Rede:
ID0510616600

insert_comment

Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 5106

  • date_rangeDatum: 27. April 1967

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 21:04 Uhr

  • fingerprintRedner ID: Nicht erkannt

  • perm_identityRednertyp: Präsident

  • short_textOriginal String: Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: info_outline

  • record_voice_overUnterbrechungen/Zurufe: 0

  • subjectLänge: 16 Wörter
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 16
    1. Ja,: 1
    2. es: 1
    3. hängt: 1
    4. an: 1
    5. dem: 1
    6. Tatbestand: 1
    7. der: 1
    8. Stillegungsentschädigung,: 1
    9. die: 1
    10. seit: 1
    11. einigen: 1
    12. Jahren: 1
    13. nicht: 1
    14. mehr: 1
    15. gewährt: 1
    16. wird.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 106. Sitzung Bonn, den 27. April 1967 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Paul 4917 A Fragestunde (Drucksachen V/1634, zu V/1634) Frage des Abg. Ertl: Grundgesetzänderungen zur Neugestaltung der Beziehungen zwischen Bund und Ländern Benda, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 4917 B Ertl (FDP) . . . . . . . . . . 4917 B Frage des Abg. Sanger: Abgrenzung zwischen Anzeigeblättern und Zeitungen bzw. Zeitschriften Benda, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 4917 D Sänger (SPD) . . . . . . . . 4918 B Frage des Abg. Porten: Übergangszeit für einen gemeinsamen Mehlmarkt Höcherl, Bundesminister 4918 C Porten (CDU/CSU) 4918 DFragen des Abg. Ertl: Finanzierung kostenloser Getreidelieferungen an Entwicklungsländer Höcherl, Bundesminister . . . . 4919 B Ertl (FDP) 4919 C Fragen des Abg. Bading: Einbeziehung von Bananen und Ananas in die EWG-Marktordnung für Obst und Gemüse Höcherl, Bundesminister . . . . . 4919 D Urban (SPD) . . . . . . . . . 4920 A Fragen des Abg. Budde: Milchwirtschaft in der Bundesrepublik 4920 B Fragen des Abg. Jung: Ausrüstung der Seenotrettungsstaffel Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 4920 C Ollesch (FDP) 4920 D van Delden (CDU/CSU) 4921 A II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 Fragen des Abg. Burger: Sommeruniform für Heeresstreitkräfte der Bundeswehr . . . . . . . . 4921 B Fragen des Abg. Hübner: Einsatz- und Nutzungsmöglichkeiten von elektrischen Großrechenanlagen 4921 C Fragen des Abg. Lemper: Reduzierung der Wehrdienstzeit und der Gesamtzahl der Soldaten sowie dadurch mögliche Einsparungen Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . .. . 4921 D Mertes (FDP) 4922 A Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) 4922 B Frage des Abg. Ollesch: Notwendigkeit der Anwesenheit des Bundesarbeitsimnisters im Ausschuß für mittelfristige Finanzplanung Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 4922 D Frage des Abg. Geldner: Vergabe von Aufträgen für Investitionsmaßnahmen nach Bayern Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 4923 A Geldner (FDP) 4923 C Fritsch (Deggendorf) (FDP) . . . 4923 D Ertl (FDP) 4924 B Frage des Abg. Logemann: Änderung des Verkehrsfinanzgesetzes Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 4924 D Logemann (FDP) 4924 D Fragen des Abg. Logemann: Dieselölpreis für Landwirte Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 4925 A Logemann (FDP) 4925 C Ertl (FDP) . . . . . . . . . . 4926 B Wächter (FDP) . . . . . . . . 4926 D Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) . 4927 A Reichmann (FDP) . . . . . . . 4927 B Fragen des Abg. Hellenbrock: Militärisch genutztes Gelände der Gemeinde Bracht im Lkr. Kempen/Krefeld Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 4927 C Dr. Hammans (CDU/CSU) . . . . 4927 D Frage des Abg. Lemmrich: Einnahmen aus der Mineralölsteuer Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 4928 A Fragen des Abg. Flämig: Exerzierplatz Großauheim am Main 4928 B Fragen des Abg. Baier: Baustopp für alle staatlich geförderten Hochbauten in Baden-Württemberg Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 4928 C Baier (CDU/CSU) 4928 D Fragen des Abg. Wächter: Bewerber um Aufträge des Bundes Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 4929 C Wächter (FDP) . . . . . . . 4929 C Fragen des Abg. Porten: Praktiken des Quotenhandels in der Mühlenwirtschaft Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 4930 A Porten (CDU/CSU) 4930 A Große Anfrage der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD betr. Atomwaffensperrvertrag (Drucksache V/1650) in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. atomare Rüstung und friedliche Nutzung von Kernenergie (Drucksache V/ 1494) Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) . 4930 D Dr. Eppler (SPD) . . . . . . . . 4935 B Brandt, Bundesminister . 4939 D, 4972 D Dr. Birrenbach (CDU/CSU) . . . . 4946 D Schoettle, Vizepräsident . . . . . 4952 B Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . . 4952 C Borm (FDP) . . . . . . . : . 4955 C Dr. Stoltenberg, Bundesminister . . 4959 B Dr. Zimmermann (CDU/CSU) . . . 4961 B Berkhan (SPD) . . . . . . . . 4965 A Flämig (SPD) . . . . . . . . . 4966 A Genscher (FDP) 4967 D Dr. Barzel (CDU/CSU) 4969 D Ollesch (FDP) 4972 A Mischnick (FDP) . . . . . . . . 4975 C Dr. h. c. Kiesinger, Bundeskanzler . 4976 B Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 III Beratung des Dritten Jahresgutachtens des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der Stellungnahme der Bundesregierung zum Jahresgutachten 1966 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sowie des Sondergutachtens über die Wirtschaftslage im Frühjahr 1967 (Drucksachen V/1160, V/1313, V/1588) Dr. Schiller, Bundesminister . . . 4976 C Dr. Haas (FDP) . . . . . . . . 4985 B Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . . 4992 C Porzner (SPD) . . . . . . . 4997 A Nächste Sitzung 5000 B Anlagen 5001 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 4917 106. Sitzung Bonn, den 27. April 1967 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Beurlaubungen Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Aigner ** 27. 4. Arendt (Wattenscheid) 27. 4. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 28. 4. Bading** 27. 4. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 28. 4. Bauer (Würzburg) * 28. 4. Prinz von Bayern 1. 6. Berkhan * 28. 4. Berlin 28. 4. Blumenfeld * 28. 4. Frau Brauksiepe 28. 4. Buchstaller 27. 4. Corterier * 28. 4. Dr. Dittrich** 28. 4. Draeger * 28. 4. Dröscher ** 27. 4. von Eckardt 27. 4. Eisenmann 28. 4. Flämig* 28. 4. Frau Freyh 12. 5. Frau Geisendörfer 28. 4. Gerlach ** 28. 4. Gewandt 28. 4. Graaff 28. 4. Dr. Gradl 28. 4. Hahn (Bielefeld) ** 28. 4. Dr. Hellige * 28. 4. Frau Herklotz * 28. 4. Herold* 28.. 4. Hilbert * 28. 4. Höhne 15. 6. Hösl * 28. 4. Jacobi (Köln) 15. 5. Kahn-Ackermann * 28. 4. Dr. Kempfler * 28. 4. Kiep 12. 5. Frau Klee * 28. 4. Dr. Kliesing (Honnef) * 28. 4. Klinker * 28. 4. Dr. Kopf * 28. 4. Kunze 6. 5. Lemmer 28. 4. Lemmrich * 28. 4. Lenz (Brühl) 30. 4. Lenz (Trossingen) 23. 5. Lenze (Attendorn) * 28. 4. Lücker (München) ** 28. 4. Matthes 28. 4. Mauk ** 28. 4. Frau Dr. Maxsein " 28. 4. Mengelkamp 15. 5. Merten** 28. 4. Metzger ** 28. 4. Michels 28. 4. Müller (Aachen-Land) ** 28. 4. Paul 28. 4. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Peters (Norden) 30. 6. Frau Pitz-Savelsberg 2. 6. Pöhler * 28. 4. Frau Dr. Probst 12. 5. Raffert 28. 4. Richarts ** 28. 4. Richter * 28. 4. Dr. Rinderspacher * 28. 4. Rösing 28. 4. Ross 28. 4. Dr. Rutschke * 28. 4. Scheel 28. 4. Schmidt (Würgendorf) * 28. 4. Dr. Schulz (Berlin) * 28. 4. Dr. Serres * 28. 4. Dr. Starke (Franken) ** 27. 4. Struve 31. 5. Dr. Süsterhenn 27. 4. Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell* 28. 4. Dr. Wahl * 28. 4. Wellmann 30. 4. Wienand * 28. 4. Dr. Wuermeling 27. 4. Zerbe 28. 4. * Für die Teilnahme an einer Tagung der Beratenden Versammlung des Europarats ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Luda (CDU/CSU) zu Punkt 4 der Tagesordnung. Der Sachverständigenrat verfährt nach der Methode von Professor Heller, USA, des früheren Vorsitzenden des Konjunkturrates: er versucht, den Umfang der Unterauslastung der Wirtschaft zu ermitteln, um dann vorzuschlagen, wie die fehlende Nachfrage zu erzeugen ist. Das ist eine rein liquiditätsorientierte Betrachtungsweise. Um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, bedarf es zunächst einer Ermittlung der Ursachen der Konjunkturabflachung. Abgesehen von der politischen Krise des vorigen Jahres liegt diese Ursache in den öffentlichen Defiziten, in der Kostenentwicklung und, inzwischen weitgehend überwunden, in der Preisauftriebstendenz. Also müssen zuerst die öffentlichen Finanzen saniert werden, die Haushalte müssen umstrukturiert werden. Darüber sagt das Gutachten leider nichts. Der Etat ist nicht zuerst ein Instrument der Konjunkturpolitik, sondern in erster Linie Prüfstein für die Ordnung im Staat, also politische Vertrauensgrundlage. Bedenklich ist es meines Erachtens auch, daß das Gutachten sich ausschließlich an Globalzahlen orien- 5002 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 tiert. An Stelle einer Ahalyse der derzeitigen relativen Arbeitslosigkeit wird lediglich von „allenthalben brachliegenden Kapazitäten" gesprochen. Das gibt ein falsches Bild. So liegt die Arbeitslosigkeit im Raum Rhein-Neckar und Rhein-Main unter 1 %, dagegen im Ruhrgebiet, an der Saar, in Teilgebieten von Niedersachsen und im Bayerischen Wald weit über dem Durchschnitt. Die heutige Konjunkturpolitik kann nicht isoliert von den Strukturproblemen betrachtet werden. Sie beziehen sich nicht nur auf die Eisen schaffende Industrie und den Bergbau, sondern auch auf Teile der Eisen und Metall verarbeitenden Industrie, der Holz- und der Textilindustrie. Durch Gewährung globaler Kreditspritzen ist hier keine Hilfe zu erwarten, das würde die notwendige Strukturbereinigung nur hinausschieben. Es wäre auch zu begrüßen gewesen, wenn das Sondergutachten die bisherige Investitionstätigkeit näher untersucht hätte. In der