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    Deutscher Bundestag 106. Sitzung Bonn, den 27. April 1967 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Paul 4917 A Fragestunde (Drucksachen V/1634, zu V/1634) Frage des Abg. Ertl: Grundgesetzänderungen zur Neugestaltung der Beziehungen zwischen Bund und Ländern Benda, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 4917 B Ertl (FDP) . . . . . . . . . . 4917 B Frage des Abg. Sanger: Abgrenzung zwischen Anzeigeblättern und Zeitungen bzw. Zeitschriften Benda, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 4917 D Sänger (SPD) . . . . . . . . 4918 B Frage des Abg. Porten: Übergangszeit für einen gemeinsamen Mehlmarkt Höcherl, Bundesminister 4918 C Porten (CDU/CSU) 4918 DFragen des Abg. Ertl: Finanzierung kostenloser Getreidelieferungen an Entwicklungsländer Höcherl, Bundesminister . . . . 4919 B Ertl (FDP) 4919 C Fragen des Abg. Bading: Einbeziehung von Bananen und Ananas in die EWG-Marktordnung für Obst und Gemüse Höcherl, Bundesminister . . . . . 4919 D Urban (SPD) . . . . . . . . . 4920 A Fragen des Abg. Budde: Milchwirtschaft in der Bundesrepublik 4920 B Fragen des Abg. Jung: Ausrüstung der Seenotrettungsstaffel Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 4920 C Ollesch (FDP) 4920 D van Delden (CDU/CSU) 4921 A II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 Fragen des Abg. Burger: Sommeruniform für Heeresstreitkräfte der Bundeswehr . . . . . . . . 4921 B Fragen des Abg. Hübner: Einsatz- und Nutzungsmöglichkeiten von elektrischen Großrechenanlagen 4921 C Fragen des Abg. Lemper: Reduzierung der Wehrdienstzeit und der Gesamtzahl der Soldaten sowie dadurch mögliche Einsparungen Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . .. . 4921 D Mertes (FDP) 4922 A Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) 4922 B Frage des Abg. Ollesch: Notwendigkeit der Anwesenheit des Bundesarbeitsimnisters im Ausschuß für mittelfristige Finanzplanung Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 4922 D Frage des Abg. Geldner: Vergabe von Aufträgen für Investitionsmaßnahmen nach Bayern Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 4923 A Geldner (FDP) 4923 C Fritsch (Deggendorf) (FDP) . . . 4923 D Ertl (FDP) 4924 B Frage des Abg. Logemann: Änderung des Verkehrsfinanzgesetzes Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 4924 D Logemann (FDP) 4924 D Fragen des Abg. Logemann: Dieselölpreis für Landwirte Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 4925 A Logemann (FDP) 4925 C Ertl (FDP) . . . . . . . . . . 4926 B Wächter (FDP) . . . . . . . . 4926 D Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) . 4927 A Reichmann (FDP) . . . . . . . 4927 B Fragen des Abg. Hellenbrock: Militärisch genutztes Gelände der Gemeinde Bracht im Lkr. Kempen/Krefeld Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 4927 C Dr. Hammans (CDU/CSU) . . . . 4927 D Frage des Abg. Lemmrich: Einnahmen aus der Mineralölsteuer Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 4928 A Fragen des Abg. Flämig: Exerzierplatz Großauheim am Main 4928 B Fragen des Abg. Baier: Baustopp für alle staatlich geförderten Hochbauten in Baden-Württemberg Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 4928 C Baier (CDU/CSU) 4928 D Fragen des Abg. Wächter: Bewerber um Aufträge des Bundes Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 4929 C Wächter (FDP) . . . . . . . 4929 C Fragen des Abg. Porten: Praktiken des Quotenhandels in der Mühlenwirtschaft Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 4930 A Porten (CDU/CSU) 4930 A Große Anfrage der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD betr. Atomwaffensperrvertrag (Drucksache V/1650) in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. atomare Rüstung und friedliche Nutzung von Kernenergie (Drucksache V/ 1494) Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) . 4930 D Dr. Eppler (SPD) . . . . . . . . 4935 B Brandt, Bundesminister . 4939 D, 4972 D Dr. Birrenbach (CDU/CSU) . . . . 4946 D Schoettle, Vizepräsident . . . . . 4952 B Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . . 4952 C Borm (FDP) . . . . . . . : . 4955 C Dr. Stoltenberg, Bundesminister . . 4959 B Dr. Zimmermann (CDU/CSU) . . . 4961 B Berkhan (SPD) . . . . . . . . 4965 A Flämig (SPD) . . . . . . . . . 4966 A Genscher (FDP) 4967 D Dr. Barzel (CDU/CSU) 4969 D Ollesch (FDP) 4972 A Mischnick (FDP) . . . . . . . . 4975 C Dr. h. c. Kiesinger, Bundeskanzler . 4976 B Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 III Beratung des Dritten Jahresgutachtens des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der Stellungnahme der Bundesregierung zum Jahresgutachten 1966 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sowie des Sondergutachtens über die Wirtschaftslage im Frühjahr 1967 (Drucksachen V/1160, V/1313, V/1588) Dr. Schiller, Bundesminister . . . 4976 C Dr. Haas (FDP) . . . . . . . . 4985 B Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . . 4992 C Porzner (SPD) . . . . . . . 4997 A Nächste Sitzung 5000 B Anlagen 5001 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 4917 106. Sitzung Bonn, den 27. April 1967 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Beurlaubungen Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Aigner ** 27. 4. Arendt (Wattenscheid) 27. 4. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 28. 4. Bading** 27. 4. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 28. 4. Bauer (Würzburg) * 28. 4. Prinz von Bayern 1. 6. Berkhan * 28. 4. Berlin 28. 4. Blumenfeld * 28. 4. Frau Brauksiepe 28. 4. Buchstaller 27. 4. Corterier * 28. 4. Dr. Dittrich** 28. 4. Draeger * 28. 4. Dröscher ** 27. 4. von Eckardt 27. 4. Eisenmann 28. 4. Flämig* 28. 4. Frau Freyh 12. 5. Frau Geisendörfer 28. 4. Gerlach ** 28. 4. Gewandt 28. 4. Graaff 28. 4. Dr. Gradl 28. 4. Hahn (Bielefeld) ** 28. 4. Dr. Hellige * 28. 4. Frau Herklotz * 28. 4. Herold* 28.. 4. Hilbert * 28. 4. Höhne 15. 6. Hösl * 28. 4. Jacobi (Köln) 15. 5. Kahn-Ackermann * 28. 4. Dr. Kempfler * 28. 4. Kiep 12. 5. Frau Klee * 28. 4. Dr. Kliesing (Honnef) * 28. 4. Klinker * 28. 4. Dr. Kopf * 28. 4. Kunze 6. 5. Lemmer 28. 4. Lemmrich * 28. 4. Lenz (Brühl) 30. 4. Lenz (Trossingen) 23. 5. Lenze (Attendorn) * 28. 4. Lücker (München) ** 28. 4. Matthes 28. 4. Mauk ** 28. 4. Frau Dr. Maxsein " 28. 4. Mengelkamp 15. 5. Merten** 28. 4. Metzger ** 28. 4. Michels 28. 4. Müller (Aachen-Land) ** 28. 4. Paul 28. 4. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Peters (Norden) 30. 6. Frau Pitz-Savelsberg 2. 6. Pöhler * 28. 4. Frau Dr. Probst 12. 5. Raffert 28. 4. Richarts ** 28. 4. Richter * 28. 4. Dr. Rinderspacher * 28. 4. Rösing 28. 4. Ross 28. 4. Dr. Rutschke * 28. 4. Scheel 28. 4. Schmidt (Würgendorf) * 28. 4. Dr. Schulz (Berlin) * 28. 4. Dr. Serres * 28. 4. Dr. Starke (Franken) ** 27. 4. Struve 31. 5. Dr. Süsterhenn 27. 4. Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell* 28. 4. Dr. Wahl * 28. 4. Wellmann 30. 4. Wienand * 28. 4. Dr. Wuermeling 27. 4. Zerbe 28. 4. * Für die Teilnahme an einer Tagung der Beratenden Versammlung des Europarats ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Luda (CDU/CSU) zu Punkt 4 der Tagesordnung. Der Sachverständigenrat verfährt nach der Methode von Professor Heller, USA, des früheren Vorsitzenden des Konjunkturrates: er versucht, den Umfang der Unterauslastung der Wirtschaft zu ermitteln, um dann vorzuschlagen, wie die fehlende Nachfrage zu erzeugen ist. Das ist eine rein liquiditätsorientierte Betrachtungsweise. Um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, bedarf es zunächst einer Ermittlung der Ursachen der Konjunkturabflachung. Abgesehen von der politischen Krise des vorigen Jahres liegt diese Ursache in den öffentlichen Defiziten, in der Kostenentwicklung und, inzwischen weitgehend überwunden, in der Preisauftriebstendenz. Also müssen zuerst die öffentlichen Finanzen saniert werden, die Haushalte müssen umstrukturiert werden. Darüber sagt das Gutachten leider nichts. Der Etat ist nicht zuerst ein Instrument der Konjunkturpolitik, sondern in erster Linie Prüfstein für die Ordnung im Staat, also politische Vertrauensgrundlage. Bedenklich ist es meines Erachtens auch, daß das Gutachten sich ausschließlich an Globalzahlen orien- 5002 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 tiert. An Stelle einer Ahalyse der derzeitigen relativen Arbeitslosigkeit wird lediglich von „allenthalben brachliegenden Kapazitäten" gesprochen. Das gibt ein falsches Bild. So liegt die Arbeitslosigkeit im Raum Rhein-Neckar und Rhein-Main unter 1 %, dagegen im Ruhrgebiet, an der Saar, in Teilgebieten von Niedersachsen und im Bayerischen Wald weit über dem Durchschnitt. Die heutige Konjunkturpolitik kann nicht isoliert von den Strukturproblemen betrachtet werden. Sie beziehen sich nicht nur auf die Eisen schaffende Industrie und den Bergbau, sondern auch auf Teile der Eisen und Metall verarbeitenden Industrie, der Holz- und der Textilindustrie. Durch Gewährung globaler Kreditspritzen ist hier keine Hilfe zu erwarten, das würde die notwendige Strukturbereinigung nur hinausschieben. Es wäre auch zu begrüßen gewesen, wenn das Sondergutachten die bisherige Investitionstätigkeit näher untersucht hätte. In der EWG-Investitionsstatistik ist die Bundesrepublik Deutschland nämlich eindeutig führend. Die Brutto-Anlage-Investitionen der Industrie hatten 1964 eine Zuwachsrate von 18 %, 1965 von 15 % und sind sogar im Jahresdurchschnitt 1966 noch leicht gestiegen. Läßt das nicht den Schluß zu, daß die nachlassende Investitionsneigung eine insoweit natürliche Reaktion auf sehr hohe Investitionsraten der vergangenen Jahre mit dem Zwang der einzelnen Unternehmen, nunmehr zu konsolidieren, ist? Zum Vorschlag des Sondergutachtens! Er bedeutet einen klaren Stellungswechsel des Rates im Vergleich zu dem vor vier Monaten veröffentlichten Dritten Jahresgutachten. Damals hatte der Rat drei Alternativprojektionen dargelegt (I „Stabilität um jeden Preis", II „ungezügelte Expansion", III „kontrollierte Expansion"). Im Dritten Jahresgutachten hatte der Rat eindeutig das Konzept der „kontrollierten Expansion" propagiert. Der Vorschlag im Sondergutachten deckt sich demgegenüber weitgehend mit der seinerzeitigen Alternativprojektion II. Natürlich kann in der Wirtschaftspolitik kurzfristig ein Stellungswechsel nötig werden. Was aber bedenklich erscheint, ist die Tatsache, daß die Öffentlichkeit sich inzwischen auf die amtlich übernommene „kontrollierte Expansion" eingestellt hat, die durch die neue Politik weitgehend sinnentleert ist, und daß, genaugenommen, der jetzige Vorschlag des Sachverständigen-Rates „ungezügelte Expansion" lauten müßte, zumal von vornherein feststeht, daß die Bundesregierung die vorgeschlagene „Kontrolle" der außenwirtschaftlichen Absicherung (Wechselkurspolitik) nicht praktizieren will — mit Recht — und daß sie die zweite „Kontroll"-Maßnahme der lohnpolitischen Absicherung in dem vom Dritten Jahresgutachten vorgeschlagenen Sinne der „Richtzahlen" und „Lohnleitlinien", also der Datensetzung von oben nicht praktizieren kann und nicht praktizieren will. Also: Vor Schlagworten wird gewarnt! Zur Frage des zweiten Eventualhaushaltes! Die Liquiditätsversorgung entwickelt sich zufriedenstellend. Die Zinssenkungstendenz ist zu begrüßen. Leider ist jedoch die Freigabe der Haben-Zinsen ohne Wirkung geblieben. Ganz offensichtlich ist das auf die Tatsache zurückzuführen, daß trotz Zinsfreigabe die Steuerprivilegien der Sparkassen unangetastet geblieben sind. Diese Privilegien werden auch weiterhin zu einem verzerrten, unnötig hohen Zinsniveau führen, wenn man sie nicht unverzüglich abbaut. Die Entwicklung der Liquiditätsnachfrage ist zur Zeit noch gehemmt. Da der Bundeshaushalt 1967 noch nicht verabschiedet ist, macht sich zum Nachteil der Wirtschaft ein Ausgabestau nach wie vor hemmend bemerkbar. Nach Verabschiedung des Bundeshaushalts im Juni wird sich das schlagartig ändern. Zur gleichen Zeit geht auch die Anlaufzeit des ersten Eventualhaushalts zu Ende. Also: In der zweiten Jahreshälfte ist mit einer spürbaren Massierung der öffentlichen Ausgaben zu rechnen, zumal dann auch das Defizit der Sozialversicherungsträger mit etwa 1,5 Milliarden DM stark expansiv wirken wird. Für alles das ist offenbar genug Liquidität vorhanden. Funktioniert die beabsichtigte Initialzündung gleichfalls in der zweiten Jahreshälfte, womit wohl zu rechnen ist, dann ergäbe sich wahrscheinlich die Gefahr einer Überforderung des Kapitalmarktes, falls man gleichzeitig einen zweiten Eventualhaushalt praktizieren wollte. Es geht also nicht an, heute schon über die Frage eines zweiten Eventualhaushaltes — der nach Ansicht des Berliner Instituts ein Volumen von 4 Milliarden DM haben sollte — zu entscheiden. Eventuelle Liquiditätsreserven sollte der Bund lieber den Ländern und Gemeinden für Infrastrukturmaßnahmen überlassen. Im Dritten Jahresgutachten war in der Alternativprojektion II („ungezügelte Expansion") auf die Gefahr eines kumulativen Prozesses im Jahre 1968 hingewiesen worden. Dieser Hintergrund muß auch heute noch beachtet werden,desgleichen der Hintergrund eines Haushaltsdefizits des Bundes für 1968 in Höhe von 6,8 Milliarden DM. Ein zweiter Eventualhaushalt würde also eine Vervielfachung späterer Konsolidierungsschwierigkeiten bedeuten. Auch aus diesem Grunde darf man sich nicht vorzeitig und nicht ohne Not für ihn entscheiden. Anlage 3 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Schmidhuber (CDU/CSU) zu Punkt 4 der Tagesordnung. Heute ist schon mehrmals von der psychologischen Komponente der Konjunkturpolitik gesprochen worden. Meiner Meinung