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    6. Bundeswirtschaftsminister.: 1
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    Deutscher Bundestag 82. Sitzung Bonn, den 15. Dezember 1966 Inhalt: Abg. Weiland tritt in den Bundestag ein . 3699 A Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Mischnick (FDP) 3699 B Schoettle, Vizepräsident . . . . 3699 B Dr. Barzel (CDU/CSU) 3706 B Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . 3713 B Bauer (Wasserburg) (CDU/CSU) . 3725 C Dr. Dehler (FDP) 3730 A Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 3737 A Dr. Pohle (CDU/CSU) 3744 C Dr. Starke (Franken) (FDP) . . . 3751 D Schmücker, Bundesminister . . . 3758 C Stein (Honrath) (CDU/CSU) . . . 3761 A Dr. h. c. Strauß, Bundesminister . 3763 D Dr. Arndt (Berlin) (SPD) 3769 A Dr. h. c. Menne (Frankfurt) (FDP) 3771 C D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . . 3774 C, 3775 A, 3788 D, 3789 A Dr. Luda (CDU/CSU) 3774 D Gscheidle (SPD) 3778 C Gewandt (CDU/CSU) 3781 D Dr. Friderichs (FDP) 3783 A Dr. Schiller, Bundesminister . . 3784 B Rasner (CDU/CSU), zur GO . . . 3789 A Opitz (FDP) 3789 D Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 3790 B Schulhoff (CDU/CSU) 3791 B Dr. Schwörer (CDU/CSU) 3792 C Mertes (FDP) 3794 D Nächste Sitzung 3795 C Anlagen 3797 Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Dezember 1966 3699 82. Sitzung Bonn, den 15. Dezember 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Achenbach* 19. 12. Dr. Aigner* 22. 12. Arendt (Wattenscheid) 16. 12. Dr. Arndt .(Berlin/Köln) 17. 12. Bading* 16. 12. Bauer (Würzburg)** 16. 12. Bazille 31. 12. Berkhan** 16. 12. Blachstein 15. 12. Blumenfeld** 16. 12. Brand 18. 12. Dr. Burgbacher 31. 12. Draeger** 16. 12. Dröscher* 16. 12. von Eckardt 16. 12. Dr. Eckhardt 31. 12. Eisenmann 31. 12. Frau Dr. Elsner* 16. 12. Erler 31. 12. Flämig** 16. 12. Dr. Furler* 16. 12. Frau Geisendörfer 18. 12. Gerlach* 16. 12. Hahn (Bielefeld)* 17. 12. Dr. Hellige** 16. 12. Frau Herklotz** 16. 12. Horten 15. 12. Hösl** 16. 12. Kahn-Ackermann** 16. 12. Frau Kalinke 31. 12. Dr. Kempfler** 16. 12. Frau Klee** 16. 12. Dr. Kliesing (Honnef)** 16. 12. Dr. Kopf** 16. 12. Frau Dr. Krips 31. 12. Freiherr von Kühlmann-Stumm 15. 12. Lemmrich** 16. 12. Lenz (Trossingen) 31. 12. Lenze (Attendorn)** 16. 12. Dr. Löhr 17. 12. Mauk* 22. 12. Frau Dr. Maxsein** 16. 12. Dr. von Merkatz** 16. 12. Metzger* 17. 12. Missbach 17. 12. Müller (Aachen-Land)* 16. 12. Müller (Berlin) 15. 1. 1967 Neumann (Berlin) 17. 12. Frau Pitz-Savelsberg 31. 12. Dr. Rinderspacher** 16. 12. Dr. Schmid (Frankfurt)** 16. 12. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an einer Tagung der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Schulz (Berlin)** 16. 12. Seibert 15. 12. Dr. Serres** 16. 12. Seuffert* 19. 12. Struve 31. 12. Dr. Süsterhenn 17. 12. Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell** 17. 12. Weigl 1. 3. 1967 Dr. Wilhelmi 16. 12. Baron von Wrangel 17. 12. Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Schmidhuber (CDU/CSU) zu Punkt 4 der Tagesordnung. Im konjunkturpolitischen Maßnahmekatalog der Regierungserklärung nimmt die Anregung an die Adresse der Deutschen Bundesbank, den Diskontsatz fühlbar zu senken, die erste Stelle ein. Daraus kann wohl geschlossen werden, 'daß die Bundesregierung der Senkung des Zinsniveaus eine entscheidende Bedeutung bei der Überwindung der sich in unserer Wirtschaft abzeichnenden rezessiven Erscheinungen beimißt. Es würde den Rahmen eines kurzen Diskussionsbeitrages sprengen und auch die Zwecksetzung einer Debatte über die politischen Absichtsbekundungen einer Regierungserklärung überschreiten, sich über die Wirkungen einer Diskontsenkung im gegenwärtigen Zeitpunkt zu verbreiten. Mir scheinen aber einige Bemerkungen über die unterschiedliche Rolle von Bundesregierung und Bundesbank in der Wirtschaftpolitik angebracht. Wie sich aus § 3 des Bundesbankgesetzes ergibt, ist die Aufgabe der Bundesbank die Sicherung der Währung. Nur soweit dieses Ziel nicht gefährdet wird, ist sie gehalten, die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu unterstützen. Der ihr vom Gesetzgeber erteilte Auftrag lautet daher STABILITÄT VOR WACHSTUM. Im Widerstreit der Ziele von Stabilität und Wachstum hat sie den Part der Stabilität zu ergreifen. Angesichts der Stimmen in der Öffentlichkeit vor allem aber wegen des Drängens gewisser gesellschaftspolitischer Gruppierungen auf eine Lockerung der Restriktionen soll dies von dieser Stelle aus einmal deutlich ausgesprochen werden. Die Bundesregierung hat neben der Stabilität der Währung noch andere Zielsetzungen zu berücksichtigen, nämlich Wachstum und Vollbeschäftigung. 3798 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Dezember 1966 Wie sich schon einige Male 'in der Vergangenheit gezeigt hat, kann sie dadurch in Gegensatz zur Haltung der Notenbank geraten, in einen Gegensatz, der sozusagen institutionell bedingt ist. Ein solcher Konflikt deutet nicht auf tiefgreifende Meinungsunterschiede in wirtschaftspolitischen Grundauffassungen hin, sondern ist der Ausdruck des stets vorhandenen Spannungsverhältnisses zwischen Stabilität und Expansion. In der Finanz- und Haushaltspolitik steht der Bundesregierung ein Instrumentarium zur Verfügung, das unmittelbar zur konjunkturgerechten Steuerung der Gesamtnachfrage eingesetzt werden kann. Dieses Instrumentarium soll durch das Gesetz zur Förderung der wirtschaftlichen Stabilität in seiner Wirksamkeit auf die anderen öffentlichen Haushalte ausgedehnt, wesentlich verfeinert und dadurch effektiver gemacht werden. Wir sollten alles daran setzen, diesen Gesetzentwurf sobald als möglich zu verabschieden. Dann würde nämlich der Zwang wegfallen, Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, die ihre Ursachen im Bereich der öffentlichen Haushalte haben, auf dem Umweg einer primär auf dem privatwirtschaftlichen Sektor wirkenden Restriktionspolitik bekämpfen zu müssen. Andererseits wird man rezessiven Erscheinungen dann besser mit gezielten Maßnahmen, z. B. durch zusätzliche öffentliche Investitionen, begegnen können. Die Versuchung, konjunkturelle Schwierigkeiten mittels einer Politik des leichten Geldes auf eine spätere Phase zu verlagern, wird dann nicht mehr so stark sein. Auf einem Gebiet besteht allerdings keine direkte Einwirkungsmöglichkeit, nämlich auf dem Gebiet der Tarifpolitik. Daher ist ein enges Zusamenwirken zwischen der staatlichen Wirtschaftspolitik und der Tarifpolitik der Sozialpartner — wie es die Regierungserklärung fordert — unerläßlich. Ich verkenne dabei nicht, daß dies — vor allem für die Gewerkschaften — schwierige Fragen aufwirft. Sie sollten aber realistisch und nicht auf dem Hintergrund ideologischer Formeln gelöst werden. So verstanden kann das in der Regierungserklärung vorgelegte Konzept einer wirtschaftspolitischen Globalsteuerung zu einer optimalen Entfaltung der schöpferischen Kräfte der Marktwirtschaft führen. Von ihr ist unser Wohlergehen in der Zukunft abhängig. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Schiller vom 14. Dezember 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kahn-Ackermann (Drucksache V/1182 Frage VIII/4) : Trifft es zu, daß Entwurf und Ausführung des Werbeplakats für den deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Kanada einer amerikanischen Public-relation-Firma vergeben wurde? Diejenigen Plakate, die in Nordamerika selbst, d. h. in Kanada und USA, für den deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Montreal werben sollen, sind von einer amerikanischen Public-Relations-Firma entworfen und gedruckt worden. Hierfür sprachen sowohl Kostengründe wie die Überlegung, diese Werbemittel voll auf den amerikanischen Geschmack abzustellen. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. von Heppe vom 13. Dezember 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kahn-Ackermann (Drucksache V/1215 Frage V) : Trifft es zu, daß die Bundesregierung für ihr Historisches Institut in Paris einen Neubau zu errichten beabsichtigt? Das Deutsche Historische Institut in Paris ist in zwei im Bundeseigentum stehenden Etagen im Hause 5, Rue du Havre, in Paris untergebracht. Zurzeit reichen die Räumlichkeiten aus. Mit dem Anwachsen .der Bibliothek wird, auch mit Rücksicht auf die statischen Verhältnisse, in einigen Jahren eine anderweitige Unterbringung erforderlich werden. Konkrete Pläne für einen Neubau bzw. einen Ankauf eines geeigneten Objektes liegen zurzeit nicht vor.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Friderichs