EWG-Investitionsstatistik ist die Bundesrepublik Deutschland nämlich eindeutig führend. Die Brutto-Anlage-Investitionen der Industrie hatten 1964 eine Zuwachsrate von 18 %, 1965 von 15 % und sind sogar im Jahresdurchschnitt 1966 noch leicht gestiegen. Läßt das nicht den Schluß zu, daß die nachlassende Investitionsneigung eine insoweit natürliche Reaktion auf sehr hohe Investitionsraten der vergangenen Jahre mit dem Zwang der einzelnen Unternehmen, nunmehr zu konsolidieren, ist? Zum Vorschlag des Sondergutachtens! Er bedeutet einen klaren Stellungswechsel des Rates im Vergleich zu dem vor vier Monaten veröffentlichten Dritten Jahresgutachten. Damals hatte der Rat drei Alternativprojektionen dargelegt (I „Stabilität um jeden Preis", II „ungezügelte Expansion", III „kontrollierte Expansion"). Im Dritten Jahresgutachten hatte der Rat eindeutig das Konzept der „kontrollierten Expansion" propagiert. Der Vorschlag im Sondergutachten deckt sich demgegenüber weitgehend mit der seinerzeitigen Alternativprojektion II. Natürlich kann in der Wirtschaftspolitik kurzfristig ein Stellungswechsel nötig werden. Was aber bedenklich erscheint, ist die Tatsache, daß die Öffentlichkeit sich inzwischen auf die amtlich übernommene „kontrollierte Expansion" eingestellt hat, die durch die neue Politik weitgehend sinnentleert ist, und daß, genaugenommen, der jetzige Vorschlag des Sachverständigen-Rates „ungezügelte Expansion" lauten müßte, zumal von vornherein feststeht, daß die Bundesregierung die vorgeschlagene „Kontrolle" der außenwirtschaftlichen Absicherung (Wechselkurspolitik) nicht praktizieren will — mit Recht — und daß sie die zweite „Kontroll"-Maßnahme der lohnpolitischen Absicherung in dem vom Dritten Jahresgutachten vorgeschlagenen Sinne der „Richtzahlen" und „Lohnleitlinien", also der Datensetzung von oben nicht praktizieren kann und nicht praktizieren will. Also: Vor Schlagworten wird gewarnt! Zur Frage des zweiten Eventualhaushaltes! Die Liquiditätsversorgung entwickelt sich zufriedenstellend. Die Zinssenkungstendenz ist zu begrüßen. Leider ist jedoch die Freigabe der Haben-Zinsen ohne Wirkung geblieben. Ganz offensichtlich ist das auf die Tatsache zurückzuführen, daß trotz Zinsfreigabe die Steuerprivilegien der Sparkassen unangetastet geblieben sind. Diese Privilegien werden auch weiterhin zu einem verzerrten, unnötig hohen Zinsniveau führen, wenn man sie nicht unverzüglich abbaut. Die Entwicklung der Liquiditätsnachfrage ist zur Zeit noch gehemmt. Da der Bundeshaushalt 1967 noch nicht verabschiedet ist, macht sich zum Nachteil der Wirtschaft ein Ausgabestau nach wie vor hemmend bemerkbar. Nach Verabschiedung des Bundeshaushalts im Juni wird sich das schlagartig ändern. Zur gleichen Zeit geht auch die Anlaufzeit des ersten Eventualhaushalts zu Ende. Also: In der zweiten Jahreshälfte ist mit einer spürbaren Massierung der öffentlichen Ausgaben zu rechnen, zumal dann auch das Defizit der Sozialversicherungsträger mit etwa 1,5 Milliarden DM stark expansiv wirken wird. Für alles das ist offenbar genug Liquidität vorhanden. Funktioniert die beabsichtigte Initialzündung gleichfalls in der zweiten Jahreshälfte, womit wohl zu rechnen ist, dann ergäbe sich wahrscheinlich die Gefahr einer Überforderung des Kapitalmarktes, falls man gleichzeitig einen zweiten Eventualhaushalt praktizieren wollte. Es geht also nicht an, heute schon über die Frage eines zweiten Eventualhaushaltes — der nach Ansicht des Berliner Instituts ein Volumen von 4 Milliarden DM haben sollte — zu entscheiden. Eventuelle Liquiditätsreserven sollte der Bund lieber den Ländern und Gemeinden für Infrastrukturmaßnahmen überlassen. Im Dritten Jahresgutachten war in der Alternativprojektion II („ungezügelte Expansion") auf die Gefahr eines kumulativen Prozesses im Jahre 1968 hingewiesen worden. Dieser Hintergrund muß auch heute noch beachtet werden,desgleichen der Hintergrund eines Haushaltsdefizits des Bundes für 1968 in Höhe von 6,8 Milliarden DM. Ein zweiter Eventualhaushalt würde also eine Vervielfachung späterer Konsolidierungsschwierigkeiten bedeuten. Auch aus diesem Grunde darf man sich nicht vorzeitig und nicht ohne Not für ihn entscheiden. Anlage 3 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Schmidhuber (CDU/CSU) zu Punkt 4 der Tagesordnung. Heute ist schon mehrmals von der psychologischen Komponente der Konjunkturpolitik gesprochen worden. Meiner Meinung nach kann man diesem Fragenkomplex nicht genügend Aufmerksamkeit widmen. Steht doch hinter den Summengrößen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung eine unübersehbare Zahl von Einzelentscheidungen, die von den Marktteilnehmern, von den Konsumenten und Produzenten, Tag für Tag gefällt werden müssen. Kollektivurteile über die Entwicklung der Konjunk- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 5003 tur, wie etwa die sogenannte Krisenfurcht, können — selbst wenn sie unbegründet sind — den weiteren konjunkturellen Ablauf unter Umständen stärker beeinflussen als wirtschaftspolitische Maßnahmen; ja, sie können Wirkungen auslösen, deren Größe und Mächtigkeit in keinem Verhältnis steht zu den relativ bescheidenen Einflußmöglichkeiten der öffentlichen Hand. Dafür gibt es in der Wirtschaftsgeschichte der zwanziger und dreißiger Jahre genügend Beispiele. Die Marktteilnehmer können sich aber nicht allein an ihren unmittelbaren wirtschaftlichen Erfahrungen, die sich meistens nur auf einen schmalen Sektor beziehen, orientieren, sondern sie sind auch darauf angewiesen, wie die öffentliche Meinung und die für die Wirtschaftspolitik Verantwortlichen die Lage beurteilen. Insofern setzt auch der Sachverständigenrat selbst durch seine gutachtlichen Äußerungen ein konjunkturelles Datum. Er ist also in der Lage des Arztes, der bei der Mitteilung der Diagnose an den Patienten die Wirkungen bedenken muß, die diese Mitteilung auf den Kranken haben könnte. Überspitzt könnte man hierbei von dem „prozyklischen Effekt von Gutachten" sprechen, wobei ich insbesondere die möglichen Wirkungen auf das Konsumentenverhalten im Auge habe. Dies ist die Folge davon, daß die Erörterung konjunkturpolitischer Fragen, der durch das Gesetz institutionalisierte Dialog zwischen Sachverständigenrat und Bundesregierung sich im vollen Licht der Öffentlichkeit vollzieht. Dabei kann der Sachverständigenrat möglicherweise in eine ähnliche Situation geraten wie die Demoskopen bei der letzten Bundestagswahl, nämlich daß man ihnen später den Vorwurf macht, sie hätten durch ihre Prognose das Ergebnis beeinflußt. Man sieht, die „informierte Gesellschaft" hat auch ihre Gefahren. Man sollte daraus keinesfalls die Konsequenz ziehen, einer öffentlichen Erörterung konjunkturpolitischer Fragen aus dem Wege zu gehen. Allerdings sollte man diese unerwünschten Nebeneffekte bei der Formulierung und unter Umständen bei der Wahl des Zeitpunktes der Äußerung zu vermeiden suchen. Die zweite Bemerkung betrifft das Problem der außenwirtschaftlichen Absicherung der Währungsstabilität, den Schutz vor der sogenannten importierten Inflation. Niemand wird sich der in mehreren Stellungnahmen vorgetragenen Sorge des Sachverständigenrates zu verschließen vermögen, die binnenwirtschaftliche Stabilität werde durch außenwirtschaftliche Einflüsse gefährdet. Die vom Sachverständigenrat vorgeschlagenen autonomen Lösungsmöglichkeiten bergen — abgesehen von juristischen Hindernissen — jedoch schwer überschaubare Risiken in sich. An erster Stelle steht dabei die heute schon einmal ausgesprochene Befürchtung, die Exporterfolge der deutschen Wirtschaft könnten darunter leiden. Die Abneigung gegenüber einer Verminderung der Währungsparitäten resultiert letztlich aus der Tatsache, daß derartige Operationen die Handelsströme oft auf lange Zeit erheblich beeinträchtigen, ja sogar auf die Dauer umlenken können. Aus diesem Grund hat der Wirtschaftsausschuß die im Entwurf des Stabilitätsgesetzes vorgesehene Möglichkeit einer Senkung der Sätze der Umsatzausgleichsteuer und der Ausfuhrvergütung — ein Instrument, das man als partiell und zeitlich begrenzten Aufwertungsersatz ansehen könnte — gestrichen. Die importierte Inflation ist im übrigen nicht das wirtschaftspolitische Problem des Jahres 1967. Auf längere Sicht — vielleicht schon im nächsten Jahr — wird uns allerdings diese Frage immer wieder beschäftigen. Die Wechselbeziehungen zwischen den Wirkungen des internationalen Preiszusammenhangs und den monetären Folgen eines strukurellen Zahlungsbilanzüberschusses einerseits und dem Auslastungsgrad der binnenwirtschaftlichen Produktionskapazitäten andererseits bedürfen im übrigen noch weiterer quantitativer Untersuchungen. Vorerst bleibt nur ein Ausweg, um den Gleichschritt der westlichen Industriestaaten in die Inflation zu bremsen bzw. zu stoppen, nämlich sich verstärkt um eine internationale Koordinierung der nationalen Wirtschafts- und Finanzpolitik der einzelnen Staaten zu bemühen. Gewisse Möglichkeiten bietet dazu das Europäische Währungsabkommen sowie Art. 107 des EWG-Vertrages und last not least die ökonomische Vernunft und das wohlverstandene gemeinsame Interesse an einer gesunden internationalen Finanzordnung. Anlage 4 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Stein (Honrath) (CDU/CSU) zu Punkt 4 'der Tagesordnung. Ich möchte mich nicht mit dem Inhalt des Dritten Jahresgutachtens und des Sondergutachtens unseres Sachverständigenrates befassen. Kritik und Zustimmung sind zu diesem Inhalt geäußert worden, zu dem Sondergutachten fast nur Kritik, in der Öffentlichkeit noch mehr als hier. Ich habe das bewußt anderen überlassen und will mich mit einer anderen, wie mir scheint, ebenfalls sehr wichtigen Frage beschäftigen, einer Frage, die die Gutachten aufwerfen und von anderen schon kurz gestreift wurden. Dieses Hauptgutachten, das wir diskutieren, ist das dritte, das Sondergutachten das erste seiner Art. Im August 1963 wurde durch das Gesetz, das dem ganzen Vorgang zugrunde liegt, der Auftrag gegeben, Untersuchungen über die Ausgewogenheit