Rede von
Dr.
Wolfgang
Rutschke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Entschuldigen Sie, ich bin nicht Mitglied des Haushaltsausschusses. Ich habe meine Worte nicht gegen diesen gerichtet, weil auf der anderen Seite gesagt wurde, daß wir damit unter Umständen die Verabschiedung des dritten Neuordnungsgesetzes unmöglich machen. Das ist etwas anderes. Es gibt aber das Institut, daß man in einer zweiten und dritten Lesung Anträge einbringt. Von diesem Recht, Herr Kollege Maucher, werden wir in Zukunft immer wieder Gebrauch machen, weil das unser Recht und unsere Pflicht ist.
Lassen Sie mich dazu aber noch folgendes sagen. Sie haben bei den Neurenten jedes Jahr eine automatische Anpassung, Sie haben bei den Altrenten gleichfalls jährlich eine fast automatische Anpassung. Beim Bundesentschädigungsgesetz haben Sie durch die Bindung an die Beamtengehälter eine unbemerkte Erhöhung. Wir wollten jetzt, daß für die Kriegsopfer wenigstens alle zwei Jahre eine Überprüfung stattfindet, damit dann ein entsprechendes Gesetz — was durchaus in der Hand der Bundesregierung liegt — eingebracht wird. Das haben Sie abgelehnt.
— Dann hätten Sie dem Antrag zustimmen können. So kann man nicht argumentieren, meine Herren; draußen erzählen Sie etwas anderes, als Sie hier im Bundestag tun.
Meine Damen und Herren, namens der FDP-Fraktion darf ich folgende Erklärung abgeben:
Im „Bulletin" des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 25. Mai 1965 heißt es, daß die Bundesregierung nach eingehender Beratung folgenden Beschluß gefaßt hat — dieser Beschluß wurde im Jahre 1965 von der viel geschmähten Regierung Erhard gefaßt —:
Die Bundesregierung ist sich ihrer Verpflichtung gegenüber den Kriegsopfern bewußt und ist bestrebt, deren Versorgung würdig und gerecht weiterzuentwickeln. Sie ist daher bereit, im Haushaltsjahr 1966 dem Bundesrat und Bundestag ein Drittes Neuordnungsgesetz vorzulegen, das die Grundlage bilden soll für eine laufende Angleichung der Rentenleistungen in zweijährigem Abstand — erstmals also
im Jahre 1968. Die Angleichung soll unter Be-
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Dr. Rutschke
rücksichtigung der Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und des realen Wachs-turns der Volkswirtschaft vorgenommen werden. Damit wird es möglich, unter Wahrung der Währungsstabilität das Kriegsopferrecht fortschrittlich und zeitgemäß auszubauen.
Das 1965 angekündigte Dritte Neuordnungsgesetz liegt uns nunmehr zur Verabschiedung vor. Es ist ein Dokument des guten Willens aller im Bundestag vertretenen Parteien, aus der gegebenen Haushaltssituation heraus das optimal Mögliche für die Kriegsopfer zu tun.
Wir Freien Demokraten glauben allerdings, daß man den Kriegsopfern Unrecht täte, wenn man die materiellen Probleme allein als ihr ausschließliches und zentrales Anliegen betrachten wollte. Worauf die Kriegsopfer mit Recht gewartet haben und zum Teil heute noch warten, ist die Antwort auf die Frage, welchen Rang und welche Stellung das Kriegsopferrecht innerhalb unseres sozialen Leistungssystems und dessen Entwicklung in der Zukunft einnehmen soll. Damit komme ich zurück auf den Kern des zitierten Beschlusses der Bundesregierung.
Was bei den Betroffenen — psychologisch verständlich — immer wieder Unruhe schafft und ein Gefühl der Benachteiligung hervorruft, ist einmal die Unterschiedlichkeit der Leistungen in den verschiedenen Bereichen bei zwar ungleichen Schadensursachen, aber vergleichbaren Schäden und Schadensfolgen, zum anderen eine Entwicklung, die
diese Schere der Disparität nicht schließt, sondern immer weiter öffnet. Man muß diese psychologischen Momente einfach mit sehen.
Wir Freien Demokraten wollen in diesem Zusammenhang jedoch anerkennen, daß der derzeitige Arbeitsminister, Hans Katzer, im Gegensatz zu seinem Vorgänger, Theodor Blank, durch seine Persönlichkeit das gestörte Verhältnis zwischen Kriegsopfern und dem verantwortlichen Ressort wieder in positive Bahnen gelenkt hat.