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Vor Beginn meiner Sachausführungen darf ich mit Bedauern feststellen, daß der neugewählte Herr Bundeskanzler entgegen der Gepflogenheit seiner beiden Herren Amtsvorgänger bei der Debatte über die Regierungserklärung nicht durchgehend anwesend ist. Ich .bedaure das; denn ich glaube, auch das gehört zu einem guten parlamentarischen Stil.

    (Beifall rechts.)

    Ich möchte mich zunächst den Ausführungen zuwenden, die Herr Bundesschatzminister Schmücker von dieser Stelle aus gemacht hat, als er glaubte, die sogenannte Regierungskrise, das heißt das Auseinanderbrechen der Koalition, für die Verzögerung der Verabschiedung des Stabilitätsgesetzes verantwortlich machen zu sollen. Er hat gesagt, die Verabschiedung sei dadurch um etwa einen Monat verzögert worden. Wenn wir bei der Wahrheit bleiben — und das sollten wir tun —, müssen wir feststellen, daß die Beratungen im Wirtschaftsausschuß sogar beschleunigt worden sind, weil nämlich Plenarsitzungen ausgefallen sind, was dazu geführt hat, daß der Wirtschaftsausschuß häufiger tagen und das Stabilitätsgesetz weiter beraten konnte.
    Wir sollten uns an das erinnern, was Herr Kollege Arndt am 14. September an dieser Stelle zum Stabilitätsgesetz gesagt hat. Ich zitiere wörtlich:
    Dieses Gesetz ist ein Torso, ohne Kopf und ohne Arme, oder ein Tisch auf zwei Beinen.
    Vielleicht, Herr Kollege Arndt, hat es deswegen länger gedauert, weil Sie noch dabei sind, die zwei Beine zu bauen, oder weil sie versuchen, den Torso mit Kopf und Armen zu versehen. Ich weiß also nicht, ob es an der Regierungskrise lag.

    (Beifall bei der FDP.)

