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ID0508206000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 82. Sitzung Bonn, den 15. Dezember 1966 Inhalt: Abg. Weiland tritt in den Bundestag ein . 3699 A Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Mischnick (FDP) 3699 B Schoettle, Vizepräsident . . . . 3699 B Dr. Barzel (CDU/CSU) 3706 B Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . 3713 B Bauer (Wasserburg) (CDU/CSU) . 3725 C Dr. Dehler (FDP) 3730 A Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 3737 A Dr. Pohle (CDU/CSU) 3744 C Dr. Starke (Franken) (FDP) . . . 3751 D Schmücker, Bundesminister . . . 3758 C Stein (Honrath) (CDU/CSU) . . . 3761 A Dr. h. c. Strauß, Bundesminister . 3763 D Dr. Arndt (Berlin) (SPD) 3769 A Dr. h. c. Menne (Frankfurt) (FDP) 3771 C D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . . 3774 C, 3775 A, 3788 D, 3789 A Dr. Luda (CDU/CSU) 3774 D Gscheidle (SPD) 3778 C Gewandt (CDU/CSU) 3781 D Dr. Friderichs (FDP) 3783 A Dr. Schiller, Bundesminister . . 3784 B Rasner (CDU/CSU), zur GO . . . 3789 A Opitz (FDP) 3789 D Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 3790 B Schulhoff (CDU/CSU) 3791 B Dr. Schwörer (CDU/CSU) 3792 C Mertes (FDP) 3794 D Nächste Sitzung 3795 C Anlagen 3797 Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Dezember 1966 3699 82. Sitzung Bonn, den 15. Dezember 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Achenbach* 19. 12. Dr. Aigner* 22. 12. Arendt (Wattenscheid) 16. 12. Dr. Arndt .(Berlin/Köln) 17. 12. Bading* 16. 12. Bauer (Würzburg)** 16. 12. Bazille 31. 12. Berkhan** 16. 12. Blachstein 15. 12. Blumenfeld** 16. 12. Brand 18. 12. Dr. Burgbacher 31. 12. Draeger** 16. 12. Dröscher* 16. 12. von Eckardt 16. 12. Dr. Eckhardt 31. 12. Eisenmann 31. 12. Frau Dr. Elsner* 16. 12. Erler 31. 12. Flämig** 16. 12. Dr. Furler* 16. 12. Frau Geisendörfer 18. 12. Gerlach* 16. 12. Hahn (Bielefeld)* 17. 12. Dr. Hellige** 16. 12. Frau Herklotz** 16. 12. Horten 15. 12. Hösl** 16. 12. Kahn-Ackermann** 16. 12. Frau Kalinke 31. 12. Dr. Kempfler** 16. 12. Frau Klee** 16. 12. Dr. Kliesing (Honnef)** 16. 12. Dr. Kopf** 16. 12. Frau Dr. Krips 31. 12. Freiherr von Kühlmann-Stumm 15. 12. Lemmrich** 16. 12. Lenz (Trossingen) 31. 12. Lenze (Attendorn)** 16. 12. Dr. Löhr 17. 12. Mauk* 22. 12. Frau Dr. Maxsein** 16. 12. Dr. von Merkatz** 16. 12. Metzger* 17. 12. Missbach 17. 12. Müller (Aachen-Land)* 16. 12. Müller (Berlin) 15. 1. 1967 Neumann (Berlin) 17. 12. Frau Pitz-Savelsberg 31. 12. Dr. Rinderspacher** 16. 12. Dr. Schmid (Frankfurt)** 16. 12. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an einer Tagung der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Schulz (Berlin)** 16. 12. Seibert 15. 12. Dr. Serres** 16. 12. Seuffert* 19. 12. Struve 31. 12. Dr. Süsterhenn 17. 12. Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell** 17. 12. Weigl 1. 3. 1967 Dr. Wilhelmi 16. 12. Baron von Wrangel 17. 12. Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Schmidhuber (CDU/CSU) zu Punkt 4 der Tagesordnung. Im konjunkturpolitischen Maßnahmekatalog der Regierungserklärung nimmt die Anregung an die Adresse der Deutschen Bundesbank, den Diskontsatz fühlbar zu senken, die erste Stelle ein. Daraus kann wohl geschlossen werden, 'daß die Bundesregierung der Senkung des Zinsniveaus eine entscheidende Bedeutung bei der Überwindung der sich in unserer Wirtschaft abzeichnenden rezessiven Erscheinungen beimißt. Es würde den Rahmen eines kurzen Diskussionsbeitrages sprengen und auch die Zwecksetzung einer Debatte über die politischen Absichtsbekundungen einer Regierungserklärung überschreiten, sich über die Wirkungen einer Diskontsenkung im gegenwärtigen Zeitpunkt zu verbreiten. Mir scheinen aber einige Bemerkungen über die unterschiedliche Rolle von Bundesregierung und Bundesbank in der Wirtschaftpolitik angebracht. Wie sich aus § 3 des Bundesbankgesetzes ergibt, ist die Aufgabe der Bundesbank die Sicherung der Währung. Nur soweit dieses Ziel nicht gefährdet wird, ist sie gehalten, die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu unterstützen. Der ihr vom Gesetzgeber erteilte Auftrag lautet daher STABILITÄT VOR WACHSTUM. Im Widerstreit der Ziele von Stabilität und Wachstum hat sie den Part der Stabilität zu ergreifen. Angesichts der Stimmen in der Öffentlichkeit vor allem aber wegen des Drängens gewisser gesellschaftspolitischer Gruppierungen auf eine Lockerung der Restriktionen soll dies von dieser Stelle aus einmal deutlich ausgesprochen werden. Die Bundesregierung hat neben der Stabilität der Währung noch andere Zielsetzungen zu berücksichtigen, nämlich Wachstum und Vollbeschäftigung. 3798 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Dezember 1966 Wie sich schon einige Male 'in der Vergangenheit gezeigt hat, kann sie dadurch in Gegensatz zur Haltung der Notenbank geraten, in einen Gegensatz, der sozusagen institutionell bedingt ist. Ein solcher Konflikt deutet nicht auf tiefgreifende Meinungsunterschiede in wirtschaftspolitischen Grundauffassungen hin, sondern ist der Ausdruck des stets vorhandenen Spannungsverhältnisses zwischen Stabilität und Expansion. In der Finanz- und Haushaltspolitik steht der Bundesregierung ein Instrumentarium zur Verfügung, das unmittelbar zur konjunkturgerechten Steuerung der Gesamtnachfrage eingesetzt werden kann. Dieses Instrumentarium soll durch das Gesetz zur Förderung der wirtschaftlichen Stabilität in seiner Wirksamkeit auf die anderen öffentlichen Haushalte ausgedehnt, wesentlich verfeinert und dadurch effektiver gemacht werden. Wir sollten alles daran setzen, diesen Gesetzentwurf sobald als möglich zu verabschieden. Dann würde nämlich der Zwang wegfallen, Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, die ihre Ursachen im Bereich der öffentlichen Haushalte haben, auf dem Umweg einer primär auf dem privatwirtschaftlichen Sektor wirkenden Restriktionspolitik bekämpfen zu müssen. Andererseits wird man rezessiven Erscheinungen dann besser mit gezielten Maßnahmen, z. B. durch zusätzliche öffentliche Investitionen, begegnen können. Die Versuchung, konjunkturelle Schwierigkeiten mittels einer Politik des leichten Geldes auf eine spätere Phase zu verlagern, wird dann nicht mehr so stark sein. Auf einem Gebiet besteht allerdings keine direkte Einwirkungsmöglichkeit, nämlich auf dem Gebiet der Tarifpolitik. Daher ist ein enges Zusamenwirken zwischen der staatlichen Wirtschaftspolitik und der Tarifpolitik der Sozialpartner — wie es die Regierungserklärung fordert — unerläßlich. Ich verkenne dabei nicht, daß dies — vor allem für die Gewerkschaften — schwierige Fragen aufwirft. Sie sollten aber realistisch und nicht auf dem Hintergrund ideologischer Formeln gelöst werden. So verstanden kann das in der Regierungserklärung vorgelegte Konzept einer wirtschaftspolitischen Globalsteuerung zu einer optimalen Entfaltung der schöpferischen Kräfte der Marktwirtschaft führen. Von ihr ist unser Wohlergehen in der Zukunft abhängig. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Schiller vom 14. Dezember 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kahn-Ackermann (Drucksache V/1182 Frage VIII/4) : Trifft es zu, daß Entwurf und Ausführung des Werbeplakats für den deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Kanada einer amerikanischen Public-relation-Firma vergeben wurde? Diejenigen Plakate, die in Nordamerika selbst, d. h. in Kanada und USA, für den deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Montreal werben sollen, sind von einer amerikanischen Public-Relations-Firma entworfen und gedruckt worden. Hierfür sprachen sowohl Kostengründe wie die Überlegung, diese Werbemittel voll auf den amerikanischen Geschmack abzustellen. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. von Heppe vom 13. Dezember 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kahn-Ackermann (Drucksache V/1215 Frage V) : Trifft es zu, daß die Bundesregierung für ihr Historisches Institut in Paris einen Neubau zu errichten beabsichtigt? Das Deutsche Historische Institut in Paris ist in zwei im Bundeseigentum stehenden Etagen im Hause 5, Rue du Havre, in Paris untergebracht. Zurzeit reichen die Räumlichkeiten aus. Mit dem Anwachsen .der Bibliothek wird, auch mit Rücksicht auf die statischen Verhältnisse, in einigen Jahren eine anderweitige Unterbringung erforderlich werden. Konkrete Pläne für einen Neubau bzw. einen Ankauf eines geeigneten Objektes liegen zurzeit nicht vor.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Pohle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Ich komme gleich auf die verantwortungsbewußte Politik der Gewerkschaften an Hand des Beispiels der Industriegewerkschaft Bau zurück. Meine Ausführungen werden darin enden, daß ich genau das unterstütze, was die Regierung gesagt hat: schafft Orientierungshilfen. Das ist das, was ich meine, nichts weiter.
    Meine Damen und Herren, entsprechende Appelle und Beschwörungen haben bisher nichts gefruchtet. Wir dürfen der Aufgabe des Staates, für das Wohl seiner Bürger zu sorgen, jetzt nicht ausweichen, und deshalb — und das ist mein Punkt — müssen wir den Tarifpartnern Orientierungshilfen mit entsprechendem Nachdruck an die Hand geben. Ich wiederhole, was ich eben auf die Frage des Herrn Kollegen Matthöfer bereits gesagt habe. Ein lobenswertes Beispiel bildet gerade die sehr verantwortungsbewußte Führung der Industriegewerkschaft Bau, die soeben auf der Basis 4,3 % abgeschlossen hat. Das entspricht ungefähr dem realen Zuwachs des Bruttosozialprodukts, und das ist ein richtiger Maßstab. Wir müssen also den Tarifpartnern Orientierungshilfen an die Hand geben. Die Erfahrung zeigt übrigens, daß der deutschen Bevölkerung die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze wichtiger ist als die Ausstellung gefährlicher Wechsel auf eine ungewisse Zukunft.
    Erreichen wir die Einordnung sowohl der Staatsausgaben als auch der Masseneinkommen in den Rahmen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, dann, meine Damen und Herren, sind die schwierigen Probleme der Zukunft gelöst. Wir werden damit sowohl inflationäre als auch deflationäre Entwicklungen vermeiden und die Erhöhung des allgemeinen Lebensstandards kontinuierlich und ohne unerwünschte Begleiterscheinungen sicherstellen können.

    (Beifall in der Mitte.)

