennen ja alle die Prozesse, deren Akten mit vielen einander widersprechenden Gutachten angefüllt sind. Wenn ich das sage, so will ich damit unterstreichen, daß die Unabhängigkeit eines Gutachters in der Tat nach der Überzeugung vieler mit besonderen Kautelen hergestellt werden muß. Es muß eine staubfreie Atmosphäre gesichert sein. Ich bekenne mich jedenfalls ganz grundsätzlich zu der Auffassung, daß das unabhängige Gutachten in Deutschland einen hohen Rang anstreben und erhalten muß und daß die Gutachter ihre Ehre in die völlig unabhängige Begutachtung setzen müssen. Weisungsfrei und unabhängig heißt aber nicht, daß ein Gutachten sozusagen im luftleeren Raum gestaltet werden müsse. Je elfenbeinerner ein Gutachten ist, um so luftleerer ist es aber. Nun garantiert in unserem Falle des gesamtwirtschaftlichen Sachverständigenrates die Persönlichkeit der Gutachter, die sich in ihren Kreisen und gegenüber der Öffentlichkeit ja auch wieder über ihre Thesen auseinanderzusetzen haben, für die lebensvolle Komprimierung des Stoffes und für eine gewisse Bodennähe der Betrachtung. Aber dieser Status, den wir den Gutachtern zugewiesen haben, reicht nach meiner Ansicht nicht aus, blut- und lebensvolle Gutachten sozusagen von der Methode her sicherzustellen. Wir befinden uns mit unserem Untersuchungsauftrag nicht in der Justiz oder einem sonstigen Bereich, bei dem es um die abstrakte und theoretische Frage des Falsch oder Richtig geht, sondern in der Wirtschaft, einem Bereich also, bei dem letzten Endes nur das konkrete Ergebnis interessiert, die Frage, ob diese konkrete Vorstellung mit Hilfe der vorausgeschickten Daten auch wirklich überzeugt. Ich habe oft die Meinung gehört, daß der Auftrag an den Sachverständigenrat an sich utopisch sei, weil dieser Auftrag sich in einem theoretischen Idealbild, nämlich der Stabilität des Preisniveaus, einem hohen Beschäftigungsstand, dem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wachstum zu vollziehen habe und die Einzeluntersuchungen dieser Zielsetzung zu dienen hätten. Nun gut, Gesetze können sich ideale und vielleicht unerreichbare Ziele setzen. Aber wir hier sind leider auf die Realitäten der vier Ideale angewiesen. Wir können zwar anordnen, daß die Vorstellungen der Sachverständigen keine Empfehlungen sein sollen. Aber alle Welt faßt sie als solche auf, besonders wenn sie — wie z. B. dieses unglückliche Ergänzungsgutachten — wenig Alternativen haben und wenn die Presse von den Gutachten als dem volkswirtschaftlichen Gewissen der Nation spricht. Die Vorstellungen der Sachverständigen, hoch in den Raum gestellt, sind dann natürlich die Basis für politische Attacken und Alibis, obwohl irgendeine Bewährung dieser Vorstellungen im politischen Raum nicht stattgefunden hat, die Regierung vielmehr sofort in der Rolle des Angeklagten ist. Ja, das Gutachten selbst kann sofort Angreiferin sein. Wer will das für die Vergangenheit der 31/2 Gutachten bestreiten? Es kann aktiv in eine ganz bestimmte Richtung wirken, statt nur Möglichkeiten für die eine oder andere Handhabung aufzuzeigen. Die Gefahr dieser unabhängigen, also wertfreien und unpolitischen, aber politisch höchst wirksamen, eindeutig als Empfehlung wirkenden Nichtempfehlung ist groß, sehr groß. Wir haben sie bisher gebändigt, aber das muß nicht immer so sein. Ich habe 'sogar den Eindruck, daß das von Jahr zu Jahr schwieriger wird. Die Wirtschaft darf nach meiner Auffassung nicht in dieser Weise nur den Sachverständigen zu einem so hohen und unmittelbaren Einfluß überlassen werden. Der Sachverständigenrat soll in diesem Gutachten darstellen, die Situation darstellen, aber nicht an Hand eines Bildes, das sich an Idealen und nicht ganz realistischen Generalklauseln orientiert. Nur eine einzige der vier von mir vorhin genannten Komponenten braucht, aus welchen Gründen auch immer, nicht realistisch zu sein, dann ist das ganze Bild schief. Hier scheint mir ein wesentlicher Mangel unseres Gesetzes zu liegen. Ein zweiter Mangel hängt damit zusammen und scheint mir darin zu liegen, daß der Sachverständigenrat personell ergänzt oder etwas anders zusammengesetzt werden muß. Meines Erachtens müßte mindestens ein von Berufs wegen sicherer Kenner der politischen Zusammenhänge in das Gremium herein. Außerdem müßten die Mitglieder des Sachverständigenrates einen Status haben, der es ihnen zur Pflicht macht, die Valuta ihres Gut- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 5005 achtens mit einer voll funktionierenden Methode zu erreichen. Was verstehe ich hierunter? Betrachten wir einmal mit einem kurzen Streiflicht die bisherigen 31/2 Gutachten. Leider ist ja unsere Gegenwart so schrecklich vergeßlich. Was wäre geschehen, wenn wir den Vorstellungen der zurückliegenden Gutachten gefolgt wären? Was würde geschehen, wenn wir das vorliegende dritte und das Sondergutachten unter Hinnahme der Korrekturen zur Grundlage unserer Entscheidung machen würden? Sicher gibt es überzeugte, positive Beurteiler. Auf diese Frage des Falsch oder Richtig kommt es mir aber — wie gesagt — in diesem Zusammenhang gar nicht an, sondern darauf, daß in der Beurteilung und in den Vorschlägen des Sachverständigenrates zu wichtigen Problemen nach der Ansicht einer sehr großen Zahl von anderen Sachverständigen deutlich Fehlbetrachtungen vorliegen und einzelne vorgeschlagene Ziele auf den erörterten Wegen nicht erreicht werden können. Anders gesagt, daß die etwa in der Richtung des Gutachtens eingeleiteten Maßnahmen weder auf einer zuverlässigen sachlichen noch politischen Basis aufgebaut und realisiert werden können. Ich meine, daß die Gutachten und die Gutachter durch diese Situation in die Gefahr einer allmählichen und längst aktuellen Entwertung geraten. Die freundlichen Bemerkungen der Bundesregierung in der Einleitung ihrer Stellungnahme zum dritten Gutachten können darüber nicht hinwegtäuschen. Mein heutiges Thema ist, wie es dazu kommt und wie wir diese Devaluierung vermeiden, einer weiteren Abwertung vorbeugen können. In dieser ersten Diskussion hierüber ist das Ganze mit wenigen Sätzen darzustellen. Wir brauchen nur einmal die Gutachten ganz klar ins Auge zu fassen. Sie bestehen aus zugrunde gelegten Daten, allgemeinen oder speziellen Prämissen und Aspekten sowie einer Analyse, das Sondergutachten ferner aus Korrekturen. Die Gutachter setzen sich vor den Gutachten in freier Weise mit diesen oder jenen Stellen, sicherlich allen sachlich zu einem Beitrag berufenen, in Verbindung und informieren sich. Wir alle sind gehalten, sie in ihrer Arbeit zu unterstützen, und tun das gern. Welche Ansichten die Gutachter mitbringen, sei es zur Diagnose oder zur Therapie, erfahren wir nicht oder nicht unbedingt, jedenfalls nicht in einer verbindlich geregelten Form. Oft oder wohl meist spricht auch nur einer der Gutachter mit diesem oder jenem Bedarfsträger oder verantwortlichem Gremium. Soweit nicht das Statistische Bundesamt eingeschaltet ist, werden die Daten wohl auch nicht verbindlich abgestimmt, die Prämissen und Aspekte bleiben auf beiden Seiten, also sowohl bei den befragten Gebern als den nehmenden Sachverständigen, etwas im angenehmen Dunkel; es wird ja auch aus Gründen, die man menschlich verstehen kann, mit allerlei Vorsicht gearbeitet. Die nachfolgende Analyse — das haben wir ja nun schon mehrfach und mit steigender Intensität erlebt — hebt sich dann leicht wie von selbst etwas vom Boden und kann in dieser oder jener Einzelfrage, wie wir gehört haben, sogar in eine bedenkliche Höhe geraten, eine Erscheinung, an die wir uns im Bereich der theoretischen Wirtschaftspolitik beinahe schon gewöhnt haben, die aber wegen der Neigung des deutschen Charakters, den Politikern zu mißtrauen, den Gutachtern zu vertrauen, auch nicht völlig ungefährlich ist. Nach meiner Ansicht muß sich das Gutachtergremium, müssen sich die grundlegenden Ausgangspunkte und die entwickelten Vorstellungen zunächst dem politischen Raum im weitesten Sinn stellen, bevor sie mit dieser Feierlichkeit verkündet, der Regierung übermittelt und von dieser an uns weitergegeben werden. Wir wollen, daß gutachtliche Meinungen nicht nur richtig und von den sonstigen Qualitätsgutachten in Deutschland, soweit wie möglich, gleich mitgetragen werden, sondern daß diese Gedankengänge auch politisch und praktisch realisierungsfähig erscheinen. Ich kann diesen Punkt nicht deutlich genug unterstreichen. Er bedeutet nicht, daß die Gutachter nur erörtern sollen, was auch Aussicht hat, vollzogen zu werden. Welcher Irrtum wäre das! Er bedeutet vielmehr, daß der Sachverständigenrat unter Einsatz seiner eigenen, wenn auch zunächst nur vorläufigen Ansicht mit allen in Betracht kommenden Stellen in einem nicht allzu streng, aber in diesem Punkt klar geregelten Verfahren sprechen muß und daß er seine Prämissen, Aspekte und Analysen in voller Kenntnis der sachlichen und politischen Auffassungen und Pläne, die zu seinem Aufgabenbereich gehören, darzulegen hat. Das Material dieser Vorauseinandersetzung könnte in übersichtlicher Form dem Jahresgutachten beigefügt werden. Zur Veranschaulichung dieses Änderungsbedürfnisses unseres Gesetzes kann man natürlich mehrere sehr aktuelle Beispiele wählen. Das Sondergutachten allein rechtfertigt die ganze Skala der Kritik an der jetzigen Praxis der Gutachtenerstattung: Der gesetzliche Auftrag ist nichtvoll eingehalten, wenig Alternativen sind aufgezeigt, die Vorschläge wirken klar als Empfehlung, über die Stellungnahme wichtiger Partner, z. B. des Außenhandelsbeirats, ist man hinweggegangen, der Vollzug des Eventualhaushaltes ist nicht ganz zutreffend beurteilt, und zu manchen Einzelfragen fehlt eben die Mitteilung der Stellungnahme der Hauptbeteiligten und anderes mehr. Diese Gesprächspartner sind nämlich die Träger unser marktwirtschaftlichen Ordnung. Diese Träger und ihre Ansichten hat das Gutachten neben den sonstigen Begebenheiten und Bindungen nationaler und internationaler Art mit einzubeziehen und zu würdigen. Wenn z. B. ein wesentlicher Teil dieser Partner, selbstverständlich mit guten Gründen, die Erwägung des Sachverständigenrates ablehnt oder als politisch undurchführbar bezeichnet, ist das ein Faktum im Bewußtsein dessen, daß die Vorschläge des Gutachtens lebensvoll und politisch durchblutet sein müssen; sonst haben sie nur wissenschaftlichen Wert. Ich meine, daß wir nur bei Beachtung dieses Grundsatzes den Gutachtern den Status sichern können, der unserer Hoffnung auf die Nützlichkeit und den nationalen und gesamtwirtschaftlichen Wert ihrer Gutachten entspricht. 5006 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 Unser Gesetz muß ergänzt werden. Das dritte Gutachten und das Sondergutachten zeigen dies mit einer mehr als ausreichenden Deutlichkeit. Das ist meine Ansicht und die vieler meiner Freunde. Die Änderung kann mit einigen wenigen Pinselstrichen geschehen, die die Geborgenheit des Gutachtens im gesamten politischen Raum, die Anlehnung an die tragenden Kräfte unserer Gesellschaft garantieren, und wird uns schnell zu der gewünschten Form der Gutachten weitrhelfen. Ich verrate wohl auch kein Geheimnis, wenn ich sage, daß die wissenschaftlichen Gutachter selber im In- und Ausland sich über wesentliche Grundlagen solcher gutachtlicher wirtschafts-wissenschaftlicher Aussagen im Streit oder nicht in Übereinstimmung befinden. Einzelne meinen z. B., daß zwischen Analysen und Empfehlungen sowie zwischen Gutachten und politischen Entscheidungen nicht getrennt werden könne. Andere meinen, daß die Gutachter auch über Mittel zur wirksamen Durchführung ihrer Gedanken verfügen müßten usw. Jedes Land kann das natürlich halten, wie es will. Was wir wollen, ist jedenfalls, daß die Gutachter die anstehenden Probleme herausstellen und begutachten, wobei es natürlich in erster Linie und gerade auf diejenigen Erscheinungen ankommt, die außerhalb des normalen oder vermuteten Konjunkturablaufes liegen. Die Gutachter müssen dabei auf wissenschaftlich verläßlichem Boden bleiben und allzu kontroverse Theorien vermeiden. Sie sollen aber ihr Votum vertreten, und zwar so, daß die Regierung, die die Richtigkeit und Zweckmäßigkeit des Gutachtens zu prüfen und die anschließend nach ihrem politischen Auftrag zu handeln hat, die in dem Gutachten geäußersten Auffassungen nach ihrer Durchführbarkeit beurteilen kann. Was diese Auffassungen nun angeht, so hat ein sehr angesehenes Mitglied dieses Hauses in diesen Tagen höchst lapidar festgestellt, es sei reiner Aberglaube, daß Wissenschaftler allgemein bessere Ideen hätten als Politiker. Wir wollten diese Frage schon aus Höflichkeit gegenüber der Wissenschaft offenlassen, jedenfalls aber nicht vom Gegenteil ausgehen. Die Devise müßte lauten: noch lebensvoller, noch realistischer, noch praxisgerechter. Die Wissenschaft braucht dabei insbesondere in den Präliminarien nicht zu kurz zu kommen. Ich breite diese Gedanken hier einmal aus in voller Sorge, daß eine Sache, die ich persönlich zwar für politisch unzweckmäßig gehalten habe, die wir aber so gut wie möglich zu gestalten haben, an Überzeugungsfähigkeit und Bodennähe noch mehr verliert, wenn wir ihr nicht zu Hilfe kommen. Letzten Endes sind Sachverständigengutachten soviel wert, wie sie sich mit ihren Hauptgedanken als durchsetzbar erweisen. Mein Vorschlag ist, in Zusammenarbeit mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister im Wirtschaftsausschuß dieses Hauses die Frage der künftigen Methode der kommenden Gutachten grundsätzlich zu diskutieren. Wir sind ja in der glücklichen Lage, daß die jetzige Koalition eine solche Diskussion ohne politische Hektik und die Gefahr allzu kurzsichtiger Betrachtungsweise ermöglicht. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Adorno vom 27. April 1967 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Hübner (Drucksache V/1634 Fragen 69, 70 und 71) : Ist daran gedacht, die durch den Einsatz von einer elektronischen Großrechenanlage beim Übersetzerdienst der Bundeswehr erzielten Arbeitsvereinfachungen auch der interessierten Öffentlichkeit in der Weise nutzbar zu machen, daß sie gegen eine Gebühr die damit gegebenen Möglichkeiten nutzen kann? Bestehen Pläne, die beim Übersetzerdienst der Bundeswehr durch den Einsatz einer elektronischen Großrechenanlage möglichen Arbeitsvereinfachungen auch für die fremdsprachliche Arbeit anderer Ressorts zu nutzen? Bestehen Pläne zur Gründung eines zentralen Bundessprachenamtes zur Koordinierung und zentralen Finanzierung der Arbeit an wichtigen sprachlichen Problemen, zum Beispiel der Einsatzmöglichkeiten von Großrechenanlagen oder der Koordinierung terminologischer Vorhaben, um so Doppelarbeit zu vermeiden? Es ist in der Tat daran gedacht, die beim Übersetzerdienst der Bundeswehr erarbeiteten Verfahren der maschinellen Übersetzungshilfe und Lexikographie unter Verwendung einer elektronischen Datenverarbeitungsanlage für interessierte Kreise von Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung nutzbar zu machen. Ein Erlaß . an den Übersetzerdienst, in dem die Modalitäten der Überlassung von Arbeitsergebnissen dieser Art an Stellen außerhalb der Bundeswehr geregelt werden, steht vor der Herausgabe. Was für die interessierten Stellen von Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung gilt, gilt erst recht für die übrigen Bundesverwaltungen. Die anderen Bundesressorts können sich bereits heute für ihre fremdsprachliche Arbeit im Wege der Amtshilfe der Möglichkeiten bedienen, die im Sprachendienst der Bundeswehr und speziell beim Übersetzerdienst der Bundeswehr durch den Einsatz einer elektronischen Großrechenanlage für linguistische Zwecke zur Verfügung stehen. Es ist beabsichtigt, die interministerielle Zusammenarbeit auf diesem Gebiet durch Vereinheitlichung der Verfahren der Terminologiearbeit und durch Einspeisung möglichst aller terminologisch-lexikographischen Arbeitsergebnisse in den Zentralspeicher zum Nutzen sämtlicher Beteiligten zu rationalisieren und zu intensivieren. Es ist vorgesehen, die Sprachenschule der Bundeswehr, den Übersetzerdienst der Bundeswehr und einige Arbeitsgebiete des Sprachenreferats des Verteidigungsministeriums zu einem Sprachenamt zusammenzufassen. Da die linguistischen Disziplinen Übersetzen, Sprachunterricht und sprachwissenschaftliche Arbeit wechselseitig eng verzahnt sind, garantiert erst eine organisatorische und räumliche Zusammenfassung den größtmöglichen Arbeitserfolg. Erst nach dieser Zusammenfassung werden alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden können, die in Gestalt moderner technischer Hilfsmittel und moderner Verfahren der angewandten Linguistik heute zu Gebote stehen. Das Sprachenamt soll als Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Verteidigungsressorts konstituiert werden. Es soll zu etwa 20-25 % seiner Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 5007 Kapazität den übrigen Bundesverwaltungen zur Verfügung stehen. Es wird gem. einer Vereinbarung mit dem federführenden Bundesministerium des Innern die Bezeichnung „Bundessprachenamt" führen. Ein Grundstück für das Bundessprachenamt steht in Hürth bei Köln zur Verfügung. Die Bauplanung ist in etwa abgeschlossen. Angesichts der absolut unzureichenden derzeitigen Unterbringung der Sprachenschule der Bundeswehr kann der Baubeginn nicht mehr länger hinausgeschoben werden. Die Lösung dieser Frage steht aber unter dem Zwang, den ein eingeschränkter Haushalt auferlegt. Die Vorstellungen über die Finanzierung bestimmter, über den Verteidigungsbereich hinausgreifender Aufgabenkomplexe des Amtes bedürfen noch der weiteren interministeriellen Abstimmung.
    • insert_commentVorherige Rede als Kontext
      Rede von Dr. Erhard Eppler