unserer wirtschaftlichen Entwicklung mit Hilfe eines unabhängigen Sachverständigengremiums vorzunehmen. Die beiden heutigen Gutachten sollten meines Erachtens Anlaß sein, uns unsererseits zu prüfen, ob wir mit dieser Art und Form der Gutachten, an die wir uns sozusagen schon gewähnt haben, auf dem richtigen Wege sind. Ist es das, was wir wollen und erhofft haben? Mit anderen Worten: Haben sich das Gesetz und seine Absicht 5004 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 mit diesem Gutachten bewährt, oder sollten wir etwas andere Wege beschreiten? Wenn ja, welche? Ich denke, daß man diese Frage in aller Ruhe aufwerfen und daß man allmählich mit dieser Diskussion beginnen kann. Diese Diskussion müßten zunächst wir in diesem Hause führen. Denn wir sind zunächst die Empfänger der Gutachten, wie wir auch die Initiatoren des Gesetzes gewesen sind. Die Bundesregierung gibt zwar eine Stellungnahme dazu ab, sie ist aber vielleicht nicht so frei in ihrer Äußerung zur Frage des Gelingens des gesetzlichen Auftrages und zu den Verfahrensfragen der Gutachten. Die Regierung könnte in den Verdacht kommen, sich mit grundsätzlichen Änderungen oder Ausgestaltungsvorschlägen einen unbequemen Aufpasser oder Kritiker vom Halse schaffen oder ihn an die Kette legen zu wollen. Vielleicht auch umgekehrt. Deshalb sollte ,der Bundestag, sollte das Parlament diesen ersten Saldo der Betrachtung der bisher gewählten Form !der Untersuchungsmethode ziehen und die Frage der Verbesserungserfordernisse und Verbesserungsmöglichkeiten sich selbst stellen. Eine kleine Vorbemerkung! In Deutschland, aber auch anderwärts, gerät man leicht in den Geruch, geistig etwas minderbemittelt zu sein, wenn man den Spruch von Weisen nicht sozusagen auf den Knien entgegennimmt. Wird diese Ergebenheit, so frage ich, als Preis dargebracht für die Unabhängigkeit, also dafür, daß die Männer im Elfenbeinturm den Kampf gegen Interessen und unsachliche Einflüsse gewagt oder sich um weisungsfreie Beurteilung bemüht haben? Es lohnt sich, über diese Frage, deren Beantwortung über unsere Gesellschaft viel aussagen würde, nachzudenken. Der allgemeine Gutachter ist in Deutschland leider stark abgewertet. Im Volksmund, jedenfalls im qualifizierteren, sagt man, nicht ganz zu Unrecht, daß man für alles und jedes, für alle nur denkbaren Ansichten zu einer Sache einen Gutachter haben kann. Wir kennen ja alle die Prozesse, deren Akten mit vielen einander widersprechenden Gutachten angefüllt sind. Wenn ich das sage, so will ich damit unterstreichen, daß die Unabhängigkeit eines Gutachters in der Tat nach der Überzeugung vieler mit besonderen Kautelen hergestellt werden muß. Es muß eine staubfreie Atmosphäre gesichert sein. Ich bekenne mich jedenfalls ganz grundsätzlich zu der Auffassung, daß das unabhängige Gutachten in Deutschland einen hohen Rang anstreben und erhalten muß und daß die Gutachter ihre Ehre in die völlig unabhängige Begutachtung setzen müssen. Weisungsfrei und unabhängig heißt aber nicht, daß ein Gutachten sozusagen im luftleeren Raum gestaltet werden müsse. Je elfenbeinerner ein Gutachten ist, um so luftleerer ist es aber. Nun garantiert in unserem Falle des gesamtwirtschaftlichen Sachverständigenrates die Persönlichkeit der Gutachter, die sich in ihren Kreisen und gegenüber der Öffentlichkeit ja auch wieder über ihre Thesen auseinanderzusetzen haben, für die lebensvolle Komprimierung des Stoffes und für eine gewisse Bodennähe der Betrachtung. Aber dieser Status, den wir den Gutachtern zugewiesen haben, reicht nach meiner Ansicht nicht aus, blut- und lebensvolle Gutachten sozusagen von der Methode her sicherzustellen. Wir befinden uns mit unserem Untersuchungsauftrag nicht in der Justiz oder einem sonstigen Bereich, bei dem es um die abstrakte und theoretische Frage des Falsch oder Richtig geht, sondern in der Wirtschaft, einem Bereich also, bei dem letzten Endes nur das konkrete Ergebnis interessiert, die Frage, ob diese konkrete Vorstellung mit Hilfe der vorausgeschickten Daten auch wirklich überzeugt. Ich habe oft die Meinung gehört, daß der Auftrag an den Sachverständigenrat an sich utopisch sei, weil dieser Auftrag sich in einem theoretischen Idealbild, nämlich der Stabilität des Preisniveaus, einem hohen Beschäftigungsstand, dem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wachstum zu vollziehen habe und die Einzeluntersuchungen dieser Zielsetzung zu dienen hätten. Nun gut, Gesetze können sich ideale und vielleicht unerreichbare Ziele setzen. Aber wir hier sind leider auf die Realitäten der vier Ideale angewiesen. Wir können zwar anordnen, daß die Vorstellungen der Sachverständigen keine Empfehlungen sein sollen. Aber alle Welt faßt sie als solche auf, besonders wenn sie — wie z. B. dieses unglückliche Ergänzungsgutachten — wenig Alternativen haben und wenn die Presse von den Gutachten als dem volkswirtschaftlichen Gewissen der Nation spricht. Die Vorstellungen der Sachverständigen, hoch in den Raum gestellt, sind dann natürlich die Basis für politische Attacken und Alibis, obwohl irgendeine Bewährung dieser Vorstellungen im politischen Raum nicht stattgefunden hat, die Regierung vielmehr sofort in der Rolle des Angeklagten ist. Ja, das Gutachten selbst kann sofort Angreiferin sein. Wer will das für die Vergangenheit der 31/2 Gutachten bestreiten? Es kann aktiv in eine ganz bestimmte Richtung wirken, statt nur Möglichkeiten für die eine oder andere Handhabung aufzuzeigen. Die Gefahr dieser unabhängigen, also wertfreien und unpolitischen, aber politisch höchst wirksamen, eindeutig als Empfehlung wirkenden Nichtempfehlung ist groß, sehr groß. Wir haben sie bisher gebändigt, aber das muß nicht immer so sein. Ich habe 'sogar den Eindruck, daß das von Jahr zu Jahr schwieriger wird. Die Wirtschaft darf nach meiner Auffassung nicht in dieser Weise nur den Sachverständigen zu einem so hohen und unmittelbaren Einfluß überlassen werden. Der Sachverständigenrat soll in diesem Gutachten darstellen, die Situation darstellen, aber nicht an Hand eines Bildes, das sich an Idealen und nicht ganz realistischen Generalklauseln orientiert. Nur eine einzige der vier von mir vorhin genannten Komponenten braucht, aus welchen Gründen auch immer, nicht realistisch zu sein, dann ist das ganze Bild schief. Hier scheint mir ein wesentlicher Mangel unseres Gesetzes zu liegen. Ein zweiter Mangel hängt damit zusammen und scheint mir darin zu liegen, daß der Sachverständigenrat personell ergänzt oder etwas anders zusammengesetzt werden muß. Meines Erachtens müßte mindestens ein von Berufs wegen sicherer Kenner der politischen Zusammenhänge in das Gremium herein. Außerdem müßten die Mitglieder des Sachverständigenrates einen Status haben, der es ihnen zur Pflicht macht, die Valuta ihres Gut- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 5005 achtens mit einer voll funktionierenden Methode zu erreichen. Was verstehe ich hierunter? Betrachten wir einmal mit einem kurzen Streiflicht die bisherigen 31/2 Gutachten. Leider ist ja unsere Gegenwart so schrecklich vergeßlich. Was wäre geschehen, wenn wir den Vorstellungen der zurückliegenden Gutachten gefolgt wären? Was würde geschehen, wenn wir das vorliegende dritte und das Sondergutachten unter Hinnahme der Korrekturen zur Grundlage unserer Entscheidung machen würden? Sicher gibt es überzeugte, positive Beurteiler. Auf diese Frage des Falsch oder Richtig kommt es mir aber — wie gesagt — in diesem Zusammenhang gar nicht an, sondern darauf, daß in der Beurteilung und in den Vorschlägen des Sachverständigenrates zu wichtigen Problemen nach der Ansicht einer sehr großen Zahl von anderen Sachverständigen deutlich Fehlbetrachtungen vorliegen und einzelne vorgeschlagene Ziele auf den erörterten Wegen nicht erreicht werden können. Anders gesagt, daß die etwa in der Richtung des Gutachtens eingeleiteten Maßnahmen weder auf einer zuverlässigen sachlichen noch politischen Basis aufgebaut und realisiert werden können. Ich meine, daß die Gutachten und die Gutachter durch diese Situation in die Gefahr einer allmählichen und längst aktuellen Entwertung geraten. Die freundlichen Bemerkungen der Bundesregierung in der Einleitung ihrer Stellungnahme zum dritten Gutachten können darüber nicht hinwegtäuschen. Mein heutiges Thema ist, wie es dazu kommt und wie wir diese Devaluierung vermeiden, einer weiteren Abwertung vorbeugen können. In dieser ersten Diskussion hierüber ist das Ganze mit wenigen Sätzen darzustellen. Wir brauchen nur einmal die Gutachten ganz klar ins Auge zu fassen. Sie bestehen aus zugrunde gelegten Daten, allgemeinen oder speziellen Prämissen und Aspekten sowie einer Analyse, das Sondergutachten ferner aus Korrekturen. Die Gutachter setzen sich vor den Gutachten in freier Weise mit diesen oder jenen Stellen, sicherlich allen sachlich zu einem Beitrag berufenen, in Verbindung und informieren sich. Wir alle sind gehalten, sie in ihrer Arbeit zu unterstützen, und tun das gern. Welche Ansichten die Gutachter mitbringen, sei es zur Diagnose oder zur Therapie, erfahren wir nicht oder nicht unbedingt, jedenfalls nicht in einer verbindlich geregelten Form. Oft oder wohl meist spricht auch nur einer der Gutachter mit diesem oder jenem Bedarfsträger oder verantwortlichem Gremium. Soweit nicht das Statistische Bundesamt eingeschaltet ist, werden die Daten wohl auch nicht verbindlich abgestimmt, die Prämissen und Aspekte bleiben auf beiden Seiten, also sowohl bei den befragten Gebern als den nehmenden Sachverständigen, etwas im angenehmen Dunkel; es wird ja auch aus Gründen, die man menschlich verstehen kann, mit allerlei Vorsicht gearbeitet. Die nachfolgende Analyse — das haben wir ja nun schon mehrfach und mit steigender Intensität erlebt — hebt sich dann leicht wie von selbst etwas vom Boden und kann in dieser oder jener Einzelfrage, wie wir gehört haben, sogar in eine bedenkliche Höhe geraten, eine Erscheinung, an die wir uns im Bereich der theoretischen Wirtschaftspolitik beinahe schon gewöhnt haben, die aber wegen der