    Für diese großen Ziele müssen wir klare Entscheidungen treffen. Wollen wir Stabilität unserer Währung unter möglichster, gleichzeitiger Förderung des Wirtschaftswachstums, dabei aber jede neue Überhitzung und hastige Reaktionen vermeiden, müssen wir in den künftigen Haushalten des Bundes, der Länder und Gemeinden den Gemeinschaftsinvestitionen klaren Vorrang vor Konsum- und Subventionsausgaben geben. In der Theorie sind sich alle in diesem Punkte einig. Die harte Praxis sieht bekanntlich — und jede Fraktion weiß ein Lied davon zu singen — meist etwas anders aus. Ohne den Ausbau dessen, was man Infrastruktur nennt, wird das notwendige wirtschaftliche Wachstum gehemmt werden. Schulen, Krankenhäuser, Straßen, vieles andere dient dem einzelnen Bürger, dient aber auch dem Wohlergehen der Gesellschaft von morgen.
    Nun haben wir davon Kenntnis genommen, daß der Herr Bundeskanzler über ein Gesamtvolumen von 2,5 Milliarden DM Überlegungen über einen Eventualhaushalt — das bedeutet: Kapitalmarkt — oder eine entsprechende Anwendung des Stabilitätsgesetzes — das bedeutet Konjunkturausgleichsrücklage — angestellt hat. Der Herr Kollege Möller hat soeben auch davon gesprochen. In beiden Fällen soll eine strenge Zweckbindung der Mittel sichergestellt sein. Ich will mich zur zweiten Möglichkeit — Konjunkturausgleichsrücklage — nicht äußern. Was aber die erste anlangt, so ist es mir höchst zweifelhaft, ob der Kreditmarkt bereits kurze Zeit nach Aufhebung von Restriktionen in der Lage sein wird, derartige Anforderungen zu erfüllen, auch im Hinblick auf die Kreditaufnahme in Höhe von 1,5 Milliarden DM für das Offset-Abkommen.

    (Beifall in der Mitte. — Abg. Haase [Kassel] : Ganz bestimmt nicht!)

    Die Bundesregierung drückt sich über den Zeitpunkt denn auch vorsichtiger aus, wenn sie sagt: Das machen wir, „wenn es erforderlich ist".
    Das Stabilitätsgesetz wurde zur Bekämpfung der Überhitzung und Geldwertverschlechterung sowie zur Koordinierung der Ansprüche der öffentlichen Hände an den Kapitalmarkt eingebracht. Die Regierungserklärung erweckt den Anschein, als solle es jetzt als Instrument zusätzlicher Expansion benutzt werden. Damit steht, meine Damen und Herren, die alte Streitfrage zur Diskussion, ob bereits jetzt und heute der Zeitpunkt für die Einleitung einer neuen Expansion gekommen ist, eine Frage, die mein verehrter Kollege Möller bejaht, die ich für meine Person aber verneine.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Wirkung einer zusätzlichen Verschuldung des Bundes auf den Geldwert hängt davon ab, wie die Mittel aufgebracht werden, mit anderen Worten: davon, ob eine neue Geldschöpfung erfolgt oder erfolgen soll oder nicht.
    Natürlich erkennen wir an, daß Gemeinschaftsinvestitionen eine doppelte Aufgabe erfüllen. Die Bauwirtschaft kann z. B. zum Unterschied von anderen Branchen nicht auf Vorrat arbeiten. Sie ist von der öffentlichen Hand, die über die Hälfte aller Aufträge erteilt, abhängig. Ihr Schicksal entscheidet nicht nur über die 1,3 Millionen Beschäftigten in der Bauwirtschaft, sondern auch über zahlreiche Zulieferer in anderen Branchen.
    3750 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Dezember 1966
    Dr. Pohle
    Würde der Markt für die Zukunft weniger Bauleistungen verlangen, müßte man sich damit eben abfinden. Davon aber kann keine Rede sein; denn die Bauerfordernisse der Zukunft sind ungeheuer groß, von der Forschung bis zur Städtesanierung und Raumordnung. Wir müßten, wenn wir heute Kapazitätsvernichtungen größeren Ausmaßes zuließen, diese Kapazitäten in relativ kurzer Zeit wiederbeschaffen, dann aber bekanntlich erheblich teurer. Der Widersinn einer solchen Entwicklung liegt auf der Hand.