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

      Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage, wie sich die Menschheit vor der Vernichtungskraft atomarer Waffen schützen soll, ist so alt wie diese Waffen selbst. Daher wird seit Jahren darüber nachgedacht, wie der uferlosen Ausbreitung dieser Waffen Einhalt geboten werden kann. Es wird darüber nachgedacht in der UNO, in Parlamenten, Regierungen, Kirchen und vor allem in dem 18-Mächte-Abrüstungsausschuß.
      Seit einigen Monaten nun konzentriert sich diese Diskussion auf Entwürfe zu einem Atomwaffensperrvertrag, dessen Inhalt sich vor allem in zwei Punkten konzentriert, nämlich, daß sich die Kernwaffenstaaten verpflichten, an niemanden Kernwaffen weiterzugeben und auch niemandem bei der Produktion solcher Waffen zu helfen, und daß sich umgekehrt die Nichtkernwaffenstaaten verpflichten, keine solchen Waffen zu erwerben oder herzustellen.
      Meine Damen und Herren, die Entwürfe zu diesem Vertrag waren Thema der Diskussion nicht nur in der Bundesrepublik, aber auch in diesem Lande, und die Diskussion war geprägt von Befürchtungen, von Hoffnungen, sehr häufig auch von Vermutungen und Spekulationen. Sie war hilfreich dadurch, daß immer wieder Sachverständige aus dem Bereich der Atomphysik ihren Beitrag geleistet und dadurch die Problematik durchsichtiger gemacht haben.
      Aber das Unbefriedigende an dieser Diskussion gerade auch in unserem Lande war der Mangel an präzisen Texten und präzisen Informationen. Wir haben Verständnis dafür, daß so diffizile Verhandlungen, wie sie die Bundesregierung geführt hat, nicht auf offenem Markte ausgetragen werden. Wir haben Verständnis dafür, daß sich die Bundesregierung hier an Vertraulichkeit gebunden fühlte, wie sie in solchen Dingen üblich ist. Die Regierungsfraktionen, deren Große Anfrage zu begründen ich die Ehre habe, haben darauf lange, wie einige unserer Kollegen glauben, sogar zu lange, Rücksicht genommen. Wir glauben, daß jetzt, nachdem die Entscheidung im NATO-Rat gefallen ist und man sich auf die nächste Runde in Genf vorbereitet, der Zeitpunkt gekommen ist, in dem die Regierung das Wort nehmen sollte. Das ist der Anlaß dieser Großen Anfrage. Der Anlaß dieser Anfrage, verehrter Herr Kollege Schultz, ist übrigens nicht Ihr Antrag gewesen, der uns aufgeweckt hätte. Wir waren wach, wir waren hellwach, Herr Kollege!

