Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei dieser Gesetzesvorlage, die heute hier in erster Beratung zur Diskussion gestellt ist, handelt es sich um ein ausgesprochen politisches Gesetz. Es geht bei diesem Gesetz darum, die Grundrechte, die wir haben — nämlich die Freiheit von jeglicher Zensur, die Pressefreiheit, die Informationsfreiheit —, die uns ganz selbstverständlich sind, gerade auch für eine gegenüber dem Bundestag und seinem Tun sehr kritische Presse dahin gehend zu nutzen, daß sie eingebettet in unsere gesamtdeutsche Politik daran mitwirken, daß auch die Bürger und Bürgerinnen im anderen Teil Deutschlands merken, was eine freiheitliche Presse bedeutet. Für uns ist das ganz selbstverständlich. Aber in allen autoritären Staaten gibt es keine Pressefreiheit, gibt es keine Informationsfreiheit. Die Zensur herrscht dort. Da gibt es nur eine regierungsfromme Presse. Wie wirkt es gerade auf die Zonenbevölkerung, wenn sie sieht, in welcher Weise wir in unserem demokratischen Staat gegebenenfalls kritisiert werden, wie hier der Hauch der Freiheit überall zu spüren ist! Man sollte dieses politische Moment in gar keine Weise unterschätzen, wenn es darum geht, die Wege zu finden, die gefunden werden müssen, um einen derartigen Zeitungsaustausch zu ermöglichen — Zeitungsaustausch ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort —, um die Möglichkeit, Zeitungen vom Westen nach dem Osten zu bringen, in einem anderen Umfang zu gewährleisten, als das heute der Fall ist.
Dieses Gesetz ist als ein Zeitungsaustauschgesetz bezeichnet worden. Herr Kollege Heinemann hat mit Recht darauf hingewiesen, daß mit der Gegenseitigkeit als Bedingung eine Grundfrage angeschnitten ist und daß wahrscheinlich sehr erhebliche Diskussionen darüber entstehen werden, Herr Bundesminister, ob die Gegenseitigkeit tatsächlich zur Bedingung für die Handhabung des Gesetzes gemacht werden soll. Wir Freien Demokraten sind der Auffassung, man soll nicht unnötig Bedingungen setzen, man soll sich nicht vorzeitig die Hände binden. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Gegenseitigkeit verlangt oder nicht verlangt werden soll, muß das Kriterium sein, ob das im Rahmen unserer gesamtdeutschen Politik richtig ist oder nicht richtig ist, nützlich ist oder nicht nützlich ist.
Wir sind .der Meinung, daß wir, gerade weil wir hier die freiheitliche Demokratie haben, gegenüber den Kommunisten der SED in der Zone durchaus großzügig sein können. Ich stimme dem Herrn Bundesjustizminister wie auch dem Herrn Kollegen Heinemann in vollem Umfange zu: wir brauchen wahrhaftig keine ernstliche Gefährdung unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu befürchten, wenn die Druckerzeugnisse — ein nicht sehr populärer Ausdruck für Zeitungen, aber er umfaßt ja mehr als nur Zeitungen, er umfaßt auch andere Schriften — mit ihrer kommunistischen Propaganda hierher kommen. Die Kommunistische Partei ist — erinnern wir uns doch! —, bevor sie verboten war, demokratisch aus den Parlamenten her-ausgewählt worden. 'Das hat gezeigt, daß unser
Volk tatsächlich gegen den Kommunismus immun ist. Ich glaube, es ist jetzt noch stärker immun, als es seinerzeit war. Unsere freiheitliche demokratische Grundordnung hat sich entschieden gefestigt.
Wir sind allerdings weiterhin der Meinung, daß man 'dieses Gesetz nicht nur für sich allein sehen darf. Wenn mit diesem Gesetz jetzt ein Weg gefunden wird, unter Ausschaltung von bestimmten Straftatbeständen für Zeitungen einen Austausch zu ermöglichen, so muß man aber doch weiter gehen. Man muß doch auch sehen, wie wichtig es ist, auch die materiellen Straftatbestände, die heute hindern, einzuschränken. Das ist das Problem der Reform des materiellen Staatsschutzrechts, mit der wir uns zur Zeit in dem Sonderausschuß für die Strafrechtsreform befassen. Ich bin der Meinung, daß es wichtig ist, die notwendigen Einschränkungen vorzunehmen. Gerade der § 93 — Einfuhr von landesverräterischen Schriften — aber auch § 100 d, insbesondere Abs. 3, und § 100 e — die sich damit befassen, wann schon eine landesverräterische Beziehung zu Organisationen in der Zone vorliegt — haben u. a. doch dazu geführt, daß auch in der Begründung der Regierungsvorlage zur Reform des Staatsschutzrechts eine Einschränkung der Straftatbestände als dringend geboten bezeichnet wird. Es hat keine erste Lesung dieser Regierungsvorlage stattgefunden. Deshalb darf ich hier sagen: Mit den Zielen bin ich durchaus einverstanden; aber dieser Regierungsentwurf muß noch ganz erheblich durchforstet und eingeschränkt werden, damit das Ziel erreicht wird, daß tatsächlich nur das kriminell strafbar gemacht wird, was zur Sicherung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung unbedingt strafbar gemacht werden muß.