Rede von
Dr.
Karl
Mommer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte namens meiner Fraktion, die heutige Tagesordnung durch unseren Antrag betreffend Vertrauensfrage des Bundeskanzlers — Drucksache V/1070 — zu ergänzen, und zwar bitte ich, diesen Antrag als Punkt 2, also nach der Fragestunde, zu behandeln.
Gleich wird hier der Versuch gemacht werden, durch verfassungsrechtliche Argumentation die Debatte und die Abstimmung über unseren Antrag zu verhindern. Dabei wird allerdings bewußt und gewollt das politische Wesen unseres Antrages verkannt und der Punkt, um den es wirklich geht, verfehlt werden.
Es geht bei unserem Antrag nicht um die verfassungsmäßigen Rechte des Bundeskanzlers, die von uns nicht bestritten werden und nicht beschnitten werden sollen. Es geht darum, meine Damen und Herren, die verfassungsmäßigen Rechte und Pflichten des frei gewählten Deutschen Bundestages zu wahren.
*) Siehe 69. Sitzung, Seite 3237
Er muß seine Meinung sagen können. Er muß Gelegenheit haben, seinen Willen kundzutun und in einem Beschluß zu formen. Das ist der Gegenstand unseres Antrages.
Wir dürfen doch nicht schweigen — wir, die deutsche Volksvertretung — und untätig sein, wenn die Krise in unserem Land so schwer ist — eine Finanzkrise, Krisenerscheinungen in der Wirtschaft — und, begünstigt durch die fortschreitende Abnahme der Autorität der Regierung in Bonn, der Neonazismus sein Haupt erhebt.
Wir dürfen nicht schweigen und untätig sein, wenn wir Zeuge davon sind, wie täglich das Ansehen dieses Landes im Ausland gemindert wird.
Der Bundeskanzler hat nach dem Grundgesetz das Recht, nur einem konstruktiven Mißtrauensvotum zu weichen. Er wird in diesen Tagen manches darüber dazugelernt haben, wie groß der Unterschied zwischen dürren verfassungsrechtlichen Bestimmungen und der Lebensfülle der politischen Wirklichkeit ist, auch in Ihren Reihen.
Es ist Pflicht des Deutschen Bundestages, hier seine Sorge auszudrücken und zu verhindern, daß das Land weiter Schaden nimmt. Wir müssen auf das Ende des grausamen Spiels drängen. Das ist der Sinn unseres Antrags. Unser Antrag ist kein juristisches, sondern ein politisches Dokument.
Wer hier versucht, mit formaljuristischen Argumenten unseren Antrag abzutun, der versucht in Wirklichkeit, sich, obschon er Vertreter des beunruhigten Volkes ist, der parlamentarisch-politischen Verantwortung zu entziehen.
Deshalb noch einmal die Bitte, unseren Antrag als Punkt 2 auf die Tagesordnung zu setzen.