      (als Industrienation, die auf die friedliche Verwendung atomarer Energie immer mehr angewiesen ist wie andere Induistrienationen auch, seien es nun Japaner oder Israelis. Wir sind zweitens betroffen als NATO-Partner, der wissen will, was aus diesem Bündnis im Hinblick auf diesen Vertrag wird. Wir wollen das wissen wie andere NATO-Partner auch, seien es nun Dänen oder Türken. Wir sind drittens betroffen als Glied einer Europäischen Gemeinschaft, der wir gerade auf diesem Gebiet einen Teil unserer Souveränität abgetreten haben wie andere europäische Nationen auch, seien es nun Italiener oder Holländer. Wir sind schließlich viertens von diesem Vertrag betroffen — darauf möchte ich besonderen Wert legen — als ein Volk, das seinen Weg zu einer Friedensordnung sucht wie andere Nationen auch, seien es nun Kambodschaner oder Tschechen. Dr. Eppler Unsere Interessen laufen also — zumindest strekkenweise — immer parallel mit denen anderer Nationen, und es ist nicht Sinn dieser Anfrage, zu erfahren, ob und wie in dieser Sache für die Bundesrepublik eine Extrawurst gebraten wird. Wir wollen diese Extrawurst nicht. Aber andererseits, meine Damen und Herren, sind es doch auch unsere Interessen, die hier auf dem Spiele stehen, insofern wir Industrienation, insofern wir NATO-Partner, insofern wir Glied einer Europäischen Gemeinschaft und insofern wir ein Volk sind, das nach dem Frieden sucht. Daher können wir uns in dieser Frage nicht einfach totstellen — dazu sind wir ein bißchen zu lebendig —, und wir können uns auch nicht einfach hinter dem Rücken anderer verkriechen; dazu sind wir nicht klein genug. Meine Damen und Herren, es gibt Meinungsverschiedenheiten in der deutschen Öffentlichkeit und auch in diesem Hause darüber, welches Gewicht die einzelnen Interessen, die ich hier andeutete, haben, und zwar vor allem im Verhältnis zueinander. Das ist kein Unglück. Aber es wäre fatal, wenn in unserer Öffentlichkeit und womöglich auch hier in diesem Hause falsche Fronten entstünden, die nur Unheil stiften könnten. Das wäre der Fall, wenn es so aussähe, als gäbe es auf der einen Seite Politiker, die irgendeiner imaginären Friedensordnung nachjagten und dabei die nationalen Interessen vergäßen, und auf der anderen Seite solche, die lediglich diese nationalen Interessen im Auge hätten und dabei übersähen, welchen Beitrag wir zum Frieden zu leisten haben. Das wäre deshalb falsch und fatal, weil einerseits völlig klar ist, daß es hierbei auch um unsere Interessen geht, wir dies aber nur mit Recht sagen können, wenn wir sofort hinzufügen: ein vitaleres Interesse als das an der Erhaltung des Friedens gibt es in diesem Volke nicht. Damit bin ich bereits bei Punkt 1 unserer Großen Anfrage. Die Regierungserklärung vom 13. Dezember sagt, der Wille zum Frieden und zur Verständigung der Völker sei das erste Wort und das Grundanliegen dieser Regierung. Meine Herren von der Regierung, es sind Zweifel aufgekommen — vor allem im Ausland, aber auch im Inland —, ob sich die Haltung der Bundesregierung zum Atomwaffensperrvertrag mit dieser Ihrer Regierungserklärung, Herr Bundeskanzler, vereinbaren lasse. Wir teilen diese Zweifel nicht. Aber wir fragen: wie ordnen Sie Ihre Haltung zum Atomwaffensperrvertrag, und zwar möglichst fugenlos, in diese Ihre Politik der Friedenssicherung ein? Niemand ist gefeit gegen Verdächtigungen, und wir sollten uns dadurch auch nicht nervös machen lassen. Aber eben deshalb ist es gut, wenn die Regierung jede Zweideutigkeit vermeidet, und so erwarten wir gerade in diesem Punkt eine klare Antwort der Regierung. Die Bundesregierung hat — das ist unser Punkt zwei — mit vielen Ländern Kontakt gehabt, die von diesem Vertrag betroffen sind, innerhalb der NATO, außerhalb der NATO, mit EWG-Partnern, aber ganz besonders natürlich mit den Vereinigten Staaten. Wir haben dagegen keine Einwände. Wir sind auch nicht geneigt, Herr Bundesaußenminister, die Ergebnisse dieser Verhandlungen etwa nach Zeitungsberichten zu beurteilen, die sehr häufig mehr die Tendenz dieser Zeitungen als den Stand der Verhandlungen wiedergeben. Aber eben weil die Öffentlichkeit noch weithin im dunkeln tappt, fragen wir Sie heute nach dem Ergebnis dieser Verhandlungen, soweit Sie uns das sagen können. Wir fragen nicht, Herr Bundesaußenminister, welchen Text die USA und die Sowjetunion eventuell am 9. Mai in Genf vorlegen werden. Wir fragen erst recht nicht, ob dieser Text die beste aller möglichen Welten für uns widerspiegelt, sondern wir fragen: Welches waren Ihre Ziele bei diesen Verhandlungen, wo haben Sie Schwerpunkte gesetzt und wo nicht, welche Erfolge haben Sie zu verzeichnen gehabt, und wie beurteilen Sie die Ergebnisse im ganzen? Wir haben in den folgenden Fragen 3 bis 7 selbst genügend Schwerpunkte gesetzt. Herr Bundesaußenminister, das müssen nicht Ihre Schwerpunkte sein. Wenn Sie uns noch einiges andere mitteilen wollen, so dürfen Sie — wenn ich jetzt in die Sprache mancher Theologen verfalle, müssen Sie es mir verzeihen — noch alles sagen, was Sie auf dem Herzen haben. Frage 3 ;der Großen Anfrage betrifft nicht den Kern des Atomwaffensperrvertrages, sondern den Kontrollartikel III. Es war bisher gemeinsame Auffassung im Westen überhaupt, daß Maßnahmen der Abrüstung immer mit entsprechenden Kontrollen gekoppelt sein müssen. Wir haben Verständnis dafür, daß .die Vereinigten Staaten auch in diesem Fall nicht von diesem Prinzip abgehen wollen, zumal sie damit ja einen Präzedenzfall schaffen würden. Wir sehen auch ein, daß in diese Kontrollen die friedliche Nutzung von Kernenergie einbezogen werden muß, ganz einfach weil die friedliche und die militärische Nutzung der Kernenergie miteinander zusammenhängen und in Zukunft durch immer mehr Anfall von Plutonium, vor allem bei den sogenannten schnellen Brütern, immer stärker zusammenhängen werden. Das heißt, Herr Bundesaußenminister, wir fragen nicht, ob eine Kontrolle gut und nötig sei, sondern wir fragen: Wer soll kontrollieren? Wer soll kontrolliert werden? Wie soll kontrolliert werden? Und vielleicht auch: an welcher Stelle des Prozesses der atomaren Energiegewinnung soll kontrolliert werden? Es ist nicht meine Aufgabe, hier die allgemeine Bedeutung der friedlichen Nutzung von Kernenergie darzustellen. Aber lassen Sie mich nur drei Zahlen nennen, um diese Bedeutung anzudeuten. Die Zahlen stammen von ersten Experten auf diesem Gebiet. Dr. Eppler Die erste Zahl: Man hat ausgerechnet, daß im Jahre 1990 in der Bundesrepublik für einen Betrag von etwa 8,6 Milliarden DM Kernenergie über Atomreaktoren erzeugt werden kann. Die zweite Zahl: Es ist ausgerechnet worden, daß die sogenannten schnellen Brüter in der Lage sein werden, Strom zu einem Preis von etwa 1,5 Pf pro Kilowattstunde zu erzeugen. Ich sage das jetzt übrigens nicht für unsere Kommunalpolitiker, die hier in Sachen Mehrwertsteuer einiges haben hinnehmen müssen; denn dieser Trost wäre ein etwas ferner Trost. Die dritte Zahl: Es ist errechnet worden, daß die Bundesrepublik bis zum Jahre 1990 — und das ist gar nicht mehr so ferne — aus ,dem Export von Kernreaktoren etwa 70 Milliarden DM erlösen wird. Das ist die Summe des Bundeshaushalts in diesem Jahr. Weil ,das so ist, meine Damen und Herren, ist es mehr als nur ein Schönheitsfehler, daß die Kontrollen, von denen in Art. 3 die Rede ist, nur für diejenigen gelten sollen, die keine Atomwaffen besitzen, und nicht für die Kernwaffenstaaten. Ich neige nicht zum Pathos und will deshalb nicht von Diskriminierung sprechen. Wir wissen, daß alle Tiere auf dieser Welt gleich sind, aber einige eben doch ein bißchen gleicher als andere. Aber wir haben in diesem Zusammenhang einige Fragen an die Regierung: Erstens. Gibt es eine Hoffnung, Herr Bundesaußenminister, daß auch Kernwaffenstaaten — wenn es auch nicht alle sind — Kontrollen in ihrem zivilen Bereich zulassen? Zweitens. Lassen es die Statuten und die Praxis der Internationalen Atomenergiekommission in Wien zu, daß hier und anderswo nur Inspektoren solcher Länder auftreten, die sich selber einer Kontrolle unterwerfen? Drittens: Besteht durch diese Kontrolle die Gefahr — ich will es vorsichtig sagen — einer einseitigen Übertragung von Erkenntnissen oder, etwas härter gesagt, der Industriespionage, und läßt sich diese Gefahr ausschalten? Viertens: Welche Bedeutng hat das sogenannte Spin-off, das heißt die Abfallprodukte und die Abfallerkenntnisse der militärischen Kernforschung, die für die zivile Nutzung brauchbar sind. Wir haben ja, das wissen wir, in der letzten Zeit an diesem Spin-off, an diesen Abfallprodukten, selbst nicht partizipiert. Unsere Frage lautet konkret: Sind Regelungen möglich, die vielleicht sogar günstiger sind als der gegenwärtige Zustand? Fünftens: Sind Befürchtungen berechtigt, daß unsere Ausfuhr an Atomreaktoren dadurch behindert oder gar unmöglich gemacht wird, daß wir die Lieferung des nötigen Kernbrennstoffes von uns aus wegen dieses Vertrages nicht garantieren können? Meine Damen und Herren, ich will hier nicht weiter ins Detail gehen. Es geht einfach um folgendes: Es ist nicht Zweck dieses Vertrages, die friedliche Nutzung der Kernenergie zu behindern. Das ist die Auffassung der interessierten Mächte, insbesondere der Vereinigten Staaten selbst. Trotzdem ist es denkbar, einfach weil friedliche und militärische Nutzung nicht so eindeutig auseinanderzuhalten sind, daß unsere friedliche Nutzung in Mitleidenschaft gezogen wird. Wir wollen wissen, ob das, was nicht Zweck dieses Vertrages ist, mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Der Punkt 4, meine Damen und Herren, steht direkt in diesem Zusammenhang. Der Bedarf der Bundesrepublik an 3%igem Uran wird für das Jahr 1990 auf etwa 19 400 t geschätzt. In diesen Dingen sind wir auf Importe angewiesen, die wir bisher durch Verträge zwischen der Bundesrepublik einerseits und den USA und Kanada andererseits geregelt haben, die aber bald auslaufen, vor allem aber dadurch, daß EURATOM mit den Vereinigten Staaten einen Vertrag hat. Unsere Frage ist: Wird die Lieferung von Kernbrennstoff durch den Atomwaffensperrvertrag berührt, behindert, erschwert oder vielleicht sogar erleichtert? Läßt es sich vertraglich sicherstellen, und zwar ohne zusätzliche Risiken und ohne zusätzliche Abhängigkeiten, daß wir diesen Brennstoff bekommen? Wir haben hier kein übertriebenes Mißtrauen gegen unsere amerikanischen Freunde und Verbündeten; aber ich glaube, wenn es sich um so lange Zeiträume handelt, wird es gut sein, wenn wir hier etwas schwarz auf weiß nach Hause tragen können. Der Punkt 5 der Großen Anfrage geht davon aus, daß die Bundesrepublik auf dem Gebiet der zivilen Nutzung von Kernenergie einen großen Teil ihrer Rechte bereits an EURATOM abgetreten hat. EURATOM ist eine Einrichtung, die einige Schwierigkeiten hat, aber trotzdem etwas ist, was in die Zukunft weist und worauf wir nicht verzichten möchten. Die Kontrolle von EURATOM funktioniert, und für uns würde sie reichen. Aber wir müssen auch die Einwände ernst nehmen, die von anderer Seite dagegen kommen, nämlich, daß eine Kontrolle durch EURATOM schließlich eine Art von Selbstkontrolle wäre, wobei es uns allerdings schmeichelt, wie stark gerade die Länder, die das sagen, die europäische Solidarität werten. Der zweite Einwand ist, daß sich dann auch andere regionale Zusammenschlüsse auf eine solche Art der Kontrolle berufen könnten, und deshalb wird die Forderung erhoben, daß die letzte Kontrollinstanz jeweils die Wiener Behörde sein müsse. Unsere Frage an die Bundesregierung lautet: Sind diese Interessen und Standpunkte unvereinbar, oder ist eine Zusammenarbeit denkbar, und zwar in der Weise, daß EURATOM seine Funktion behält? Was bedeutet z. B. der Begriff der Verifikation bei diesen Kontrollen, bedeutet er eine doppelte' Kontrolle oder Kontrolle der Kontrolle? Wie steht es mit den technischen Mitteln — ich will jetzt keine Fachausdrücke nennen —, die vielleicht in absehbarer Zeit nicht nur die Verifikation, von der hier die Rede ist, sondern auch die Kontrolle selbst erleichtern können? EURATOM ist für uns kein Selbstzweck, EURATOM ist aber ein gutes Mittel zu einem guten Zweck, und wir möchten wissen, was der Vertrag für EURATOM bedeutet. Meine Damen und Herren, es ist kein Zufall, daß die Regierungsfraktionen in ihrer Großen Anfrage Dr. Eppler die militärischen Dinge an den Schluß gestellt haben. Der Atomwaffensperrvertrag ist für uns kein primär militärisches Problem und erst recht kein Problem der nationalen Verteidigung. Wir haben 1954 auf die Produktion von Kernwaffen verzichtet. Die Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 stellt fest, daß wir weder nationalen Besitz noch nationale Verfügungsgewalt wollen. Wer die Entschließung des Dortmunder Parteitages der Sozialdemokratischen Partei kennt, weiß, daß mindestens eine der Regierungsfraktionen hier noch einen Schritt weitergehen, also auch auf den Mitbesitz verzichten würde. Meine Damen und Herren von der FDP: das ist nicht ganz neu. Wir wissen, daß die Sicherheit dieses Landes durch die NATO garantiert wird, und insofern stehen wir günstiger da als Indien oder andere Länder. Aber eben deshalb möchten wir gerne wissen, was dieser Vertrag für die NATO bedeutet: Hat er einen Einfluß, Herr Bundesaußenminister, auf die Planung, hat er einen Einfluß auf eventuelle Wünsche, die wir innerhalb dieser. Planung haben? Einer dieser Wünsche ist von der FDP vorgetragen worden. Er ist auch ein alter Wunsch von Dortmund: die Möglichkeit eines Vetos gegen den Einsatz von atomaren Waffen von unserem Gebiet aus und auf deutsches Gebiet hin. Berührt dieser Vertrag auch Trägerwaffen, die ihren Sinn auch ohne atomare Sprengköpfe haben, und berührt er die Stationierung fremder Atomwaffen in diesem Land? Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch eine Frage anschneiden, deren Gewicht in diesem Hause und auch in den Regierungsfraktionen verschieden eingeschätzt wird, die Frage einer gemeinsamen europäischen Verteidigung mit Einschluß atomarer Waffen. Wir wissen, daß ein europäischer Bundesstaat mit eigener Verteidigungspolitik und eigener Außenpolitik noch gute Weile hat. Bis er kommt, hoffen wir, daß wir auf dem Wege zur Abrüstung schon um einige Schritte weiter sind. Trotzdem wird diese Frage gestellt, und auch ich will hier noch einmal fragen, ob ein Atomwaffensperrvertrag die Verteidigungspolitik eines politisch geeinten Europa präjudizieren kann. Die letzte Frage, Frage 7, hat für uns ein besonderes Gewicht. Bisher leidet die Diskussion über den Atomwaffensperrvertrag darunter, daß uns die Kernwaffenmächte. sagen, daß dieser Vertrag ein Schritt zu einer internationalen Friedensordnung ist, während wir, die Nicht-Kernwaffenmächte, die Gegenfrage stellen, wo denn nun eigentlich dieses Ziel im Vertrag sei, und darauf hinweisen, daß wir es nicht einmal in Umrissen erkennen können. Bisher enthält dieser Vertrag Verpflichtungen vor allem für die nichtnuklearen Staaten, aber nicht für Kernwaffenstaaten. Meine Damen und Herren, daraus kommt das Mißtrauen gegen diesen Vertrag, nicht nur in diesem Lande, auch bei einigen unserer Nachbarn. Daraus kommen die Fragen: Will er wirklich auf den Frieden hinzielen, oder will er für die, die bereits Atomwaffen haben, ein Monopol schaffen, oder will er gar die Zementierung eines militärischen und damit womöglich auch politischen Status quo? Wer dieses Mißtrauen überwinden will, muß mehr bieten als unverbindliche Vorsätze. Er muß klar im Vertrag das Ziel deutlich machen, auf das dieser Vertrag geht, nämlich das einer internationalen Friedensordnung. Das ist nur möglich durch Zugeständnisse derer, die von uns Zugeständnisse erwarten. Meine Damen und Herren, auf diesem Gebiet gibt es Ansätze. Am 2. Februar 1966 hat der sowjetische Ministerpräsident Kossygin eine Botschaft an die 18 Mächte in Genf gerichtet. In dieser Botschaft heißt es: Um eine Einigung über den Abschluß eines Vertrages zu erleichtern, erklärt sich die Sowjetunion einverstanden, daß in den Vertragsentwurf ein Artikel über das Verbot der Anwendung von Kernwaffen gegen nichtatomare Teilnehmerstaaten des Vertrages, auf deren Territorium keine Atomwaffen vorhanden sind, aufgenommen wird. Das ist ein Ansatz, auch wenn er gerade für uns Deutsche nicht voll befriedigend ist. Aber es ist immerhin der Ansatz einer negativen Garantie, nämlich einer Garantie dafür, was die Kernwaffenstaaten sich verpflichten nicht zu tun gegenüber denen, die keine Kernwaffen haben. Viel besser wäre natürlich eine positive Garantie, die Garantie nämlich dafür, was die Kernwaffenstaaten zu tun gedenken zum Schutze derer, die keine Kernwaffen haben und die in diesem Vertrag auf Kernwaffen verzichten. Am 27. Januar dieses Jahres hat Präsident Johnson sich an den sowjetischen Ministerpräsidenten gewandt und vorgeschlagen, den Bestand atomarer Trägerwaffen einfrieren zu lassen. Die Antwort der Sowjetunion hat erkennen lassen, daß sie durchaus bereit wäre, darüber zu diskutieren, den Bestand an offensiven und defensiven Trägerwaffen einfrieren zu lassen. Wir würden vielleicht hinzufügen: Noch besser als einfrieren lassen wäre eine Reduktion. Lassen Sie mich hier noch eine Bemerkung einflechten. Die Aussicht, daß die Supermächte sich in absehbarer Zeit schützen können oder gar schützen werden durch ein sogenanntes ABM-System, d. h. durch Raketen wider die Raketen, ist natürlich für niemanden außerhalb dieser Weltmächte ein Anreiz dafür, seine ganze Hoffnung auf einen Atomwaffensperrvertrag zu setzen. Auch der Teststoppvertrag 1963 war ein solcher Ansatz. Er hat aber eine Lücke, nämlich die, daß unterirdische Explosionen nach wie vor erlaubt sind. Nach meinen Kenntnissen ist es heute leichter als früher, solche unterirdischen Explosionen zu kontrollieren und zu entdecken. Aber wenn dem so ist, warum dann kein totaler Teststopp? Denn dieser totale Teststopp würde auch manche Kontrollmaßnahmen nach dem Atomwaffensperrvertrag erleichtern. Es ist nämlich kein großer Anreiz, Atomwaffen zu produzieren, die man nicht testen kann und die deshalb überhaupt nur sehr beschränkt verwendbar sind. Meine Damen und Herren, all das waren Anregungen. Es war keineswegs die Formulierung Dr. Eppler einer Politik des „Alles oder nichts". Wir wissen sehr wohl, daß der Friede nicht plötzlich ausbricht und auch durch den besten Atomwaffensperrvertrag nicht plötzlich ausbricht. Aber wir sehen nicht ein, warum die Kernwaffenstaaten nicht bereit sind, verbindlich ihre Absichten zu erklären, an einer internationalen Friedensordnung, an Rüstungskontrolle und Abrüstung selbst mitzuwirken. Wir sehen nicht ein, warum sie hinter jene gemeinsame Erklärung der Sowjetunion und der Vereinigten Staaten vom 20. September 1961 zurück wollen, wo ausdrücklich und sehr ausführlich von dem Ziel einer stufenweisen, allgemeinen und kontrollierten Abrüstung die Rede war. Wir sehen auch nicht ein, daß das, was die Supermächte, die Kernwaffenstaaten, tun, nicht verifizierbar sein soll, etwa in jener Konferenz nach fünf Jahren, die in Art. 4 des Vertrages vorgesehen ist, während das, was wir tun, verifizierbar sein soll. Wenn es wahr ist, was uns die Kernwaffenstaaten sagen — und ich glaube, es ist wahr —, daß nämlich, wer eine Friedensordnung will, auch einen Atomwaffensperrvertrag wollen muß, dann ist auch die Umkehrung wahr, nämlich daß, wer diesen Atomwaffensperrvertrag will, selbst Schritte auf eine solche Friedensordnung zu tun muß. Meine Damen und Herren, wir sind bereit zu diesen Schritten. Wir drängen sogar auf diese Schritte. Aber wir wollen das Ziel sehen, auf das hin sie gehen, damit wir wissen, ob die Richtung stimmt. Lassen Sie mich, das, was hier in dieser Anfrage zur Debatte steht, was wir die Regierung zu fragen haben, in einem Bild zusammenfassen. Dieser Atomwaffensperrvertrag soll die Menschheit gegen eine Seuche impfen, gegen die Seuche einer immer weiteren, uferlosen Ausbreitung atomarer Waffen. Wir in diesem Hause sind keine Impfgegner. Wir wissen, daß eine solche Impfung nötig und heilsam ist. Wir sehen auch ein, daß das Serum, nämlich der Vertragsentwurf, von denen kommt, die bereits infiziert sind. Wir sehen schließlich ein, daß irgend jemand nachsehen muß, ob die Impfung auch gewirkt hat. Das heißt, wir sind für eine Kontrolle. Aber dann haben wir einige Fragen. Erstens: Ist diese Impfung ungefährlich, zumal sie noch nicht erprobt ist? Das ist die Frage unserer Sicherheit. Wir haben die zweite Frage: Sind schädliche Nebenwirkungen dieser Impfung auf lange Sicht denkbar? Das ist die Frage der friedlichen Nutzung auf lange Sicht. Wir haben schließlich die Frage, was eigentlich diejenigen tun, die bereits von dieser Krankkeit infiziert sind, ob sie fortfahren„ uns zu erklären, wie wohl es ihnen in ihrer Haut ist und daß sie gar nicht daran denken, sich in eine Behandlung zu begeben, oder ob sie bereit sind, selbst das zu tun, was zur Bekämpfung dieser Seuche bei ihnen selbst nötig ist. Lassen Sie mich dieses Bild noch um einen Punkt weiter strapazieren. Es gibt bekanntlich Menschen, die gegen Impfungen ein bißchen allergisch, um nicht zu sagen ängstlich sind. Denen hilft man nicht dadurch, daß man sie anbrüllt und beschimpft. Ich sage nicht, daß wir hier in diesem Land besonders allergisch wären. Ich glaube es auch nicht. Aber es gibt einige unserer Nachbarn im Osten, die glauben, daß wir besonders allergisch seien. Da erlaube ich mir die Frage, ob die Art, wie sie uns zu dieser Impfung bringen wollen, ganz die richtige ist. Das ist keine Frage der Moral, meine Damen und Herren. Wir wollen diesen Nachbarn nicht moralisch kommen; da sind sie empfindlich. Das ist eine Frage der elementaren Psychologie. Es wäre nämlich fatal, wenn wir uns in diesem Hause daran gewöhnen müßten und auch daran gewöhnen würden, daß aus dieser Richtung, von der ich hier sprach, ein ermutigendes Wort nicht mehr zu erwarten ist. Herr Bundesaußenminister, bei Ihnen haben wir uns daran noch nicht gewöhnt, und wir haben nebenbei auch gar nicht die Absicht, uns daran zu gewöhnen. Deshalb erwarten wir von Ihnen ein klärendes, und war erhoffen ein ermutigendes Wort. Die Große Anfrage wird vom Herrn Bundesminister des Auswärtigen beantwortet. Er hat das Wort. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung begrüßt die Große Anfrage der Koalitionsfraktionen als eine Gelegenheit, dem Deutschen Bundestag einen möglichst umfassenden Überblick zu geben. Sie wird hierbei auch zu den vier Punkten Stellung nehmen, die durch den Antrag der FDP-Fraktion aufgeworfen wurden, ohne in diesem Augenblick eine verteidigungspolitische Konzeption zu entwickeln. Ein weltweiter Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen wirft eine ungewöhnliche Zahl von Fragen politischen, wirtschaftlichen, technisch-wissenschaftlichen und militärischen Charakters auf. Jede Aussage läuft das Risiko, nicht alle Aspekte gebührend zu berücksichtigen. Ich muß das Verständnis des Hohen Hauses auch aus folgendem Grunde erbitten: Wir können über einen fertigen Vertragstext noch nicht sprechen, weil es einen solchen Text noch nicht gibt. Da liegt es auch im deutschen Interesse, das notwendige Maß an Vertraulichkeit in den Fragen zu wahren, zu denen wir mit befreundeten Staaten einen Gedankenaustausch ausgetragen haben, ohne daß wir berechtigt wären, darüber heute schon im einzelnen zu berichten. Bei dieser Lage kann es also auch noch keine abschließende Stellungnahme der Bundesregierung geben. Die Bundesregierung muß sich naturgemäß ihre endgültige Stellungnahme vorbehalten, bis sie einen fertigen Text wird prüfen können. Niemand soll sich allerdings über unsere grundsätzliche Haltung Bundesminister Brandt im unklaren sein: Wir sind nicht nur für die Nichtverbreitung von Kernwaffen, sondern auch für weitere Maßnahmen der Rüstungsbegrenzung und Rüstungskontrolle. Dies entspricht der Friedenspolitik, zu der sich die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundestages bekannt hat. Die Idee eines Nichtverbreitungsvertrages — darauf wurde soeben in der Begründung schon hingewiesen — hat in der deutschen Öffentlichkeit eine besonders starke Beachtung gefunden und zum Teil lebhafte Diskussionen ausgelöst. Dies konnte nicht überraschen. Der geplante Vertrag kann weitreichende Konsequenzen haben. Die Zukunft Deutschlands kann von ihm stark beeinflußt werden. Er enthält nicht ausrechenbare Elemente und stellt ein Vorhaben dar, bei dem das technisch-wissenschaftliche Element eine bedeutende Rolle spielt. Das atemberaubende Tempo des naturwissenschaftlichen Fortschrittes konfrontiert uns unausweichlich mit dem Problem, diesen Fortschritt zu bändigen, also dafür zu sorgen, daß er sich nicht gegen die Menschheit kehrt, sondern daß er der Menschheit dienstbar gemacht wird. Dieser Vertrag konfrontiert uns in dieser Form zum erstenmal mit dem Problem, politisch mit dem fertig zu werden, was Wissenschaft und Technik an nicht mehr aus der Welt zu schaffenden Erkenntnissen auf den Tisch legen. Dies macht für die Politik die Assistenz und den Rat