Neigung des deutschen Charakters, den Politikern zu mißtrauen, den Gutachtern zu vertrauen, auch nicht völlig ungefährlich ist. Nach meiner Ansicht muß sich das Gutachtergremium, müssen sich die grundlegenden Ausgangspunkte und die entwickelten Vorstellungen zunächst dem politischen Raum im weitesten Sinn stellen, bevor sie mit dieser Feierlichkeit verkündet, der Regierung übermittelt und von dieser an uns weitergegeben werden. Wir wollen, daß gutachtliche Meinungen nicht nur richtig und von den sonstigen Qualitätsgutachten in Deutschland, soweit wie möglich, gleich mitgetragen werden, sondern daß diese Gedankengänge auch politisch und praktisch realisierungsfähig erscheinen. Ich kann diesen Punkt nicht deutlich genug unterstreichen. Er bedeutet nicht, daß die Gutachter nur erörtern sollen, was auch Aussicht hat, vollzogen zu werden. Welcher Irrtum wäre das! Er bedeutet vielmehr, daß der Sachverständigenrat unter Einsatz seiner eigenen, wenn auch zunächst nur vorläufigen Ansicht mit allen in Betracht kommenden Stellen in einem nicht allzu streng, aber in diesem Punkt klar geregelten Verfahren sprechen muß und daß er seine Prämissen, Aspekte und Analysen in voller Kenntnis der sachlichen und politischen Auffassungen und Pläne, die zu seinem Aufgabenbereich gehören, darzulegen hat. Das Material dieser Vorauseinandersetzung könnte in übersichtlicher Form dem Jahresgutachten beigefügt werden. Zur Veranschaulichung dieses Änderungsbedürfnisses unseres Gesetzes kann man natürlich mehrere sehr aktuelle Beispiele wählen. Das Sondergutachten allein rechtfertigt die ganze Skala der Kritik an der jetzigen Praxis der Gutachtenerstattung: Der gesetzliche Auftrag ist nichtvoll eingehalten, wenig Alternativen sind aufgezeigt, die Vorschläge wirken klar als Empfehlung, über die Stellungnahme wichtiger Partner, z. B. des Außenhandelsbeirats, ist man hinweggegangen, der Vollzug des Eventualhaushaltes ist nicht ganz zutreffend beurteilt, und zu manchen Einzelfragen fehlt eben die Mitteilung der Stellungnahme der Hauptbeteiligten und anderes mehr. Diese Gesprächspartner sind nämlich die Träger unser marktwirtschaftlichen Ordnung. Diese Träger und ihre Ansichten hat das Gutachten neben den sonstigen Begebenheiten und Bindungen nationaler und internationaler Art mit einzubeziehen und zu würdigen. Wenn z. B. ein wesentlicher Teil dieser Partner, selbstverständlich mit guten Gründen, die Erwägung des Sachverständigenrates ablehnt oder als politisch undurchführbar bezeichnet, ist das ein Faktum im Bewußtsein dessen, daß die Vorschläge des Gutachtens lebensvoll und politisch durchblutet sein müssen; sonst haben sie nur wissenschaftlichen Wert. Ich meine, daß wir nur bei Beachtung dieses Grundsatzes den Gutachtern den Status sichern können, der unserer Hoffnung auf die Nützlichkeit und den nationalen und gesamtwirtschaftlichen Wert ihrer Gutachten entspricht. 5006 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 Unser Gesetz muß ergänzt werden. Das dritte Gutachten und das Sondergutachten zeigen dies mit einer mehr als ausreichenden Deutlichkeit. Das ist meine Ansicht und die vieler meiner Freunde. Die Änderung kann mit einigen wenigen Pinselstrichen geschehen, die die Geborgenheit des Gutachtens im gesamten politischen Raum, die Anlehnung an die tragenden Kräfte unserer Gesellschaft garantieren, und wird uns schnell zu der gewünschten Form der Gutachten weitrhelfen. Ich verrate wohl auch kein Geheimnis, wenn ich sage, daß die wissenschaftlichen Gutachter selber im In- und Ausland sich über wesentliche Grundlagen solcher gutachtlicher wirtschafts-wissenschaftlicher Aussagen im Streit oder nicht in Übereinstimmung befinden. Einzelne meinen z. B., daß zwischen Analysen und Empfehlungen sowie zwischen Gutachten und politischen Entscheidungen nicht getrennt werden könne. Andere meinen, daß die Gutachter auch über Mittel zur wirksamen Durchführung ihrer Gedanken verfügen müßten usw. Jedes Land kann das natürlich halten, wie es will. Was wir wollen, ist jedenfalls, daß die Gutachter die anstehenden Probleme herausstellen und begutachten, wobei es natürlich in erster Linie und gerade auf diejenigen Erscheinungen ankommt, die außerhalb des normalen oder vermuteten Konjunkturablaufes liegen. Die Gutachter müssen dabei auf wissenschaftlich verläßlichem Boden bleiben und allzu kontroverse Theorien vermeiden. Sie sollen aber ihr Votum vertreten, und zwar so, daß die Regierung, die die Richtigkeit und Zweckmäßigkeit des Gutachtens zu prüfen und die anschließend nach ihrem politischen Auftrag zu handeln hat, die in dem Gutachten geäußersten Auffassungen nach ihrer Durchführbarkeit beurteilen kann. Was diese Auffassungen nun angeht, so hat ein sehr angesehenes Mitglied dieses Hauses in diesen Tagen höchst lapidar festgestellt, es sei reiner Aberglaube, daß Wissenschaftler allgemein bessere Ideen hätten als Politiker. Wir wollten diese Frage schon aus Höflichkeit gegenüber der Wissenschaft offenlassen, jedenfalls aber nicht vom Gegenteil ausgehen. Die Devise müßte lauten: noch lebensvoller, noch realistischer, noch praxisgerechter. Die Wissenschaft braucht dabei insbesondere in den Präliminarien nicht zu kurz zu kommen. Ich breite diese Gedanken hier einmal aus in voller Sorge, daß eine Sache, die ich persönlich zwar für politisch unzweckmäßig gehalten habe, die wir aber so gut wie möglich zu gestalten haben, an Überzeugungsfähigkeit und Bodennähe noch mehr verliert, wenn wir ihr nicht zu Hilfe kommen. Letzten Endes sind Sachverständigengutachten soviel wert, wie sie sich mit ihren Hauptgedanken als durchsetzbar erweisen. Mein Vorschlag ist, in Zusammenarbeit mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister im Wirtschaftsausschuß dieses Hauses die Frage der künftigen Methode der kommenden Gutachten grundsätzlich zu diskutieren. Wir sind ja in der glücklichen Lage, daß die jetzige Koalition eine solche Diskussion ohne politische Hektik und die Gefahr allzu kurzsichtiger Betrachtungsweise ermöglicht. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Adorno vom 27. April 1967 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Hübner (Drucksache V/1634 Fragen 69, 70 und 71) : Ist daran gedacht, die durch den Einsatz von einer elektronischen Großrechenanlage beim Übersetzerdienst der Bundeswehr erzielten Arbeitsvereinfachungen auch der interessierten Öffentlichkeit in der Weise nutzbar zu machen, daß sie gegen eine Gebühr die damit gegebenen Möglichkeiten nutzen kann? Bestehen Pläne, die beim Übersetzerdienst der Bundeswehr durch den Einsatz einer elektronischen Großrechenanlage möglichen Arbeitsvereinfachungen auch für die fremdsprachliche Arbeit anderer Ressorts zu nutzen? Bestehen Pläne zur Gründung eines zentralen Bundessprachenamtes zur Koordinierung und zentralen Finanzierung der Arbeit an wichtigen sprachlichen Problemen, zum Beispiel der Einsatzmöglichkeiten von Großrechenanlagen oder der Koordinierung terminologischer Vorhaben, um so Doppelarbeit zu vermeiden? Es ist in der Tat daran gedacht, die beim Übersetzerdienst der Bundeswehr erarbeiteten Verfahren der maschinellen Übersetzungshilfe und Lexikographie unter Verwendung einer elektronischen Datenverarbeitungsanlage für interessierte Kreise von Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung nutzbar zu machen. Ein Erlaß . an den Übersetzerdienst, in dem die Modalitäten der Überlassung von Arbeitsergebnissen dieser Art an Stellen außerhalb der Bundeswehr geregelt werden, steht vor der Herausgabe. Was für die interessierten Stellen von Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung gilt, gilt erst recht für die übrigen Bundesverwaltungen. Die anderen Bundesressorts können sich bereits heute für ihre fremdsprachliche Arbeit im Wege der Amtshilfe der Möglichkeiten bedienen, die im Sprachendienst der Bundeswehr und speziell beim Übersetzerdienst der Bundeswehr durch den Einsatz einer elektronischen Großrechenanlage für linguistische Zwecke zur Verfügung stehen. Es ist beabsichtigt, die interministerielle Zusammenarbeit auf diesem Gebiet durch Vereinheitlichung der Verfahren der Terminologiearbeit und durch Einspeisung möglichst aller terminologisch-lexikographischen Arbeitsergebnisse in den Zentralspeicher zum Nutzen sämtlicher Beteiligten zu rationalisieren und zu intensivieren. Es ist vorgesehen, die Sprachenschule der Bundeswehr, den Übersetzerdienst der Bundeswehr und einige Arbeitsgebiete des Sprachenreferats des Verteidigungsministeriums zu einem Sprachenamt zusammenzufassen. Da die linguistischen Disziplinen Übersetzen, Sprachunterricht und sprachwissenschaftliche Arbeit wechselseitig eng verzahnt sind, garantiert erst eine organisatorische und räumliche Zusammenfassung den größtmöglichen Arbeitserfolg. Erst nach dieser Zusammenfassung werden alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden können, die in Gestalt moderner technischer Hilfsmittel und moderner Verfahren der angewandten Linguistik heute zu Gebote stehen. Das Sprachenamt soll als Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Verteidigungsressorts konstituiert werden. Es soll zu etwa 20-25 % seiner Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1967 5007 Kapazität den übrigen Bundesverwaltungen zur Verfügung stehen. Es wird gem. einer Vereinbarung mit dem federführenden Bundesministerium des Innern die Bezeichnung „Bundessprachenamt" führen. Ein Grundstück für das Bundessprachenamt steht in Hürth bei Köln zur Verfügung. Die Bauplanung ist in etwa abgeschlossen. Angesichts der absolut unzureichenden derzeitigen Unterbringung der Sprachenschule der Bundeswehr kann der Baubeginn nicht mehr länger hinausgeschoben werden. Die Lösung dieser Frage steht aber unter dem Zwang, den ein eingeschränkter Haushalt auferlegt. Die Vorstellungen über die Finanzierung bestimmter, über den Verteidigungsbereich hinausgreifender Aufgabenkomplexe des Amtes bedürfen noch der weiteren interministeriellen Abstimmung.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Josef Porten