    Aber für den Fall, daß die Belebung entscheidend über den Kapitalmarkt finanziert werden soll, stehen wir sofort wieder vor dem Problem, nachteilige Auswirkungen auf die Stabilität wie auf den Kapitalmarkt selbst zu vermeiden, den Kapitalmarkt, den wir gerade schonen wollen, um ihn nach Inkrafttreten des Stabilitätsgesetzes in geordneten Prioritäten in Anspruch zu nehmen. Wir können meines Erachtens nur Schritt für Schritt vorgehen und müssen zunächst einmal die Gesundung des Kapitalmarkts durch Verabschiedung des Stabilitätsgesetzes, Schaffung von Prioritäten und Setzung von Akzenten herbeiführen, um uns dann vorsichtig und dosiert wieder dem Kapitalmarkt zuzuwenden.
    Meine Damen und Herren, die Sorge um das Wachstum beruht entscheidend mit auf der Tatsache, daß wir nach der augenblicklichen Konstellation im Jahre 1967 das .Jahr des geringsten Wachstums seit Bestehen der Bundesrepublik haben, ja, daß in vielen Branchen eine gewisse Tendenz zum allgemeinen Abschwung vorhanden ist.
    Es ist deshalb auch meine feste Überzeugung, daß der Herr Bundeskanzler recht hat, wenn er von einer Gratwanderung sprach. Jeder Grat ist schmal, meine Damen und Herren, und jeder Grat hat bekanntlich zwei Seiten. Man kann auf der Seite der Überhitzung dorthin hinunterfallen, woher man gekommen ist. Man kann aber auch auf die Seite der Stagnation absinken. Sorgen wir zunächst, daß wir auf dem Grat weitergehen!
    Ich will gleich noch einige Bemerkungen darüber machen, warum ich die Nichtbeachtung der Stabilität und eine gewisse Akzentverschiebung in Richtung auf Wachstum für verhängnisvoll halten würde. Man muß beachten, daß die mangelnde Investitionsneigung heute nicht mehr so sehr auf die noch bestehenden Kreditrestriktionen zurückzuführen ist, sondern auf zwei weitere Momente, die ich bereits genannt habe, nämlich erstens auf den Rückgang der Aufträge der öffentlichen Hand für produktive Zwecke auf Grund der Kapitalmarkt- und Haushaltslage, zweitens auf die Furcht der Unternehmer vor weiteren übertriebenen Lohnforderungen, sei es von gewerkschaftlicher, sei es von nichtgewerkschaftlicher Seite — in Zeiten der Voll- und Überbeschäftigung ist das so —, in Verbindung mit einer etwaigen Ausuferung der Ideen über die Wachstumspolitik in der Richtung des leichten Geldes.
    Hier müßte der Hebel angesetzt werden. Denn andererseits hat die Notenbank schon heute einiges zur Verflüssigung der Geldmittel für Investitionen getan. Sie hat keine Gegenmaßnahmen gegen die wachsende Liquidität betrieben, die sich aus der sich dem Ausgleich annähernden Zahlungsbilanz ergibt. Mit einem Exportüberschuß in der Handelsbilanz von 7 bis 8 Milliarden DM kann gerechnet werden. Auf Grund des letzten Zentralbankratsbeschlusses wird Auslandsgeld hereingenommen ohne Erhöhung der Mindestreserve. Die Notenbank hat außerdem die Lockerung der Mindestreserve um 10 % nicht nur für Ultimo angesetzt, sondern auf den Monat Januar ausgedehnt.