    Herr Kollege Arndt, Sie haben gesagt, die Notenbankpolitik habe nicht zu einer Preisstabilität, aber zu einer Stagnation oder gar mehr, zu einer quasi oder sogar echten Arbeitslosigkeit geführt. Ich glaube, wenn man diese Behauptung aufstellt, darf man das Verhalten der öffentlichen Hände, das Verhalten des Bundes, der Länder — die ich besonders erwähne — und der Gemeinden, nicht unberücksichtig lassen; denn es hat sich eben nicht um eine „konzertierte Aktion" gehandelt. Ich behaupte, daß das Verhalten der Bundesbank sehr wohl richtig war und daß sich die öffentlichen Hände dem Vorgehen der Bundesbank hätten anschließen sollen.
    Man darf also hier nicht mit Teilbereichen arbeiten, sondern sollte das Ganze sehen.
    Ich begrüße die dpa-Meldung von heute nachmittag — ich nehme an, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister nachher dazu noch einiges sagen wird —, wonach die Bundesbank keine kreditpolitischen Beschlüsse gefaßt hat, wonach sie also der Aufforderung in der Regierungserklärung nicht nachgekommen ist, jetzt die Kreditrestriktionen zu Lokkern. Ich werte dieses Verhalten der Bundesbank als eine Aufforderung an die Bundesregierung, zuerst die öffentlichen Haushalte in Ordnung zu bringen, um dann ihre Bereitschaft nicht nur zu bekunden, sondern auch zu realisieren, nämlich ihre Maßnahmen entsprechend auszurichten.

    (Beifall bei der FDP.)

    Die Ausführungen des Herrn Kollegen Arndt, aber auch des Herrn Professor Stein, ja auch die der beiden letzten Redner haben mich manchmal fragen lassen, wo hier eigentlich die Opposition und wo die Regierungsfraktionen sitzen; aber ich nehme an, das wird sich im Laufe der Zeit noch etwas einspielen.

    (Zuruf von der Mitte: Jede Opposition ist eine heimliche Regierung!)

    Herr Kollege Gscheidle, zu Ihren Ausführungen zur Einkommenspolitik und zur Mitbestimmung möchte ich wie folgt Stellung nehmen. Sie sind Koalitionspartner der Herren Pohle und Stein. Eine Klausurtagung scheint mir erforderlich zu sein,

    (Beifall und Lachen bei der FDP) ich meine eine gemeinsame.

    Ein weiterer Punkt. Der Herr Bundesfinanzminister hat — und ich finde, wir sollten ihm dafür dankbar sein — einen sehr klaren und wie ich finde sehr wahren Satz ausgesprochen. Herr Bundesfinanzminister Strauß hat gesagt — und ich zitiere ihn, soweit ich das mitschreiben konnte —: Bei weniger als 4,5 0/o Wachstum bricht unser Sozialsystem zusammen. Dies ist ein Satz, der es verdient, festgehalten zu werden und über den man vielleicht noch ein wenig nachdenken sollte.

    (Abg. Dr. Barzel: Ist Ihnen klar, daß er das aus der Sozialenquete, wie er glaubte, zitiert hat?)

    — Herr Kollege Barzel, ich übe keine Kritik daran, ich greife diesen Satz dankbar auf, weil ich ihn für goldrichtig halte.

    (Abg. Dr. Barzel: Das war ein Zitat, nicht ein Ausspruch!)

    — Ich hatte den Eindruck, daß er sich mit diesem Zitat sogar identifizierte, wofür ich volles Verständnis hatte. Sollte er es nicht getan haben, dann greife ich den Satz eben als Zitat auf. Das heißt doch nichts anderes, als daß für den Fall, daß ein reales Wachstum von 4,5 % aus einer gegebenen wirtschaftspolitischen Situation nun einmal nicht erreichbar ist — und diese Situation, Herr Kollege Barzel, ist sehr wohl denkbar, ohne daß man deswegen der Regierung Verschulden vorwerfen muß —, als letzte Alternative der Zusammenburch des Sozialsystems oder
    3784 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Dezember 1966
    Dr. Friderichs
    Geldwertschwund steht. Darüber müssen wir uns klar sein: ob eine Sozialpolitik, ein Sozialsystem, das zu dieser Konsequenz führt, nicht letzten Endes ein falsches soziales Bild ist, ob also, um es klar zu sagen, die Beschlüsse des Jahres 1957, die hier maßgeblich sind, nicht zu der Politik führen mußten, die wir permanent beklagt haben, daß man nämlich ein nominelles Wachstum von 4,5 % anstreben muß, um den Zusammenbruch des Systems zu verhindern. Meine Damen und Herren, wir sollten den Mut haben, in dieser Legislaturperiode, und zwar sofort über diese Frage offen zu diskutieren. Die Regierung sollte nicht nur den Mut haben zu sagen, sie habe den Mut, Unpopuläres zu sagen; denn das zu sagen ist populär, wie wir alle wissen, sondern sie muß den Mut haben, Unpopuläres zu tun. Ich glaube, das sollte hier heute mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht werden.

    (Beifall bei der FDP.)

    Lassen Sie mich einen letzten Punkt anschneiden. Es ist von mehreren Kollegen, von fast allen Rednern, die Frage des magischen Vierecks — wir haben es etwas erweitert, damit es noch ein bißchen komplizierter wird — angeschnitten worden. Ich habe mir das so vorgestellt, wenn ich es einmal bildlich darstelle, daß die Regierung sich in der Mitte des Vierecks befindet und den Versuch unternimmt, alle vier Ecken etwa gleichzeitig im Griff zu haben. Aber was ich in der Regierungserklärung so gelesen habe, an verschiedenen Stellen, wohl verteilt und zum Teil wohl formuliert und wohl dosiert, gibt mir eher ein anderes Bild auf, daß nämlich in der Mitte jemand steht, der den Namen vom Viereck hat, der wie ein Magier dort zu stehen hat — vielleicht der Herr Bundesfinanzminister —, und daß ein anderer da ist, der von einer Ecke in die andere saust und permanent eine Ecke verwirklichen will. Dabei kommt eine Drehbewegung zustande, die, auf den Geldwert übertragen, das beinhaltet, was ich an Hand der Regierungserklärung glaube befürchten zu müssen. Meine Damen und Herren, ich würde mich sehr freuen, und meine Fraktion wäre den Koalitionsfraktionen unterschiedlichster Prägung in ihren Einzelteilen dankbar, wenn diese Befürchtung von Ihnen heute, von Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, nachhaltig zerstreut werden könnte.