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß das Verfahren so verfeinert ist, daß die von Ihnen bedauerten Praktiken nicht mehr eintreten können?


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, es hängt an dem Tatbestand der Stillegungsentschädigung, die seit einigen Jahren nicht mehr gewährt wird.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl Mommer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Damit ist die Fragestunde beendet.
    Ich rufe den Punkt 3 der Tagesordnung auf:
    a) Große Anfrage ,der Fraktionen der CDU/CSU, SPD betr. Atomwaffensperrvertrag
    — Drucksache V/1650 —
    b) Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. atomare Rüstung und friedliche Nutzung von Kernenergie
    — Drucksache V/1494 —
    Die Fraktionen haben sich verständigt, daß wir mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP beginnen, zunächst die Begründung dieses Antrags hören, danach die Begründung der Großen Anfrage der beiden anderen Fraktionen, danach die Beantwortung der Großen Anfrage durch die Bundesregierung. — Das Haus ist einverstanden.
    Das Wort zur Begründung des Antrags der Fraktion der FDP hat der Abgeordnete Schultz (GauBischofsheim).
    Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der FDP-Bundestagsfraktion Drucksache V/1494, den zu begründen ich die Ehre habe, umfaßt drei Probleme: erstens die Haltung, die die Bundesregierung zu den atomaren Waffen einnehmen sollte, und ,die Frage, welche Folgerungen daraus für die Mitarbeit im NATO-Bündnis und für die Ausrüstung der Bundeswehr zu ziehen sind; zweitens die Aufforderung an die Bundesregierung zu einer konzertierten Aktion ihrer Außen-, Verteidigungs- und Deutschlandpolitik — ich glaube, ,daß gerade hier noch mehr Zusammenspiel des Orchesters notwendig ist —; drittens die Einstellung, die wir gegenüber dem Atomwaffensperrvertrag einnehmen sollten. Zu dieser Frage, die ja auch die Grundlage .der Großen Anfrage der Koalitionsfraktionen ist, wird sich insbesondere mein Kollege Borm später in der Aussprache zur Großen Anfrage äußern.