    Meine Damen und Herren, wir erkennen durchaus an, daß die deutschen Betriebe vor schwierigen Aufgaben stehen, die seither der inflationistische Trend und das relative Abgekapseltsein des deutschen Marktes mehr oder weniger verdeckt haben. Wir befinden uns in einer Zeit stärkster technischer Revolutionen und struktureller Umschichtungen, deren Tempo durch die Weltkonkurrenz diktiert ist. Deshalb kann sich die Bundesrepublik Deutschland auch keine wettbewerbsgefährdenden Steuererhöhungen auf der Ertragsteuerseite leisten. Wenn der Staat durch überhöhte Ansprüche gezwungen wird, die Ausgaben zu Lasten der investiven Vorhaben und durch die die Wirtschaftstätigkeit drosselnden Steuererhöhungen zu decken, so besteht die Gefahr einer zusätzlichen Gefährdung der Arbeitsplätze. Der Verlust des Arbeitsplatzes ist jedoch Verlust der sozialen Sicherheit. Dagegen ist ein Abbau überhöhter konsumtiver Leistungen im Interesse eines stetigen Wachstums kein Verlust der sozialen Sicherheit.
    Nach alledem kann eine ausgewogene Verstärkung der expansiven Kräfte durchaus erforderlich werden. Es kommt dabei auf den richtigen Zeitpunkt an. Aber, meine Damen und Herren, alles in allem stellen wir den Ruf nach der Stabilität der Währung in den Vordergrund. Fragen wir nach den Folgen der Instabilität, so wird es uns deutlich: Schäden einer solchen Politik des Geldwertschwundes würden eintreten, und zwar beim Sparer und Bezieher fester, nicht dynamisierter Einkommen, verbunden mit einem ungeheuren Vertrauensschwund, und ohne die Wiederaufrichtung des Vertrauens des Sparers ist der Kapitalmarkt nicht wieder zu sanieren; er hängt ausschließlich vom Willen und Vertrauen des deutschen Sparers ab.
    Bei Instabilität entsteht die Gefahr von Fehlinvestitionen wegen Orientierung an nominellen und damit an Scheinzuwachsraten für die Unternehmen wie auch für die öffentlichen Haushalte. Es entsteht die Gefahr der Orientierung der Einkommensübertragungen und der sozialen Leistungen am nominellen Wachstum, das nennen wir Gefälligkeitspolitik. Bei Instabilität ergäbe sich die Lohnpreisspirale mit der Folge der Erhöhung des Kostenniveaus und damit erst recht eine Beeinträchtigung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit.
    Und, meine Damen und Herren, Hand aufs Herz: Es gibt immer noch expansive Kräfte genug, die von selber wirken. Auf Grund der nun einmal gegebenen Rechtslage — ich denke an die Erhöhung der Renten und an die Kriegsopferversorgung —, auf Grund der außenwirtschaftlichen Situation mit einer
    Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Dezember 1966 3751
    Dr. Pohle
    Exportsteigerung um 10 %, auf Grund des Wachstums des Bundeshaushalts eben wegen dieser Erhöhung der sozialen Leistungen um voraussichtlich 10 %, sind doch bereits starke Expansionskräfte vorhanden.
    Die Kaufkraft auf dem Konsumgütersektor wird sich ab 1. Januar 1967 wegen dieser Daten, die ich eben genannt habe, um 3 Milliarden DM erhöhen. Dies ist mit von entscheidender Bedeutung bei der Beurteilung der Frage, ob durch zusätzliche Maßnahmen, z. B. durch den sogenannten Eventualhaushalt, noch weitere Wachstumsanstöße wirklich erforderlich sind, oder ob nicht dadurch eine Gefährdung der gerade im Augenblick mühsam erreichten Stabilität ausgelöst wird. Bei Einbringung des Eventualhaushalts würde nämlich ein weiterer Nachfragestoß — allerdings, ich gebe zu, in Richtung der Investitionsgüter — in Höhe von 1,45 bis 2,5 Milliarden DM erfolgen, je nachdem ob Verlagerungen aus dem Bundeshaushalt in den Eventualhaushalt stattfinden oder nicht.