der Wissenschaft unentbehrlich, aber es stellt auf einer neuen, uns noch nicht sehr vertrauten Ebene die Aufgabe, den Primat der Politik zu sichern. Die Politik ist auf die assistierende Partnerschaft der Wissenschaft angewiesen, aber die Verantwortung der letzten Entscheidung — auch wichtiger Einzelentscheidungen — kann der politischen Führung nicht abgenommen werden. Meine Damen und Herren, bevor ich namens der Bundesregierung die . gestellten Fragen der Reihe nach beantworte, möchte ich ganz kurz etwas über den Werdegang des Vertragsentwurfs sagen. Es ist nämlich nicht so, daß dies erst ein Thema der letzten Monate ist. Die Bemühungen nach dem Ende des zweiten Weltkrieges, die Atomenergie unter internationale Kontrolle zu bringen, blieben erfolglos. Statt dessen setzte ein nukleares Wettrüsten zwischen den USA und der Sowjetunion ein; auch Großbritannien, Frankreich und die Volksrepublik China produzierten und erprobten Kernwaffen. In den Abrüstungsverhandlungen der Vereinten Nationen kam man zu der Überzeugung, daß die Ausbreitung von Kernwaffen am ehesten durch einen universellen Verbotsvertrag aufgehalten werden könne. Seit der einstimmig angenommenen irischen Resolution vom 4. Dezember 1961 verabschiedete die Vollversammlung der Vereinten Nationen weitere Resolutionen, die die Staaten zum Abschluß eines Atomwaffensperrvertrages aufforderten und die Dringlichkeit einer Lösung betonten. Bemerkenswert ist dabei die Resolution 2028 vom 23. November 1965, weil sie besondere Grundsätze für den Vertragsinhalt aufstellte und dabei stärker als vorher die Verpflichtungen der Atommächte zum Ausdruck brachte. Die 18-Mächte-Abrüstungskonferenz in Genf geriet in eine Sackgasse mit ihren Bemühungen um eine allgemeine und vollständige Abrüstung. Sie befaßte sich jahrelang mit dem Nichtverbreitungsproblem, ohne daß sich eine Annäherung der divergierenden Standpunkte abzeichnete. Die Sowjetunion und andere kommunistische Staaten stellten dabei kollektive Verteidigungsfragen der westlichen Allianz in den Vordergrund. Auch bilaterale Gespräche zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion blieben jahrelang ohne Ergebnis. Während der Vollversammlung der Vereinten Nationen im letzten Herbst kamen Vertreter dieser beiden Weltmächte, der USA und der Sowjetunion, jedoch zu einer unverbindlichen Verständigung über gewisse Formulierungen eines Nichtverbreitungsvertrages. Hiervon wurden wir Mitte Dezember durch den Außenminister der Vereinigten Staaten unterrichtet. Die Bundesregierung leitete unverzüglich Gespräche mit den USA und anderen befreundeten Staaten ein. Bei meinem Besuch in Washington Anfang Februar habe ich die deutsche Haltung zu umreißen versucht und eine Reihe von befriedigenden Zusicherungen erhalten, die in vereinbarten Expertengesprächen im einzelnen durchgearbeitet worden sind. Solche Gespräche, aber auch politische Erörterungen auf höchster Ebene sind bis in die letzten Tage hinein geführt worden. Gleichzeitig hat die Bundesregierung mit anderen zivilen Nuklearmächten einen Gedankenaustausch gepflogen und über wichtige Teilaspekte im Rahmen von Euratom und NATO mitberaten. Die Genfer Konferenz, die ich schon erwähnte, konnte in ihrer Verhandlungsphase vom 21. Februar bis 23. März mangels eines Vertragstextes die offenen Fragen nur in allgemeiner Form behandeln: Die von den Vereinigten Staaten dann angeregte Vertagung erwies sich als nützlich, weil dadurch die Vertragsprobleme bilateral und multilateral gründlicher diskutiert werden konnten. Der NATO-Rat hat am 20. dieses Monats die amerikanische Absicht zur Kenntnis genommen, in weiteren Besprechungen mit der Sowjetunion zu versuchen, einen gemeinsamen Text herzustellen und ihn als Vertragsentwurf am 9. Mai bei Wiederzusammentritt der Abrüstungskonferenz in Genf vorzulegen. Es ist heute unmöglich, meine Damen und Herren, das Ergebnis der inzwischen wiederaufgenommenen sowjetisch-amerikanischen Gespräche vorauszusagen. Allerdings möchte ich schon jetzt festhalten: Für die Beurteilung des Ergebnisses wird auch wichtig sein, was für die Geltungsdauer eines solchen Vertrages vorgesehen wird, wie über seine Durchführung befunden werden soll und wie er der weiteren internationalen Entwicklung angepaßt werden kann. Ich darf nun zu der ersten Frage kommen, die an die Bundesregierung gerichtet wurde. Sie lautet; Bundesminister Brandt Betrachtet die Bundesregierung es grundsätzlich als Teil ihrer Politik der Friedenssicherung, den Abschluß eines Atomwaffensperrvertrages zu fördern? Diese Frage ist, wie ich einleitend feststellte, positiv zu beantworten. Das deutsche Volk — das möchte die Bundesregierung an dieser Stelle vor dem Hohen Hause und damit vor aller Welt feststellen — weiß sich mit allen Völkern einig, die dauerhaften Frieden wünschen. Seine Sicherung und Festigung ist übergeordneter Gesichtspunkt unserer Politik. Wir verwerfen jede Gewaltpolitik und sind zu Abkommen über Gewaltverzicht bereit. Wir wünschen insbesondere im europäischen Raum eine dauerhafte Entspannung und eine Friedensordnung, in der auch das deutsche Volk die Trennung überwinden und in Freiheit und Harmonie mit seinen Nachbarn leben kann. Es ist unser fester Wille, an der Entwicklung einer solchen Friedenspolitik aktiv und konstruktiv mitzuwirken. Wir unterstützen also alle geeigneten Schritte auf dem Wege zu einer internationalen Rüstungsbegrenzung, Rüstungskontrolle und Abrüstung. Die Massenvernichtungswaffen, vor allem die Kernwaffen, stehen dabei im Vordergrund. Die Bundesrepublik Deutschland hat bereits 1954 im Zusammenhang mit ihrer Aufnahme in die Westeuropäische Union und in den Nordatlantikpakt auf die Herstellung von nuklearen, biologischen und chemischen Waffen verzichtet und sich entsprechenden internationalen Kontrollen unterworfen. Wir hätten es begrüßt, wenn andere Staaten ähnliche Bindungen eingegangen wären und damit die Gefahren gemindert worden wären, die durch die Verbreitung von Kernwaffen entstehen. Die Bundesrepublik Deutschland hat auch den Teststoppvertrag vom 5. August 1963 ratifiziert. Die Bundesregierung hat darüber hinaus wiederholt ihren Verzicht auf Verfügungsgewalt über Kernwaffen ausgesprochen. Sie macht sich den Wunsch zu eigen, 'der in jenen Resolutionen ,der Vereinten Nationen zum Ausdruck kommt, die davon sprechen, daß sich die Vereinten Nationen für den baldigen Abschluß eines Nichtverbreitungsvertrages erklärt haben. Ich darf hier, auch im Zusammenhang mit dem ersten Punkt des FDP-Antrags, daran erinnern, daß die Bundesregierung schon in der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 festgestellt hatte: Wir streben keine nationale Verfügungsgewalt über Atomwaffen und keinen nationalen Besitz an solchen Waffen an. Wir wünschen also, meine Damen und Herren, den erfolgreichen Fortgang der laufenden Verhandlungen mit dem Ziel, eine möglichst universelle Annahme des Nichtverbreitungsvertrags zu erreichen. Dabei setzen wir voraus, daß es zu einem Vertrag kommen wird, der lebenswichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland nicht beeinträchtigt. Die zweite Frage lautet: Welche Ergebnisse haben die Gespräche der Bundesregierung mit den interessierten zivilen und militärischen Atommächten über den Inhalt eines Atomwaffensperrvertrages gehabt? Wie ich schon erwähnte, meine Damen und Herren, haben wir uns seit Mitte Dezember vergangenen Jahres mit dem Teilentwurf eines Textes befaßt, und es stellte sich heraus, daß dieser Text veränderungsund ergänzungsbedürftig war. Ich könnte allerdings hinzufügen: auch veränderungsund ergänzungsfähig. Wir haben Maßstäbe aufzustellen versucht, an denen wir selbst einen universellen Nichtverbreitungsvertrag zu messen haben. Dabei ging es im wesentlichen um vier Fragenkomplexe: erstens die ungehinderte Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken, zweitens eine deutliche Verbindung zu allgemeiner Abrüstung, drittens Gewährleistung der Sicherheit und viertens keine Beeinträchtigung regionaler — in unserem Fall: europäischer — Einigungsbestrebungen. Diese vier Fragenkomplexe .ergaben zahlreiche Einzelfragen, die sorgfältig, auch unter der Assistenz von Wissenschaftlern, geprüft worden sind. Es stellte sich heraus, daß es bei keinem dieser Komplexe ausschließlich um deutsche Interessen geht, die nur die Bundesrepublik Deutschland und keinen anderen Staat berühren. Die Bundesrepublik befand und befindet sich, was ihre Interessenlage angeht, weithin im Einklang mit anderen Staaten, zumal mit den anderen zivilen Atommächten, in manchen Bereichen auch mit solchen, ,die keinem Verteidigungsbündnis angehören. In diesem Zusammenhang erledigen sich unserer Meinung nach die Vorwürfe von sowjetischer Seite, es handele sich bei unseren Wünschen und bei unseren Anregungen um vorgeschobene Positionen zur Tarnung eines angeblichen Ehrgeizes nach Atomwaffen. Einen solchen Ehrgeiz haben wir nicht. Das weltpolitische Gewicht Deutschlands wird auch in Zukunft bestimmt werden von seinen, von Deutschlands Leistungen im Dienste des Friedens, für Wissenschaft, für Wirtschaft, für Technik, für Kultur. Es liegt nun in der Natur der Sache, meine Damen und Herren, daß die zivilen Nuklearstaaten Fühlung untereinander aufgenommen haben, um festzustellen, wie sie die Auswirkungen eines solchen Vertrages auf ihre jeweiligen nationalen und regionalen Interessen beurteilen und wieweit diese Interessen mit denen anderer übereinstimmen. Das liegt in der Natur der Sache, weil die zivilen Nuklearmächte in diesem Zusammenhang unbeschadet 'sonstiger Bündnisgegebenheiten das eigentliche Gegenüber der Kernwaffenmächte darstellen. Im Kreis der zivilen Nuklearstaaten sind einige durch Bündnisse gesichert, andere nicht. Einige sind MitBundesminister Brandt glieder der Abrüstungskonferenz in Genf, andere sind es nicht. Die Bundesregierung hat festgestellt, daß es trotz der angedeuteten sehr unterschiedlichen Lage dieser Staaten ähnliche Interessen gibt, Interessen, die sich aus dem sachlichen Inhalt dessen ergeben, was durch einen solchen Vertrag geregelt werden soll. Diese Fühlungnahmen sind nicht beendet. Sie haben deutlich gemacht, daß die Bundesrepublik Deutschland auch insofern nicht alleinsteht. Aber ich bitte das Hohe Haus nochmals um Verständnis dafür, daß die Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt nicht über Einzelergebnisse berichten kann. Sie hat jedenfalls ein großes Maß an Übereinstimmung in der Beurteilung wesentlicher Aspekte des Nichtverbreitungsproblems unter den betroffenen Staaten feststellen können. Bei unseren amerikanischen Verbündeten haben wir während der Verhandlungen der letzten Monate ein hohes Maß an Verständnis für unsere Überlegungen gefunden. Es gibt eine Reihe von Fragen, in denen wir unsere Konsultationen mit den Vereinigten Staaten als beendet mit einem positiven Ergebnis betrachten können. In einer Reihe anderer Fragen müssen die Konsultationen noch weitergeführt werden, teils, wenn Ergebnisse der amerikanisch-sowjetischen Gesprächsrunde vorliegen, teils nach Aufnahme der Verhandlungen über einen Vertragstext in Genf. Die Klärung noch offener Fragen hängt von den Ergebnissen der Kontakte ab, die zwischen den Vereinigten Staaten und der. Sowjetunion, zwischen den Weltmächten und ihren jeweiligen Alliierten, zwischen den Alliierten untereinander und schließlich zwischen den nichtnuklearen Staaten mit ähnlicher Interessenlage im Gange sind. Die dritte Frage lautet: Inwieweit ist es der Bundesregierung gelungen, Befürchtungen auszuräumen, daß der jetzt vorliegende Entwurf eines Atomwaffensperrvertrages zivile Erforschung, Entwicklung und Nutzung der Kernenergie und den Export von Reaktoren behindern könnte? Wir antworten darauf, daß die ungehinderte zivile Nutzung des Atoms ein vitales Interesse der Bundesrepublik Deutschland ist. Die Entwicklung auf dem zivilen Sektor wird weitergehen. Die Energieversorgung der Welt wird in wachsendem Maße durch Kernkraft erfolgen. In den so betriebenen Reaktoren entsteht Plutonium, das sich auch zur Waffenherstellung verwenden läßt. Mit der Ausbreitung der Nukleartechnologie wird nicht nur die Zahl der zivilen Atommächte, sondern unausweichlich auch die Zahl der Staaten zunehmen, die über die objektive Fähigkeit zur Kernwaffenherstellung verfügen. Wir meinen, daß es die Aufgabe unserer Generation sei, den militärischen Mißbrauch der. Kernnergie zu verhindern und ihre friedliche Nutzung zu fördern. (Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der FDP.)