nach kann man diesem Fragenkomplex nicht genügend Aufmerksamkeit widmen. Steht doch hinter den Summengrößen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung eine unübersehbare Zahl von Einzelentscheidungen, die von den Marktteilnehmern, von den Konsumenten und Produzenten, Tag für Tag gefällt werden müssen. Kollektivurteile über die Entwicklung der Konjunk- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 5003 tur, wie etwa die sogenannte Krisenfurcht, können — selbst wenn sie unbegründet sind — den weiteren konjunkturellen Ablauf unter Umständen stärker beeinflussen als wirtschaftspolitische Maßnahmen; ja, sie können Wirkungen auslösen, deren Größe und Mächtigkeit in keinem Verhältnis steht zu den relativ bescheidenen Einflußmöglichkeiten der öffentlichen Hand. Dafür gibt es in der Wirtschaftsgeschichte der zwanziger und dreißiger Jahre genügend Beispiele. Die Marktteilnehmer können sich aber nicht allein an ihren unmittelbaren wirtschaftlichen Erfahrungen, die sich meistens nur auf einen schmalen Sektor beziehen, orientieren, sondern sie sind auch darauf angewiesen, wie die öffentliche Meinung und die für die Wirtschaftspolitik Verantwortlichen die Lage beurteilen. Insofern setzt auch der Sachverständigenrat selbst durch seine gutachtlichen Äußerungen ein konjunkturelles Datum. Er ist also in der Lage des Arztes, der bei der Mitteilung der Diagnose an den Patienten die Wirkungen bedenken muß, die diese Mitteilung auf den Kranken haben könnte. Überspitzt könnte man hierbei von dem „prozyklischen Effekt von Gutachten" sprechen, wobei ich insbesondere die möglichen Wirkungen auf das Konsumentenverhalten im Auge habe. Dies ist die Folge davon, daß die Erörterung konjunkturpolitischer Fragen, der durch das Gesetz institutionalisierte Dialog zwischen Sachverständigenrat und Bundesregierung sich im vollen Licht der Öffentlichkeit vollzieht. Dabei kann der Sachverständigenrat möglicherweise in eine ähnliche Situation geraten wie die Demoskopen bei der letzten Bundestagswahl, nämlich daß man ihnen später den Vorwurf macht, sie hätten durch ihre Prognose das Ergebnis beeinflußt. Man sieht, die „informierte Gesellschaft" hat auch ihre Gefahren. Man sollte daraus keinesfalls die Konsequenz ziehen, einer öffentlichen Erörterung konjunkturpolitischer Fragen aus dem Wege zu gehen. Allerdings sollte man diese unerwünschten Nebeneffekte bei der Formulierung und unter Umständen bei der Wahl des Zeitpunktes der Äußerung zu vermeiden suchen. Die zweite Bemerkung betrifft das Problem der außenwirtschaftlichen Absicherung der Währungsstabilität, den Schutz vor der sogenannten importierten Inflation. Niemand wird sich der in mehreren Stellungnahmen vorgetragenen Sorge des Sachverständigenrates zu verschließen vermögen, die binnenwirtschaftliche Stabilität werde durch außenwirtschaftliche Einflüsse gefährdet. Die vom Sachverständigenrat vorgeschlagenen autonomen Lösungsmöglichkeiten bergen — abgesehen von juristischen Hindernissen — jedoch schwer überschaubare Risiken in sich. An erster Stelle steht dabei die heute schon einmal ausgesprochene Befürchtung, die Exporterfolge der deutschen Wirtschaft könnten darunter leiden. Die Abneigung gegenüber einer Verminderung der Währungsparitäten resultiert letztlich aus der Tatsache, daß derartige Operationen die Handelsströme oft auf lange Zeit erheblich beeinträchtigen, ja sogar auf die Dauer umlenken können. Aus diesem Grund hat der Wirtschaftsausschuß die im Entwurf des Stabilitätsgesetzes vorgesehene Möglichkeit einer Senkung der Sätze der Umsatzausgleichsteuer und der Ausfuhrvergütung — ein Instrument, das man als partiell und zeitlich begrenzten Aufwertungsersatz ansehen könnte — gestrichen. Die importierte Inflation ist im übrigen nicht das wirtschaftspolitische Problem des Jahres 1967. Auf längere Sicht — vielleicht schon im nächsten Jahr — wird uns allerdings diese Frage immer wieder beschäftigen. Die Wechselbeziehungen zwischen den Wirkungen des internationalen Preiszusammenhangs und den monetären Folgen eines strukurellen Zahlungsbilanzüberschusses einerseits und dem Auslastungsgrad der binnenwirtschaftlichen Produktionskapazitäten andererseits bedürfen im übrigen noch weiterer quantitativer Untersuchungen. Vorerst bleibt nur ein Ausweg, um den Gleichschritt der westlichen Industriestaaten in die Inflation zu bremsen bzw. zu stoppen, nämlich sich verstärkt um eine internationale Koordinierung der nationalen Wirtschafts- und Finanzpolitik der einzelnen Staaten zu bemühen. Gewisse Möglichkeiten bietet dazu das Europäische Währungsabkommen sowie Art. 107 des EWG-Vertrages und last not least die ökonomische Vernunft und das wohlverstandene gemeinsame Interesse an einer gesunden internationalen Finanzordnung. Anlage 4 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Stein (Honrath) (CDU/CSU) zu Punkt 4 'der Tagesordnung. Ich möchte mich nicht mit dem Inhalt des Dritten Jahresgutachtens und des Sondergutachtens unseres Sachverständigenrates befassen. Kritik und Zustimmung sind zu diesem Inhalt geäußert worden, zu dem Sondergutachten fast nur Kritik, in der Öffentlichkeit noch mehr als hier. Ich habe das bewußt anderen überlassen und will mich mit einer anderen, wie mir scheint, ebenfalls sehr wichtigen Frage beschäftigen, einer Frage, die die Gutachten aufwerfen und von anderen schon kurz gestreift wurden. Dieses Hauptgutachten, das wir diskutieren, ist das dritte, das Sondergutachten das erste seiner Art. Im August 1963 wurde durch das Gesetz, das dem ganzen Vorgang zugrunde liegt, der Auftrag gegeben, Untersuchungen über die Ausgewogenheit unserer wirtschaftlichen Entwicklung mit Hilfe eines unabhängigen Sachverständigengremiums vorzunehmen. Die beiden heutigen Gutachten sollten meines Erachtens Anlaß sein, uns unsererseits zu prüfen, ob wir mit dieser Art und Form der Gutachten, an die wir uns sozusagen schon gewähnt haben, auf dem richtigen Wege sind. Ist es das, was wir wollen und erhofft haben? Mit anderen Worten: Haben sich das Gesetz und seine Absicht 5004 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 mit diesem Gutachten bewährt, oder sollten wir etwas andere Wege beschreiten? Wenn ja, welche? Ich denke, daß man diese Frage in aller Ruhe aufwerfen und daß man allmählich mit dieser Diskussion beginnen kann. Diese Diskussion müßten zunächst wir in diesem Hause führen. Denn wir sind zunächst die Empfänger der Gutachten, wie wir auch die Initiatoren des Gesetzes gewesen sind. Die Bundesregierung gibt zwar eine Stellungnahme dazu ab, sie ist aber vielleicht nicht so frei in ihrer Äußerung zur Frage des Gelingens des gesetzlichen Auftrages und zu den Verfahrensfragen der Gutachten. Die Regierung könnte in den Verdacht kommen, sich mit grundsätzlichen Änderungen oder Ausgestaltungsvorschlägen einen unbequemen Aufpasser oder Kritiker vom Halse schaffen oder ihn an die Kette legen zu wollen. Vielleicht auch umgekehrt. Deshalb sollte ,der Bundestag, sollte das Parlament diesen ersten Saldo der Betrachtung der bisher gewählten Form !der Untersuchungsmethode ziehen und die Frage der Verbesserungserfordernisse und Verbesserungsmöglichkeiten sich selbst stellen. Eine kleine Vorbemerkung! In Deutschland, aber auch anderwärts, gerät man leicht in den Geruch, geistig etwas minderbemittelt zu sein, wenn man den Spruch von Weisen nicht sozusagen auf den Knien entgegennimmt. Wird diese Ergebenheit, so frage ich, als Preis dargebracht für die Unabhängigkeit, also dafür, daß die Männer im Elfenbeinturm den Kampf gegen Interessen und unsachliche Einflüsse gewagt oder sich um weisungsfreie Beurteilung bemüht haben? Es lohnt sich, über diese Frage, deren Beantwortung über unsere Gesellschaft viel aussagen würde, nachzudenken. Der allgemeine Gutachter ist in Deutschland leider stark abgewertet. Im Volksmund, jedenfalls im qualifizierteren, sagt man, nicht ganz zu Unrecht, daß man für alles und jedes, für alle nur denkbaren Ansichten zu einer Sache einen Gutachter haben kann. Wir kennen ja alle die Prozesse, deren Akten mit vielen einander widersprechenden Gutachten angefüllt sind. Wenn ich das sage, so will ich damit unterstreichen, daß die Unabhängigkeit eines Gutachters in der Tat nach der Überzeugung vieler mit besonderen Kautelen hergestellt werden muß. Es muß eine staubfreie Atmosphäre gesichert sein. Ich bekenne mich jedenfalls ganz grundsätzlich zu der Auffassung, daß das unabhängige Gutachten in Deutschland einen hohen Rang anstreben und erhalten muß und daß die Gutachter ihre Ehre in die völlig unabhängige Begutachtung setzen müssen. Weisungsfrei und unabhängig heißt aber nicht, daß ein Gutachten sozusagen im luftleeren Raum gestaltet werden müsse. Je elfenbeinerner ein Gutachten ist, um so luftleerer ist es aber. Nun garantiert in unserem Falle des gesamtwirtschaftlichen Sachverständigenrates die Persönlichkeit der Gutachter, die sich in ihren Kreisen und gegenüber der Öffentlichkeit ja auch wieder über ihre Thesen auseinanderzusetzen haben, für die lebensvolle Komprimierung des Stoffes und für eine gewisse Bodennähe der Betrachtung. Aber dieser Status, den wir den Gutachtern zugewiesen haben, reicht nach meiner Ansicht nicht aus, blut- und lebensvolle Gutachten sozusagen von der Methode her sicherzustellen. Wir befinden uns mit unserem Untersuchungsauftrag nicht in der Justiz oder einem sonstigen Bereich, bei dem es um die abstrakte und theoretische Frage des Falsch oder Richtig geht, sondern in der Wirtschaft, einem Bereich also, bei dem letzten Endes nur das konkrete Ergebnis interessiert, die Frage, ob diese konkrete Vorstellung mit Hilfe der vorausgeschickten Daten auch wirklich überzeugt. Ich habe oft die Meinung gehört, daß der Auftrag an den Sachverständigenrat an sich utopisch sei, weil dieser Auftrag sich in einem theoretischen Idealbild, nämlich der Stabilität des Preisniveaus, einem hohen Beschäftigungsstand, dem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wachstum zu vollziehen habe und die Einzeluntersuchungen dieser Zielsetzung zu dienen hätten. Nun gut, Gesetze können sich ideale und vielleicht unerreichbare Ziele setzen. Aber wir hier sind leider auf die Realitäten der vier Ideale angewiesen. Wir können zwar anordnen, daß die Vorstellungen der Sachverständigen keine Empfehlungen sein sollen. Aber alle Welt faßt sie als solche auf, besonders wenn sie — wie z. B. dieses unglückliche Ergänzungsgutachten — wenig Alternativen haben und wenn die Presse von den Gutachten als dem volkswirtschaftlichen Gewissen der Nation spricht. Die Vorstellungen der Sachverständigen, hoch in den Raum gestellt, sind dann natürlich die Basis für politische Attacken und Alibis, obwohl irgendeine Bewährung dieser Vorstellungen im politischen Raum nicht stattgefunden hat, die Regierung vielmehr sofort in der Rolle des Angeklagten ist. Ja, das Gutachten selbst kann sofort Angreiferin sein. Wer will das für die Vergangenheit der 31/2 Gutachten bestreiten? Es kann aktiv in eine ganz bestimmte Richtung wirken, statt nur Möglichkeiten für die eine oder andere Handhabung aufzuzeigen. Die Gefahr dieser unabhängigen, also wertfreien und unpolitischen, aber politisch höchst wirksamen, eindeutig als Empfehlung wirkenden Nichtempfehlung ist groß, sehr groß. Wir haben sie bisher gebändigt, aber das muß nicht immer so sein. Ich habe 'sogar den Eindruck, daß das von Jahr zu Jahr schwieriger wird. Die Wirtschaft darf nach meiner Auffassung nicht in dieser Weise nur den Sachverständigen zu einem so hohen und unmittelbaren Einfluß überlassen werden. Der Sachverständigenrat soll in diesem Gutachten darstellen, die Situation darstellen, aber nicht an Hand eines Bildes, das sich an Idealen und nicht ganz realistischen Generalklauseln orientiert. Nur eine einzige der vier von mir vorhin genannten Komponenten braucht, aus welchen Gründen auch immer, nicht realistisch zu sein, dann ist das ganze Bild schief. Hier scheint mir ein wesentlicher Mangel unseres Gesetzes zu liegen. Ein zweiter Mangel hängt damit zusammen und scheint mir darin zu liegen, daß der Sachverständigenrat personell ergänzt oder etwas anders zusammengesetzt werden muß. Meines Erachtens müßte mindestens ein von Berufs wegen sicherer Kenner der politischen Zusammenhänge in das Gremium herein. Außerdem müßten die Mitglieder des Sachverständigenrates einen Status haben, der es ihnen zur Pflicht macht, die Valuta ihres Gut- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 5005 achtens mit einer voll funktionierenden Methode zu erreichen. Was verstehe ich hierunter? Betrachten wir einmal mit einem kurzen Streiflicht die bisherigen 31/2 Gutachten. Leider ist ja unsere Gegenwart so schrecklich vergeßlich. Was wäre geschehen, wenn wir den Vorstellungen der zurückliegenden Gutachten gefolgt wären? Was würde geschehen, wenn wir das vorliegende dritte und das Sondergutachten unter Hinnahme der Korrekturen zur Grundlage unserer Entscheidung machen würden? Sicher gibt es überzeugte, positive Beurteiler. Auf diese Frage des Falsch oder Richtig kommt es mir aber — wie gesagt — in diesem Zusammenhang gar nicht an, sondern darauf, daß in der Beurteilung und in den Vorschlägen des Sachverständigenrates zu wichtigen Problemen nach der Ansicht einer sehr großen Zahl von anderen Sachverständigen deutlich Fehlbetrachtungen vorliegen und einzelne vorgeschlagene Ziele auf den erörterten Wegen nicht erreicht werden können. Anders gesagt, daß die etwa in der Richtung des Gutachtens eingeleiteten Maßnahmen weder auf einer zuverlässigen sachlichen noch politischen Basis aufgebaut und realisiert werden können. Ich meine, daß die Gutachten und die Gutachter durch diese Situation in die Gefahr einer allmählichen