Ich kann Ihnen dazu nur antworten — wenn Sie das unbedingt hören wollen —, daß bezüglich des Verhältnisses Bund—Länder nach den Vorstellungen, die eine Partei dieses Hohen Hauses und wir entwickelt hatten, auch eine zeitweilige Mehrheit in diesem Hohen Hause bestanden hat.
In dem Deckungsvorschlag, den Ihr Kollege Leicht angezogen hat, konnte darüber nichts gesagt werden, weil damals eine generelle Festlegung bestand, nach der der Bundesanteil eben höher als jetzt war. Deshalb konnte das dort nicht vorgesehen sein.
Die Lösungsvorschläge, die dann aber hier mit den Sozialdemokraten erarbeitet waren und denen wir zugestimmt hatten, hätten nicht nur dieses Problem gelöst, sondern sie hätten auch — um einmal diese Legende zu zerstören — den Gemeinden 500 Millionen DM gebracht. Dem hatten wir zugestimmt, — damit in der SPD nicht der Glaube besteht, wir hätten den Gemeinden nichts geben wollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich den Satz noch einmal aufgreifen. Wir hatten mit der Sozialdemokratischen Partei in einem Gespräch eine Einigung über diese 500 Millionen DM für die Gemeinden im Rahmen der Regelung des Verhältnisses Bund—Länder erzielt. Meine verehrten Kollegen von der SPD, wenn Sie das nicht gehört haben, sage ich es Ihnen hiermit. Das war eine Vereinbarung, die praktisch von beiden Seiten mit gleicher Intensität gebilligt worden war. Der Gedanke stammte von den Sozialdemokraten, wir haben ihn für richtig gehalten und wollten das mitmachen. Wenn also jemand sagt, wir hätten das nicht mitmachen wollen, ist es schlichtweg falsch. Ich glaube, es ist notwendig, einige dieser Punkte einmal aufzuklären. Es ist vielleicht auch ganz gut, daß gerade ich das mit meinem Namen tue.
Nun möchte ich Ihnen sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß wir mit den beiden Gesetzen, die wir heute verabschiedet haben, dem Steueränderungsgesetz und dem Finanzplanungsgesetz, auf einem richtigen Wege waren und auf einem richtigen Wege sind. Wir müssen die Ausgabenstruktur des Bundeshaushalts verändern. Dort müssen wir zuerst ansetzen und weiter ansetzen. Ohne diese Arbeit wird es keine Lösung der Probleme geben. Wir haben die Steuererhöhungen für 1967 deshalb abgelehnt, weil sie zur Deckung nicht erforderlich waren und weil diese Steuererhöhungen in unseren Augen insbesondere dazu beitragen, daß die Veränderung der Ausgabenstruktur des Bundeshaushalts nicht in genügendem Umfang und nicht zeitgerecht in Angriff genommen wird.
Wir haben darüber, wie Sie ja wissen, eine Übereinstimmung mit der Sozialdemokratischen Partei erzielt gehabt. Es war für mich eine ganz besondere Genugtuung, daß das in dem Gespräch gelungen war. Wir hatten in diesem Punkt eine gemeinsame Meinung.
Ich möchte nur mit einem Satz darauf verweisen, daß ich mir bereits 1961/62 erlaubt hatte, darauf aufmerksam zu machen, welchen Weg wir insgesamt bei der Ausgabenstruktur des Bundes gehen sollten. Alle drei Parteien haben dann gemeinsam im Jahre 1965 die Lage noch ungewöhnlich verschlechtert und verschärft. Nachdem das von allen drei Parteien beschlossen worden war, mußte man den schweren, langwierigen Weg gehen, diese Ausgaben durch Gesetzesänderungen wieder so einzudämmen, daß der verbleibende Rest, der ja jährlich um Milliardenbeträge steigt, wirklich bezahlt werden kann, und zwar in wertbeständigem Geld. So kam es denn damals zu dem Haushaltssicherungsgesetz 1965. Das war eine schwierige Lösung, aber eine gute Lösung. Die Sozialdemokratische Partei hat damals diesem Gesetz ihre Stimme versagt. Diesmal stimmt sie der Fortsetzung des Weges durch das Finanzplanungsgesetz und das Steueränderungsgesetz zu. Das ist, so möchte ich einmal offen sagen, der Ausdruck dafür, daß das ganze Hohe Haus eingesehen hat, daß man nur von der Ausgabenstruktur her an die Finanzfragen herankommt. Der Nachtragshaushalt, der dann noch zu behandeln ist, geht genau in die-. selbe Richtung.
