Rede von
Dr.
Thomas
Dehler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Bundesschatzminister.
Schmücker, Bundesschatzminister: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte kurz zu dem ersten Teil der Ausführungen des Herrn Kollegen Starke Stellung nehmen. Ich will versuchen, es zu tun, ohne an Leid und Leidenschaften der letzten Wochen zu rühren. Aber, Herr Kollege Starke, Ihre Rede erfordert nach meiner Meinung eine Klarstellung oder — ich darf es etwas bescheidener sagen — eine Gegenrede.
Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung gesagt, daß sich die beiden Fraktionen CDU/CSU und SPD zu einer Koalition auf Zeit zusammengefunden haben. Sie beabsichtigen sogar, durch einen institutionellen Zwang dafür zu sorgen, daß nach Beendigung dieser gemeinsamen Arbeit zwischen den Parteien der heutigen Regierungskoalition wieder das Alternativverhältnis von Regierung und Opposition eintreten kann.
Aber diese Ankündigung war doch keine bloße Floskel, um gegen das Zweckgerede von Proporzdemokratie oder ähnliches anzugehen, sondern sie bestätigt ausdrücklich, daß beide Parteien — auch mehrere Redner der SPD und der CDU/CSU haben das gesagt — sehr wohl ihre politische Eigenständigkeit sehen und bewahren werden. Politische Eigenständigkeit ist aber nur bei unterschiedlichen Auffassungen gerechtfertigt. Ebensowenig wie wir versuchen werden, die Sozialdemokraten von ihren Grundsätzen abzubringen, brauchen Sie Sorge zu haben, daß wir unsere Grundsätze aufgeben. Zu diesen Grundsätzen gehört die soziale Marktwirtschaft als fester Bestandteil.
Die marktwirtschaftliche Konzeption ist Bestandteil der Regierungsarbeit.
Über eines, Herr Kollege Starke, freue ich mich: daß Sie ein anerkennendes Wort über Ludwig Erhard gefunden haben. Aber auch diesen Ludwig Er-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Dezember 1966 3759
Bundesminister Schmücker
hard lassen wir von der CDU/CSU uns nicht stehlen!
Natürlich — ich sagte es — bleiben unterschiedliche Auffassungen auch weiterhin bestehen. Das aber ist gerade die große Leistung der CDU/CSU und der SPD: daß sie in einem kritischen Zeitpunkt diese Unterschiede beiseite schieben konnten, um unserem Land in kürzester Frist eine handlungsfähige Regierung zurückzugeben.
Es ist heute nicht sehr viel, aber doch genug von der Vergangenheit geredet worden. Wo etwas gesagt wurde, konnte nicht die Befangenheit überhört werden, mit der sich jeder noch herumschlagen muß. Ich bilde mir auch keineswegs ein, daß meine folgenden Ausführungen bereits völlig frei wären von den Diskussionen der letzten Jahre.
Aber mir liegt doch daran, gerade in dieser Debatte in Erwiderung zu Ihren Ausführungen, Herr Starke, zu sagen, daß diese letzte Regierungskrise in einem Augenblick ausgelöst worden ist, als es der Anstrengung aller Kräfte bedurft hätte, um die wirtschaftliche Normalisierung durchzusetzen.
Die bereits im Sommer dieses Jahres vorgesehene Umschaltung von der Bekämpfung des Booms auf eine Normalisierung der Wirtschaftspolitik hat durch die Regierungskrise eine Verzögerung erfahren, die, wenn jetzt nicht entschieden und schnell gehandelt wird, böse Folgen haben kann.
Ich selber habe mich im Kabinett nachdrücklich dafür eingesetzt, daß Herr Schiller unbedingt nach Frankfurt fährt und dort den Standpunkt der Regierung vertritt.
Meine Damen und Herren, alle Mitglieder dieses Hohen Hauses wissen, daß der Deutsche Bundestag vorzeitig aus den Ferien zurückgeholt worden ist, um das Stabilitätsgesetz zu verabschieden. Alle wissen, daß mit dieser Verabschiedung eine Ordnung der öffentlichen Haushalte und eine gemeinsame Aktion mit der Wirtschaft gekoppelt werden sollten, um die Normalisierung einzuleiten. Diese Termine sind nun um einen Monat überzogen. Ohne Neubildung einer Regierung wären wir in einen weiteren Verzug geraten, der katastrophale Folgen ausgelöst hätte.
Ich selber habe — wohl wissend, daß eine Große Koalition mich selber bei der ganz natürlicherweise gleichgewichtigen Aufgabenverteilung zur Aufgabe meines alten Ressorts zwingen würde — die Große Koalition dann mit Nachdruck unterstützt, als die Fortsetzung der alten Gemeinschaft aussichtslos und nutzlos erschien.