      (Zuruf von der FDP: ,Ach so!)


      (Beifall bei den Regierungsparteien.)


      (Sehr gut! bei der SPD)


      (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)











      (Sehr richtig! bei der SPD.)


      (Beifall bei den Regierungsparteien.)


      (Sehr richtig! bei der SPD.)


      (Sehr gut! bei der SPD.)


      (Beifall bei den Regierungsparteien.)


    Rede von Dr. Thomas Dehler
    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
    • insert_commentNächste Rede als Kontext
      Rede von: Unbekanntinfo_outline


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()





      (Beifall bei den Regierungsparteien.)





      (Beifall bei den Regierungsparteien.)


      (Beifall bei den Regierungsparteien.)


      (Beifall bei den Regierungsparteien.)




      Die Bundesrepublik Deutschland ist bereit, alles zu unterstützen, was den Mißbrauch verhindert. Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht bereit, irgend etwas zu akzeptieren, was die friedliche Nutzung hindert.

      (Erneuter 'Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der FDP.)

      Die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland als moderner Industriestaat hängt mit davon ab. Von der Durchsetzung dieses Prinzips hängt auch ab, was Deutschland für den friedlichen Fortschritt der Menschheit wird leisten können.
      Bekanntlich arbeiten deutsche Wissenschaftler aussichtsreich an der Entwicklung der zweiten Reaktorengeneration, den sogenannten schnellen Brütern. Unsere Industrie hat gute Aussicht, auf diesem Gebiet einen hohen Leistungsstand zu erreichen. Wir haben einen optimalen Schutz der friedlichen Nutzung der Kernenergie durch bindende Vertragsverpflichtungen angestrebt und die langfristige Sicherstellung der Versorgung mit Kernbrennstoff in diesen Komplex einbezogen.
      Vorbehaltlich der vorhin gemachten Einschränkungen darüber, was in der nächsten Runde überhaupt als Text auf den Tisch kommen kann oder wird, kann ich heute sagen: Die Bundesregierung kann im Sinne der zu 3 gestellten Frage erklären, daß die zivile Nutzung nicht behindert werden wird, wenn der Vertrag eine Form erhält, wie sie durch unsere Mitwirkung in Aussicht genommen ist. Die Nichtbehinderung muß selbstverständlich auch gelten für den Austausch von Kernmaterial und nuklearen Ausrüstungsgegenständen, von wissenschaftlichen Informationen und die bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit der Staaten untereinander oder mit internationalen Organisationen im zivilen Bereich. Sie muß gelten für die Forschung, die industrielle Tätigkeit und damit auch den Export. Wir sind der Auffassung, daß der Vertrag als Zielsetzung die zivile Nutzung sogar ausdrücklich fördern soll.
      Was nun die Kernwaffenstaaten angeht, so haben sie für die militärische Nutzung der Kernenergie gewaltige finanzielle Mittel aufgewendet. Sie ziehen allerdings auch für den friedlichen Bereich erheblichen Nutzen aus den militärischen Erfahrungen. Die zivilen „Abfallprodukte" der militärischen Forschung — das, was der Kollege Eppler in seiner Begründung „spin off" nannte — werden zwar, wie einem die Fachleute sagen, immer geringer, soweit es sich um einzelne Erfindungen handelt. Aber immerhin ergibt sich aus militärisch bestimmten Betriebsgrößen eine Monopolstellung -der Kernwaffenstaaten für besonderes spaltbares Material bzw. eine Monopolstellung durch niedrigere Gestehungskosten. Wir können nach den vielen Beratungen und Gesprächen, die in diesen letzten Monaten hinter 'uns liegen, davon ausgehen — und ich wähle jetzt bewußt eine diplomatische Formulierung, die hoffentlich trotzdem verstanden wird —, daß die Nichtnuklearen an den Ergebnissen der militärischen Nutzung der Kernenergie durch die Kernwaffenstaaten — einschließlich der Informationen und Erfindungen —, jedenfalls was den westlichen Teil der