    Eine Gesamtbetrachtung aller Kräfte, die auf eine Vergrößerung der Nachfrage einwirken, ist daher auch heute noch bei allen wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen erforderlich und den Kräften der Angebotserweiterung gegenüberzustellen. Eine Begrenzung der Betrachtung allein auf haushaltsmäßige Auswirkungen genügt dabei nicht.
    Auch nach der Seite der Beschäftigung ist trotz struktureller Schwierigkeiten, streckenweiser Kurzarbeit und dem Damoklesschwert von Entlassungen in diesen und jenen Branchen noch keine völlige Entspannung eingetreten, wenngleich sich die Verhältnisse gebessert haben. Hatten wir Ende September 1966 rund 113 000 Arbeitslose und 536 000 offene Stellen, so betrugen die Zahlen Ende November 1966 216 000 Arbeitslose und die der offenen Stellen 319 000. Beide Ziffern haben sich also einander angenähert. Aus ihnen folgt aber dreierlei, nämlich erstens, daß wir von einer Massenarbeitslosigkeit, d. h. von einer Krise im Sinne dieses Wortes, weit entfernt sind und daß diese Zahlen durchaus alles andere als alarmierend sind, zweitens, daß der Rückgang der Überbeschäftigung eine nützliche und gewollte Folge der betriebenen Restriktionspolitik war,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und drittens, daß bei noch immer 1,3 Millionen Gastarbeitern und bei immer noch unausgeglichenem Verhältnis zwischen Arbeitsuchenden und offenen Stellen kein Grund zum überstürzten und abrupten Herumwerfen des wirtschaftspolitischen Ruders besteht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir sind uns mit der Regierung völlig darüber einig, daß dieser Zeitpunkt irgendwannn einmal gekommen sein kann und wird und daß das Timing eine ganz entscheidende Frage ist.
    Nach den aufgezeigten Ziffern ist nach meiner Überzeugung der Zeitpunkt heute und hier jedoch noch nicht gekommen.
    Ich komme damit zum Schluß. Ich möchte auf die außenwirtschaftlichen Fragen nicht eingehen und auch nicht auf die Fragen der EWG. Es ist kein Widerspruch, meine Damen und Herren, zu unserem internationalen Engagement, wenn die Regierungserklärung darauf hinweist, daß wir bei künftigen Verpflichtungen Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit nehmen müssen. Selbstverständlich werden wir übernommene Verpflichtungen erfüllen. Sorgsames Rechnen in der Zukunft entspricht lediglich dem notwendigen verantwortungsvollen Verhalten. Ich glaube, das wird dem Ansehen Deutschlands mehr nützen als schaden. Auch im privaten Leben erfreut sich der größter Wertschätzung, der nicht zu großzügig Versprechungen abgibt, der aber sein einmal gegebenes Wort dann auch halten kann.
    Meine Damen und Herren, einen Punkt habe ich mir für den Schluß aufgehoben. Ich teile voll und ganz die Aussage des Bundeskanzlers, daß Wissenschaft und Forschung fundamentaler Beachtung wert sind. Wer dies in einer Zeit des Geldmangels für paradox hält, möge sich im Ausland umsehen. Nur die Forschung und Entwicklung schaffen das Brot von morgen. Wir haben noch keinen .Anlaß zu fürchten, wir müßten auf diesem für die Zukunft entscheidenden Gebiet ohnhin ins Hintertreffen geraten. Einen Vorsprung, der nicht aufzuholen wäre, gibt es nahezu auf keinem Gebiet. Voraussetzung dafür ist freilich, daß wir jetzt entschlossen die erforderlichen Maßnahmen treffen. Das wird freilich nur dann möglich sein, wenn wir die lange geforderte Rangordnung endlich verwirklichen und die notwendigen Prioritäten schaffen.