    (Beifall bei der FDP.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl Schiller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren. Wie Sie wissen und wie inzwischen wohl auch dem Kollegen Starke mitgeteilt wurde, bin ich heute auf Grund des gestrigen Kabinettsbeschlusses — —

    (Dr. Starke [Franken] : Das ist mir nicht mitgeteilt worden!)

    — Doch, Herr von Hase hat es urbi et orbi gestern verkündet.

    (Abg. Dr. Starke [Franken] : Aber nicht in diesem Hause!)

    — Herr Starke, es ist Ihnen aber doch sowohl aus den Reihen der Abgeordneten wie von der Regierungsbank gesagt worden, daß ich nicht unentschuldigt von der „Schule gefehlt" habe, sondern versucht habe, in sieben Stunden auf meine Art und Weise in Zusammenarbeit mit zwei Staatssekretären des Wirtschafts- und des Finanzministeriums und noch zwei weiteren Mitarbeitern „unser Brot zu verdienen".
    Meine Damen und Herren, ich darf wiederholen, was der eine oder andere Kollege hier schon auf Grund der dpa-Meldung gesagt hat. Das Kommuniqué, das in dem Augenblick verfaßt wurde, als ich mich wieder zur Rückkehr von Frankfurt nach Bonn aufmachte, lautet folgendermaßen:
    Der Zentralbankrat hat in seiner Sitzung vom 15. Dezember in Anwesenheit des Bundeswirtschaftsministers und der beiden Herren Staatssekretäre im Finanzministerium und im Wirtschaftsministerium in offener und eingehender Aussprache die konjunkturelle und finanzpolitische Lage und die sich daraus für die Kreditpolitik ergebenden Konsequenzen erörtert. Der Zentralbankrat wird seine Beratungen über die Folgen, die sich aus der gegenwärtigen Konjunkturlage für die Kreditpolitik ergeben, fortsetzen.
    Es hat eine sehr intensive Analyse der Situation stattgefunden. Ich kann wohl so viel sagen, daß vom Vormittag bis zum Nachmittag die Standpunkte in bezug auf die Beurteilung der Lage einander sehr nahegekommen sind.
    Die Bundesbank ist ein autonomes Gremium. Wann und wie sie entscheidet, liegt bei ihr. Es war übrigens in der Regierungserklärung, meine Damen und Herren, kein Zeitpunkt, kein Datum angegeben.

    (Zuruf von der FDP: Es hieß: sofort!)

    Es hieß nicht: sofort. Es kann gar keine Rede davon sein. Vielmehr ist gesagt worden, daß die Bundesregierung eine fühlbare Senkung des Diskontsatzes und entsprechende Maßnahmen der Geld- und Kreditpolitik begrüßen würde. Und einmal wurde gesagt: nunmehr. Es wurde aber kein Datum genannt. „Nunmehr" ist kein Datum. Es wurde gesagt: Man hält es nunmehr für sachlich geboten. Es ist dem autonomen Gremium völlig überlassen, wann es seine eigenen Schlüsse zieht.
    Es hat heute, solange ich da war, keine Lockerung der Kreditrestriktionen gegeben, wohl aber — das kann ich hier sagen — eine sehr weitreichende Auflockerung der Meinungen dort.
    Ich darf ein zweites hinzufügen. Der Kollege Gewandt sagte hier, das sein ein Bruch in der Entwicklung oder so irgend etwas, und es sollte die erfolgreiche Stabilisierungspolitik der bisherigen Bundesregierung fortgesetzt werden. Ich muß ihn darüber aufklären, daß ich in dem Bemühen, die Bundesbank von einer bestimmten wirtschaftspolitischen Linie zu überzeugen, die Anstrengungen meines Amtsvorgängers Schmücker fortsetze, die schon seit längerem laufen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Dezember 1966 3785
    Bundesminister Dr. Schiller
    Da sind Sie völlig im Irrtum; es ist aktenkundig und durch ihn selber sicherlich auch ohne weiteres festzustellen, daß er von sich aus in den vergangenen Wochen und Monaten, also seit geraumer Zeit, auch diesen Kurs versucht hat.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das hat er heute hier schon erklärt!)

    — Dann bin ich um so dankbarer dafür; das konnte ich natürlich nicht wissen.
    Ich darf hinzufügen: Dieser Besuch heute, der erste Besuch eines Vertreters der neuen Bundesregierung beim Zentralbankrat, sollte zugleich allen draußen klarmachen — und er sollte auch allen in diesem Hause klarmachen —, daß die neue Bundesregierung nicht auf Kollisionskurs mit der Bundesbank segelt.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Es kann überhaupt keine Rede davon sein, daß wir einen Konflikt wollen oder haben. Davon kann überhaupt keine Rede sein. Wir stehen seit der ersten Woche nach der Ernennung durch den Herrn Bundespräsidenten in Fühlungnahme mit Herrn Blessing, dem Vizepräsidenten Troeger und Herrn Irmler, dem Mitglied des Direktoriums. Bei der Abfassung der Regierungserklärung habe ich mehrere Male mit Hilfe der Mittel der modernen Technik auch noch mit dem Herrn Präsidenten Blessing Fühlung gehabt. Soweit es heute nicht schon gesagt worden ist, möchte ich noch einmal betonen — der Herr Bundeskanzler hat mir in der letzten Sitzung gestattet, dies zu sagen —: Der Text beginnt mit „erstens" und mit dem Satz: „Die Bundesbank hat . . ." Dann geht es los mit „ . . . sachlich geboten" und „ . . . würde begrüßen". Dieser Text ist Wort für Wort zwischen dem Herrn Bundesbankpräsidenten Blessing und dem Bundeswirtschaftsminister abgestimmt worden,

    (Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Hört! Hört!)