      Bundesminister Brandt
      Welt angeht, teilhaben können. Dies ist eine wichtige Sache.
      Dann gibt es einen anderen Punkt, der mit der friedlichen Nutzung zu tun hat: durch den in Aussicht genommenen Vertrag würden „Atomwaffen und andere nukleare Sprengkörper" verboten werden. Das wird zutreffend damit begründet, daß zwischen militärischen und zivilen nuklearen Explosivkörpern bis heute nicht unterschieden werden kann. Das Problem 'der Anwendung nuklearer Sprengkörper für zivile Zwecke — Kanalbauten und was sonst in den Kreis des Vorstellbaren einzubeziehen ist — wird für uns in Deutschland für absehbare Zeit kaum von wirklicher Bedeutung sein. Wir begrüßen es jedoch grundsätzlich, daß sich die Vereinigten Staaten, deren Forschungsarbeiten insoweit noch nicht abgeschlossen sind, zur Einrichtung eines Kernsprengdienstes unter Einschaltung einer internationalen Behörde und ohne Berechnung der Forschungs- und Entwicklungskosten bereit erklärt haben.
      Große Bedeutung hat die Frage der Kontrollen. Abrüstung mit Kontrollen ist eine traditionelle westliche Forderung, wenn man sich die Diskussion der Nachkriegszeit noch einmal Vergegenwärtigt. Eine solche Forderung ist für die Bundesrepublik nicht neu. Die Bundesrepublik hat sich, woran ich schon erinnern durfte, bereits internationalen Sicherheitskontrollen unterworfen. Der Vertrag würde zur Folge haben, daß solche Kontrollen auch auf andere Staaten ausgedehnt werden.
      Wir gehen davon aus, daß die Anwendung der Kontrollen wirtschaftliche Betriebsabläufe nicht stört, industrielle Fertigungsgeheimnisse nicht verletzt, sondern Gefahren des Mißbrauchs begegnet. Dazu gehört die Kontrolle des Ausgangs- und des spaltbaren Materials, die Kontrolle des Brennstoffflusses an bestimmten strategischen Punkten und eine Kontrolle, die möglichst durch automatisierte Instrumente vorgenommen wird. Diese Instrumente, von denen in der öffentlichen Debatte schon viel die Rede war, gibt es noch nicht. Die Bundesrepublik Deutschland wird in Zusammenarbeit mit Verbündeten und in internationalen Organisationen alle Anstrengungen unternehmen, moderne Kontrollinstrumente zu entwickeln und einführen zu helfen. Durch eine solche automatisierte Kontrolle könnten auch die Kosten für ein Sicherheitskontrollsystem niedrig gehalten werden.
      Zu diesem Thema muß allerdings darauf aufmerksam gemacht werden, daß in den letzten Monaten auf der Grundlage eines Vertragsentwurfs diskutiert worden ist, der für die Kernwaffenstaaten keine Kontrollen vorsah. Bis jetzt hat sich die Sowjetunion solchen Kontrollen auf eigenem Boden widersetzt. Um so wichtiger ist es, daß sich nicht auch im Westen unnötige und ungerechtfertigte Unterschiedlichkeiten fortsetzen. Deshalb ist jener Möglichkeit große Bedeutung beizumessen, daß auch die Vereinigten Staaten und Großbritannien ihre zivilen Sektoren unter internationale Kontrolle stellen.
      Zusammenfassend darf ich sagen und damit auch zum dritten Punkt des FDP-Antrages Stellung nehmen: Die Befürchtungen einer Behinderung der Nutzung der Kernenergie für friedliche Zwecke ergaben sich vorwiegend aus Vorentwürfen eines Atomsperrvertrages. In dem jetzt erwogenen Vertragsentwurf ist sichergestellt, daß die friedliche Nutzung der Kernenergie für Forschung, Industrie und Wirtschaft bei vertragsgemäßem Verhalten nicht beeinträchtigt werden kann. Die Bundesregierung ist darüber hinaus bemüht, sicherzustellen, daß durch den Vertrag die friedliche Nutzung der Nuklearenergie nicht nur nicht behindert, sondern nach Möglichkeit gefördert wird.
      Die vierte Frage lautet:
      Läßt sich bei Beitritt zu einem Atomwaffensperrvertrag die Versorgung der Bundesrepublik Deutschland mit Brenn- und Spaltstoff für friedliche Zwecke sicherstellen?
      Die Antwort !darauf lautet: Die Versorgung der Bundesrepublik Deutschland mit Ausgangsmaterial und Kernbrennstoffen ist durch bilaterale Abkommen mit den USA und Kanada und durch das langfristige Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und Euratom geregelt. Das bilaterale deutschamerikanische Abkommen läuft Mitte dieses Jahres aus. Deshalb ist die Versorgung mit amerikanischem Material ausschließlich über Euratom vorgesehen. Nach schriftlichen Zusicherungen der amerikanischen Regierung wird der Vertrag zwischen Euratom und den Vereinigten Staaten durch den Sperrvertrag nicht berührt, und es sind zusätzliche Vereinbarungen über ausreichende Versorgung möglich. Die Bundesregierung ist überzeugt, daß durch die Zusicherungen und Vereinbarungen im Zusammenhang mit dem Nichtverbreitungsvertrag die langfristige ausreichende Versorgung mit Ausgangsmaterial und Kernbrennstoffen sichergestellt werden kann.
      Die fünfte Frage lautet:
      Hält die Bundesregierung eine Zusammenarbeit von Euratom und IAEO, besonders auf dem Gebiet der Kontrollen, für wünschenswert und möglich?
      Die Bundesregierung hält eine Zusammenarbeit von Euratom und IAEO — was man auch die Wiener Behörde nennt — für wünschenswert, notwendig und möglich. Schon bevor der NV-Vertrag in das akute Stadium der Verhandlungen trat, wurden von deutscher Seite Schritte unternommen, um ein entsprechendes Abkommen zustande zu bringen. Im übrigen sieht das Kontrollstatut der IAEO ausdrücklich die Annahme anderer Kontrollsysteme vor.
      Die Bundesregierung geht davon aus, daß die IAEO und andere internationale Kontrollsysteme die Überwachung der Bestimmungen des Sperrvertrages bezüglich der Verwendung spaltbaren Materials übernehmen. Die IAEO soll sich dabei von der Wirksamkeit der anderen Kontrollsysteme überzeugen können. Hierüber wäre im gegebenen Fall ein Verifikationsabkommen zwischen der Wiener Behörde und der betreffenden anderen Kontrollorganisation zu schließen. Die Bundesregierung hält den Abschluß eines solchen Verifikationsabkommens auch für möglich, wenn die Mitglieder der be-



      Bundesminister Brandt
      teiligten Organisationen sein Zustandekommen fördern.
      Die sechste Frage lautet:
      Wird ein Atomwaffensperrvertrag wichtige interne Regelungen des Atlantischen Bündnisses auf nuklearem Gebiet unmöglich machen oder erschweren?
      Der Vertrag — wie er erwogen wird — formuliert das, was verboten ist; alles andere ist und bleibt erlaubt. Fragen des westlichen Verteidigungsbündnisses werden nicht im Vertragstext behandelt. Trotzdem bestehen Zusammenhänge. Die Interpretation wird also eine wichtige Rolle spielen. Wir erstreben nach Inhalt und Form ein Höchstmaß an Gewißheit. Nach dem, was uns und den übrigen Bündnispartnern von amerikanischer Seit darüber versichert worden ist, kann ich beide Teile der Frage nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge mit Nein beantworten. Die Schwierigkeit der hier angesprochenen Materie liegt im Offenhalten künftiger Verteidigungsmöglichkeiten im atlantischen wie im europäischen Rahmen, also auch einer Frage, die die Bündnispartner insgesamt angeht. Den Verzicht Deutschlands auf eigene Verfügungsgewalt über Kernwaffen, der ein fester Bestandteil unserer Politik ist, verstehen wir als deutschen Beitrag zur Entspannung in Europa und nicht als Diskriminierung.
      Zum vierten Punkt des FDP-Antrags darf ich folgendes feststellen: Am 14. 12. 1966 wurde bekanntlich innerhalb der NATO ein ständiger „Ausschuß für nukleare Verteidigungsangelegenheiten" (NDAC) und, diesem nachgeordnet, eine „Nukleare Planungsgruppe" (NPG) geschaffen. Die Bundesrepublik Deutschland ist in beiden Gremien und im Militärausschuß der NATO vertreten und hat damit die Möglichkeit, durch ihre politischen und militärischen Führungsorgane Einfluß auf die nukleare Planung im Bündnis auszuüben.
      Bei den Beratungen in den neuen Gremien sieht die Bundesregierung ihre besondere Aufgabe darin, im Rahmen der gemeinsamen Verteidigungsplanung die Interessen unseres Volkes zu vertreten. Bei der ersten Sitzung der Nuklearen Planungsgruppe in Washington am 6. und 7. April 1967 hat sie die Rolle der Aufnahmestaaten bei alliierten Vereinbarungen über Planung und Einsatz von Kernwaffen bereits in diesem Sinne zur Diskussion gestellt.
      Die siebente Frage lautet:
      Sieht die Bundesregierung im gegenwärtig diskutierten Entwurf eines Atomsperrvertrages oder einer Präambel zu einem solchen Vertrag Ansatzpunkte, welche den nuklearen Rüstungswettlauf bremsen und zu einer gleichwertigen Rüstungsverminderung auf atomaren Gebiet führen könnten?
      Ohne Zweifel müssen sich Ansatzpunkte für ein Bremsen des nuklearen Rüstungswettlaufs durch den Vertrag ergeben. In welcher Form das geschehen wird, kann ich im Augenblick nicht oder noch nicht beantworten.
      An dieser Stelle sei aber folgendes festgestellt. Die Ausbreitung des Wissens über die Anwendung der Atomkraft kann durch keinerlei Bindungen verhindert werden. Die Herstellung der Bombe ist heute weniger eine Frage des Wissens als des politischen Willens — oder Könnens, wenn man will. Die zivilen Nuklearmächte leisten ohne jeden Zweifel einen wirklichen Dienst, wenn sie dem geplanten Atomsperrvertrag beitreten; denn es geht im wesentlichen um ihren Beitritt.
      Sie sind im Prinzip — das wissen wir aus unseren Konsultationen — dazu bereit aus der Einsicht, daß eine Vergrößerung der Zahl der Staaten, die unabhängig über Kernwaffen verfügen, eine Vergrößerung der Gefahr für die Menschheit bedeutet. Man befürchtet bei Entstehen auch nur einer weiteren Nuklearmacht eine Kettenreaktion, die schwer kontrollierbar wird. Aus diesen Gründen ergibt sich die Bereitschaft zu einer Leistung der zivilen Nuklearmächte.
      Aber diese Leistung — so meinen wir — darf nicht ohne Gegenleistung bleiben. Die Gegenleistung können nur die Atomwaffenmächte erbringen, denn es gibt nicht nur die Gefahr einer horizontalen, es gibt auch die Gefahr einer vertikalen Ausbreitung der Atomrüstung.
      Wenn nur die horizontale Verbreitung von Atomwaffen verhindert wird, so ist das zwar ein wichtider Schritt, aber es löst noch nicht das Problem, den Frieden sicherer zu machen, sondern es kann zu einem Moment der Sonderstellung aller anderen gegenüber den Atomgiganten werden. Die Welt muß daher erwarten — so meinen wir —, daß auch die Atomwaffenmächte im Interesse ausgewogener Verpflichtungen des Vertrages sich dazu bereit finden, ihn als einen Schritt zu umfassenderen Lösungen zu akzeptieren. Das heißt: Die Welt kann bei einem beschränkten Atomsperrvertrag nicht stehenbleiben. Den Kernwaffenmächten obliegt es, die weitere Entwicklung immer gefährlicherer Waffen einzustellen; die vorhandenen Bestände einschließlich der Träger nicht weiter zu vermehren; ihren Abbau einzuleiten; mit der Produktion spaltbaren Materials für militärische Zwecke aufzuhören und einen vollständigen Testbann zu erzielen.
      Wenn die Kernwaffenmächte ihre Bereitschaft zu solchen Schritten konkret bekunden, wäre der Nichtverbreitungsvertrag der Beginn internationaler Zusammenarbeit für die Friedenssicherung im nuklearen Zeitalter. Es sollte geklärt werden, wie dieses Ziel gesichert werden kann, und zwar im Sinne der eingangs erwähnten, fast einstimmig angenommenen Resolution Nr. 2028 der Vollversammlung der Vereinten Nationen. Diese Erwägungen und Erwartungen sind heute die Hoffnung der Völker in aller Welt. Absichtserklärungen in der angedeuteten Richtung sind in der Präambel des Vertrages vorgesehen. Die Bundesregierung legt Wert darauf, daß sie nicht nur platonischen Charakter erhalten.
      An dieser Stelle möchte ich betonen, daß die Vereinigten Staaten im Prinzip die Notwendigkeit bejahen, Nichtverbreitung und konkrete Maßnahmen des Rüstungsstopps und der Abrüstung miteinander