Festhalten müssen wir nur noch einmal, daß das kein Weg ist, den man in Kürze zurücklegen kann. Das ist ein Weg, für den man lange Zeit braucht, ein Weg, wo man Jahr für Jahr wieder die Sonde wird anlegen. müssen: Wie komme ich dazu, die Ausgaben auf ein Ausmaß zu bringen, das ich abdecken kann? Im Oktober des Jahres 1966 hatten wir den festen Eindruck — und er hat sich dann bestätigt —, daß unser Koalitionspartner, die CDU; CSU, diesen Weg in der bisherigen Form nicht mehr mit uns weitergehen und zu schnell, zu zeitig in die Steuererhöhungen ausweichen wollte. Das war der Grund für die Situation, in der wir im Oktober dieses Jahres standen. Wir betonen, daß wir der Meinung sind, auch Sie werden auf diesen zunächst gemeinsam gegangenen Weg wieder zurückkehren müssen. Ich halte mich noch immer an den Satz, den ich 1961/62 aufgestellt habe, daß wir — und das werden Sie noch sehen — in unserer Situation nicht zu wenig Einnahmen haben, sondern zu viel Ausgaben.
So werden wir vorgehen müssen. Die Steuererhöhungen in dem bisherigen Umfang und in dem weiteren Umfang, der unausbleiblich folgen wird, werden die Probleme nicht lösen, auch dann nicht, wenn sie in dem Umfange vorgenommen werden, wie er uns im Oktober vorgetragen worden ist: Erhöhungen bei der Alkoholsteuer, der Mineralölsteuer, der Tabaksteuer und Ergänzungsabgabe auf die Körper-
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schaft-, Einkommen- und Lohnsteuer. Davon sind wir überzeugt. Man kommt um die Änderung der Ausgabenstruktur nicht herum.
— Herr Bundesfinanzminister Strauß hat nach Zeitungsveröffentlichungen von maßvollen Erhöhungen der Verbrauchsteuern gesprochen. Einen ersten Ansatz haben wir heute hier kennengelernt. Sie haben weiterhin gesagt, Herr Bundesfinanzminister, daß 1967 die Finanzprobleme gelöst werden müßten; man könne diese Lawine nicht mehr vor sich herschieben. Sie haben dann allerdings angefügt — und davon war ich überrascht, und das wollte ich gern hier einmal festhalten —, daß ja dann am 1. Januar 1968 die Mehrwertsteuer komme, und dann könnte man den Rest der Finanzprobleme lösen. Nun, damit wären wir nicht einverstanden. Denn wenn diese Reform der Umsatzsteuer, die ja primär nicht in Angriff genommen wurde, um höhere Einnahmen zu erzielen, einmal kommt, dann hat man doch jedenfalls bisher nur ganz vorsichtig daran gedacht, daß man die so veränderte Steuer einspannen könnte, um Fragen der Finanzreform zu lösen; auf keinen Fall aber etwa, um Haushaltsdefizite abzudecken.
Ich wäre dankbar, wenn der Herr Bundesfinanzminister hierzu eine Feststellung treffen könnte. Ich gebe allerdings zu, daß diese Feststellung auch deshalb wünschenswert ist, weil ich das nicht geschrieben gelesen habe. Ich habe es nur durch einen Zufall aus einer Fernsehsendung entnommen. Immerhin schien es mir wichtig, darüber zu sprechen.
Wir haben auch das Bedenken, daß die Lösung, die bei der Mineralölsteuer gefunden worden ist, keineswegs allen Gemeinden zugute kommt, während die Lösung, die wir mit der Sozialdemokratischen Partei gefunden hatten, allen Gemeinden zugute gekommen wäre, wobei wir das Weitere gemeinsam in die Finanzreform hinein vertagen wollten. Das ist eine Frage, in der wir nach wie vor unsere Übereinstimmung für den richtigen Weg halten und das, was jetzt gemacht wird, für ein Stückwerk, das unsystematisch in die Finanzreform hineingreift und sie sogar schon in einer gewissen Weise gefährdet. Das ist meine Meinung und die Meinung meiner Fraktion, die ich hier zum Ausdruck bringen möchte.
Es verbleibt mir nur noch, darauf hinzuweisen, daß Sie bei dem Weg, den Sie eingeschlagen haben, um weitere Steuererhöhungen nicht herumkommen werden und daß Steuererhöhungen in dieser Phase der wirtschaftlichen Entwicklung, in der wir uns befinden, falsch sind, und zwar sowohl die Erhöhung der Verbrauchsteuern wie die Erhöhung etwa der Einkommensteuer, der Ertragsteuern auf dem: Wege über die Ergänzungsabgabe. Sie erhöhen damit bei diesen Steuern direkt, bei den Verbrauchsteuern indirekt die Lasten auch für die Wirtschaft. Wenn wir in eine stabilere Entwicklung hineinkommen wollen, dann ist gerade dieses Anheizen zu weiteren Einkommenserhöhungen über die Steuererhöhungen, nämlich die Verbrauchsteuern, ein sehr schlechter Weg, den Sie bestimmt einmal bereuen werden — und wir mit Ihnen, obwohl wir jetzt vor diesem Weg gewarnt haben.