    und zwar vor Abgabe der Regierungserklärung, weil ich dem Bundeskanzler zu diesem heiklen Punkt keine Erklärung als Vorschlag in die Hand reichen wollte, die gar zu einem Dissens mit der Bundesbank hätte führen können. So ist es gewesen, das sage ich, damit Sie auch über diesen Punkt ganz im Bilde sind.
    Als nächstes darf ich sagen: Wir haben nicht nur vor, keinen Konflikt zu beginnen, wir sind nicht auf Kollisionskurs; im Gegenteil! Wir haben in der Vergangenheit festgestellt, daß von den vorherigen Regierungen — ich meine die Minderheitsregierung und die ihr vorausgegangene Regierung — Wirtschaftspolitik, Finanzpolitik und Geldpolitik nicht immer — ich will mich einmal so ausdrücken — völlig aufeinander abgestimmt waren. Auf jeden Fall waren Fiskalpolitik und Geldpolitik der Jahre 1965 und 1966 sicherlich anders orientiert. Ich habe einmal gesagt: „Die Bundesbank hat allein die Bürde zwei Jahre zu tragen gehabt, und die Fiskalpolitik war konträr gerichtet." Hier geht es nicht mehr um Schuld und Sühne, sondern es geht darum, zu erklären, weshalb wir jetzt und wie wir jetzt die Sache anpacken. Wir haben erst einmal versucht, im Kabinett eine fugenlose Zusammenarbeit innerhalb des Kabinetts zwischen Finanz- und Wirtschaftspolitik herbeizuführen. Die heutige Aktion war ein weiterer Schritt in der Richtung, nun als Dritten im Bunde die monetäre Politik in diese fugenlose Zusammenarbeit einzuführen. So sind auch dieser Besuch und die Verhandlung von der Bundesbank aufgefaßt worden, nachdem in der Verhandlung von mir ausdrücklich festgestellt worden war, daß die Bundesbank selber in den letzten Jahren den größten Teil der Bürde alleine habe tragen müssen und ihre Politik nicht im Zusammenklang mit dem gestanden habe, was von seiten der öffentlichen Hand auf allen Ebenen geschehen ist.
    Meine Damen und Herren, ich darf, damit Sie Absicht, Sinn und Atmosphäre dieser sehr eingehenden Verhandlungen erkennen, hinzufügen: Es ist sehr deutlich dargelegt worden — und das ist sicherlich in diesem Hohen Hause heute auch geschehen—, daß wir uns konjunkturell und strukturell jetzt und in den kommenden Monaten in einer Situation befinden, die wir seit dem Jahre 1949 noch nicht gehabt haben. Es gab bisher die Situation nicht, daß die Investitionsplanungen der industriellen Unternehmen etwa für das kommende Jahr einen Rückgang der Investitionstätigkeit unter den bestehenden Voraussetzungen von 12 % anzeigen. Es gab die Situation nicht, daß der Produktionsindex, der seit September negative Zuwachsraten aufweist, sich wahrscheinlich, wenn nichts geschieht, in dieser Weise fortsetzt. Es gab vor allen Dingen nicht die Situation, daß die Unternehmererwartungen nach wie vor so negativ gestimmt sind, wie heute, wie jetzt zu diesem Zeitpunkt.
    Wenn Sie die Statistik nehmen, die die Unternehmererwartung am besten widerspiegelt, nämlich den Konjunkturtest des Ifo-Instituts, dann werden Sie für dieses Jahresende 1966 Einschätzungen von 5000 Unternehmern, die ständig befragt werden, vorfinden: Geschäftslage minus 23, Auftragseingang minus 38. Das sind jeweils die Prozentzahlen der negativen Einschätzungen. Wenn Sie diese Zahlen mit den Zahlen des letzten schlechten Jahres der Konjunktur, nämlich 1962 vergleichen, dann finden Sie plus 18, minus 9, jetzt minus 38. Auftragsbestandsentwicklung damals minus 16, heute minus 41. Auftragsbestandsbeurteilung damals minus 9, heute minus 46. Und so geht es herunter.
    Diese extraordinäre Situation hat in der Erklärung der Bundesregierung dazu geführt, daß wir gesagt haben: Es kann durchaus sein, daß die Talsohle der Konjunkturentwicklung, zumal wenn aus winterlichen Gründen ein harter Saisoneinbruch kommt, noch vor uns liegt. Wenn diese Kombination eintritt, werden wir sicherlich mit Maßnahmen, die heute und morgen oder in absehbarer Zeit von der monetären Seite getroffen werden, diese Talsohle nicht vermeiden. Das ist auch der Bundesbank gesagt worden, und ich glaube auch, dem wird jeder zustimmen. Was entscheidend ist, ist, daß bald und deutlich ein paar wichtige Zeichen gesetzt werden und Maßnahmen eingeleitet werden, die den Unternehmern, den Arbeitnehmern und der gesamten Bevöl-
    3786 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Dezember 1966
    Bundesminister Dr. Schiller
    kerung deutlich machen, daß es mit Sicherheit im Februar oder März einen Weg aus der Talsohle heraus gibt. Das ist das Wesentliche, und nur darum handelt es sich.
    Meine Damen und Herren, zu diesem Punkte möchte ich noch hinzufügen: Es kann dabei passieren — ich sage das ganz deutlich; das ist heute alles sehr freundschaftlich und sehr frei ausgesprochen worden —, wenn mit monetären Maßnahmen sehr lange gewartet würde, daß eine solche Politik dann zwar bei den Unternehmern zu eine Konsolidierung ihrer Bilanz führt, d. h. daß sie ihre Schuldensituation in Ordnung bringen, aber daß sie nicht investieren. Das ist der berühmte Fall, der eintreten kann, daß nämlich reine monetäre Erleichterungen in einer bestimmten Situation nicht zu einer Zunahme der realen Investitionen führen oder, wie Keynes/Beveridge einmal gesagt haben, es kann die Situation eintreten: wenn monetäre Maßnahmen nicht im richtigen Zeitpunkt, sondern zu spät getroffen sind, dann sind die Pferde zwar ins Wasser gegangen, aber sie saufen nicht. Ich bitte um Entschuldigung wegen des Vergleichs; mit den Pferden sind die Unternehmer gemeint, die das dann nicht aufnehmen und nicht in eine Mehrinvestition hineingehen. Wir haben von der Bundesregierung — das ist auch erklärt worden, und ich habe das Gefühl gehabt, wir haben sehr viel Verständnis dafür gefunden — deswegen für jenen schwierigsten Fall den Eventual-haushalt mit zusätzlichen Investitionsausgaben vorgesehen, der dann einspringen würde, um die Unternehmungen durch Mehraufträge für Investitionen der öffentlichen Hand in weitestem Sinne auch ihrerseits zu Mehrinvestitionen zu veranlassen.
    Meine Damen und Herren, das ist alles gar kein Pessimismus, sondern es soll darlegen, daß wir uns über die Talsohle Gedanken gemacht haben, daß wir für das Durchschreiten der Talsohle Instrumente zurechtgelegt haben bzw. uns in diesem Fall um die Kooperation mit der autonomen Bundesbank bemühen, damit wir alle gemeinsam aus dieser Talsohle wieder herauskommen.
    Sie wissen, daß diese Talsohle — das ist auch von unserer Seite gesagt worden, es ist ganz unbestritten, und es ist sicherlich in diesen Tagen auch in diesem Hohen Hause gesagt worden — deswegen von uns allen einfach einkalkuliert werden muß weil mehrerlei zusammenkommt, und zwar zum erstenmal zusammenkommt: das Minus in den Unternehmererwartungen, d. h., wenn Sie so wollen, das Auslaufen einer zweijährigen Politik der monetären Restriktion, zweitens schwere Strukturwandlungen im Ruhrgebiet, im Kohlenbergbau, und einige Schwierigkeiten im Stahlsektor, die noch nicht behoben sind, und auch Erscheinungen des strukturellen Wandels bei langlebigen Konsumgütern. Hier sind gewisse Dinge eingetreten, die in diesen Tagen von einem Werk verkündet wurden, das schließlich auch ein Symbol ist für das, was in den letzten 18 Jahren hier geleistet worden ist. Es ist keine einfache Sache, wenn dieses berühmte Werk, eben das Volkswagenwerk, die Kurzarbeit einführt. So etwas alles kann also zusammenkommen. Es ist die Pflicht einer Bundesregierung, in diesem Falle alle Maßnahmen rechtzeitig vorzubereiten, um diesen Gefahren entgegenzutreten, Maßnahmen der Investitionsbelebung, und auch Maßnahmen zur monetären Erleichterung zu erbitten, damit Wirtschaftswachstum und Stabilität in gleicher Weise wieder erreicht werden. Ich komme darauf noch.
    In diesem Zusammenhang — ich habe das Vergnügen gehabt, Herrn Kollegen Gewandt noch zu hören — ist das Wort „Globalsteuerung" aus der Regierungserklärung moniert worden. Ich kann nur daran erinnern, Herr Kollege Gewandt, daß der ursprüngliche Entwurf des Stabilitätsgesetzes von der alten Bundesregierung kam, und in diesem Gesetzentwurf war schon ein großer Haufen von Maßnahmen der Globalsteuerung enthalten.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Darüber besteht doch gar kein Zweifel, daß etwa die Instrumente der Plafondierung der Kredite und der Begrenzung der Kredite für die öffentliche Hand, wie immer man sie jetzt beurteilen mag, sehr harte Instrumente der globalen Steuerung sind. Wenn das in der Regierungserklärung erwähnt wird, heißt das keineswegs, daß wir damit der Marktwirtschaft zu Leibe rücken wollen, im Gegenteil. Richtige und wohldosierte und rechtzeitige Maßnahmen der Globalsteuerung verhüten es, daß wir in einen Einzeldirigismus, in eine Politik der sektoralen Regulierung abrutschen. Wenn die Weichen nicht rechtzeitig gestellt werden — wir versuchen das —, dann werden wir im Frühjahr. sehr viel Druck auf Einzelmaßnahmen bekommen, auch Maßnahmen, die nicht in jedem Fall mit dem marktwirtschaftlichen Konzept vereinbar sind. Wir kennen das Verstromungsgesetz; das ist auch so eine Sache gewesen.