      Bundesminister Brandt
      zu verbinden. Ob und wieweit die Nuklearmächte tatsächlich verbindliche Zusicherungen geben, ist allerdings noch nicht zu übersehen. Wenn es zur Vorlage eines gemeinsamen sowjetisch-amerikanischen Vertragstextes in Genf kommt, wird diese Frage sicher ein Hauptgegenstand der Verhandlungen in Genf werden.
      Meine Damen und Herren, wie ernst die Bundesregierung gerade diesen Bereich nimmt, zeigt die Tatsache, daß sie diesem Thema und damit zusammenhängenden Fragen eine Denkschrift unter dem Datum des 7. April gewidmet hat, auf die ich in Verbindung mit dem zweiten Punkt des FDP-Antrags besonders hinweisen möchte.
      Im Hinblick auf die Verhandlungen der Genfer Abrüstungskonferenz hat die Bundesregierung diese Denkschrift an die Teilnehmer dieser Konferenz und an Frankreich gerichtet. Sie befaßt sich im Zusammenhang mit den Erörterungen über einen Nichtverbreitungsvertrag auch mit dem allgemeinen Thema der Abrüstung. Wir haben die Denkschrift außer den Genfer Mächten auch mehreren anderen interessierten Regierungen, dem Vatikan, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und allen Missionen bei den Vereinten Nationen zur Kenntnis gebracht. In dieser Denkschrift heißt es wörtlich:
      Die verheerende Wirkung der Kernwaffen verpflichtet die Regierungen der Welt nicht nur, das nukleare Wettrüsten zu beenden; das Interesse der Menschheit fordert es, mit nuklearer Abrüstung zu beginnen. Nur auf diesem Wege kann eine internationale Friedensordnung geschaffen werden, die allen Nationen, großen und kleinen gleichermaßen, eine gedeihliche Entwicklung in Freiheit, Unabhängigkeit und Würde verbürgt. Deutschland ist weiterhin entschlossen, gemeinsam mit anderen Ländern für dieses Ziel zu wirken. Die Abrüstungsverhandlungen der großen Kernwaffenmächte haben zwar Teilerfolge in der Rüstungskontrolle erbracht, das nukleare Wettrüsten jedoch keineswegs beendet. Um so dringender bleibt die Notwendigkeit echter Abrüstung. Eine internationale Regelung der Nichtverbreitung von Kernwaffen könnte sich als Vorstufe wirksamer Friedenssicherung erweisen, wenn ihr Schritte der Abrüstung folgten.
      Soweit die Bezugnahme auf unsere Denkschrift.
      Die Bundesregierung hält es — das ist ein Gedanke, der in dem Punkt 2 des FDP-Antrags eine Rolle spielt — zur Zeit nicht für zweckmäßig, ein besonderes Abkommen über ein generelles Verbot der Produktion von Kernwaffen und die etappenweise Vernichtung des bestehenden Atomwaffenarsenals vorzuschlagen, sondern sie hält es für zweckmäßiger, die Ziele des Rüstungsstopps und der Abrüstung in Übereinstimmung mit zahlreichen anderen Staaten in den Rahmen ihrer Wünsche zum derzeit diskutierten Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen zu stellen. Die Bundesregierung konzentriert also ihre Abrüstungsbemühungen auf eine Verbindung dieser ihrer Ziele mit dem gegenwärtig diskutierten Atomsperrvertrag. Positive Reaktionen auf die Denkschrift ermutigen die Bundesregierung, der Verbindung von Nichtverbreitung und Abrüstung weiterhin größte Bedeutung beizumessen.
      Zusätzlich zur Antwort auf die gestellten Fragen, meine Damen und Herren, möchte ich nur noch folgendes bemerken. Der Vertrag wird, falls die Vereinigten Staaten und" die Sowjetunion einen gemeinsamen Entwurf vorlegen, in aller Gründlichkeit geprüft werden. Wir werden nach-Einsicht und Gewissen entscheiden, wenn die Entscheidungsgrundlagen klar sind. Die weitere Entwicklung auf dem Wege zur Entspannung, zur Sicherung des Friedens und zum Fortschritt der Menschheit zu fördern, wird für die Beurteilung des Nichtverbreitungsvertrages, für unsere Mitarbeit daran und für unsere Entscheidung ausschlaggebend sein.
      Ich darf nun zusätzlich zu dem, was ich namens der Bundesregierung zu antworten hatte, noch ein paar der in den Begründungen gestellten Fragen gleich mit beantworten.
      Herr Kollege Eppler hat die Frage gestellt, wie es mit den Inspekteuren sei. Das ist so, daß nach den Regeln für die internationale Behörde in Wien ein zu inspizierender Staat über die Person des Inspekteurs konsultiert wird, und er kann dann jedenfalls theoretisch — vielleicht nicht nur theoretisch — auch nein sagen. Es ist rechtlich umstritten, wie weit die Ablehnung getrieben werden kann. Die Engländer, mit denen wir neben anderen hierüber gesprochen haben, haben sich in der Praxis auf den Standpunkt der Reziprozität gestellt und würden sowjetische Inspekteure deswegen ablehnen, solange die Sowjetunion keine Inspektionen auf ihrem Boden zuläßt. Es ist zu bezweifeln, ob wir auf diesem Wege regelmäßige sowjetische Inspekteure ablehnen könnten oder sollten, weil uns das erneut Fehldeutungen aussetzen würde.
      Immerhin, die Frage wird sich so vielleicht nicht stellen. Denn es kommt darauf an, was zwischen Euratom und der Wiener Behörde ausgehandelt werden wird. Aber entscheidend bleibt, daß wir aus diesem und auch aus anderen Gründen die Position bezogen haben, daß im zivilen Bereich keine Diskriminierung zwischen Kernwaffenstaaten und Nichtkernwaffenstaaten gerechtfertigt ist. Diese Haltung wird von fast allen Nichtnuklearen geteilt.
      Zum Thema der Ausfuhr von Reaktoren hat Herr Dr. Eppler eine Frage gestellt, die über das hinausgeht, was in der schriftlich formulierten Großen Anfrage enthalten ist. Meine Antwort für den uns bekannten Vertragstext, wie er jetzt erwogen wird und weiter beraten wird, würde, wie ich es allgemein für die friedliche Erforschung, Nutzung und Auswertung gesagt habe, positiv sein, auch was die Ausfuhr von Reaktoren angeht. Es trifft zu, Herr Abgeordneter Dr. Eppler, daß sich in der hinter uns liegenden Zeit deutsche Firmen im Wettbewerb mit recht hemdsärmeligen Methoden von Konkurrenten anderer Staaten und insbesondere eines anderen Staates auseinanderzusetzen hatten,

      (Abg. Dr. Barzel: Hört! Hört!)




      Bundesminister Brandt
      wobei sich diese Vertreter von Firmen fälschlich darauf beriefen, der in Aussicht stehende Nichtverbreitungsvertrag würde die Bundesrepublik Deutschland bzw. ihre Wirtschaft nicht in die Lage versetzen, anderen draußen zu versichern, daß auch der Brennstoff würde geliefert werden können, ohne den die Reaktoren nichts wert sind. Es ist verständlich, daß diese — ich nenne es noch einmal — hemdsärmeligen Methoden im Wettbewerb nicht nur bei :der Bundesregierung, sondern auch anderswo sauer aufgestoßen sind und uns mit ermuntert haben, auch auf diesem Gebiet deutlich zu sprechen.
      An die Adresse des Herrn Abgeordneten Schultz gerichtet möchte ich noch sagen — im Nachtrag zu dem, was für :die Regierung schon zu erklären war —, ich wäre dankbar, wenn die Fraktion der Freien Demokraten bei :dem Problem der Atomwaffen in Europa davon ausginge, daß sich diese Bundesregierung das zu :eigen macht, was in der Friedensnote der vorigen Bundesregierung, die von der FDP mitgetragen wurde, gesagt worden ist.
      In jener Friedensnote der vorigen Bundesregierung vom 25. März 1966 heißt es unter V Ziffer 2:
      Niemand wird behaupten können, .daß das Wettrüsten mit atomaren Vernichtungswaffen die Sicherheit in Europa und der Welt erhöht. Die Bundesregierung erklärt sich daher bereit, einem Abkommen zuzustimmen, in dem die in Frage kommenden Staaten sich verpflichten, die Zahl der Atomwaffen in Europa nicht weiter zu erhöhen, sondern sie stufenweise zu verringern. Ein solches Abkommen müßte sich auf ganz Europa erstrecken, das Kräfteverhältnis insgesamt wahren, eine wirksame Kontrolle vorsehen und mit entscheidenden Fortschritten bei der Lösung der politischen Probleme in Mitteleuropa verbunden werden.
      Hier ist eine Grundlage, von der aus auch die jetzige Bundesregierung weiter arbeiten und weiter überlegen kann.
      Nun zu der Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Eppler, die sich auf die europäische Einigung bezieht: In den Konsultationen mit den Vereinigten Staaten, in den Gesprächen mit unseren englischen und italienischen Verbündeten — aber auch mit anderen — hat sich als gemeinsame Rechtsauffassung ergeben, daß ein einiges Europa, ein Europa, das jedenfalls auf den Gebieten der Außenpolitik und der Sicherheit einheitlich entscheiden und vorgehen würde, im Sinne eines erwogenen Atomwaffensperrvertrages nicht das Thema der verbotenen Übertragung aufwerfen würde, sondern das der Sukzession. Es 'gibt bei der Überlegung zu diesem Thema natürlich auch den anderen Punkt, daß viele — sicherlich auch in diesem Hause — die Entwicklung zu den Vereinigten Staaten von Europa nicht behindert sehen möchten. Dieses Argument wird von unseren Freunden draußen manchmal mißverstanden, weil unsere Freunde draußen manchmal meinen — das war ein Punkt, zu dem ich mich hier im Dezember schon einmal äußern durfte —, es ginge dabei um Vorstufen einer gemeinsamen Atommacht, und dabei finden wir, auch wenn wir es selbst als unsere Meinung entwickelten, eigentlich keine Aufnahmebereitschaft. Nein, es geht dabei — bei der Entwicklung hin zu Europa — auch darum, ob durch das Festschreiben bestimmter Positionen in Europa die Hemmungen einzelner Staaten bei Schritten hin zu einer einheitlichen Lösung leichter überwunden oder verstärkt werden können.
      Schließlich hat der Kollege Eppler zum Schluß gesagt, er würde sich sehr über ein ermutigendes Wort taus östlicher Richtung freuen, und hat dann gesagt — wenn ich es richtig verstanden habe —, da er das heute vermutlich nicht bekommen könne, würde er auch mit einem solchen des Bundesaußenministers zufrieden sein. Wenn sich das auf den Osten bezieht, Herr Kollege Eppler, dann kann ich hier ganz nüchtern feststellen: Es gehört mit zu unseren Erfahrungen dieser Monate, ,daß wir auch bei mehr als einer Regierung im anderen Teil Europas ein sachliches Interesse an unseren Erwägungen haben notieren können. Es ist weiter nüchtern festzustellen, daß die Sowjetunion sich nicht nur durch ihre notifizierte Erklärung vom 28. Januar in eine fast nur polemische, häufig übersteigert polemische Haltung begeben hat. Ich möchte meinen: wenn der Sowjetunion an der Sache selbstgelegen ist, dann müßte sie zu würdigen wissen, was die Bundesregierung heute durch den Bundesminister des Auswärtigen hier erklärt hat erstens über unsere Haltung zum Thema Friedenssicherung, zweitens über unsere Überzeugung, daß wir die Kernenergie für den Wohlstand der Menschen und für die Zusammenarbeit in der Welt brauchen. Ich glaube, der Tag wind kommen, an .dem auch zwischen dem großen Staat .der Sowjetunion und dem sehr viel kleineren Deutschland auch auf diesen Gebieten sachlich, technisch, wissenschaftlich Zusammenarbeit größer geschrieben werden wind als Polemik.

      (Beifall bei den Regierungsparteien.)