Es ist der Wunsch der FDP, daß dieses Dritte Neuordnungsgesetz zum 1. Januar 1967 in Kraft treten kann. Wir bedauern allerdings, daß mehrere Vorschläge der FDP durch die neue Koalition im Ausschuß abgelehnt worden sind. Wir hatten vorgeschlagen, eine weitere Stufe für die Schwerstbeschädigten einzuführen, weil wir glaubten, daß gerade bei diesem Personenkreis eine möglichst umfangreiche Differenzierung entsprechend der Schwere der Beschädigung und entsprechend den Schwierigkeiten der Pflege gerechtfertigt wäre.
Wir begrüßen, daß auch dieses Dritte Neuordnungsgesetz in einer Reihe von Punkten neben den pauschalen Verbesserungen die soziale Situation des einzelnen und den Schaden, den er oder seine Angehörigen erlitten haben, in einer besseren Weise als bisher berücksichtigt.
Wir hätten es bei Anerkennung aller systematischen Bedenken ebenfalls gern gesehen, daß für die Kriegereltern im Bedarfsfalle die Kriegsopferfürsorge zuständig geworden wäre. Wir. wollen die Leistungen der Sozialhilfe und der in ihr beruflich
Tätigen keineswegs schmälern. Aber es ist doch eine Tatsache, daß sich viele dieser Eltern, die in schwierige Verhältnisse geraten, eher einmal auf den Weg zur Kriegsopferfürsorge als zur Sozialhilfe machen. Man wird dieses Problem in Zukunft noch einmal eingehend diskutieren müssen.
Wenn wir von kleineren Dingen absehen, so waren es im wesentlichen zwei Bereiche, die echten reformerischen Charakter hatten und dem Namen „Drittes Neuordnungsgesetz" Rechnung trugen: einmal die Neuregelung der Anrechnungsbestimmungen und zum anderen eine Bestimmung über die Zeiträume, in denen die Leistungen angepaßt werden sollten. Wir müssen leider feststellen, daß von diesen beiden wesentlichen neu geplanten Regelungen nur eine Eingang in das Gesetz finden wird. Die FDP hat im Ausschuß versucht, — und das haben wir auch jetzt wieder getan —, wenigstens den Vorschlag des Bundesrates zur eventuellen Rentenanpassung in das Gesetz zu bringen. Wir sind enttäuscht darüber, daß die Koalitionsfraktionen sich nicht einmal zu einer Empfehlung an die Bundesregierung bezüglich Vorlage eines Berichts bis Ende 1968 haben durchringen können. Wir werden eine soziale Befriedung im Innern so lange nicht haben, als die Entwicklungen in den einzelnen Sektoren so kraß wie bisher auseinanderlaufen. Über diese Probleme wird noch im Zusammenhang mit der Diskussion über die Regierungserklärung eingehend zu sprechen sein.
Dieses Gesetz enthält — das muß in aller Deutlichkeit festgestellt werden — nach dem Willen der neuen Koalition im Hinblick auf die künftige Entwicklung weniger, als durch die frühere Bundesregierung in der Erklärung vom 11. Mai 1965 — veröffentlicht im Bulletin — versprochen wurde. Wir müssen dabei deutlich sehen: die Kriegsopferversorgung ist nicht allein ein Problem aus der Vergangenheit, sie ist auch ein Problem für die Gegenwart und noch mehr ein Problem für die Zukunft. Sie ist nicht nur eine Frage der Anerkennung der Opfer, die gebracht werden mußten, sondern auch der Opfer, die von den gegenwärtigen und künftigen wehrpflichtigen Soldaten und Soldaten auf Zeit unter Umständen noch gebracht werden müssen. Sie ist damit auch ein zentrales Problem der Verteidigungsbereitschaft der jungen Generation und ein Maß für das, was an Verteidigungsbereitschaft und Verteidigungswillen gefordert und erwartet werden kann.
Ich weiß nicht, was von der SPD gemeint war, als — so wurde es gesagt — von der Notwendigkeit eines Abschlußgesetzes gesprochen worden ist. In der bereits zitierten Mitteilung der Bundesregierung von 1965 waren die Bedingungen genannt, die erfüllt werden müssen, damit der Kriegsopferversorgung in der Zukunft der gleiche Rang wie anderen sozialen Bereichen eingeräumt werden kann. Sie sind mit diesem Dritten Neuordnungsgesetz noch nicht geschaffen worden. Sie stehen als weitere Aufgabe vor uns. Wir Freien Demokraten sehen es. Wir glauben aber trotzdem, daß in der momentanen Situation dieses Gesetz als Ausdruck des guten Willens aller Fraktionen dieses Hauses gegenüber
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den Kriegsopfern anzuerkennen ist. Wir werden ihm daher zustimmen.