    (Zuruf des Abg. Blumenfeld.)

    — Sie wissen selber, Herr Blumenfeld, was für Kummer uns das macht, eine solche Sache in Gang zu setzen.

    (Zuruf von der FDP: Aufheben!)

    — Natürlich! Denn ich habe festgestellt — um das auch einmal klar zu sagen —: Das haben wir im Sommer zähneknirschend beschlossen, wir allesamt, fast einstimmig

    (Widerspruch bei der FDP)

    — „fast", sage ich —, und die Ausführungsbestimmungen konnten bisher immer noch nicht herausgebracht werden, weil die monetäre Seite dieser komplizierten Maßnahme bis dato nicht geklärt werden konnte, übrigens nicht nur weil es beim Bunde lag, sondern weil ein Drittel von einem anderen Land noch offen war. Aber es waren noch andere Schwierigkeiten da. Das ist die Situation, das habe ich vorgefunden. Ohne Arg sage ich das hier, ohne daß hier über Schuld und Sühne gesprochen wird. Das sind die Dinge, die wir alle noch in Ordnung bringen müssen.
    Nun gibt es drei große Komplexe, die alle hier angesprochen sind und die auch heute eine große Rolle gespielt haben in der Frage, um die es eigentlich heute mittag ging — das will ich ganz offen sagen —: des Timing, wie man sich im Areopag der
    Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Dezember 1966 3787
    Bundesminister Dr. Schiller
    Geldpolitiker ausdrückt. Es gibt drei Komplexe, einmal die konzertierte Aktion, zweitens das neu in Erscheinung getretene Defizit für 1967 von 3,3 Milliarden DM und drittens das Stabilisierungsgesetz.

    (Zuruf des Abg. Moersch.)