und längst aktuellen Entwertung geraten. Die freundlichen Bemerkungen der Bundesregierung in der Einleitung ihrer Stellungnahme zum dritten Gutachten können darüber nicht hinwegtäuschen. Mein heutiges Thema ist, wie es dazu kommt und wie wir diese Devaluierung vermeiden, einer weiteren Abwertung vorbeugen können. In dieser ersten Diskussion hierüber ist das Ganze mit wenigen Sätzen darzustellen. Wir brauchen nur einmal die Gutachten ganz klar ins Auge zu fassen. Sie bestehen aus zugrunde gelegten Daten, allgemeinen oder speziellen Prämissen und Aspekten sowie einer Analyse, das Sondergutachten ferner aus Korrekturen. Die Gutachter setzen sich vor den Gutachten in freier Weise mit diesen oder jenen Stellen, sicherlich allen sachlich zu einem Beitrag berufenen, in Verbindung und informieren sich. Wir alle sind gehalten, sie in ihrer Arbeit zu unterstützen, und tun das gern. Welche Ansichten die Gutachter mitbringen, sei es zur Diagnose oder zur Therapie, erfahren wir nicht oder nicht unbedingt, jedenfalls nicht in einer verbindlich geregelten Form. Oft oder wohl meist spricht auch nur einer der Gutachter mit diesem oder jenem Bedarfsträger oder verantwortlichem Gremium. Soweit nicht das Statistische Bundesamt eingeschaltet ist, werden die Daten wohl auch nicht verbindlich abgestimmt, die Prämissen und Aspekte bleiben auf beiden Seiten, also sowohl bei den befragten Gebern als den nehmenden Sachverständigen, etwas im angenehmen Dunkel; es wird ja auch aus Gründen, die man menschlich verstehen kann, mit allerlei Vorsicht gearbeitet. Die nachfolgende Analyse — das haben wir ja nun schon mehrfach und mit steigender Intensität erlebt — hebt sich dann leicht wie von selbst etwas vom Boden und kann in dieser oder jener Einzelfrage, wie wir gehört haben, sogar in eine bedenkliche Höhe geraten, eine Erscheinung, an die wir uns im Bereich der theoretischen Wirtschaftspolitik beinahe schon gewöhnt haben, die aber wegen der Neigung des deutschen Charakters, den Politikern zu mißtrauen, den Gutachtern zu vertrauen, auch nicht völlig ungefährlich ist. Nach meiner Ansicht muß sich das Gutachtergremium, müssen sich die grundlegenden Ausgangspunkte und die entwickelten Vorstellungen zunächst dem politischen Raum im weitesten Sinn stellen, bevor sie mit dieser Feierlichkeit verkündet, der Regierung übermittelt und von dieser an uns weitergegeben werden. Wir wollen, daß gutachtliche Meinungen nicht nur richtig und von den sonstigen Qualitätsgutachten in Deutschland, soweit wie möglich, gleich mitgetragen werden, sondern daß diese Gedankengänge auch politisch und praktisch realisierungsfähig erscheinen. Ich kann diesen Punkt nicht deutlich genug unterstreichen. Er bedeutet nicht, daß die Gutachter nur erörtern sollen, was auch Aussicht hat, vollzogen zu werden. Welcher Irrtum wäre das! Er bedeutet vielmehr, daß der Sachverständigenrat unter Einsatz seiner eigenen, wenn auch zunächst nur vorläufigen Ansicht mit allen in Betracht kommenden Stellen in einem nicht allzu streng, aber in diesem Punkt klar geregelten Verfahren sprechen muß und daß er seine Prämissen, Aspekte und Analysen in voller Kenntnis der sachlichen und politischen Auffassungen und Pläne, die zu seinem Aufgabenbereich gehören, darzulegen hat. Das Material dieser Vorauseinandersetzung könnte in übersichtlicher Form dem Jahresgutachten beigefügt werden. Zur Veranschaulichung dieses Änderungsbedürfnisses unseres Gesetzes kann man natürlich mehrere sehr aktuelle Beispiele wählen. Das Sondergutachten allein rechtfertigt die ganze Skala der Kritik an der jetzigen Praxis der Gutachtenerstattung: Der gesetzliche Auftrag ist nichtvoll eingehalten, wenig Alternativen sind aufgezeigt, die Vorschläge wirken klar als Empfehlung, über die Stellungnahme wichtiger Partner, z. B. des Außenhandelsbeirats, ist man hinweggegangen, der Vollzug des Eventualhaushaltes ist nicht ganz zutreffend beurteilt, und zu manchen Einzelfragen fehlt eben die Mitteilung der Stellungnahme der Hauptbeteiligten und anderes mehr. Diese Gesprächspartner sind nämlich die Träger unser marktwirtschaftlichen Ordnung. Diese Träger und ihre Ansichten hat das Gutachten neben den sonstigen Begebenheiten und Bindungen nationaler und internationaler Art mit einzubeziehen und zu würdigen. Wenn z. B. ein wesentlicher Teil dieser Partner, selbstverständlich mit guten Gründen, die Erwägung des Sachverständigenrates ablehnt oder als politisch undurchführbar bezeichnet, ist das ein Faktum im Bewußtsein dessen, daß die Vorschläge des Gutachtens lebensvoll und politisch durchblutet sein müssen; sonst haben sie nur wissenschaftlichen Wert. Ich meine, daß wir nur bei Beachtung dieses Grundsatzes den Gutachtern den Status sichern können, der unserer Hoffnung auf die Nützlichkeit und den nationalen und gesamtwirtschaftlichen Wert ihrer Gutachten entspricht. 5006 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 Unser Gesetz muß ergänzt werden. Das dritte Gutachten und das Sondergutachten zeigen dies mit einer mehr als ausreichenden Deutlichkeit. Das ist meine Ansicht und die vieler meiner Freunde. Die Änderung kann mit einigen wenigen Pinselstrichen geschehen, die die Geborgenheit des Gutachtens im gesamten politischen Raum, die Anlehnung an die tragenden Kräfte unserer Gesellschaft garantieren, und wird uns schnell zu der gewünschten Form der Gutachten weitrhelfen. Ich verrate wohl auch kein Geheimnis, wenn ich sage, daß die wissenschaftlichen Gutachter selber im In- und Ausland sich über wesentliche Grundlagen solcher gutachtlicher wirtschafts-wissenschaftlicher Aussagen im Streit oder nicht in Übereinstimmung befinden. Einzelne meinen z. B., daß zwischen Analysen und Empfehlungen sowie zwischen Gutachten und politischen Entscheidungen nicht getrennt werden könne. Andere meinen, daß die Gutachter auch über Mittel zur wirksamen Durchführung ihrer Gedanken verfügen müßten usw. Jedes Land kann das natürlich halten, wie es will. Was wir wollen, ist jedenfalls, daß die Gutachter die anstehenden Probleme herausstellen und begutachten, wobei es natürlich in erster Linie und gerade auf diejenigen Erscheinungen ankommt, die außerhalb des normalen oder vermuteten Konjunkturablaufes liegen. Die Gutachter müssen dabei auf wissenschaftlich verläßlichem Boden bleiben und allzu kontroverse Theorien vermeiden. Sie sollen aber ihr Votum vertreten, und zwar so, daß die Regierung, die die Richtigkeit und Zweckmäßigkeit des Gutachtens zu prüfen und die anschließend nach ihrem politischen Auftrag zu handeln hat, die in dem Gutachten geäußersten Auffassungen nach ihrer Durchführbarkeit beurteilen kann. Was diese Auffassungen nun angeht, so hat ein sehr angesehenes Mitglied dieses Hauses in diesen Tagen höchst lapidar festgestellt, es sei reiner Aberglaube, daß Wissenschaftler allgemein bessere Ideen hätten als Politiker. Wir wollten diese Frage schon aus Höflichkeit gegenüber der Wissenschaft offenlassen, jedenfalls aber nicht vom Gegenteil ausgehen. Die Devise müßte lauten: noch lebensvoller, noch realistischer, noch praxisgerechter. Die Wissenschaft braucht dabei insbesondere in den Präliminarien nicht zu kurz zu kommen. Ich breite diese Gedanken hier einmal aus in voller Sorge, daß eine Sache, die ich persönlich zwar für politisch unzweckmäßig gehalten habe, die wir aber so gut wie möglich zu gestalten haben, an Überzeugungsfähigkeit und Bodennähe noch mehr verliert, wenn wir ihr nicht zu Hilfe kommen. Letzten Endes sind Sachverständigengutachten soviel wert, wie sie sich mit ihren Hauptgedanken als durchsetzbar erweisen. Mein Vorschlag ist, in Zusammenarbeit mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister im Wirtschaftsausschuß dieses Hauses die Frage der künftigen Methode der kommenden Gutachten grundsätzlich zu diskutieren. Wir sind ja in der glücklichen Lage, daß die jetzige Koalition eine solche Diskussion ohne politische Hektik und die Gefahr allzu kurzsichtiger Betrachtungsweise ermöglicht. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Adorno vom 27. April 1967 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Hübner (Drucksache V/1634 Fragen 69, 70 und 71) : Ist daran gedacht, die durch den Einsatz von einer elektronischen Großrechenanlage beim Übersetzerdienst der Bundeswehr erzielten Arbeitsvereinfachungen auch der interessierten Öffentlichkeit in der Weise nutzbar zu machen, daß sie gegen eine Gebühr die damit gegebenen Möglichkeiten nutzen kann? Bestehen Pläne, die beim Übersetzerdienst der Bundeswehr durch den Einsatz einer elektronischen Großrechenanlage möglichen Arbeitsvereinfachungen auch für die fremdsprachliche Arbeit anderer Ressorts zu nutzen? Bestehen Pläne zur Gründung eines zentralen Bundessprachenamtes zur Koordinierung und zentralen Finanzierung der Arbeit an wichtigen sprachlichen Problemen, zum Beispiel der Einsatzmöglichkeiten von Großrechenanlagen oder der Koordinierung terminologischer Vorhaben, um so Doppelarbeit zu vermeiden? Es ist in der Tat daran gedacht, die beim Übersetzerdienst der Bundeswehr erarbeiteten Verfahren der maschinellen Übersetzungshilfe und Lexikographie unter Verwendung einer elektronischen Datenverarbeitungsanlage für interessierte Kreise von Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung nutzbar zu machen. Ein Erlaß . an den Übersetzerdienst, in dem die Modalitäten der Überlassung von Arbeitsergebnissen dieser Art an Stellen außerhalb der Bundeswehr geregelt werden, steht vor der Herausgabe. Was für die interessierten Stellen von Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung gilt, gilt erst recht für die übrigen Bundesverwaltungen. Die anderen Bundesressorts können sich bereits heute für ihre fremdsprachliche Arbeit im Wege der Amtshilfe der Möglichkeiten bedienen, die im Sprachendienst der Bundeswehr und speziell beim Übersetzerdienst der Bundeswehr durch den Einsatz einer elektronischen Großrechenanlage für linguistische Zwecke zur Verfügung stehen. Es ist beabsichtigt, die interministerielle Zusammenarbeit auf diesem Gebiet durch Vereinheitlichung der Verfahren der Terminologiearbeit und durch Einspeisung möglichst aller terminologisch-lexikographischen Arbeitsergebnisse in den Zentralspeicher zum Nutzen sämtlicher Beteiligten zu rationalisieren und zu intensivieren. Es ist vorgesehen, die Sprachenschule der Bundeswehr, den Übersetzerdienst der Bundeswehr und einige Arbeitsgebiete des Sprachenreferats des Verteidigungsministeriums zu einem Sprachenamt zusammenzufassen. Da die linguistischen Disziplinen Übersetzen, Sprachunterricht und sprachwissenschaftliche Arbeit wechselseitig eng verzahnt sind, garantiert erst eine organisatorische und räumliche Zusammenfassung den größtmöglichen Arbeitserfolg. Erst nach dieser Zusammenfassung werden alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden können, die in Gestalt moderner technischer Hilfsmittel und moderner Verfahren der angewandten Linguistik heute zu Gebote stehen. Das Sprachenamt soll als Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Verteidigungsressorts konstituiert werden. Es soll zu etwa 20-25 % seiner Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 5007 Kapazität den übrigen Bundesverwaltungen zur Verfügung stehen. Es wird gem. einer Vereinbarung mit dem federführenden Bundesministerium des Innern die Bezeichnung „Bundessprachenamt" führen. Ein Grundstück für das Bundessprachenamt steht in Hürth bei Köln zur Verfügung. Die Bauplanung ist in etwa abgeschlossen. Angesichts der absolut unzureichenden derzeitigen Unterbringung der Sprachenschule der Bundeswehr kann der Baubeginn nicht mehr länger hinausgeschoben werden. Die Lösung dieser Frage steht aber unter dem Zwang, den ein eingeschränkter Haushalt auferlegt. Die Vorstellungen über die Finanzierung bestimmter, über den Verteidigungsbereich hinausgreifender Aufgabenkomplexe des Amtes bedürfen noch der weiteren interministeriellen Abstimmung.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl Mommer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Damit ist die Fragestunde beendet.
    Ich rufe den Punkt 3 der Tagesordnung auf:
    a) Große Anfrage ,der Fraktionen der CDU/CSU, SPD betr. Atomwaffensperrvertrag
    — Drucksache V/1650 —
    b) Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. atomare Rüstung und friedliche Nutzung von Kernenergie
    — Drucksache V/1494 —
    Die Fraktionen haben sich verständigt, daß wir mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP beginnen, zunächst die Begründung dieses Antrags hören, danach die Begründung der Großen Anfrage der beiden anderen Fraktionen, danach die Beantwortung der Großen Anfrage durch die Bundesregierung. — Das Haus ist einverstanden.
    Das Wort zur Begründung des Antrags der Fraktion der FDP hat der Abgeordnete Schultz (GauBischofsheim).
    Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der FDP-Bundestagsfraktion Drucksache V/1494, den zu begründen ich die Ehre habe, umfaßt drei Probleme: erstens die Haltung, die die Bundesregierung zu den atomaren Waffen einnehmen sollte, und ,die Frage, welche Folgerungen daraus für die Mitarbeit im NATO-Bündnis und für die Ausrüstung der Bundeswehr zu ziehen sind; zweitens die Aufforderung an die Bundesregierung zu einer konzertierten Aktion ihrer Außen-, Verteidigungs- und Deutschlandpolitik — ich glaube, ,daß gerade hier noch mehr Zusammenspiel des Orchesters notwendig ist —; drittens die Einstellung, die wir gegenüber dem Atomwaffensperrvertrag einnehmen sollten. Zu dieser Frage, die ja auch die Grundlage .der Großen Anfrage der Koalitionsfraktionen ist, wird sich insbesondere mein Kollege Borm später in der Aussprache zur Großen Anfrage äußern.