    Allen, die heute nach dem Kurs der neuen Koalition fragen, möchte ich als Quintessenz dieser Ausführungen zurufen: Die Wirtschaftspolitik wird weiterhin marktwirtschaftlich sein, und das gemeinsame Ziel heißt: Stabilität und Wachstum auf gesunder Grundlage. Die CDU/CSU-Fraktion wird diese beiden Grundpfeiler einer guten Zukunft mit aller Kraft bauen und stützen. Ich möchte aber nicht schließen, ohne mich dem anzuschließen, was Herr Möller vorhin ausgeführt hat. An gutem Willen zu gemeinsamer Zusammenarbeit, zur Stützung der Regierung und zur Erreichung dieser Ziele fehlt es auch nicht bei der CDU/CSU-Fraktion.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Starke.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinz Starke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe zunächst vor mir selber die Pflicht, ein Wort zu den Schlußworten des Herrn Kollegen Möller, der leider nicht da ist, zu sagen.

    (Zuruf von der SPD: Ich sage es ihm weiter! — Heiterkeit.)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir waren etwas bestürzt über die Ausführungen des Kollegen Möller, aus denen wir ersehen haben, daß er sowohl das, was Dr. Dehler gesagt hat, wie auch meinen Zwischenruf bedauerlicherweise falsch aufgefaßt hat, anders, als wir ihn aufgefaßt wissen wollten.

    (Abg. Fellermaier: Wir alle haben es auch so aufgefaßt, nicht nur der Kollege Möller!)

    3752 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Dezember 1966
    Dr. Starke
    — Nein, das betrifft ja auch nicht den Kollegen Möller. Ich nahm natürlich an, daß es bei der SPD so aufgefaßt worden ist. Ich habe nur den Kollegen Möller erwähnt, weil er gesprochen hat.

    (Abg. Fellermaier: Wir haben gut zugehört! — Zuruf von der FDP: Das wollen wir hoffen!)

    Das Wort „koalitionswürdig" ist sicherlich ein Wort, das an dieser Stelle nicht paßt. Ich habe mir aber bis jetzt und auch noch einmal zusammen mit Dr. Dehler überlegt, daß es in der Tat kein anderes Eigenschaftswort gibt, das ausgedrückt hätte, was Dr. Dehler ausdrücken wollte. Er wollte nicht verletzen. Was Dr. Dehler gesagt hat, war doch eine ganz sachliche Feststellung.

    (Zurufe von der SPD: Na, na!)

    Er hat gesagt: Damals, 1949, bestanden Gemeinsamkeiten staatspolitischer Art; aber es bestanden sachliche Gegensätze, insbesondere hat er gesagt — auf wirtschaftspolitischem Gebiet. Das hat er dann in dem Wort „nicht koalitionswürdig" zusammengefaßt, ohne das in dem Sinne zu meinen, wie es hier aufgefaßt worden ist. Als ich meinen Zwischenruf machte, es sei vornehm gemeint gewesen, hat auch das leider eine falsche Wirkung gehabt, die wir nicht beabsichtigt haben. Ich wollte damit zum Ausdruck bringen, daß Dr. Dehler das in einem vornehmen Sinne gemeint hatte und nicht in einem abwertenden Sinne. Deshalb tut es uns leid, daß das so aufgefaßt worden ist. Ich kann nur die Erklärung abgeben: Das war nicht beabsichtigt, und das ist, von uns aus gesehen, ein Mißverständnis gewesen, das wir bedauern. — Es tut mir leid, daß der Kollege Möller nicht da ist. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie es ihm übermittelten.
    Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, zu den Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Wir haben bedauerlicherweise denjenigen, dessen Auffassung heute ganz besonders zur Debatte stehen muß, den Herrn Bundeswirtschaftsminister, nicht unter uns. Das ist natürlich bei einer so wichtigen Debatte, in der gerade der Teil erörtert werden muß und schon von zwei Rednern erörtert worden ist, der von ihm stammt, sehr zu bedauern.
    Für uns stellt sich die Frage, ob, wie es Kollege Schmidt gesagt hat, als er von dem neuen Anfang sprach, auch in der Wirtschaftspolitik ein neuer Anfang sein soll.