    Zu allen dreien kann gesagt werden — ich glaube, Herr Moersch, das dürfte einfach zur Kenntnis genommen werden —: Alle drei Maßnahmen brauchen ihre Zeit. Die konzertierte Aktion — das ist hier dargelegt worden — ist keine Sache eines einmaligen Entscheides, sondern eine Angelegenheit langer und systematischer Bemühungen der Regierung mit den freiwillig zusammengetretenen Tarifvertragsparteien und mit dem Sachverständigenrat.
    Das Zweite ist der Ausgleich des neu in Erscheinung tretenden Defizits. Da muß ich für den Kollegen von den Finanzen reden. In diesen Tagen von einer Regierung, die bei Abgabe der Regierungserklärung, glaube ich, 15 Tage im Amt war, zu verlangen, das über den Tisch weg zu machen, ist einfach eine Unmöglichkeit. Das wird auch seine Zeit brauchen. Das wird parlamentarisch in den Februar hineingehen oder sich vielleicht noch anders hinstrecken, wie eben der Ablauf der Dinge ist, wenn es darum geht, bei einer so schmerzhaften und schwierigen Operation auf beiden Seiten, auf der Ausgabenseite und auf der Einnahmenseite, konjunkturgerecht zu handeln.
    Das Dritte ist — das ist auch gesagt worden — das Stabilisierungsgesetz. Da muß ich nun sagen, meine Herren von der FDP, es tut mir in der Seele leid, daß Sie dazu erklären, das müsse fertig sein, und Ähnliches. Ich darf Sie daran erinnern — Herr Kollege Arndt, der vorhin zitiert wurde, hatte völlig recht —, daß der Gesetzentwurf nach unserer Meinung nicht vollkommen ist. Wir haben an diesem Entwurf sehr lange intensiv gearbeitet, mit Hearings, aber sehr intensiv. Wir waren bis zum 26. Oktober mit Herrn Dr. Menne zusammen der Meinung — ich habe einmal mit ihm darüber gesprochen —, wir seien in jenen Wochen der fleißigste Ausschuß gewesen. Dann ist zweierlei passiert. An beidem ist doch schließlich die FDP nicht ganz unbeteiligt gewesen. Einmal ist die Regierung auseinandergefallen, und zum zweiten stellte sich heraus, daß wir in der größten Haushaltsklemme sind, die wir in den letzten Jahren gehabt haben. Beides kam auf uns zu, auf uns alle in diesem Hause. Das Problem des Haushalts 1966 und 1967 kam auf uns alle ganz plötzlich in dieser Dimension zu, ebenso die Regierungskrise. Dann haben noch einige weiter an dem Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft gearbeitet; aber es war ganz unmöglich, in jener Zeit etwa das Gesetz fertig zu machen. Ich kann Ihnen nur das sagen, was ich auch heute nachmittag gesagt habe, daß das dafür zuständige Wirtschaftsministerium im Januar von sich aus die parlamentarische Bearbeitung dieses Gesetzentwurfes so weit fördern kann, wie das überhaupt ein Ministerium fördern kann. Das wird also auch geschehen.

    (Zustimmung.)