    . 4931

    Schultz (Gau-Bischofsheim)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Antrag liegt dem Bundestag schon seit geraumer Zeit vor, genauer gesagt, seit dem 27. Februar 1967, also seit genau zwei Monaten. Es wäre sicher zweckmäßig gewesen, die Debatte über diesen Antrag und insbesondere über den Punkt 1, mit dem ich mich beschäftigen werde, früher zu führen, um zu einer Klärung ,der in diesem Haus widersprüchlichen und insbesondere auch zwischen 'den Regierungsfraktionen gegensätzlichen Standpunkte zu kommen. Denn letzten Endes müssen wir ja unsere Verteidigungskonzeption gemeinsam gegenüber unseren Bündnispartnern vertreten. Wenn nun unser Antrag erreicht hat, daß die Regierungsfraktionen aufgewacht sind, dann ist schon etwas erreicht, auch dann, wenn wir dazu kommen, daß wir über diese uns doch sehr bewegenden. Fragen hier im Plenum diskutieren statt draußen in Zeitungen, Presse und Rundfunk.
    Am Ende der heutigen Debatte sollte, meine ich, von der Bundesregierung und auch von den Regierungsfraktionen eine klare Antwort gegeben werden, ob ein Atomwaffensperrvertrag uns ein atomares Cannae von kosmischen Ausmaßen, wie es oft blumenreich ausgedrückt wird, beschert oder ob er zu einem wirksamen Instrument der Entspannung und Rüstungsbegrenzung gemacht werden kann und vor allem auch gemacht werden soll.
    Aus der Regierungserklärung im Dezember vorigen Jahres konnte für dieses Feld internationaler Politik nicht viel geschlossen werden. Die Feststellung, daß die Bundesrepublik den nationalen Besitz atomarer Waffen nicht will, ist so alt wie der Beitritt zu den Brüsseler Verträgen und weder für unsere westlichen Verbündeten noch für unsere östlichen Gegenspieler etwas Neues. Die Wiederholung dieses Verzichts wird nicht als etwas Besonderes empfunden. Die Welt weiß, daß ohne diese Aussage ein Beitritt der Bundesrepublik zur NATO und damit das Heraustreten aus der Enge der Niederlage in eine freiere, offenere Landschaft unmöglich gewesen wären.
    Nun gibt es Leute, die meinen, wir Deutschen hätten schon die Vorleistung erbracht, die es zu honorieren gelte und die man erst einmal nachmachen solle. Erst gestern war das wieder in Rundfunkkommentaren zu hören. Das Argument mag an sich richtig sein, doch kann man leider daraus keine Münze mehr schlagen.
    Wenn West und Ost in vielem uneins sind, in einem treffen sich die Völker beider Seiten — es ist eine Art von Ceterum censeo —: Die Deutschen, rechnen diese dem westlichen oder dem östlichen Bündnis zu, sind von atomaren, biologischen oder chemischen Waffen fernzuhalten. Man muß das ganz nüchtern, ohne trotzige Gefühlsregung, feststellen und daraus die praktische Nutzanwendung für die Politik ziehen.
    Als die Debatte über die Ausrüstung der Bundes: wehr mit atomaren Trägerwaffen Anfang des Jahres 1958 geführt wurde — es ist nötig, sich diese Zeit einmal wieder ins Gedächtnis zurückzurufen —, haben wir Freien Demokraten gegen eine solche Rüstung Stellung genommen. Denn wir sahen in ihr eine politische Entwertung dieses Verzichts, von dem ich vorhin gesprochen habe, und hielten sie darüber hinaus militärisch für falsch. Die damalige Bundesregierung und mit ihr die CDU/CSU-Fraktion in diesem Hohen Hause gingen einen anderen Weg; aus welchen Gründen, soll hier nicht weiter untersucht werden. Es empfiehlt sich vielleicht, einmal die Debatten nachzulesen. Ich habe das getan. Es ist wirklich sehr interessant, die Zeit damals mit der heutigen zu vergleichen.
    Wir müssen jedenfalls feststellen, daß die Folgen dieses Beschlusses damals durchweg negativ waren. Die Ausrüstung mit Atomträgern hat sich militärisch nicht ausgezahlt, da unsere westlichen Verbündeten selbstverständlich nicht daran dachten, uns die entsprechenden Sprengsätze zu geben. Wir befinden uns daher in der Situation eines Menschen, der sich mit einer ungeladenen Pistole verteidigen muß. Das mag ein bißchen überspitzt klingen. Aber es gibt tatsächlich den Zustand wieder.
    Darüber hinaus hat die Entscheidung von 1958 auch unseren außenpolitischen Spielraum eingeengt. Die sowjetische Deutschlandpolitik hat sich seitdem erheblich verhärtet. Sprach man damals noch — Sie erinnern sich vielleicht an das Aide-mémoire, das in dieser Debatte 1958 auch eine große Rolle gespielt hat — von seiten der Sowjets von einem Friedensvertrag mit einem deutschen Staat, so wissen wir alle, daß heute versucht wird, den Status quo zu legalisieren und den Abschluß mit zwei deutschen Staaten zu erreichen.
    Wir müssen uns in diesem Zusammenhang die Frage beantworten, wieviel Geld wir in eine falsche Rüstung gesteckt haben und wieviel wir brauchen, um uns der heutigen Lage in der Welt anzupassen und auf die möglichen und wahrscheinlichen Gefahren die rechten Gegenmaßnahmen zu wissen. Wir müssen wissen, daß man das natürlich nicht von heute auf morgen in Ordnung bringen kann, sondern daß das eine längere Zeit erfordert.
    Ich darf Ihnen dazu ein Zitat aus einem Aufsatz im „Rheinischen Merkur" bringen, der sich mit der Verteidigungskonzeption der Bundesrepublik befaßt und der noch jungen Datums ist, nämlich vom 14. April 1967. Sinnigerweise ist dieser Artikel — im Bundesverteidigungsministerium wird man ihn wahrscheinlich gelesen haben — überschrieben: „Schröder auf dem Prüfstand".

    (Heiterkeit.)

    Man sieht, wie der Herr Minister auf diesem Prüfstand geschüttelt, gerüttelt, gezerrt wird, eingefroren wird und wieder aufgetaut wird. Wir fühlen mit dem Minister, wenn er nun auf dem Prüfstand steht.
    Wir sind der Meinung, daß dieser Artikel im „Rheinischen Merkur" kurz und knapp zusammenfassend die Situation eigentlich recht gut schildert. Das einzige, was einen verwundert, ist, daß die Schilderungen früher kurz und knapp genau in die andere Richtung gegangen sind. Aber man sieht daraus, daß alle in der Lage sind, aus der Vergangenheit für die Zukunft zu lernen.

    (Beifall bei der FDP.)




    Schultz (Gau-Bischofsheim) Ich darf jetzt zitieren:
    Nachdem nur Bonn das NATO-Soll erfüllt hatte, ließ es sich in der Ara der MLF zu der Meinung verführen, es könne eine Art von atomarem Mitkommando bekommen. In Wirklichkeit haben wir dadurch nur eine Belastung unserer Ostpolitik und ein grausames Etat-Defizit erhalten. Heute steht jeder deutsche Verteidigungsminister vor der peinlich ernüchternden Tatsache, daß jede amerikanische „Mitspracheformel" auch weiterhin die absolute Verfügungsgewalt des amerikanischen Präsidenten über alle atomaren Waffen, auch die sogenannten taktischen Atomwassen und Atom-Minen, bedeutet. Das europäische „Mitspracherecht" aber hat sich in die -Sorge vor einem vorher nicht abgesprochenen Einsatz der in Europa gelagerten amerikanischen Sprengköpfe verkehrt.
    Ich kann dem, was hier gesagt worden ist, nur zustimmen und darf darauf auch meine weitere Argumentation aufbauen.
    Ein Versuch der FDP vor fast genau drei Jahren, nämlich im April 1964, die Weichen in dem, was hier angedeutet worden ist, neu zu stellen, war leider zum Scheitern verurteilt. Der damalige Verteidigungsminister, Herr von Hassel, entgegnete auf unseren Antrag, die Beschaffung von Atomwaffenträgern auf dem erreichten Stand einzufrieren, vor diesem Hohen Hause am 15. April 1964 in der 122. Sitzung — ich darf auch hier wieder mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten kurz zitieren —:
    Sie sagen, es sollen keine neuen Träger beschafft oder eingeführt werden. Auch hier geht
    es um den Bestand der Verteidigungskonzeption
    — ich füge ein, wir hatten noch andere Punkte gebracht —der NATO; aus diesem Grunde werden. wir Ihrem Vorbringen unter gar keinen Umständen folgen können.
    Wenn das auch damals eine „abgewogene" Stellungnahme gewesen ist, so wäre es schön gewesen, wenn zumindest die Überlegungen im Ministerium darüber weitergegangen wären, ob diese Stellungnahme für die Zukunft aufrechterhalten werden kann. Wenn ich nun heute höre, daß man sich immer noch in der Prüfung der Lage befindet, dann mag ich das dem erst kurz im Amt befindlichen Verteidigungsminister und seinem Staatssekretär zurechnen, meine aber, daß ein solches Ministerium kontinuierlich arbeiten und die Lage immer neu überprüfen muß. Daran scheint es mir manchmal ein bißchen zu fehlen.

    (Beifall bei der FOP.)

