Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Liehr, ich wäre eigentlich versucht wenn dadurch nicht eine Verzögerung eintreten würde, die die abendliche Freizeitgestaltung in Gefahr bringen könnte —, auf Ihre vielen Bemerkungen jetzt näher einzugehen. Ich melde aber jetzt schon an, daß wir uns in ,den Ausschußberatungen über diese nicht unibedeutenden Bemerkungen, mit denen Sie die verschiedenen Handwerkszweige angesprochen haben, sehr eingehend unterhalten werden.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode 67. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Oktober 1966 3207
Porten
Ich darf nun aus dem Blickfeld des Handwerkers noch einige Bemerkungen zu dem anstehenden Thema machen. Ich glaube, es ist notwendig, daß wir gerade aus der Sicht des Handwerks, wo das Ziel vor uns liegt, ein einheitliches Berufsausbildungsgesetz zu finden, in dieser Stunde trotz der vorgeschrittenen Zeit noch einige Anmerkungen machen.
In Industrie, Handel, Handwerk, im Bank- und Versicherungsgewerbe, bei den freien Berufen und in der Landwirtschaft hat sich das Berufsausbildungswesen in der Vergangenheit jeweils eigenständig entwickelt und mußte sich so entwickeln, um den Besonderheiten der verschiedenen Wirtschaftsbereiche zu entsprechen.
Als man die Gewerbeordnung schuf, hat man die Ausbildung in Industrie und Handwerk gemeinsam geregelt. Bald hat sich jedoch gezeigt, daß im Handwerk der Zusammenhang der Berufsausbildung mit den anderen handwerksrechtlich geregelten Bereichen — nämlich Berufsausübung und Berufsorganisation — so eng ist, daß man die Berufsausbildungsvorschriften für das Handwerk zu einem eigenen Bestandteil des Gesetzes machte. Der Prozeß der rechtlichen Neuordnung des Handwerks hatte 1953 durch die Handwerksordnung ihren Höhepunkt gefunden. Seitdem besteht für einen ganzen geschlossenen Wirtschaftsbereich eine gesetzliche Regelung, deren Güte, Zweckmäßigkeit und Erfolg wohl kaum in Zweifel gezogen werden können. Die Novellierung 1965 hatte zum Ziel, auf Grund der bei den allgemeinen Verwaltungsbehörden sowie bei den Handwerkskammern gewonnenen Erfahrungen Änderungen und Verbesserungen einzubauen und vor allem, wie es das Handwerk seit je getan hat, seine Berufsordnung der modernen Entwicklung anzupassen.
In diesem Rahmen wurde deshalb auch der Berufsausbildungsteil novelliert, weil, wie aus dem Bericht des Ausschusses für Mittelstandsfragen hervorgeht, „für den Ausschuß der unverkennbare innere Zusammenhang zwischen Berufsausübung und Berufsausbildung für die dringend notwendigen Korrekturen maßgebend gewesen ist".
Dem steht die Forderung nach einer gesetzlichen Regelung der Berufsausbildung für alle Wirtschaftsbereiche, wie sie vom Mittelstandsausschuß des letzten Bundestages erhoben wurde, nicht entgegen. Die Frage ist jetzt nur, ob man, um die Berufsausbildung in allen Bereichen zu regeln, bewährte Regelungen ändern muß oder ob man, der Besonderheit des Handwerks Rechnung tragend, diesen Bereich dort belassen soll, wo er seiner Bedeutung nach hingehört, nämlich in der Handwerksordnung, oder aber ob man die Bestimmungen der Handwerksordnung geschlossen in diese neu zu findende gesetzliche Ordnung hineinnehmen soll.
Ich betone in dieser Stunde ausdrücklich, das Hauptelement der Ordnung des Handwerks ist, daß das selbständige Handwerk nur von solchen Personen ausgeübt werden darf, die den Nachweis der Befähigung für ihr Gewerbe erbracht haben. Dieser Befähigungsnachweis beruht ausschließlich auf der
Ordnung der Berufsausbildung des Handwerks. Die Regelung der Berufsausbildung in den einzelnen Handwerken ist also die entscheidende Grundlage für die Regelung der selbständigen Handwerkerausübung. Sie bestimmt auch die Funktionen der Handwerksorganisation und die gesetzlich geregelte Mitwirkung der Gesellen.
Von Bedeutung ist hierbei die soziale Schichtung des Handwerks, das nicht in Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegliedert ist, sondern in Lehrling, Geselle und Meister, wobei ein Überwechseln in die jeweils nächste, höhere Stufe jedem im Handwerk Tätigen möglich ist. Eine Berücksichtigung dieser Besonderheit des Handwerks ist für viele Wirtschaftsbereiche bedeutungslos, für das Handwerk jedoch eine Existenzfrage.
Der Entwurf der SPD ist für das Handwerk und darüber hinaus für die Gesamtwirtschaft — ich will es sehr vorsichtig ausdrücken, meine Herren von der SPD, besonders Herr Kollege Behrendt — sehr problematisch. Man muß hier die Tätigkeit der Selbstverwaltungsorgane der Wirtschaft einmal näher betrachten und man muß prüfen, ob man nicht mit einem gewaltigen Aufwand an Apparatur und Finanzmitteln der öffentlichen Hand und der bekannten Schwerfälligkeit bei einer bürokratischen Abwicklung etwas anstrebt, was vielleicht im letzten als gemeinsames Ziel nicht zweckmäßig wäre. Der Entwurf der CDU/CSU-Fraktion bewahrt zwar diese Rechte mehr in 'der Selbstverwaltung und gibt dem Staat lediglich die Zuständigkeit für den Erlaß der Ordnungsmittel.
Ich möchte abschließend sagen, daß noch zu prüfen ist, ob die schon erwähnten Zusammenhänge ausreichend berücksichtigt sind: a) Geschlossenheit der Handwerksordnung, b) Zusammenhang von Berufsausbildung, Berufsausübung und Berufsorganisation im Handwerk und c) Mitwirkung der Gesellen im Rahmen der Innungen und Handwerkskammern bei der Berufsausbildung. Wir müssen diese Zusammenhänge bei den kommenden Ausschußberatungen sehr ernsthaft prüfen. Gewachsene geschlossene Ordnungen sollten ohne Not nur dann geändert werden, wenn sie sich hier nicht bewährt haben. In der Handwerksordnung hat sich die Berufsausbildung bestens bewährt.