    Aber bei allen drei Maßnahmen, deren Verwirklichung sich noch über Wochen und Monate hinziehen wird, darf ich gar keinen Zweifel lassen, daß ein Abwarten mit den monetären Maßnahmen allerdings für die Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft gefährlich wäre.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wenn wir alle drei Dinge erst als Vorleistung erbringen müßten, damit also erst Ende Februar zu einer Änderung der Geldpolitik kämen, dann, meine Damen und Herren, könnte etwas eintreten, was wir alle in diesem Hause, als Abgeordnete oder als Mitglieder der Exekutive, auszuhalten hätten, mehr auszuhalten als andere Herren. Ich sage das mit aller Ruhe und aller Deutlichkeit, weil es heute nachmittag auch so ausgesprochen worden ist. Wenn man so lange warten würde, käme man zu etwas, was etwa so formuliert werden kann: wir werden auf jeden Fall eine weitere Liquidisierung der Wirtschaft bekommen — das ist ganz selbstverständlich und gar kein Wunder — und eine weitere Liquidisierung des Bankensystems. Warum? — Weil in einem Prozeß der Schrumpfung, der Minderinvestition selbstverständlich laufend die Liquidisierung im Bankensystem zunimmt. Dann ergibt sich irgendwann von dieser Liquidisierungswelle als Begleiterscheinung einer Rezession ein Druck auf die Zinsfüße. Das ist ganz modellgerecht. Bloß dann wäre die Bundesbank — das darf ich wohl mit allem Verlaub sagen, weil ich es auch heute nachmittag gesagt habe, ganz sachlich — in eine ganz neue Lage gekommen. Sie betriebe dann nicht mehr eine führende Geldpolitik, sondern nur noch eine konstatierende Geldpolitik; und in diese Lage sollte sie eigentlich nicht gebracht werden. Darum geht es bei dem Timing.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, hier sind ein paar Worte gefallen, die, soweit ich das schon mithören konnte, etwa dahin liefen: Kredithahn aufdrehen oder Ankurbelung oder so. Aber, meine Damen und Herren, das ist doch eine völlig falsche Ansicht von der ganzen Angelegenheit. Es gehört zu den normalen Mitteln der modernen Notenbankpolitik, daß sie, wenn es notwendig ist, restriktiv arbeitet und daß sie wiederum, wenn es notwendig ist, diese Restriktionspolitik beendet und in eine andere Politik übergeht. Nur darum geht es.
    Ich halte es für völlig falsch, wenn man das auf den so einfachen und gefährlichen Nenner .bringt, daß die Auflockerung der Restriktion, die Senkung des Diskontsatzes — damit meine ich natürlich nicht die Notenbank, die genau weiß, daß das zu ihrem Geschäft gehört, sondern die Auffassungen in der Öffentlichkeit — etwas zu tun hätte mit Kreditschöpfung, Geldentwertung, Unstabilität oder Ähnlichem. Nein, es gehört zum modernen Instrumentarium, auch die Restriktionen, wenn man die Talsohle sieht, rechtzeitig abzubauen. Darum geht es heute, und um nichts anderes. Ich möchte deswegen davor warnen, daß von außenstehender Seite oder von politischer Seite dieser Vorgang des Kurswechsels in der monetären Politik in ungebührlicher Weise dra-
    3788 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Dezember 1966
    Bundesminister Dr. Schiller
    matisiert wird, als wenn diese ganze Regierung, die neue Regierung, nun nichts anderes im Sinne hätte, als den Geldwert zu beeinträchtigen. Davon kann gar keine Rede sein, im Gegenteil. Es ist heute über die Preise gesprochen worden, und Sie haben durch den neuesten Lebenshaltungskostenindex vernommen, daß da wieder ein Sprung nach oben erfolgt ist. Auch das ist ganz klar. Wir haben natürlich, als die Restriktionen fühlbarer wurden, einen negativen Effekt auf die Produktivität der Unternehmungen gehabt — das war die erste Phase —, weil die Unternehmungen — wie man so häßlich sagt — Arbeitskräfte horteten. Das bedeutete, daß bei schärferer Restriktion das Produktionsquantum je geleistete Arbeitsstunde statistisch zurückging.
    Dann kam die zweite Phase — diese Phase ist jetzt da —, daß Arbeitskräfte freigesetzt werden. Das ist — wie wir alle wissen — nicht ganz ungefährlich, wenn auch bis zu einem gewissen Grade natürlich, weil dadurch die Mobilität der Arbeitskräfte von stagnierenden zu strukturell aussichtsreichen Wirtschaftszweigen gefördert wird. Aber es kann auch zu weit gehen.
    Aber wir sind nun dabei, gleichzeitig in eine dritte Phase hineinzugehen, nämlich durch die Fortsetzung eines schärferen Restriktionskurses eine so große Minderauslastung der Kapazitäten und der Produktionsaggregate zu erhalten, daß damit die Produktivität absinkt. Und das ist die Phase, die uns jetzt droht. Das ist eine Phase, die bedeutet, daß bei sehr scharfer Restriktionspolitik der Kosteneffekt nicht eintritt, nicht etwa, weil zu viele Arbeitskräfte in den Betrieben da sind oder weil etwa gar zu hohe Löhne gezahlt werden, sondern weil das vorhandene Sachkapital zu gering ausgenutzt wird. Das ist genau die gefährliche Geschichte, daß wir das Schlechteste von beiden Welten haben, nämlich steigende Minderauslastung der Kapazitäten, sinkende Produktivität und damit steigende Preise.
    Meine Damen und Herren, ich erwähne das alles nur, um Ihnen zu sagen, wie sachlich und freimütig heute argumentiert worden ist, und daß es letztlich um die Frage des Zeitpunktes ging. Ich darf vielleicht hinzufügen, daß es mir darauf ankam, diesem Hohen Hause nach meiner Rückkehr von den erfreulichen und freundschaftlichen Diskussionen mit den Herren vom Areopag der Geldpolitik hier einen Bericht vorzulegen.
    Ich glaube, wir sind uns alle darüber einig, daß der Konjunkturablauf in den kommenden Monaten nicht nur eine Sache der Mechanik ist, der Veränderung dieser oder jener Sätze, sondern auch eine Sache des Vertrauens und der Psychologie. Wir wollen das Vertrauen der deutschen Unternehmer und der deutschen Arbeitnehmer wiederherstellen. Es ist erschütternd zu sehen, daß in einer Situation, bei der die Arbeitslosigkeit ansteigt und bei der wir vielleicht im Jahre 1967 irgendwann 2 bis 3 O/o erreichen werden, heute schon allenthalben in der Wirtschaft und bei den Arbeitnehmern Unsicherheit über den Arbeitsplatz eingetreten ist. Das müssen wir einfach zur Kenntnis nehmen. Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, daß diese westdeutsche Volkswirtschaft, die sich seit zehn Jahren in der Vollbeschäftigung befindet, daran nicht gewöhnt ist,

    (Abg. Blumenfeld: Das ist es nämlich!)

    daß ein Einbruch entstehen kann, der bis zu 3 % gehen mag. Herr Blumenfeld, das ist auch heute gesagt worden. Wir alle haben eine schärfere Rezession bisher nicht durchgemacht und in diesen zehn Jahren noch nicht versucht, sie mit monetären und fiskalischen Mitteln schnell wieder zu beseitigen. Das wäre das erste Mal. Deswegen müssen wir rechtzeitig Vorsorge treffen. Das haben auch die Herren zugegeben.

    (Abg. Blumenfeld: Also Psychologie!)

    — Die Psychologie braucht in erster Linie Stabilität der Regierung, Stabilität im Sinne des Kurses der Regierung und der Regierungspolitik und — wie ich sage — Signale, die deutlich angeben: Wir sehen die Talsohle, aber wir sehen auch die Wege, die Möglichkeiten und und die Sicherheiten, soweit sie abschätzbar sind, für den Wiederaufstieg. Ich glaube, daß heute in den Beratungen in der Bundesbank sehr deutlich wurde, daß solche Signale in Bälde vor der Talsohle gesetzt werden müssen.
    Das ist das eine. Das andere, das ich hinzufügen darf, meine Damen und Herren, ohne irgendwie die Vertraulichkeit zu brechen, sondern im Gegenteil, um es abzuschließen und zu summieren: heute ist in den sieben Stunden meiner Anwesenheit im Zentralbankrat in der Analyse eine weitgehende Verständigung erreicht worden. Bundesbank und Bundesregierung selbst sind jetzt in der Lage, die gegenseitigen Signale zu erkennen.
    Ich möchte es so sagen. Die Schiffe, die also eine zeitlang sehr weit voneinander entfernt waren, die sich zwei Jahre lang eigentlich nicht mehr verständigen konnten, diese Schiffe, um es noch einmal so zu sagen, haben jetzt durch diese vielen Besprechungen Flaggen gesetzt und Signale verabredet. Sie können sich wieder über die Lage der deutschen Wirtschaft und über den möglichen weiteren Kurs verständigen. So möchte ich bei allem, was in jenem Gremium noch offen ist, sagen, daß diese Verständigung über das gegenseitige Flaggensetzen, über das Hand-in-Hand-Arbeiten uns hoffen läßt. Aber ich füge hinzu, nachdem ich aus dieser Versammlung herausgegangen bin, habe ich nicht nur das Gefühl gehabt, daß uns das hoffen lassen kann, sondern auch deutlich zum Ausdruck gebracht, daß wir nicht mehr viel Zeit haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)