    Nun zielte unser Antrag damals, von dem ich gerade gesprochen habe, auf diese weitere Variante der nuklearen Mitbestimmung, auf das Projekt der MLF. Obwohl es sich fast nicht mehr lohnt, auf dieses Projekt einzugehen, möchte ich doch ein paar Worte darüber verlieren. Ich meine, wir können froh sein, daß die Regierungsverhandlungen nie über ein vorbereitendes Stadium hinaus gediehen sind. Anderenfalls wären die Freien Demokraten gezwungen gewesen, ihre ablehnende Stellungnahme zu diesem Projekt, wie sie in allen Debatten zum Ausdruck kam, durch Handaufheben hier in diesem Saal zu akzentuieren. Damit wäre natürlich wieder die nächste Koalitionskrise fällig gewesen.
    Wie sich das nun heute gerade bezüglich des Verzichts auf atomaren Mitbesitz oder des Anstrebens atomaren Mitbesitzes zwischen den Regierungsfraktionen verhält — ob das hinter verschloassenen Türen ausgehandelt -werden kann oder ob die Öffentlichkeit von den Auseinandersetzungen auch etwas erfährt —, werden wir erst in der Zukunft sehen.
    Aber wichtiger als das scheint mir zu sein, daß dem deutschen Steuerzahler dadurch, daß dieses Projekt nicht realisiert wurde, mehrere Milliarden Mark sinnloser Ausgaben erspart worden sind. Vom Tisch verschwunden ist das Problem damit allerdings noch nicht, so daß der Punkt 1 unseres Antrages seinen Sinn leider noch nicht verloren hat. Es fehlt eben immer noch eine eindeutige Erklärung der Bundesregierung, daß sie auch keinen atomaren Mitbesitz anstrebt. Das fehlte seinerzeit in der Regierungserklärung. Dabei wären unserer Auffassung nach die Folgen einer solchen Erklärung nur positiv zu werten. Da sowieso niemand daran denkt, uns einen Mitbesitz einzuräumen, würden wir auch nichts aufgeben.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Unsere Ostpolitik wäre allerdings von einer schweren Hypothek befreit, und niemand könnte uns mehr nachsagen, wir strebten nach Atomwaffen.
    Nukleare Mitbestimmung im Bündnis kann nämlich über das Instrument der nuklearen Planungsgruppe erreicht werden. Wir sind heute auf diesen Weg verwiesen, und glücklicherweise hat die Bundesregierung — schon die vorherige — diesen Weg eingeschlagen, und ich hoffe, daß die neue Bundesregierung auf diesem Weg genauso weitergehen wird. Die Entwicklung im Bündnis rechtfertigt diese unsere Auffassung. Erste Ansätze für diesen Weg gab es nämlich schon 1962 auf der Athener NATO-Ministerratstagung. 1963 wurden dann in Ottawa Beschlüsse gefaßt, die die Entsendung von europäischen Offizieren, auch deutschen, zum Strategischen Luftkommando nach Omaha möglich machten. Das war der politische Ansatz für eine solche Entwicklung, wie wir sie heute haben. Man ließ sich dann aber leider gefallen — auch die damalige Bundesregierung —, daß die Offiziere, die entsandt worden waren, integriert wurden und ihren Regierungen nicht berichten konnten, so daß ein Einblick in das nukleare Geschehen nicht ausreichend möglich war. Sicherlich wäre es damals richtiger gewesen, politisch Einfluß zu nehmen, um dieses Instrument auszubauen, anstatt das aussichtslose Unterfangen MLF zu betreiben.
    Nukleare Mitbestimmung im Bündnis über nuklearen Mitbesitz zu erreichen, lehnen wir aus allgemein politischen und militärpolitischen Überlegungen ab. Jeder, der in der Welt herumkommt, verspürt die besondere Lage des geteilten Deutschland. Wir sind zwar gleichberechtigtes Mitglied in der NATO, aber die anderen sind doch irgendwie



    Schultz (Gau-Bischofsheim)

    gleicher. Sie werden eben nicht durch besondere nationale Probleme bedrängt, wie sie die Spaltung unseres Landes mit sich bringt.
    Wir können uns nicht beklagen, daß man uns kein Verständnis entgegenbringe. Manche Maßnahmen gegenüber ,der östlichen Welt, von denen sich unsere Verbündeten einen Vorteil versprechen, unterblieben aus Rücksicht auf ,die Bundesrepublik. Man muß auch das einmal sagen und würdigen. Das Konto „Verständnis für unsere Lage" bei unseren Freunden würde aber zweifellos überzogen, wenn man den Eindruck gewönne, die Bundesrepublik wolle an den atomaren Abzugshahn. Sie will es sicher nicht; aber durch Äußerungen vieler Politiker entsteht draußen immer wieder dieser Eindruck, und das ist das, was zu bedauern ist. Gegenteilige Versicherungen unserer westlichen Freunde, natürlich müßten alle NATO-Mitglieder gleich ausgerüstet sein, empfinden wir Freien Demokraten als nicht mehr als höfliche diplomatische Floskeln ohne inneren Gehalt.
    Auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs liefert schon ,der Anschein eines ,Strebens nach Mitbesitz billige Propagandamöglichkeit, von der „militaristischen und revanchistischen Bundesrepublik" zu sprechen. Wie es einmal so ist: falsche Argumente, immer wiederholt, erreichen schließlich bei weniger Informierten und bei denen, die sich auch weniger informieren lassen wollen, das Ohr. Und jede Aktivität unsererseits in Richtung auf Entspannung und Sicherung des Friedens wird entwertet. Auch Gewaltverzichtserklärungen wie z. B. der Vertriebenen haben dann nicht mehr das Gewicht, das ihnen zukommt.
    Nun konnte man immer wieder hören, die Zurückhaltung der Bundesrepublik in der atomaren Frage im Bündnis diskriminiere erstens die Bundesrepublik, und zweitens begebe man sich eines Tauschobjektes, wenn es zum Gespräch über die Wiedervereinigung komme. Zum ersten meine ich, daß derjenige irrt, der glaubt, Atomwaffen seien ein besonderes Statussymbol für Souveränität.

    (Beifall bei der FDP.)

    Zum Zweiten: das zweite Argument hätte nur dann einen Sinn, wenn völlige Interessengleichheit im Bündnis bestände, und gerade das bezweifle ich; ich habe das vorhin ja schon ausgeführt. Mit anderen Worten, unsere Freunde wollen gar nicht, daß wir das Tauschobjekt in die Hand bekommen, und diejenigen, mit denen getauscht werden soll, wissen das.
    Wir halten es daher für sehr viel vernünftiger, sich auf diese Sachlage einzustellen und sie dazu zu benutzen, einen Beitrag zur Rüstungsbegrenzung zu leisten, der, auf die Dauer gesehen, sich politisch für uns auszahlen wird, und in diesem Beitrag nicht zu sagen: „Wir machen alles mit, was die anderen vormachen", sondern selber auf diesem Gebiet voranzugehen.
    Dabei wollen wir ruhig ganz deutlich sagen, daß wir eine etappenweise Vernichtung des Atomwaffenarsenals, wie wir sie in Punkt 2 unseres Antrages fordern, uns am ehesten so vorstellen können, daß in ganz Deutschland und möglichst in ganz Mitteleuropa ein Anfang gemacht wird. Wir glauben, daß wir alle wesentlich ruhiger schlafen würden, wenn wir in Mitteleuropa überhaupt keine Atomwaffen hätten. Es wird Aufgabe der Bundesregierung sein, zu sondieren, auf welche Weise eine derartige, vorerst auf Atomwaffen beschränkte militärische Verdünnung erreicht werden kann. Die Regierung wird sich dabei allerdings darüber klar sein müssen, daß sie vom Osten einen Abzug der Atomwaffen aus dem Gebiet jenseits der Zonengrenze nur dann verlangen kann, wenn sie ihrerseits bereit ist, im Einvernehmen mit den zuständigen NATO-Stellen einer entsprechenden Abrüstung bei uns zuzustimmen.
    Wir kennen den Einwand, daß eine solche weitere angebliche Vorleistung — von der ersten habe ich schon gesprochen — die Abschreckungskraft des Bündnisses und damit mittelbar die Sicherheit der Bundesrepublik bedrohe. Dieser Einwand ist so alt wie die Bundeswehr und hat, wie ich vorhin schon ausführte, uns in falsche Investitionen für unsere Streitkräfte geführt. Wann einmal, so möchte ich fragen, wird man begreifen, daß atomare und konventionelle Kampfmittel zwei Paar Stiefel sind und daß das amerikanische Bestreben, die atomare Schwelle so hoch wie möglich zu setzen, keine Flucht aus der Verantwortung darstellt und kein Desinteresse an Europa bedeutet?

    (Beifall bei der FDP.)

    Atomare Waffen sind wegen der Unverhältnismäßigkeit ihrer Wirkung und der sich zwangsläufig ergebenden Eskalation Kampfmittel eigener Art, und sie haben wegen des atomaren Patts ihre Glaubwürdigkeit als alleinige Abschreckungsdrohung verloren. Henry Kissinger, der Ihnen allen, meine Damen und Herren, sicher als ein sehr bedeutender Militärtheoretiker bekannt ist, hat schon 1959 — dieses Datum ist ganz interessant — in einem Aufsatz in „Foreign Affairs", der dann von der Zeitschrift „Politische Meinung" übernommen wurde, erklärt — ich darf hier vielleicht mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten kurz zitieren —:
    In der Ara der nuklearen Supermacht kann die Verteidigung Europas nicht länger auf der Drohung mit einem lokalen Atomkrieg allein beruhen. Wenn jedes Anwachsen der Vernichtungskraft zugleich die Hemmung, sie anzuwenden, verstärkt, können wir nicht fortfahren, zu erklären, daß eine lokale Verteidigung in Europa unmöglich sei. Es ist nicht einzusehen, warum Westeuropa und die Vereinigten Staaten, deren Menschen- und Industriepotential das der Sowjetunion weit übertrifft, nicht in der Lage sein sollten, sich angestrengter und erfolgreicher zu bemühen, die Möglichkeiten der lokalen Verteidigung, insbesondere auf dem Gebiet der konventionellen Waffen, zu verbessern.
    Diese Feststellung aus dem Jahre 1959 ist durch die Entwicklung der letzten Jahre bestätigt worden; nur hat man bei uns immer noch nicht die notwendigen Folgerungen daraus gezogen.