    . 4931

    Schultz (Gau-Bischofsheim)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Antrag liegt dem Bundestag schon seit geraumer Zeit vor, genauer gesagt, seit dem 27. Februar 1967, also seit genau zwei Monaten. Es wäre sicher zweckmäßig gewesen, die Debatte über diesen Antrag und insbesondere über den Punkt 1, mit dem ich mich beschäftigen werde, früher zu führen, um zu einer Klärung ,der in diesem Haus widersprüchlichen und insbesondere auch zwischen 'den Regierungsfraktionen gegensätzlichen Standpunkte zu kommen. Denn letzten Endes müssen wir ja unsere Verteidigungskonzeption gemeinsam gegenüber unseren Bündnispartnern vertreten. Wenn nun unser Antrag erreicht hat, daß die Regierungsfraktionen aufgewacht sind, dann ist schon etwas erreicht, auch dann, wenn wir dazu kommen, daß wir über diese uns doch sehr bewegenden. Fragen hier im Plenum diskutieren statt draußen in Zeitungen, Presse und Rundfunk.
    Am Ende der heutigen Debatte sollte, meine ich, von der Bundesregierung und auch von den Regierungsfraktionen eine klare Antwort gegeben werden, ob ein Atomwaffensperrvertrag uns ein atomares Cannae von kosmischen Ausmaßen, wie es oft blumenreich ausgedrückt wird, beschert oder ob er zu einem wirksamen Instrument der Entspannung und Rüstungsbegrenzung gemacht werden kann und vor allem auch gemacht werden soll.
    Aus der Regierungserklärung im Dezember vorigen Jahres konnte für dieses Feld internationaler Politik nicht viel geschlossen werden. Die Feststellung, daß die Bundesrepublik den nationalen Besitz atomarer Waffen nicht will, ist so alt wie der Beitritt zu den Brüsseler Verträgen und weder für unsere westlichen Verbündeten noch für unsere östlichen Gegenspieler etwas Neues. Die Wiederholung dieses Verzichts wird nicht als etwas Besonderes empfunden. Die Welt weiß, daß ohne diese Aussage ein Beitritt der Bundesrepublik zur NATO und damit das Heraustreten aus der Enge der Niederlage in eine freiere, offenere Landschaft unmöglich gewesen wären.
    Nun gibt es Leute, die meinen, wir Deutschen hätten schon die Vorleistung erbracht, die es zu honorieren gelte und die man erst einmal nachmachen solle. Erst gestern war das wieder in Rundfunkkommentaren zu hören. Das Argument mag an sich richtig sein, doch kann man leider daraus keine Münze mehr schlagen.
    Wenn West und Ost in vielem uneins sind, in einem treffen sich die Völker beider Seiten — es ist eine Art von Ceterum censeo —: Die Deutschen, rechnen diese dem westlichen oder dem östlichen Bündnis zu, sind von atomaren, biologischen oder chemischen Waffen fernzuhalten. Man muß das ganz nüchtern, ohne trotzige Gefühlsregung, feststellen und daraus die praktische Nutzanwendung für die Politik ziehen.
    Als die Debatte über die Ausrüstung der Bundes: wehr mit atomaren Trägerwaffen Anfang des Jahres 1958 geführt wurde — es ist nötig, sich diese Zeit einmal wieder ins Gedächtnis zurückzurufen —, haben wir Freien Demokraten gegen eine solche Rüstung Stellung genommen. Denn wir sahen in ihr eine politische Entwertung dieses Verzichts, von dem ich vorhin gesprochen habe, und hielten sie darüber hinaus militärisch für falsch. Die damalige Bundesregierung und mit ihr die CDU/CSU-Fraktion in diesem Hohen Hause gingen einen anderen Weg; aus welchen Gründen, soll hier nicht weiter untersucht werden. Es empfiehlt sich vielleicht, einmal die Debatten nachzulesen. Ich habe das getan. Es ist wirklich sehr interessant, die Zeit damals mit der heutigen zu vergleichen.
    Wir müssen jedenfalls feststellen, daß die Folgen dieses Beschlusses damals durchweg negativ waren. Die Ausrüstung mit Atomträgern hat sich militärisch nicht ausgezahlt, da unsere westlichen Verbündeten selbstverständlich nicht daran dachten, uns die entsprechenden Sprengsätze zu geben. Wir befinden uns daher in der Situation eines Menschen, der sich mit einer ungeladenen Pistole verteidigen muß. Das mag ein bißchen überspitzt klingen. Aber es gibt tatsächlich den Zustand wieder.
    Darüber hinaus hat die Entscheidung von 1958 auch unseren außenpolitischen Spielraum eingeengt. Die sowjetische Deutschlandpolitik hat sich seitdem erheblich verhärtet. Sprach man damals noch — Sie erinnern sich vielleicht an das Aide-mémoire, das in dieser Debatte 1958 auch eine große Rolle gespielt hat — von seiten der Sowjets von einem Friedensvertrag mit einem deutschen Staat, so wissen wir alle, daß heute versucht wird, den Status quo zu legalisieren und den Abschluß mit zwei deutschen Staaten zu erreichen.
    Wir müssen uns in diesem Zusammenhang die Frage beantworten, wieviel Geld wir in eine falsche Rüstung gesteckt haben und wieviel wir brauchen, um uns der heutigen Lage in der Welt anzupassen und auf die möglichen und wahrscheinlichen Gefahren die rechten Gegenmaßnahmen zu wissen. Wir müssen wissen, daß man das natürlich nicht von heute auf morgen in Ordnung bringen kann, sondern daß das eine längere Zeit erfordert.
    Ich darf Ihnen dazu ein Zitat aus einem Aufsatz im „Rheinischen Merkur" bringen, der sich mit der Verteidigungskonzeption der Bundesrepublik befaßt und der noch jungen Datums ist, nämlich vom 14. April 1967. Sinnigerweise ist dieser Artikel — im Bundesverteidigungsministerium wird man ihn wahrscheinlich gelesen haben — überschrieben: „Schröder auf dem Prüfstand".

    (Heiterkeit.)

    Man sieht, wie der Herr Minister auf diesem Prüfstand geschüttelt, gerüttelt, gezerrt wird, eingefroren wird und wieder aufgetaut wird. Wir fühlen mit dem Minister, wenn er nun auf dem Prüfstand steht.
    Wir sind der Meinung, daß dieser Artikel im „Rheinischen Merkur" kurz und knapp zusammenfassend die Situation eigentlich recht gut schildert. Das einzige, was einen verwundert, ist, daß die Schilderungen früher kurz und knapp genau in die andere Richtung gegangen sind. Aber man sieht daraus, daß alle in der Lage sind, aus der Vergangenheit für die Zukunft zu lernen.

    (Beifall bei der FDP.)




    Schultz (Gau-Bischofsheim) Ich darf jetzt zitieren:
    Nachdem nur Bonn das NATO-Soll erfüllt hatte, ließ es sich in der Ara der MLF zu der Meinung verführen, es könne eine Art von atomarem Mitkommando bekommen. In Wirklichkeit haben wir dadurch nur eine Belastung unserer Ostpolitik und ein grausames Etat-Defizit erhalten. Heute steht jeder deutsche Verteidigungsminister vor der peinlich ernüchternden Tatsache, daß jede amerikanische „Mitspracheformel" auch weiterhin die absolute Verfügungsgewalt des amerikanischen Präsidenten über alle atomaren Waffen, auch die sogenannten taktischen Atomwassen und Atom-Minen, bedeutet. Das europäische „Mitspracherecht" aber hat sich in die -Sorge vor einem vorher nicht abgesprochenen Einsatz der in Europa gelagerten amerikanischen Sprengköpfe verkehrt.
    Ich kann dem, was hier gesagt worden ist, nur zustimmen und darf darauf auch meine weitere Argumentation aufbauen.
    Ein Versuch der FDP vor fast genau drei Jahren, nämlich im April 1964, die Weichen in dem, was hier angedeutet worden ist, neu zu stellen, war leider zum Scheitern verurteilt. Der damalige Verteidigungsminister, Herr von Hassel, entgegnete auf unseren Antrag, die Beschaffung von Atomwaffenträgern auf dem erreichten Stand einzufrieren, vor diesem Hohen Hause am 15. April 1964 in der 122. Sitzung — ich darf auch hier wieder mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten kurz zitieren —:
    Sie sagen, es sollen keine neuen Träger beschafft oder eingeführt werden. Auch hier geht
    es um den Bestand der Verteidigungskonzeption
    — ich füge ein, wir hatten noch andere Punkte gebracht —der NATO; aus diesem Grunde werden. wir Ihrem Vorbringen unter gar keinen Umständen folgen können.
    Wenn das auch damals eine „abgewogene" Stellungnahme gewesen ist, so wäre es schön gewesen, wenn zumindest die Überlegungen im Ministerium darüber weitergegangen wären, ob diese Stellungnahme für die Zukunft aufrechterhalten werden kann. Wenn ich nun heute höre, daß man sich immer noch in der Prüfung der Lage befindet, dann mag ich das dem erst kurz im Amt befindlichen Verteidigungsminister und seinem Staatssekretär zurechnen, meine aber, daß ein solches Ministerium kontinuierlich arbeiten und die Lage immer neu überprüfen muß. Daran scheint es mir manchmal ein bißchen zu fehlen.

    (Beifall bei der FOP.)

    Nun zielte unser Antrag damals, von dem ich gerade gesprochen habe, auf diese weitere Variante der nuklearen Mitbestimmung, auf das Projekt der MLF. Obwohl es sich fast nicht mehr lohnt, auf dieses Projekt einzugehen, möchte ich doch ein paar Worte darüber verlieren. Ich meine, wir können froh sein, daß die Regierungsverhandlungen nie über ein vorbereitendes Stadium hinaus gediehen sind. Anderenfalls wären die Freien Demokraten gezwungen gewesen, ihre ablehnende Stellungnahme zu diesem Projekt, wie sie in allen Debatten zum Ausdruck kam, durch Handaufheben hier in diesem Saal zu akzentuieren. Damit wäre natürlich wieder die nächste Koalitionskrise fällig gewesen.
    Wie sich das nun heute gerade bezüglich des Verzichts auf atomaren Mitbesitz oder des Anstrebens atomaren Mitbesitzes zwischen den Regierungsfraktionen verhält — ob das hinter verschloassenen Türen ausgehandelt -werden kann oder ob die Öffentlichkeit von den Auseinandersetzungen auch etwas erfährt —, werden wir erst in der Zukunft sehen.
    Aber wichtiger als das scheint mir zu sein, daß dem deutschen Steuerzahler dadurch, daß dieses Projekt nicht realisiert wurde, mehrere Milliarden Mark sinnloser Ausgaben erspart worden sind. Vom Tisch verschwunden ist das Problem damit allerdings noch nicht, so daß der Punkt 1 unseres Antrages seinen Sinn leider noch nicht verloren hat. Es fehlt eben immer noch eine eindeutige Erklärung der Bundesregierung, daß sie auch keinen atomaren Mitbesitz anstrebt. Das fehlte seinerzeit in der Regierungserklärung. Dabei wären unserer Auffassung nach die Folgen einer solchen Erklärung nur positiv zu werten. Da sowieso niemand daran denkt, uns einen Mitbesitz einzuräumen, würden wir auch nichts aufgeben.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Unsere Ostpolitik wäre allerdings von einer schweren Hypothek befreit, und niemand könnte uns mehr nachsagen, wir strebten nach Atomwaffen.
    Nukleare Mitbestimmung im Bündnis kann nämlich über das Instrument der nuklearen Planungsgruppe erreicht werden. Wir sind heute auf diesen Weg verwiesen, und glücklicherweise hat die Bundesregierung — schon die vorherige — diesen Weg eingeschlagen, und ich hoffe, daß die neue Bundesregierung auf diesem Weg genauso weitergehen wird. Die Entwicklung im Bündnis rechtfertigt diese unsere Auffassung. Erste Ansätze für diesen Weg gab es nämlich schon 1962 auf der Athener NATO-Ministerratstagung. 1963 wurden dann in Ottawa Beschlüsse gefaßt, die die Entsendung von europäischen Offizieren, auch deutschen, zum Strategischen Luftkommando nach Omaha möglich machten. Das war der politische Ansatz für eine solche Entwicklung, wie wir sie heute haben. Man ließ sich dann aber leider gefallen — auch die damalige Bundesregierung —, daß die Offiziere, die entsandt worden waren, integriert wurden und ihren Regierungen nicht berichten konnten, so daß ein Einblick in das nukleare Geschehen nicht ausreichend möglich war. Sicherlich wäre es damals richtiger gewesen, politisch Einfluß zu nehmen, um dieses Instrument auszubauen, anstatt das aussichtslose Unterfangen MLF zu betreiben.
    Nukleare Mitbestimmung im Bündnis über nuklearen Mitbesitz zu erreichen, lehnen wir aus allgemein politischen und militärpolitischen Überlegungen ab. Jeder, der in der Welt herumkommt, verspürt die besondere Lage des geteilten Deutschland. Wir sind zwar gleichberechtigtes Mitglied in der NATO, aber die anderen sind doch irgendwie



    Schultz (Gau-Bischofsheim)

    gleicher. Sie werden eben nicht durch besondere nationale Probleme bedrängt, wie sie die Spaltung unseres Landes mit sich bringt.
    Wir können uns nicht beklagen, daß man uns kein Verständnis entgegenbringe. Manche Maßnahmen gegenüber ,der östlichen Welt, von denen sich unsere Verbündeten einen Vorteil versprechen, unterblieben aus Rücksicht auf ,die Bundesrepublik. Man muß auch das einmal sagen und würdigen. Das Konto „Verständnis für unsere Lage" bei unseren Freunden würde aber zweifellos überzogen, wenn man den Eindruck gewönne, die Bundesrepublik wolle an den atomaren Abzugshahn. Sie will es sicher nicht; aber durch Äußerungen vieler Politiker entsteht draußen immer wieder dieser Eindruck, und das ist das, was zu bedauern ist. Gegenteilige Versicherungen unserer westlichen Freunde, natürlich müßten alle NATO-Mitglieder gleich ausgerüstet sein, empfinden wir Freien Demokraten als nicht mehr als höfliche diplomatische Floskeln ohne inneren Gehalt.
    Auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs liefert schon ,der Anschein eines ,Strebens nach Mitbesitz billige Propagandamöglichkeit, von der „militaristischen und revanchistischen Bundesrepublik" zu sprechen. Wie es einmal so ist: falsche Argumente, immer wiederholt, erreichen schließlich bei weniger Informierten und bei denen, die sich auch weniger informieren lassen wollen, das Ohr. Und jede Aktivität unsererseits in Richtung auf Entspannung und Sicherung des Friedens wird entwertet. Auch Gewaltverzichtserklärungen wie z. B. der Vertriebenen haben dann nicht mehr das Gewicht, das ihnen zukommt.
    Nun konnte man immer wieder hören, die Zurückhaltung der Bundesrepublik in der atomaren Frage im Bündnis diskriminiere erstens die Bundesrepublik, und zweitens begebe man sich eines Tauschobjektes, wenn es zum Gespräch über die Wiedervereinigung komme. Zum ersten meine ich, daß derjenige irrt, der glaubt, Atomwaffen seien ein besonderes Statussymbol für Souveränität.