Ich möchte an dieser Stelle bezüglich der Steuererhöhungen nur einmal folgendes sagen. Wir haben dem Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der CDU/CSU zur dritten Beratung zugestimmt; er betrifft die Abwendung der nachteiligen Wirkungen der Mineralölsteuererhöhung. Herr Müller-Hermann sitzt unter mir; er weiß das natürlich genau. Das nennt man Sand in die Augen streuen. Wir haben diesem Antrag zugestimmt. Sie sollen die Sache verfolgen. Aber Sie wissen doch genau, daß Sie die nachteiligen Wirkungen der Mineralölsteuererhöhung, die von uns erwähnt worden sind, nicht werden beseitigen können. Das ergibt sich aus der internationalen Lage, das ergibt . sich aus der Rechtslage. Das wird nicht gehen. Es müßte im übrigen zu Subventionen führen, wenn Sie es täten. Das wäre dann wieder sinnlos, weil Sie nicht Steuern erhöhen und den Ausgleich durch Subventionszahlungen finden können.
— Verehrter Herr Müller-Hermann, wie Sie das auch immer nennen wollen, das kostet doch Geld. Sie brauchen es nicht „Subventionen" zu nennen. Aber es kann doch nicht geleugnet werden.
Nun, wir werden sehen, wie weit Sie mit dem Entschließungsantrag kommen. Meine persönliche Auffassung ist jedenfalls, daß die Methode, solche Entschließungsanträge zu verabschieden, wie Sie sie jetzt einzuführen beginnen, nicht weiterführt, daß Sie nämlich etwas machen, was, wie Sie selber vor der Öffentlichkeit zugeben, scheitern wird. Damit werden Sie die Probleme nicht lösen können.
Ich möchte nun zum Schluß kommen. Wir müssen bei den öffentlichen Finanzen, über die wir heute sprechen, zu einer Ordnung kommen. Das bleibt die vordringlichste Aufgabe. Was wir heute getan haben, ist nur ein erster Schritt. Sie werden den Weg, den wir vorgeschlagen haben, die Ausgabenstruktur des Bundeshaushalts auch für 1967 noch weiter zu verändern, gehen müssen, auch wenn Sie, meine Kollegen von der CDU/CSU, im Oktober 1966 nicht gewollt haben. Die Verhältnisse werden Sie zwingen, das zu tun. Täten Sie es nicht, und würde man sich darauf verlassen, daß man die Haushaltsdefizite über den Kapitalmarkt in irgendeiner Weise abdecken kann, dann würden wir die zarte Pflanze des Kapitalmarkts, von dem wir hoffen, daß er sich im Frühjahr etwas entwickelt, sofort wieder zudecken und damit töten.
— Das hat mit dem Kapitalmarkt nichts zu tun, Herr Barzel. Ich bin aber bereit, auch darüber mit Ihnen zu sprechen.
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— Sie war nicht dagegen, weil es gar nicht mit ihr besprochen worden ist. Die Bundesregierung hat die Sache nicht entschieden.
— Nein, es ist nicht aufgegriffen worden. Der Bundeskanzler Erhard hat mir gesagt, daß er es nicht besprochen hat.
— Es steht Behauptung gegen Behauptung.
— Nein, ich bin nicht in der Regierung gewesen. Ein Gespräch zwischen mir und dem Bundeskanzler war zu diesem Zeitpunkt, im November etwa, kein Regierungsgeheimnis, Herr Kollege Schmidt.
— Ich stelle nur fest, daß Ihr Ausdruck „ausplaudern" falsch und unangemessen ist, nachdem ich mich bemüht habe, es Ihnen eben klar zu machen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, an dieser Stelle möchte ich noch einen einzigen Punkt aufgreifen. Ich habe von den Belastungen gesprochen, die auf die Wirtschaft aus Steuererhöhungen kommen, auch aus Verbrauchsteuererhöhungen, aber, wenn Sie weitergehen, auch aus der Erhöhung der Ertragsteuern. Wer glaubt, daß man allein über die Aufhebung von Kreditrestriktionen die Investitionen wieder in Gang bringen kann, der möge nicht vergessen, daß heute schon in der Wirtschaft Situationen bestehen und sich wöchentlich und monatlich weiter entwickeln, die nicht nur mit den Kreditrestriktionen zu tun haben. Wir haben eine Kostenbelastung in der Wirtschaft geschaffen, die sich mit der Abkühlung der Gesamtkonjunktur nicht verträgt. Das lähmt die Investitionslust.
Aus diesem Grunde möchten wir Ihnen von der Opposition her noch einmal sagen: Seien Sie ganz vorsichtig bei allen Maßnahmen, die neue Belastungen bringen, ob sie direkt oder indirekt die Wirtschaft treffen! Das möchten wir Ihnen ans Herz legen aus einem einfachen Grund. Es geht hier darum, Klarheit zu gewinnen darüber, daß alle diese Fragen, die wir hier behandeln, in unserer Situation letzten Endes finanzpolitische, haushaltspolitische und währungspolitische Fragen sind, die entscheidende Auswirkungen haben einmal auf den Geldwert, zum anderen aber auch auf die Arbeitsplätze in unserer Wirtschaft. Das sind die Fragen, über die wir eigentlich sprechen, wenn wir hier diese Vorgespräche zum Haushalt führten und dann den Haushalt selbst behandeln werden.