    (Beifall bei der FDP.)




    Schultz (Gau-Bischofsheim)

    Welche „Hemmungen" in der Anwendung atomarer Waffen liegen, geht daraus hervor, daß sich der politisch Verantwortliche den Einsatz vorbehält und ihn nicht dem militärischen Befehlshaber, welchen Rang und welche Ebene auch immer er haben möge, überläßt. Und da der Politiker weiß, daß die Eskalation unvermeidlich ist, wird er den ersten Einsatz nur dann wagen, wenn das Endziel des gegnerischen Angriffs zu erkennen ist. Dann allerdings kann es zu spät sein, und vorher ist der Salamitaktik — ein Begriff, den wir aus früheren Debatten kennen und den ich wohl nicht näher zu erläutern brauche — Tür und Tor geöffnet.
    Wenn wir nun sagen, wir wollen keinen atomaren Mitbesitz anstreben und auch die atomaren Waffen bei denen belassen, denen sie eigentlich gehören, weil nämlich sie allein sie in Besitz haben, dann verzichten wir nicht auf ein Mittel der Abschrekkung; wie ziehen nur aus der Erkenntnis die Folgerungen, daß von Waffen ohne die entsprechende Munition naturgemäß keine abschreckende Wirkung ausgeht, oder anders . ausgedrückt: daß es völlig gleichgültig ist, ob wir diese atomaren taktischen Waffen hier in Besitz haben oder nicht, denn die letzte Entscheidung hat immer der Amerikaner im Bündnis.
    Die von uns jüngst vorgeschlagene Verteidigungskonzeption beruht daher auf modern gerüsteten konventionellen Verteidigungskräften. Nur diese konventionellen Kräfte sind in der Lage, die heutzutage allein nicht auszuschließenden begrenzten Angriffe des möglichen Gegners wirksam abzuwehren. Nur Phantasten können davon ausgehen, daß Berlin, Lübeck oder Braunschweig im Ernstfall etwa durch den Einsatz Von Atomwaffen befreit werden könnte. Atomwaffen sind in dicht besiedelten Gegenden wie in Mitteleuropa einfach kein taugliches Verteidigungsmittel, ,da sie die eigene Bevölkerung am stärksten treffen würden. Diese Erkenntnis hat schon vor fast zehn Jahren den damaligen amerikanischen Präsidenten Eisenhower bewogen, die Frage eines Journalisten, ob Berlin auch gegebenenfalls atomar verteidigt werden könne, ärgerlich zu verneinen. Es ist wirklich nur dringend zu wünschen, daß sich diese Erkenntnis nun endlich auch bei der deutschen Regierung, bei unserer Bundesregierung, durchsetzt.
    Ich habe allerdings keine große Hoffnung, daß wir da schon sehr weit gekommen sind, wenn ich mir etwa das heutige Bulletin ansehe, in dem der sehr verehrte Herr Bundesverteidigungsminister zum Auftrag der Bundeswehr geschrieben und dabei gesagt hat, daß an der bisherigen Ausrüstung der Bundeswehr nichts geändert werden kann, und daraus folgert, daß man sich, wenn man hier etwas ändere und auf diese Atomwaffenträger verzichte bzw. sie den eigentlichen Besitzern zurückgebe, ausschließlich auf befreundete Mächte verlassen müsse. Ja, meine Damen und Herren, ,das ist doch schon die ganze Zeit der Fall. Wir müssen uns auf diesem atomaren Gebiet doch in der Tat auf die befreundeten Mächte verlassen. Nur, was das gegenseitige Zusammenspiel so erschwert, 'ist die Tatsache, daß Viele auch in diesem Hohen Hause sich nicht so recht auf den Bündnispartner verlassen wollen und daß in der Tat keine Zusammenarbeit in dem Sinne, daß sich einer auf ,den anderen verläßt, erfolgt. Dadurch sind wir in viele Krisen dieses Bündnisses hineingekommen. Wir sind deswegen der Meinung — und das 'ist eben noch nicht die Auffassung der Bundesregierung und des Bundesverteidigungsministers —, daß die Lösung der Schwierigkeiten im Bündnis und in der Zusammenarbeit durch eine Arbeitsteilung erfolgen kann. Dabei muß, so meine ich, die atomare Abschreckung eindeutig dem Potential der Amerikaner überlassen bleiben.

    (Beifall bei der FDP.)

    Es ist meiner Auffassung nach schlichter Unfug, annehmen zu wollen, daß von einer mehr oder weniger großen Anzahl von Atomträgern in der Bundesrepublik eine abschreckende Wirkung auf den möglichen Gegner ausgehen würde. Das einzige, was die Sowjetunion — unterstellt, sie spielt mit der Möglichkeit eines Angriffs — wirklich abschreckt, 'ist das Bewußtsein, daß sie damit einen atomaren Weltbrand riskiert. Die Sowjetunion weiß sicher besser als mancher Zweifler in der Bundesrepublik und auch in diesem Hause, daß eine Macht wie die Vereinigten Staaten, die schon mit solcher Verbissenheit um Urwaldregionen in Asien kämpft, sicherlich nicht tatenlos zusehen würde, wie der westeuropäische Halbkontinent überrannt wird.
    Aufgabe der Bundeswehr im Rahmen dieser Arbeitsteilung kann es einzig und allein sein, den konventionellen Part zu spielen und damit — im engen Zusammenwirken mit unseren verbündeten Freunden — die atomare Abschreckung der Amerikaner auch auf der konventionellen Ebene sinnvoll zu ergänzen.
    Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß ein Verzicht der Bundesrepublik auf atomaren Mitbesitz keine Vorleistung gegenüber dem Osten darstellt, sondern im Gegenteil -sogar zu einer erhöhten Sicherheit für die Bundesrepublik führt. Das wird natürlich nur dann der Fall sein, wenn die Bundesregierung auch bereit ist, die gesamte Verteidigungskonzeption zu überprüfen und im Sinne einer Verlagerung des Schwerpunktes auf die konventionelle Rüstung alsbald zu ändern. Wir werden keine Gelegenheit auslassen, die Bundesregierung immer wieder zur Erfüllung dieser Aufgabe zu zwingen und sie zu veranlassen, zu einer politisch und militärisch sinnvollen Rüstungskonzeption zu finden.
    Es ist in diesem Zusammenhang vielleicht noch ein Wort darüber zu verlieren, wie man die Mitwirkung einer, sagen wir, atomar nicht ausgerüsteten, mit Trägerwaffen nicht versehenen Bundesrepublik im Bündnis sicherstellen will. Meine Damen und Herren, wir Freien Demokraten sind der Auffassung, daß der konventionelle Beitrag, den wir bisher schon geleistet haben und auch weiter leisten werden, gerade uns berechtigt und befähigt, an der Planung der nuklearen Ziele und an der Beratung nuklearer Fragen innerhalb des Bündnisses teilzunehmen. Wir bringen hier etwas Gleichwertiges ein, weil wir im Bündnis etwas ersetzen, was von der anderen Seite nicht gegeben werden kann.



    Schultz (Gau-Bischofsheim)

    Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Die Problematik eines Atomwaffensperrvertrages, um den es ja heute möchte ich sagen — im wesentlichen in der Debatte gehen wird, hat mit der Frage einer realistischen Rüstungskonzeption nur bedingt zu tun. Die Diskussion darüber leidet immer noch unter dem Handikap, daß ein Vertragsentwurf bisher noch nicht veröffentlicht worden ist oder werden konnte, weil er noch gar nicht vorliegt. Obwohl es eigentlich selbstverständlich sein sollte, daß man nur einen Vertrag ablehnt, desen Inhalt man kennt,
    ist es verschiedenen maßgeblichen Politikern in der Bundesrepublik gelungen, durch ihre scharfe ablehnende Stellungnahme erneut im Ausland den Eindruck hervorzurufen, als strebe die Bundesrepublik letztlich nur nach Atomwaffen. Bundesminister Strauß und andere, die in diesem Zusammenhang von einem neuen Morgenthau-Plan und einem Super-Versailles sprachen, seien nur als Beispiele für eine ausgesprochen unangemessene Reaktion erwähnt.

    (Beifall bei der FDP.)

    Dabei kann angesichts des gegenwärtigen Standes der internationalen Diskussion doch eigentlich zur Zeit nur eine Forderung erhoben werden: ein Atomwaffensperrvertrag, den wir als einen ersten Schritt zu einem allgemeinen Verbot der Produktion von Atomwaffen und zum darauffolgenden Abbau des bestehenden Atomwaffenarsenals in der Welt ansehen, darf auf keinen Fall die nicht atomar gerüsteten Staaten in der friedlichen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzung der Kernenergie und in der technologischen Entwicklung beeinträchtigen. Das, was bisher aus Äußerungen maßgeblicher Wissenschaftler bekanntgeworden ist, deutet darauf hin, daß eine solche Lösung zu erreichen ist.
    Unser Freund Kollege Borm wird unsere Auffassung nachher in der Aussprache dazu noch im einzelnen darlegen. Ich möchte nur soviel sagen: ist die friedliche Nutzung der Kernenergie gesichert und wird sichergestellt, daß nicht nuklear gerüstete Staaten eine Sicherung ihrer Existenz durch die Nuklearen erhalten, halte ich einen weltweiten Vertrag für ein Instrument des Friedens, dem man seine ganze Aufmerksamkeit schenken und für dessen Abschluß man eintreten sollte.

    (Beifall bei der FDP.)