    (Beifall bei der FDP.)

    Zum Zweiten: das zweite Argument hätte nur dann einen Sinn, wenn völlige Interessengleichheit im Bündnis bestände, und gerade das bezweifle ich; ich habe das vorhin ja schon ausgeführt. Mit anderen Worten, unsere Freunde wollen gar nicht, daß wir das Tauschobjekt in die Hand bekommen, und diejenigen, mit denen getauscht werden soll, wissen das.
    Wir halten es daher für sehr viel vernünftiger, sich auf diese Sachlage einzustellen und sie dazu zu benutzen, einen Beitrag zur Rüstungsbegrenzung zu leisten, der, auf die Dauer gesehen, sich politisch für uns auszahlen wird, und in diesem Beitrag nicht zu sagen: „Wir machen alles mit, was die anderen vormachen", sondern selber auf diesem Gebiet voranzugehen.
    Dabei wollen wir ruhig ganz deutlich sagen, daß wir eine etappenweise Vernichtung des Atomwaffenarsenals, wie wir sie in Punkt 2 unseres Antrages fordern, uns am ehesten so vorstellen können, daß in ganz Deutschland und möglichst in ganz Mitteleuropa ein Anfang gemacht wird. Wir glauben, daß wir alle wesentlich ruhiger schlafen würden, wenn wir in Mitteleuropa überhaupt keine Atomwaffen hätten. Es wird Aufgabe der Bundesregierung sein, zu sondieren, auf welche Weise eine derartige, vorerst auf Atomwaffen beschränkte militärische Verdünnung erreicht werden kann. Die Regierung wird sich dabei allerdings darüber klar sein müssen, daß sie vom Osten einen Abzug der Atomwaffen aus dem Gebiet jenseits der Zonengrenze nur dann verlangen kann, wenn sie ihrerseits bereit ist, im Einvernehmen mit den zuständigen NATO-Stellen einer entsprechenden Abrüstung bei uns zuzustimmen.
    Wir kennen den Einwand, daß eine solche weitere angebliche Vorleistung — von der ersten habe ich schon gesprochen — die Abschreckungskraft des Bündnisses und damit mittelbar die Sicherheit der Bundesrepublik bedrohe. Dieser Einwand ist so alt wie die Bundeswehr und hat, wie ich vorhin schon ausführte, uns in falsche Investitionen für unsere Streitkräfte geführt. Wann einmal, so möchte ich fragen, wird man begreifen, daß atomare und konventionelle Kampfmittel zwei Paar Stiefel sind und daß das amerikanische Bestreben, die atomare Schwelle so hoch wie möglich zu setzen, keine Flucht aus der Verantwortung darstellt und kein Desinteresse an Europa bedeutet?

    (Beifall bei der FDP.)

    Atomare Waffen sind wegen der Unverhältnismäßigkeit ihrer Wirkung und der sich zwangsläufig ergebenden Eskalation Kampfmittel eigener Art, und sie haben wegen des atomaren Patts ihre Glaubwürdigkeit als alleinige Abschreckungsdrohung verloren. Henry Kissinger, der Ihnen allen, meine Damen und Herren, sicher als ein sehr bedeutender Militärtheoretiker bekannt ist, hat schon 1959 — dieses Datum ist ganz interessant — in einem Aufsatz in „Foreign Affairs", der dann von der Zeitschrift „Politische Meinung" übernommen wurde, erklärt — ich darf hier vielleicht mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten kurz zitieren —:
    In der Ara der nuklearen Supermacht kann die Verteidigung Europas nicht länger auf der Drohung mit einem lokalen Atomkrieg allein beruhen. Wenn jedes Anwachsen der Vernichtungskraft zugleich die Hemmung, sie anzuwenden, verstärkt, können wir nicht fortfahren, zu erklären, daß eine lokale Verteidigung in Europa unmöglich sei. Es ist nicht einzusehen, warum Westeuropa und die Vereinigten Staaten, deren Menschen- und Industriepotential das der Sowjetunion weit übertrifft, nicht in der Lage sein sollten, sich angestrengter und erfolgreicher zu bemühen, die Möglichkeiten der lokalen Verteidigung, insbesondere auf dem Gebiet der konventionellen Waffen, zu verbessern.
    Diese Feststellung aus dem Jahre 1959 ist durch die Entwicklung der letzten Jahre bestätigt worden; nur hat man bei uns immer noch nicht die notwendigen Folgerungen daraus gezogen.

    (Beifall bei der FDP.)




    Schultz (Gau-Bischofsheim)

    Welche „Hemmungen" in der Anwendung atomarer Waffen liegen, geht daraus hervor, daß sich der politisch Verantwortliche den Einsatz vorbehält und ihn nicht dem militärischen Befehlshaber, welchen Rang und welche Ebene auch immer er haben möge, überläßt. Und da der Politiker weiß, daß die Eskalation unvermeidlich ist, wird er den ersten Einsatz nur dann wagen, wenn das Endziel des gegnerischen Angriffs zu erkennen ist. Dann allerdings kann es zu spät sein, und vorher ist der Salamitaktik — ein Begriff, den wir aus früheren Debatten kennen und den ich wohl nicht näher zu erläutern brauche — Tür und Tor geöffnet.
    Wenn wir nun sagen, wir wollen keinen atomaren Mitbesitz anstreben und auch die atomaren Waffen bei denen belassen, denen sie eigentlich gehören, weil nämlich sie allein sie in Besitz haben, dann verzichten wir nicht auf ein Mittel der Abschrekkung; wie ziehen nur aus der Erkenntnis die Folgerungen, daß von Waffen ohne die entsprechende Munition naturgemäß keine abschreckende Wirkung ausgeht, oder anders . ausgedrückt: daß es völlig gleichgültig ist, ob wir diese atomaren taktischen Waffen hier in Besitz haben oder nicht, denn die letzte Entscheidung hat immer der Amerikaner im Bündnis.
    Die von uns jüngst vorgeschlagene Verteidigungskonzeption beruht daher auf modern gerüsteten konventionellen Verteidigungskräften. Nur diese konventionellen Kräfte sind in der Lage, die heutzutage allein nicht auszuschließenden begrenzten Angriffe des möglichen Gegners wirksam abzuwehren. Nur Phantasten können davon ausgehen, daß Berlin, Lübeck oder Braunschweig im Ernstfall etwa durch den Einsatz Von Atomwaffen befreit werden könnte. Atomwaffen sind in dicht besiedelten Gegenden wie in Mitteleuropa einfach kein taugliches Verteidigungsmittel, ,da sie die eigene Bevölkerung am stärksten treffen würden. Diese Erkenntnis hat schon vor fast zehn Jahren den damaligen amerikanischen Präsidenten Eisenhower bewogen, die Frage eines Journalisten, ob Berlin auch gegebenenfalls atomar verteidigt werden könne, ärgerlich zu verneinen. Es ist wirklich nur dringend zu wünschen, daß sich diese Erkenntnis nun endlich auch bei der deutschen Regierung, bei unserer Bundesregierung, durchsetzt.
    Ich habe allerdings keine große Hoffnung, daß wir da schon sehr weit gekommen sind, wenn ich mir etwa das heutige Bulletin ansehe, in dem der sehr verehrte Herr Bundesverteidigungsminister zum Auftrag der Bundeswehr geschrieben und dabei gesagt hat, daß an der bisherigen Ausrüstung der Bundeswehr nichts geändert werden kann, und daraus folgert, daß man sich, wenn man hier etwas ändere und auf diese Atomwaffenträger verzichte bzw. sie den eigentlichen Besitzern zurückgebe, ausschließlich auf befreundete Mächte verlassen müsse. Ja, meine Damen und Herren, ,das ist doch schon die ganze Zeit der Fall. Wir müssen uns auf diesem atomaren Gebiet doch in der Tat auf die befreundeten Mächte verlassen. Nur, was das gegenseitige Zusammenspiel so erschwert, 'ist die Tatsache, daß Viele auch in diesem Hohen Hause sich nicht so recht auf den Bündnispartner verlassen wollen und daß in der Tat keine Zusammenarbeit in dem Sinne, daß sich einer auf ,den anderen verläßt, erfolgt. Dadurch sind wir in viele Krisen dieses Bündnisses hineingekommen. Wir sind deswegen der Meinung — und das 'ist eben noch nicht die Auffassung der Bundesregierung und des Bundesverteidigungsministers —, daß die Lösung der Schwierigkeiten im Bündnis und in der Zusammenarbeit durch eine Arbeitsteilung erfolgen kann. Dabei muß, so meine ich, die atomare Abschreckung eindeutig dem Potential der Amerikaner überlassen bleiben.

    (Beifall bei der FDP.)

    Es ist meiner Auffassung nach schlichter Unfug, annehmen zu wollen, daß von einer mehr oder weniger großen Anzahl von Atomträgern in der Bundesrepublik eine abschreckende Wirkung auf den möglichen Gegner ausgehen würde. Das einzige, was die Sowjetunion — unterstellt, sie spielt mit der Möglichkeit eines Angriffs — wirklich abschreckt, 'ist das Bewußtsein, daß sie damit einen atomaren Weltbrand riskiert. Die Sowjetunion weiß sicher besser als mancher Zweifler in der Bundesrepublik und auch in diesem Hause, daß eine Macht wie die Vereinigten Staaten, die schon mit solcher Verbissenheit um Urwaldregionen in Asien kämpft, sicherlich nicht tatenlos zusehen würde, wie der westeuropäische Halbkontinent überrannt wird.
    Aufgabe der Bundeswehr im Rahmen dieser Arbeitsteilung kann es einzig und allein sein, den konventionellen Part zu spielen und damit — im engen Zusammenwirken mit unseren verbündeten Freunden — die atomare Abschreckung der Amerikaner auch auf der konventionellen Ebene sinnvoll zu ergänzen.
    Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß ein Verzicht der Bundesrepublik auf atomaren Mitbesitz keine Vorleistung gegenüber dem Osten darstellt, sondern im Gegenteil -sogar zu einer erhöhten Sicherheit für die Bundesrepublik führt. Das wird natürlich nur dann der Fall sein, wenn die Bundesregierung auch bereit ist, die gesamte Verteidigungskonzeption zu überprüfen und im Sinne einer Verlagerung des Schwerpunktes auf die konventionelle Rüstung alsbald zu ändern. Wir werden keine Gelegenheit auslassen, die Bundesregierung immer wieder zur Erfüllung dieser Aufgabe zu zwingen und sie zu veranlassen, zu einer politisch und militärisch sinnvollen Rüstungskonzeption zu finden.
    Es ist in diesem Zusammenhang vielleicht noch ein Wort darüber zu verlieren, wie man die Mitwirkung einer, sagen wir, atomar nicht ausgerüsteten, mit Trägerwaffen nicht versehenen Bundesrepublik im Bündnis sicherstellen will. Meine Damen und Herren, wir Freien Demokraten sind der Auffassung, daß der konventionelle Beitrag, den wir bisher schon geleistet haben und auch weiter leisten werden, gerade uns berechtigt und befähigt, an der Planung der nuklearen Ziele und an der Beratung nuklearer Fragen innerhalb des Bündnisses teilzunehmen. Wir bringen hier etwas Gleichwertiges ein, weil wir im Bündnis etwas ersetzen, was von der anderen Seite nicht gegeben werden kann.



    Schultz (Gau-Bischofsheim)

    Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Die Problematik eines Atomwaffensperrvertrages, um den es ja heute möchte ich sagen — im wesentlichen in der Debatte gehen wird, hat mit der Frage einer realistischen Rüstungskonzeption nur bedingt zu tun. Die Diskussion darüber leidet immer noch unter dem Handikap, daß ein Vertragsentwurf bisher noch nicht veröffentlicht worden ist oder werden konnte, weil er noch gar nicht vorliegt. Obwohl es eigentlich selbstverständlich sein sollte, daß man nur einen Vertrag ablehnt, desen Inhalt man kennt,
    ist es verschiedenen maßgeblichen Politikern in der Bundesrepublik gelungen, durch ihre scharfe ablehnende Stellungnahme erneut im Ausland den Eindruck hervorzurufen, als strebe die Bundesrepublik letztlich nur nach Atomwaffen. Bundesminister Strauß und andere, die in diesem Zusammenhang von einem neuen Morgenthau-Plan und einem Super-Versailles sprachen, seien nur als Beispiele für eine ausgesprochen unangemessene Reaktion erwähnt.

    (Beifall bei der FDP.)

    Dabei kann angesichts des gegenwärtigen Standes der internationalen Diskussion doch eigentlich zur Zeit nur eine Forderung erhoben werden: ein Atomwaffensperrvertrag, den wir als einen ersten Schritt zu einem allgemeinen Verbot der Produktion von Atomwaffen und zum darauffolgenden Abbau des bestehenden Atomwaffenarsenals in der Welt ansehen, darf auf keinen Fall die nicht atomar gerüsteten Staaten in der friedlichen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzung der Kernenergie und in der technologischen Entwicklung beeinträchtigen. Das, was bisher aus Äußerungen maßgeblicher Wissenschaftler bekanntgeworden ist, deutet darauf hin, daß eine solche Lösung zu erreichen ist.
    Unser Freund Kollege Borm wird unsere Auffassung nachher in der Aussprache dazu noch im einzelnen darlegen. Ich möchte nur soviel sagen: ist die friedliche Nutzung der Kernenergie gesichert und wird sichergestellt, daß nicht nuklear gerüstete Staaten eine Sicherung ihrer Existenz durch die Nuklearen erhalten, halte ich einen weltweiten Vertrag für ein Instrument des Friedens, dem man seine ganze Aufmerksamkeit schenken und für dessen Abschluß man eintreten sollte.

    (Beifall bei der FDP.)



Rede von Dr. Karl Mommer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort zur Begründung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU und SPD hat der Abgeordnete Dr. Eppler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Erhard Eppler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage, wie sich die Menschheit vor der Vernichtungskraft atomarer Waffen schützen soll, ist so alt wie diese Waffen selbst. Daher wird seit Jahren darüber nachgedacht, wie der uferlosen Ausbreitung dieser Waffen Einhalt geboten werden kann. Es wird darüber nachgedacht in der UNO, in Parlamenten, Regierungen, Kirchen und vor allem in dem 18-Mächte-Abrüstungsausschuß.
    Seit einigen Monaten nun konzentriert sich diese Diskussion auf Entwürfe zu einem Atomwaffensperrvertrag, dessen Inhalt sich vor allem in zwei Punkten konzentriert, nämlich, daß sich die Kernwaffenstaaten verpflichten, an niemanden Kernwaffen weiterzugeben und auch niemandem bei der Produktion solcher Waffen zu helfen, und daß sich umgekehrt die Nichtkernwaffenstaaten verpflichten, keine solchen Waffen zu erwerben oder herzustellen.
    Meine Damen und Herren, die Entwürfe zu diesem Vertrag waren Thema der Diskussion nicht nur in der Bundesrepublik, aber auch in diesem Lande, und die Diskussion war geprägt von Befürchtungen, von Hoffnungen, sehr häufig auch von Vermutungen und Spekulationen. Sie war hilfreich dadurch, daß immer wieder Sachverständige aus dem Bereich der Atomphysik ihren Beitrag geleistet und dadurch die Problematik durchsichtiger gemacht haben.
    Aber das Unbefriedigende an dieser Diskussion gerade auch in unserem Lande war der Mangel an präzisen Texten und präzisen Informationen. Wir haben Verständnis dafür, daß so diffizile Verhandlungen, wie sie die Bundesregierung geführt hat, nicht auf offenem Markte ausgetragen werden. Wir haben Verständnis dafür, daß sich die Bundesregierung hier an Vertraulichkeit gebunden fühlte, wie sie in solchen Dingen üblich ist. Die Regierungsfraktionen, deren Große Anfrage zu begründen ich die Ehre habe, haben darauf lange, wie einige unserer Kollegen glauben, sogar zu lange, Rücksicht genommen. Wir glauben, daß jetzt, nachdem die Entscheidung im NATO-Rat gefallen ist und man sich auf die nächste Runde in Genf vorbereitet, der Zeitpunkt gekommen ist, in dem die Regierung das Wort nehmen sollte. Das ist der Anlaß dieser Großen Anfrage. Der Anlaß dieser Anfrage, verehrter Herr Kollege Schultz, ist übrigens nicht Ihr Antrag gewesen, der uns aufgeweckt hätte. Wir waren wach, wir waren hellwach, Herr Kollege!

    (als Industrienation, die auf die friedliche Verwendung atomarer Energie immer mehr angewiesen ist wie andere Induistrienationen auch, seien es nun Japaner oder Israelis. Wir sind zweitens betroffen als NATO-Partner, der wissen will, was aus diesem Bündnis im Hinblick auf diesen Vertrag wird. Wir wollen das wissen wie andere NATO-Partner auch, seien es nun Dänen oder Türken. Wir sind drittens betroffen als Glied einer Europäischen Gemeinschaft, der wir gerade auf diesem Gebiet einen Teil unserer Souveränität abgetreten haben wie andere europäische Nationen auch, seien es nun Italiener oder Holländer. Wir sind schließlich viertens von diesem Vertrag betroffen — darauf möchte ich besonderen Wert legen — als ein Volk, das seinen Weg zu einer Friedensordnung sucht wie andere Nationen auch, seien es nun Kambodschaner oder Tschechen. Dr. Eppler Unsere Interessen laufen also — zumindest strekkenweise — immer parallel mit denen anderer Nationen, und es ist nicht Sinn dieser Anfrage, zu erfahren, ob und wie in dieser Sache für die Bundesrepublik eine Extrawurst gebraten wird. Wir wollen diese Extrawurst nicht. Aber andererseits, meine Damen und Herren, sind es doch auch unsere Interessen, die hier auf dem Spiele stehen, insofern wir Industrienation, insofern wir NATO-Partner, insofern wir Glied einer Europäischen Gemeinschaft und insofern wir ein Volk sind, das nach dem Frieden sucht. Daher können wir uns in dieser Frage nicht einfach totstellen — dazu sind wir ein bißchen zu lebendig —, und wir können uns auch nicht einfach hinter dem Rücken anderer verkriechen; dazu sind wir nicht klein genug. Meine Damen und Herren, es gibt Meinungsverschiedenheiten in der deutschen Öffentlichkeit und auch in diesem Hause darüber, welches Gewicht die einzelnen Interessen, die ich hier andeutete, haben, und zwar vor allem im Verhältnis zueinander. Das ist kein Unglück. Aber es wäre fatal, wenn in unserer Öffentlichkeit und womöglich auch hier in diesem Hause falsche Fronten entstünden, die nur Unheil stiften könnten. Das wäre der Fall, wenn es so aussähe, als gäbe es auf der einen Seite Politiker, die irgendeiner imaginären Friedensordnung nachjagten und dabei die nationalen Interessen vergäßen, und auf der anderen Seite solche, die lediglich diese nationalen Interessen im Auge hätten und dabei übersähen, welchen Beitrag wir zum Frieden zu leisten haben. Das wäre deshalb falsch und fatal, weil einerseits völlig klar ist, daß es hierbei auch um unsere Interessen geht, wir dies aber nur mit Recht sagen können, wenn wir sofort hinzufügen: ein vitaleres Interesse als das an der Erhaltung des Friedens gibt es in diesem Volke nicht. Damit bin ich bereits bei Punkt 1 unserer Großen Anfrage. Die Regierungserklärung vom 13. Dezember sagt, der Wille zum Frieden und zur Verständigung der Völker sei das erste Wort und das Grundanliegen dieser Regierung. Meine Herren von der Regierung, es sind Zweifel aufgekommen — vor allem im Ausland, aber auch im Inland —, ob sich die Haltung der Bundesregierung zum Atomwaffensperrvertrag mit dieser Ihrer Regierungserklärung, Herr Bundeskanzler, vereinbaren lasse. Wir teilen diese Zweifel nicht. Aber wir fragen: wie ordnen Sie Ihre Haltung zum Atomwaffensperrvertrag, und zwar möglichst fugenlos, in diese Ihre Politik der Friedenssicherung ein? Niemand ist gefeit gegen Verdächtigungen, und wir sollten uns dadurch auch nicht nervös machen lassen. Aber eben deshalb ist es gut, wenn die Regierung jede Zweideutigkeit vermeidet, und so erwarten wir gerade in diesem Punkt eine klare Antwort der Regierung. Die Bundesregierung hat — das ist unser Punkt zwei — mit vielen Ländern Kontakt gehabt, die von diesem Vertrag betroffen sind, innerhalb der NATO, außerhalb der NATO, mit EWG-Partnern, aber ganz besonders natürlich mit den Vereinigten Staaten. Wir haben dagegen keine Einwände. Wir sind auch nicht geneigt, Herr Bundesaußenminister, die Ergebnisse dieser Verhandlungen etwa nach Zeitungsberichten zu beurteilen, die sehr häufig mehr die Tendenz dieser Zeitungen als den Stand der Verhandlungen wiedergeben. Aber eben weil die Öffentlichkeit noch weithin im dunkeln tappt, fragen wir Sie heute nach dem Ergebnis dieser Verhandlungen, soweit Sie uns das sagen können. Wir fragen nicht, Herr Bundesaußenminister, welchen Text die USA und die Sowjetunion eventuell am 9. Mai in Genf vorlegen werden. Wir fragen erst recht nicht, ob dieser Text die beste aller möglichen Welten für uns widerspiegelt, sondern wir fragen: Welches waren Ihre Ziele bei diesen Verhandlungen, wo haben Sie Schwerpunkte gesetzt und wo nicht, welche Erfolge haben Sie zu verzeichnen gehabt, und wie beurteilen Sie die Ergebnisse im ganzen? Wir haben in den folgenden Fragen 3 bis 7 selbst genügend Schwerpunkte gesetzt. Herr Bundesaußenminister, das müssen nicht Ihre Schwerpunkte sein. Wenn Sie uns noch einiges andere mitteilen wollen, so dürfen Sie — wenn ich jetzt in die Sprache mancher Theologen verfalle, müssen Sie es mir verzeihen — noch alles sagen, was Sie auf dem Herzen haben. Frage 3 ;der Großen Anfrage betrifft nicht den Kern des Atomwaffensperrvertrages, sondern den Kontrollartikel III. Es war bisher gemeinsame Auffassung im Westen überhaupt, daß Maßnahmen der Abrüstung immer mit entsprechenden Kontrollen gekoppelt sein müssen. Wir haben Verständnis dafür, daß .die Vereinigten Staaten auch in diesem Fall nicht von diesem Prinzip abgehen wollen, zumal sie damit ja einen Präzedenzfall schaffen würden. Wir sehen auch ein, daß in diese Kontrollen die friedliche Nutzung von Kernenergie einbezogen werden muß, ganz einfach weil die friedliche und die militärische Nutzung der Kernenergie miteinander zusammenhängen und in Zukunft durch immer mehr Anfall von Plutonium, vor allem bei den sogenannten schnellen Brütern, immer stärker zusammenhängen werden. Das heißt, Herr Bundesaußenminister, wir fragen nicht, ob eine Kontrolle gut und nötig sei, sondern wir fragen: Wer soll kontrollieren? Wer soll kontrolliert werden? Wie soll kontrolliert werden? Und vielleicht auch: an welcher Stelle des Prozesses der atomaren Energiegewinnung soll kontrolliert werden? Es ist nicht meine Aufgabe, hier die allgemeine Bedeutung der friedlichen Nutzung von Kernenergie darzustellen. Aber lassen Sie mich nur drei Zahlen nennen, um diese Bedeutung anzudeuten. Die Zahlen stammen von ersten Experten auf diesem Gebiet. Dr. Eppler Die erste Zahl: Man hat ausgerechnet, daß im Jahre 1990 in der Bundesrepublik für einen Betrag von etwa 8,6 Milliarden DM Kernenergie über Atomreaktoren erzeugt werden kann. Die zweite Zahl: Es ist ausgerechnet worden, daß die sogenannten schnellen Brüter in der Lage sein werden, Strom zu einem Preis von etwa 1,5 Pf pro Kilowattstunde zu erzeugen. Ich sage das jetzt übrigens nicht für unsere Kommunalpolitiker, die hier in Sachen Mehrwertsteuer einiges haben hinnehmen müssen; denn dieser Trost wäre ein etwas ferner Trost. Die dritte Zahl: Es ist errechnet worden, daß die Bundesrepublik bis zum Jahre 1990 — und das ist gar nicht mehr so ferne — aus ,dem Export von Kernreaktoren etwa 70 Milliarden DM erlösen wird. Das ist die Summe des Bundeshaushalts in diesem Jahr. Weil ,das so ist, meine Damen und Herren, ist es mehr als nur ein Schönheitsfehler, daß die Kontrollen, von denen in Art. 3 die Rede ist, nur für diejenigen gelten sollen, die keine Atomwaffen besitzen, und nicht für die Kernwaffenstaaten. Ich neige nicht zum Pathos und will deshalb nicht von Diskriminierung sprechen. Wir wissen, daß alle Tiere auf dieser Welt gleich sind, aber einige eben doch ein bißchen gleicher als andere. Aber wir haben in diesem Zusammenhang einige Fragen an die Regierung: Erstens. Gibt es eine Hoffnung, Herr Bundesaußenminister, daß auch Kernwaffenstaaten — wenn es auch nicht alle sind — Kontrollen in ihrem zivilen Bereich zulassen? Zweitens. Lassen es die Statuten und die Praxis der Internationalen Atomenergiekommission in Wien zu, daß hier und anderswo nur Inspektoren solcher Länder auftreten, die sich selber einer Kontrolle unterwerfen? Drittens: Besteht durch diese Kontrolle die Gefahr — ich will es vorsichtig sagen — einer einseitigen Übertragung von Erkenntnissen oder, etwas härter gesagt, der Industriespionage, und läßt sich diese Gefahr ausschalten? Viertens: Welche Bedeutng hat das sogenannte Spin-off, das heißt die Abfallprodukte und die Abfallerkenntnisse der militärischen Kernforschung, die für die zivile Nutzung brauchbar sind. Wir haben ja, das wissen wir, in der letzten Zeit an diesem Spin-off, an diesen Abfallprodukten, selbst nicht partizipiert. Unsere Frage lautet konkret: Sind Regelungen möglich, die vielleicht sogar günstiger sind als der gegenwärtige Zustand? Fünftens: Sind Befürchtungen berechtigt, daß unsere Ausfuhr an Atomreaktoren dadurch behindert oder gar unmöglich gemacht wird, daß wir die Lieferung des nötigen Kernbrennstoffes von uns aus wegen dieses Vertrages nicht garantieren können? Meine Damen und Herren, ich will hier nicht weiter ins Detail gehen. Es geht einfach um folgendes: Es ist nicht Zweck dieses Vertrages, die friedliche Nutzung der Kernenergie zu behindern. Das ist die Auffassung der interessierten Mächte, insbesondere der Vereinigten Staaten selbst. Trotzdem ist es denkbar, einfach weil friedliche und militärische Nutzung nicht so eindeutig auseinanderzuhalten sind, daß unsere friedliche Nutzung in Mitleidenschaft gezogen wird. Wir wollen wissen, ob das, was nicht Zweck dieses Vertrages ist, mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Der Punkt 4, meine Damen und Herren, steht direkt in diesem Zusammenhang. Der Bedarf der Bundesrepublik an 3%igem Uran wird für das Jahr 1990 auf etwa 19 400 t geschätzt. In diesen Dingen sind wir auf Importe angewiesen, die wir bisher durch Verträge zwischen der Bundesrepublik einerseits und den USA und Kanada andererseits geregelt haben, die aber bald auslaufen, vor allem aber dadurch, daß EURATOM mit den Vereinigten Staaten einen Vertrag hat. Unsere Frage ist: Wird die Lieferung von Kernbrennstoff durch den Atomwaffensperrvertrag berührt, behindert, erschwert oder vielleicht sogar erleichtert? Läßt es sich vertraglich sicherstellen, und zwar ohne zusätzliche Risiken und ohne zusätzliche Abhängigkeiten, daß wir diesen Brennstoff bekommen? Wir haben hier kein übertriebenes Mißtrauen gegen unsere amerikanischen Freunde und Verbündeten; aber ich glaube, wenn es sich um so lange Zeiträume handelt, wird es gut sein, wenn wir hier etwas schwarz auf weiß nach Hause tragen können. Der Punkt 5 der Großen Anfrage geht davon aus, daß die Bundesrepublik auf dem Gebiet der zivilen Nutzung von Kernenergie einen großen Teil ihrer Rechte bereits an EURATOM abgetreten hat. EURATOM ist eine Einrichtung, die einige Schwierigkeiten hat, aber trotzdem etwas ist, was in die Zukunft weist und worauf wir nicht verzichten möchten. Die Kontrolle von EURATOM funktioniert, und für uns würde sie reichen. Aber wir müssen auch die Einwände ernst nehmen, die von anderer Seite dagegen kommen, nämlich, daß eine Kontrolle durch EURATOM schließlich eine Art von Selbstkontrolle wäre, wobei es uns allerdings schmeichelt, wie stark gerade die Länder, die das sagen, die europäische Solidarität werten. Der zweite Einwand ist, daß sich dann auch andere regionale Zusammenschlüsse auf eine solche Art der Kontrolle berufen könnten, und deshalb wird die Forderung erhoben, daß die letzte Kontrollinstanz jeweils die Wiener Behörde sein müsse. Unsere Frage an die Bundesregierung lautet: Sind diese Interessen und Standpunkte unvereinbar, oder ist eine Zusammenarbeit denkbar, und zwar in der Weise, daß EURATOM seine Funktion behält? Was bedeutet z. B. der Begriff der Verifikation bei diesen Kontrollen, bedeutet er eine doppelte' Kontrolle oder Kontrolle der Kontrolle? Wie steht es mit den technischen Mitteln — ich will jetzt keine Fachausdrücke nennen —, die vielleicht in absehbarer Zeit nicht nur die Verifikation, von der hier die Rede ist, sondern auch die Kontrolle selbst erleichtern können? EURATOM ist für uns kein Selbstzweck, EURATOM ist aber ein gutes Mittel zu einem guten Zweck, und wir möchten wissen, was der Vertrag für EURATOM bedeutet. Meine Damen und Herren, es ist kein Zufall, daß die Regierungsfraktionen in ihrer Großen Anfrage Dr. Eppler die militärischen Dinge an den Schluß gestellt haben. Der Atomwaffensperrvertrag ist für uns kein primär militärisches Problem und erst recht kein Problem der nationalen Verteidigung. Wir haben 1954 auf die Produktion von Kernwaffen verzichtet. Die Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 stellt fest, daß wir weder nationalen Besitz noch nationale Verfügungsgewalt wollen. Wer die Entschließung des Dortmunder Parteitages der Sozialdemokratischen Partei kennt, weiß, daß mindestens eine der Regierungsfraktionen hier noch einen Schritt weitergehen, also auch auf den Mitbesitz verzichten würde. Meine Damen und Herren von der FDP: das ist nicht ganz neu. Wir wissen, daß die Sicherheit dieses Landes durch die NATO garantiert wird, und insofern stehen wir günstiger da als Indien oder andere Länder. Aber eben deshalb möchten wir gerne wissen, was dieser Vertrag für die NATO bedeutet: Hat er einen Einfluß, Herr Bundesaußenminister, auf die Planung, hat er einen Einfluß auf eventuelle Wünsche, die wir innerhalb dieser. Planung haben? Einer dieser Wünsche ist von der FDP vorgetragen worden. Er ist auch ein alter Wunsch von Dortmund: die Möglichkeit eines Vetos gegen den Einsatz von atomaren Waffen von unserem Gebiet aus und auf deutsches Gebiet hin. Berührt dieser Vertrag auch Trägerwaffen, die ihren Sinn auch ohne atomare Sprengköpfe haben, und berührt er die Stationierung fremder Atomwaffen in diesem Land? Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch eine Frage anschneiden, deren Gewicht in diesem Hause und auch in den Regierungsfraktionen verschieden eingeschätzt wird, die Frage einer gemeinsamen europäischen Verteidigung mit Einschluß atomarer Waffen. Wir wissen, daß ein europäischer Bundesstaat mit eigener Verteidigungspolitik und eigener Außenpolitik noch gute Weile hat. Bis er kommt, hoffen wir, daß wir auf dem Wege zur Abrüstung schon um einige Schritte weiter sind. Trotzdem wird diese Frage gestellt, und auch ich will hier noch einmal fragen, ob ein Atomwaffensperrvertrag die Verteidigungspolitik eines politisch geeinten Europa präjudizieren kann. Die letzte Frage, Frage 7, hat für uns ein besonderes Gewicht. Bisher leidet die Diskussion über den Atomwaffensperrvertrag darunter, daß uns die Kernwaffenmächte. sagen, daß dieser Vertrag ein Schritt zu einer internationalen Friedensordnung ist, während wir, die Nicht-Kernwaffenmächte, die Gegenfrage stellen, wo denn nun eigentlich dieses Ziel im Vertrag sei, und darauf hinweisen, daß wir es nicht einmal in Umrissen erkennen können. Bisher enthält dieser Vertrag Verpflichtungen vor allem für die nichtnuklearen Staaten, aber nicht für Kernwaffenstaaten. Meine Damen und Herren, daraus kommt das Mißtrauen gegen diesen Vertrag, nicht nur in diesem Lande, auch bei einigen unserer Nachbarn. Daraus kommen die Fragen: Will er wirklich auf den Frieden hinzielen, oder will er für die, die bereits Atomwaffen haben, ein Monopol schaffen, oder will er gar die Zementierung eines militärischen und damit womöglich auch politischen Status quo? Wer dieses Mißtrauen überwinden will, muß mehr bieten als unverbindliche Vorsätze. Er muß klar im Vertrag das Ziel deutlich machen, auf das dieser Vertrag geht, nämlich das einer internationalen Friedensordnung. Das ist nur möglich durch Zugeständnisse derer, die von uns Zugeständnisse erwarten. Meine Damen und Herren, auf diesem Gebiet gibt es Ansätze. Am 2. Februar 1966 hat der sowjetische Ministerpräsident Kossygin eine Botschaft an die 18 Mächte in Genf gerichtet. In dieser Botschaft heißt es: Um eine Einigung über den Abschluß eines Vertrages zu erleichtern, erklärt sich die Sowjetunion einverstanden, daß in den Vertragsentwurf ein Artikel über das Verbot der Anwendung von Kernwaffen gegen nichtatomare Teilnehmerstaaten des Vertrages, auf deren Territorium keine Atomwaffen vorhanden sind, aufgenommen wird. Das ist ein Ansatz, auch wenn er gerade für uns Deutsche nicht voll befriedigend ist. Aber es ist immerhin der Ansatz einer negativen Garantie, nämlich einer Garantie dafür, was die Kernwaffenstaaten sich verpflichten nicht zu tun gegenüber denen, die keine Kernwaffen haben. Viel besser wäre natürlich eine positive Garantie, die Garantie nämlich dafür, was die Kernwaffenstaaten zu tun gedenken zum Schutze derer, die keine Kernwaffen haben und die in diesem Vertrag auf Kernwaffen verzichten. Am 27. Januar dieses Jahres hat Präsident Johnson sich an den sowjetischen Ministerpräsidenten gewandt und vorgeschlagen, den Bestand atomarer Trägerwaffen einfrieren zu lassen. Die Antwort der Sowjetunion hat erkennen lassen, daß sie durchaus bereit wäre, darüber zu diskutieren, den Bestand an offensiven und defensiven Trägerwaffen einfrieren zu lassen. Wir würden vielleicht hinzufügen: Noch besser als einfrieren lassen wäre eine Reduktion. Lassen Sie mich hier noch eine Bemerkung einflechten. Die Aussicht, daß die Supermächte sich in absehbarer Zeit schützen können oder gar schützen werden durch ein sogenanntes ABM-System, d. h. durch Raketen wider die Raketen, ist natürlich für niemanden außerhalb dieser Weltmächte ein Anreiz dafür, seine ganze Hoffnung auf einen Atomwaffensperrvertrag zu setzen. Auch der Teststoppvertrag 1963 war ein solcher Ansatz. Er hat aber eine Lücke, nämlich die, daß unterirdische Explosionen nach wie vor erlaubt sind. Nach meinen Kenntnissen ist es heute leichter als früher, solche unterirdischen Explosionen zu kontrollieren und zu entdecken. Aber wenn dem so ist, warum dann kein totaler Teststopp? Denn dieser totale Teststopp würde auch manche Kontrollmaßnahmen nach dem Atomwaffensperrvertrag erleichtern. Es ist nämlich kein großer Anreiz, Atomwaffen zu produzieren, die man nicht testen kann und die deshalb überhaupt nur sehr beschränkt verwendbar sind. Meine Damen und Herren, all das waren Anregungen. Es war keineswegs die Formulierung Dr. Eppler einer Politik des „Alles oder nichts". Wir wissen sehr wohl, daß der Friede nicht plötzlich ausbricht und auch durch den besten Atomwaffensperrvertrag nicht plötzlich ausbricht. Aber wir sehen nicht ein, warum die Kernwaffenstaaten nicht bereit sind, verbindlich ihre Absichten zu erklären, an einer internationalen Friedensordnung, an Rüstungskontrolle und Abrüstung selbst mitzuwirken. Wir sehen nicht ein, warum sie hinter jene gemeinsame Erklärung der Sowjetunion und der Vereinigten Staaten vom 20. September 1961 zurück wollen, wo ausdrücklich und sehr ausführlich von dem Ziel einer stufenweisen, allgemeinen und kontrollierten Abrüstung die Rede war. Wir sehen auch nicht ein, daß das, was die Supermächte, die Kernwaffenstaaten, tun, nicht verifizierbar sein soll, etwa in jener Konferenz nach fünf Jahren, die in Art. 4 des Vertrages vorgesehen ist, während das, was wir tun, verifizierbar sein soll. Wenn es wahr ist, was uns die Kernwaffenstaaten sagen — und ich glaube, es ist wahr —, daß nämlich, wer eine Friedensordnung will, auch einen Atomwaffensperrvertrag wollen muß, dann ist auch die Umkehrung wahr, nämlich daß, wer diesen Atomwaffensperrvertrag will, selbst Schritte auf eine solche Friedensordnung zu tun muß. Meine Damen und Herren, wir sind bereit zu diesen Schritten. Wir drängen sogar auf diese Schritte. Aber wir wollen das Ziel sehen, auf das hin sie gehen, damit wir wissen, ob die Richtung stimmt. Lassen Sie mich, das, was hier in dieser Anfrage zur Debatte steht, was wir die Regierung zu fragen haben, in einem Bild zusammenfassen. Dieser Atomwaffensperrvertrag soll die Menschheit gegen eine Seuche impfen, gegen die Seuche einer immer weiteren, uferlosen Ausbreitung atomarer Waffen. Wir in diesem Hause sind keine Impfgegner. Wir wissen, daß eine solche Impfung nötig und heilsam ist. Wir sehen auch ein, daß das Serum, nämlich der Vertragsentwurf, von denen kommt, die bereits infiziert sind. Wir sehen schließlich ein, daß irgend jemand nachsehen muß, ob die Impfung auch gewirkt hat. Das heißt, wir sind für eine Kontrolle. Aber dann haben wir einige Fragen. Erstens: Ist diese Impfung ungefährlich, zumal sie noch nicht erprobt ist? Das ist die Frage unserer Sicherheit. Wir haben die zweite Frage: Sind schädliche Nebenwirkungen dieser Impfung auf lange Sicht denkbar? Das ist die Frage der friedlichen Nutzung auf lange Sicht. Wir haben schließlich die Frage, was eigentlich diejenigen tun, die bereits von dieser Krankkeit infiziert sind, ob sie fortfahren„ uns zu erklären, wie wohl es ihnen in ihrer Haut ist und daß sie gar nicht daran denken, sich in eine Behandlung zu begeben, oder ob sie bereit sind, selbst das zu tun, was zur Bekämpfung dieser Seuche bei ihnen selbst nötig ist. Lassen Sie mich dieses Bild noch um einen Punkt weiter strapazieren. Es gibt bekanntlich Menschen, die gegen Impfungen ein bißchen allergisch, um nicht zu sagen ängstlich sind. Denen hilft man nicht dadurch, daß man sie anbrüllt und beschimpft. Ich sage nicht, daß wir hier in diesem Land besonders allergisch wären. Ich glaube es auch nicht. Aber es gibt einige unserer Nachbarn im Osten, die glauben, daß wir besonders allergisch seien. Da erlaube ich mir die Frage, ob die Art, wie sie uns zu dieser Impfung bringen wollen, ganz die richtige ist. Das ist keine Frage der Moral, meine Damen und Herren. Wir wollen diesen Nachbarn nicht moralisch kommen; da sind sie empfindlich. Das ist eine Frage der elementaren Psychologie. Es wäre nämlich fatal, wenn wir uns in diesem Hause daran gewöhnen müßten und auch daran gewöhnen würden, daß aus dieser Richtung, von der ich hier sprach, ein ermutigendes Wort nicht mehr zu erwarten ist. Herr Bundesaußenminister, bei Ihnen haben wir uns daran noch nicht gewöhnt, und wir haben nebenbei auch gar nicht die Absicht, uns daran zu gewöhnen. Deshalb erwarten wir von Ihnen ein klärendes, und war erhoffen ein ermutigendes Wort. Die Große Anfrage wird vom Herrn Bundesminister des Auswärtigen beantwortet. Er hat das Wort. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung begrüßt die Große Anfrage der Koalitionsfraktionen als eine Gelegenheit, dem Deutschen Bundestag einen möglichst umfassenden Überblick zu geben. Sie wird hierbei auch zu den vier Punkten Stellung nehmen, die durch den Antrag der FDP-Fraktion aufgeworfen wurden, ohne in diesem Augenblick eine verteidigungspolitische Konzeption zu entwickeln. Ein weltweiter Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen wirft eine ungewöhnliche Zahl von Fragen politischen, wirtschaftlichen, technisch-wissenschaftlichen und militärischen Charakters auf. Jede Aussage läuft das Risiko, nicht alle Aspekte gebührend zu berücksichtigen. Ich muß das Verständnis des Hohen Hauses auch aus folgendem Grunde erbitten: Wir können über einen fertigen Vertragstext noch nicht sprechen, weil es einen solchen Text noch nicht gibt. Da liegt es auch im deutschen Interesse, das notwendige Maß an Vertraulichkeit in den Fragen zu wahren, zu denen wir mit befreundeten Staaten einen Gedankenaustausch ausgetragen haben, ohne daß wir berechtigt wären, darüber heute schon im einzelnen zu berichten. Bei dieser Lage kann es also auch noch keine abschließende Stellungnahme der Bundesregierung geben. Die Bundesregierung muß sich naturgemäß ihre endgültige Stellungnahme vorbehalten, bis sie einen fertigen Text wird prüfen können. Niemand soll sich allerdings über unsere grundsätzliche Haltung Bundesminister Brandt im unklaren sein: Wir sind nicht nur für die Nichtverbreitung von Kernwaffen, sondern auch für weitere Maßnahmen der Rüstungsbegrenzung und Rüstungskontrolle. Dies entspricht der Friedenspolitik, zu der sich die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundestages bekannt hat. Die Idee eines Nichtverbreitungsvertrages — darauf wurde soeben in der Begründung schon hingewiesen — hat in der deutschen Öffentlichkeit eine besonders starke Beachtung gefunden und zum Teil lebhafte Diskussionen ausgelöst. Dies konnte nicht überraschen. Der geplante Vertrag kann weitreichende Konsequenzen haben. Die Zukunft Deutschlands kann von ihm stark beeinflußt werden. Er enthält nicht ausrechenbare Elemente und stellt ein Vorhaben dar, bei dem das technisch-wissenschaftliche Element eine bedeutende Rolle spielt. Das atemberaubende Tempo des naturwissenschaftlichen Fortschrittes konfrontiert uns unausweichlich mit dem Problem, diesen Fortschritt zu bändigen, also dafür zu sorgen, daß er sich nicht gegen die Menschheit kehrt, sondern daß er der Menschheit dienstbar gemacht wird. Dieser Vertrag konfrontiert uns in dieser Form zum erstenmal mit dem Problem, politisch mit dem fertig zu werden, was Wissenschaft und Technik an nicht mehr aus der Welt zu schaffenden Erkenntnissen auf den Tisch legen. Dies macht für die Politik die Assistenz und den Rat der Wissenschaft unentbehrlich, aber es stellt auf einer neuen, uns noch nicht sehr vertrauten Ebene die Aufgabe, den Primat der Politik zu sichern. Die Politik ist auf die assistierende Partnerschaft der Wissenschaft angewiesen, aber die Verantwortung der letzten Entscheidung — auch wichtiger Einzelentscheidungen — kann der politischen Führung nicht abgenommen werden. Meine Damen und Herren, bevor ich namens der Bundesregierung die . gestellten Fragen der Reihe nach beantworte, möchte ich ganz kurz etwas über den Werdegang des Vertragsentwurfs sagen. Es ist nämlich nicht so, daß dies erst ein Thema der letzten Monate ist. Die Bemühungen nach dem Ende des zweiten Weltkrieges, die Atomenergie unter internationale Kontrolle zu bringen, blieben erfolglos. Statt dessen setzte ein nukleares Wettrüsten zwischen den USA und der Sowjetunion ein; auch Großbritannien, Frankreich und die Volksrepublik China produzierten und erprobten Kernwaffen. In den Abrüstungsverhandlungen der Vereinten Nationen kam man zu der Überzeugung, daß die Ausbreitung von Kernwaffen am ehesten durch einen universellen Verbotsvertrag aufgehalten werden könne. Seit der einstimmig angenommenen irischen Resolution vom 4. Dezember 1961 verabschiedete die Vollversammlung der Vereinten Nationen weitere Resolutionen, die die Staaten zum Abschluß eines Atomwaffensperrvertrages aufforderten und die Dringlichkeit einer Lösung betonten. Bemerkenswert ist dabei die Resolution 2028 vom 23. November 1965, weil sie besondere Grundsätze für den Vertragsinhalt aufstellte und dabei stärker als vorher die Verpflichtungen der Atommächte zum Ausdruck brachte. Die 18-Mächte-Abrüstungskonferenz in Genf geriet in eine Sackgasse mit ihren Bemühungen um eine allgemeine und vollständige Abrüstung. Sie befaßte sich jahrelang mit dem Nichtverbreitungsproblem, ohne daß sich eine Annäherung der divergierenden Standpunkte abzeichnete. Die Sowjetunion und andere kommunistische Staaten stellten dabei kollektive Verteidigungsfragen der westlichen Allianz in den Vordergrund. Auch bilaterale Gespräche zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion blieben jahrelang ohne Ergebnis. Während der Vollversammlung der Vereinten Nationen im letzten Herbst kamen Vertreter dieser beiden Weltmächte, der USA und der Sowjetunion, jedoch zu einer unverbindlichen Verständigung über gewisse Formulierungen eines Nichtverbreitungsvertrages. Hiervon wurden wir Mitte Dezember durch den Außenminister der Vereinigten Staaten unterrichtet. Die Bundesregierung leitete unverzüglich Gespräche mit den USA und anderen befreundeten Staaten ein. Bei meinem Besuch in Washington Anfang Februar habe ich die deutsche Haltung zu umreißen versucht und eine Reihe von befriedigenden Zusicherungen erhalten, die in vereinbarten Expertengesprächen im einzelnen durchgearbeitet worden sind. Solche Gespräche, aber auch politische Erörterungen auf höchster Ebene sind bis in die letzten Tage hinein geführt worden. Gleichzeitig hat die Bundesregierung mit anderen zivilen Nuklearmächten einen Gedankenaustausch gepflogen und über wichtige Teilaspekte im Rahmen von Euratom und NATO mitberaten. Die Genfer Konferenz, die ich schon erwähnte, konnte in ihrer Verhandlungsphase vom 21. Februar bis 23. März mangels eines Vertragstextes die offenen Fragen nur in allgemeiner Form behandeln: Die von den Vereinigten Staaten dann angeregte Vertagung erwies sich als nützlich, weil dadurch die Vertragsprobleme bilateral und multilateral gründlicher diskutiert werden konnten. Der NATO-Rat hat am 20. dieses Monats die amerikanische Absicht zur Kenntnis genommen, in weiteren Besprechungen mit der Sowjetunion zu versuchen, einen gemeinsamen Text herzustellen und ihn als Vertragsentwurf am 9. Mai bei Wiederzusammentritt der Abrüstungskonferenz in Genf vorzulegen. Es ist heute unmöglich, meine Damen und Herren, das Ergebnis der inzwischen wiederaufgenommenen sowjetisch-amerikanischen Gespräche vorauszusagen. Allerdings möchte ich schon jetzt festhalten: Für die Beurteilung des Ergebnisses wird auch wichtig sein, was für die Geltungsdauer eines solchen Vertrages vorgesehen wird, wie über seine Durchführung befunden werden soll und wie er der weiteren internationalen Entwicklung angepaßt werden kann. Ich darf nun zu der ersten Frage kommen, die an die Bundesregierung gerichtet wurde. Sie lautet; Bundesminister Brandt Betrachtet die Bundesregierung es grundsätzlich als Teil ihrer Politik der Friedenssicherung, den Abschluß eines Atomwaffensperrvertrages zu fördern? Diese Frage ist, wie ich einleitend feststellte, positiv zu beantworten. Das deutsche Volk — das möchte die Bundesregierung an dieser Stelle vor dem Hohen Hause und damit vor aller Welt feststellen — weiß sich mit allen Völkern einig, die dauerhaften Frieden wünschen. Seine Sicherung und Festigung ist übergeordneter Gesichtspunkt unserer Politik. Wir verwerfen jede Gewaltpolitik und sind zu Abkommen über Gewaltverzicht bereit. Wir wünschen insbesondere im europäischen Raum eine dauerhafte Entspannung und eine Friedensordnung, in der auch das deutsche Volk die Trennung überwinden und in Freiheit und Harmonie mit seinen Nachbarn leben kann. Es ist unser fester Wille, an der Entwicklung einer solchen Friedenspolitik aktiv und konstruktiv mitzuwirken. Wir unterstützen also alle geeigneten Schritte auf dem Wege zu einer internationalen Rüstungsbegrenzung, Rüstungskontrolle und Abrüstung. Die Massenvernichtungswaffen, vor allem die Kernwaffen, stehen dabei im Vordergrund. Die Bundesrepublik Deutschland hat bereits 1954 im Zusammenhang mit ihrer Aufnahme in die Westeuropäische Union und in den Nordatlantikpakt auf die Herstellung von nuklearen, biologischen und chemischen Waffen verzichtet und sich entsprechenden internationalen Kontrollen unterworfen. Wir hätten es begrüßt, wenn andere Staaten ähnliche Bindungen eingegangen wären und damit die Gefahren gemindert worden wären, die durch die Verbreitung von Kernwaffen entstehen. Die Bundesrepublik Deutschland hat auch den Teststoppvertrag vom 5. August 1963 ratifiziert. Die Bundesregierung hat darüber hinaus wiederholt ihren Verzicht auf Verfügungsgewalt über Kernwaffen ausgesprochen. Sie macht sich den Wunsch zu eigen, 'der in jenen Resolutionen ,der Vereinten Nationen zum Ausdruck kommt, die davon sprechen, daß sich die Vereinten Nationen für den baldigen Abschluß eines Nichtverbreitungsvertrages erklärt haben. Ich darf hier, auch im Zusammenhang mit dem ersten Punkt des FDP-Antrags, daran erinnern, daß die Bundesregierung schon in der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 festgestellt hatte: Wir streben keine nationale Verfügungsgewalt über Atomwaffen und keinen nationalen Besitz an solchen Waffen an. Wir wünschen also, meine Damen und Herren, den erfolgreichen Fortgang der laufenden Verhandlungen mit dem Ziel, eine möglichst universelle Annahme des Nichtverbreitungsvertrags zu erreichen. Dabei setzen wir voraus, daß es zu einem Vertrag kommen wird, der lebenswichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland nicht beeinträchtigt. Die zweite Frage lautet: Welche Ergebnisse haben die Gespräche der Bundesregierung mit den interessierten zivilen und militärischen Atommächten über den Inhalt eines Atomwaffensperrvertrages gehabt? Wie ich schon erwähnte, meine Damen und Herren, haben wir uns seit Mitte Dezember vergangenen Jahres mit dem Teilentwurf eines Textes befaßt, und es stellte sich heraus, daß dieser Text veränderungsund ergänzungsbedürftig war. Ich könnte allerdings hinzufügen: auch veränderungsund ergänzungsfähig. Wir haben Maßstäbe aufzustellen versucht, an denen wir selbst einen universellen Nichtverbreitungsvertrag zu messen haben. Dabei ging es im wesentlichen um vier Fragenkomplexe: erstens die ungehinderte Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken, zweitens eine deutliche Verbindung zu allgemeiner Abrüstung, drittens Gewährleistung der Sicherheit und viertens keine Beeinträchtigung regionaler — in unserem Fall: europäischer — Einigungsbestrebungen. Diese vier Fragenkomplexe .ergaben zahlreiche Einzelfragen, die sorgfältig, auch unter der Assistenz von Wissenschaftlern, geprüft worden sind. Es stellte sich heraus, daß es bei keinem dieser Komplexe ausschließlich um deutsche Interessen geht, die nur die Bundesrepublik Deutschland und keinen anderen Staat berühren. Die Bundesrepublik befand und befindet sich, was ihre Interessenlage angeht, weithin im Einklang mit anderen Staaten, zumal mit den anderen zivilen Atommächten, in manchen Bereichen auch mit solchen, ,die keinem Verteidigungsbündnis angehören. In diesem Zusammenhang erledigen sich unserer Meinung nach die Vorwürfe von sowjetischer Seite, es handele sich bei unseren Wünschen und bei unseren Anregungen um vorgeschobene Positionen zur Tarnung eines angeblichen Ehrgeizes nach Atomwaffen. Einen solchen Ehrgeiz haben wir nicht. Das weltpolitische Gewicht Deutschlands wird auch in Zukunft bestimmt werden von seinen, von Deutschlands Leistungen im Dienste des Friedens, für Wissenschaft, für Wirtschaft, für Technik, für Kultur. Es liegt nun in der Natur der Sache, meine Damen und Herren, daß die zivilen Nuklearstaaten Fühlung untereinander aufgenommen haben, um festzustellen, wie sie die Auswirkungen eines solchen Vertrages auf ihre jeweiligen nationalen und regionalen Interessen beurteilen und wieweit diese Interessen mit denen anderer übereinstimmen. Das liegt in der Natur der Sache, weil die zivilen Nuklearmächte in diesem Zusammenhang unbeschadet 'sonstiger Bündnisgegebenheiten das eigentliche Gegenüber der Kernwaffenmächte darstellen. Im Kreis der zivilen Nuklearstaaten sind einige durch Bündnisse gesichert, andere nicht. Einige sind MitBundesminister Brandt glieder der Abrüstungskonferenz in Genf, andere sind es nicht. Die Bundesregierung hat festgestellt, daß es trotz der angedeuteten sehr unterschiedlichen Lage dieser Staaten ähnliche Interessen gibt, Interessen, die sich aus dem sachlichen Inhalt dessen ergeben, was durch einen solchen Vertrag geregelt werden soll. Diese Fühlungnahmen sind nicht beendet. Sie haben deutlich gemacht, daß die Bundesrepublik Deutschland auch insofern nicht alleinsteht. Aber ich bitte das Hohe Haus nochmals um Verständnis dafür, daß die Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt nicht über Einzelergebnisse berichten kann. Sie hat jedenfalls ein großes Maß an Übereinstimmung in der Beurteilung wesentlicher Aspekte des Nichtverbreitungsproblems unter den betroffenen Staaten feststellen können. Bei unseren amerikanischen Verbündeten haben wir während der Verhandlungen der letzten Monate ein hohes Maß an Verständnis für unsere Überlegungen gefunden. Es gibt eine Reihe von Fragen, in denen wir unsere Konsultationen mit den Vereinigten Staaten als beendet mit einem positiven Ergebnis betrachten können. In einer Reihe anderer Fragen müssen die Konsultationen noch weitergeführt werden, teils, wenn Ergebnisse der amerikanisch-sowjetischen Gesprächsrunde vorliegen, teils nach Aufnahme der Verhandlungen über einen Vertragstext in Genf. Die Klärung noch offener Fragen hängt von den Ergebnissen der Kontakte ab, die zwischen den Vereinigten Staaten und der. Sowjetunion, zwischen den Weltmächten und ihren jeweiligen Alliierten, zwischen den Alliierten untereinander und schließlich zwischen den nichtnuklearen Staaten mit ähnlicher Interessenlage im Gange sind. Die dritte Frage lautet: Inwieweit ist es der Bundesregierung gelungen, Befürchtungen auszuräumen, daß der jetzt vorliegende Entwurf eines Atomwaffensperrvertrages zivile Erforschung, Entwicklung und Nutzung der Kernenergie und den Export von Reaktoren behindern könnte? Wir antworten darauf, daß die ungehinderte zivile Nutzung des Atoms ein vitales Interesse der Bundesrepublik Deutschland ist. Die Entwicklung auf dem zivilen Sektor wird weitergehen. Die Energieversorgung der Welt wird in wachsendem Maße durch Kernkraft erfolgen. In den so betriebenen Reaktoren entsteht Plutonium, das sich auch zur Waffenherstellung verwenden läßt. Mit der Ausbreitung der Nukleartechnologie wird nicht nur die Zahl der zivilen Atommächte, sondern unausweichlich auch die Zahl der Staaten zunehmen, die über die objektive Fähigkeit zur Kernwaffenherstellung verfügen. Wir meinen, daß es die Aufgabe unserer Generation sei, den militärischen Mißbrauch der. Kernnergie zu verhindern und ihre friedliche Nutzung zu fördern. (Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der FDP.)





    (Zuruf von der FDP: ,Ach so!)


    (Beifall bei den Regierungsparteien.)


    (Sehr gut! bei der SPD)


    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)











    (Sehr richtig! bei der SPD.)


    (Beifall bei den Regierungsparteien.)


    (Sehr richtig! bei der SPD.)


    (Sehr gut! bei der SPD.)


    (Beifall bei den Regierungsparteien.)