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    Deutscher Bundestag 56. Sitzung Bonn, den 15. September 1966 Inhalt: Anteilnahme am Verlust des U-Bootes „Hai" 2745 A Fragestunde (Drucksachen V/908, V/911) Fragen des Abg. Schmidt (Kempten) : Einziehung von Deutschen zur australischen Armee Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2713 B Schmidt (Kempten) (FDP) . . . . 2713 C Frage des Abg. Dr. Bechert (Gau-Algesheim) : Einziehung von Deutschen zum Dienst in der US-Wehrmacht Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2714 A Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (SPD) 2714 A Spitzmüller (FDP) 2714 D Frage des Abg. Dr. Bechert (Gau-Algesheim) : Vereinbarungen der USA mit anderen NATO-Staaten über Wehrdienst in der US-Wehrmacht Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2715 A Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (SPD) 2715 A Berlin (SPD) 2715 B Genscher (FDP) . . . . . . . 2715 D Frage des Abg. Dr. Bechert (Gau-Algesheim) : Einsatz von Deutschen als Angehörigen der US-Wehrmacht in Vietnam Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2716 A Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (SPD) 2716 B Spitzmüller (FDP) 2716 C Berlin (SPD) 2716 D Fellermaier (SPD) 2717 B Fragen des Abg. Spitzmüller: Zahl der in der US-Armee dienenden deutschen Staatsangehörigen — Einsatz in Vietnam Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2717 C, 2718 B Spitzmüller (FDP) . . . 2717 D, 2718 C Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (SPD) . 2718 A Schmidt (Kempten) (FDP) . . . . 2718 B Fragen des Abg. Kahn-Ackermann: Beherrschung der spanischen und der russischen Sprache im auswärtigen Dienst 2718 D. Auswahlwettbewerb für eine Verwendung als Kultur- oder Presseattaché . 2718 D Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Entwurf eines neuen Konsulargesetzes Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2719 A Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 2719 B II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. September 1966 Fragen des Abg. Ertl: Bombenanschläge in Südtirol — Südtirolfrage Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2719 C Kubitza (FDP) . . . . . . . 2720 B Prochazka (CDU/CSU) 2721 A Frage des Abg. Prochazka: Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen mit arabischen Staaten Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2721 C Aktuelle Stunde Militärdienst deutscher Staatsangehörigen in den USA Spitzmüller (FDP) . . . . . . . 2722 A Dr. Häfele (CDU/CSU) 2722 D Dr. Schröder, Bundesminister . . 2723 D, 2726 A Moersch (FDP) . . . . . . . . 2724 C Jahn (Marburg) (SPD) . . . . . . 2725 C Genscher (FDP) . . . . 2721 D, 2726 B Borm (FDP) 2726 D Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Drucksache V/890) — Fortsetzung der ersten Beratung — in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der wirtschaftlichen Stabilität (Drucksache V/890) — Fortsetzung der ersten Beratung — Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) . 2727 A Genscher (FDP) 2728 A Jahn (Marburg) (SPD) 2730 A Dr. Jaeger, Bundesminister . . : 2736 C Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 2741 A Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 2745 C Dr. Pohle (CDU/CSU) 2755 A Dr. h. c. Menne (Frankfurt) (FDP) . 2762 B Wehner (SPD) 2764 D Strauß (CDU/CSU) 2770 A Dr. Starke (Franken) (FDP) . . . 2779 C Dr. Schiller (SPD) 2782 A Dr. Erhard, Bundeskanzler . . . 2785 D Dr. Barzel (CDU/CSU) 2786 B Schmücker, Bundesminister . . . 2786 B Hermsdorf (SPD) 2789 D Genscher (FDP) . . . . . . . 2790 C Dr. Mommer (SPD) 2791 A Rasner (CDU/CSU) 2791 D Nächste Sitzung 2792 C Anlagen 2793 'Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. September 1966 2713 56. Sitzung Bonn, den 15. September 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Abelein 4. 10. Dr. Achenbach*) 15. 9. Dr. Adenauer 5. 10. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 15. 9. Dr. Becher (Pullach) 16. 9. Biermann 16. 9. Dr. Birrenbach 15. 9. Blachstein 10. 10. Frau Blohm 15. 9. Börner 15. 9. Frau Brauksiepe 30. 9. Busse 26. 9. Dichgans *) 16. 9. Dr. Dittrich *) 16. 9. Dorn 23. 9. Eisenmann 16. 9. Frau Dr. Elsner 15. 9. Dr. Eppler 7. 10. Erler 30. 9. Ertl 23. 9. Franke (Hannover) 21. 9. Frehsee 30. 9. Frau Funcke 23. 9. Dr. Furler *) 15. 9. Gerlach *) 15. 9. Dr. Giulini 22. 9. Dr. Gleissner 15. 9. Glombig 17. 9. Dr. Götz 26. 9. Dr. Dr. Heinemann 28. 9. Hellenbrock 18. 9. Dr. Hesberg 16. 9. Hirsch 17. 9. Dr. Hudak 16. 9. Dr. Huys 5. 10. Iven 26. 9. Illerhaus *) 15. 9. Dr. h. c. Jaksch 22. 9. Kahn-Ackermann 6. 10. Klinker 15. 9. Dr. Kopf 4. 10. Frau Korspeter 30. 9. Dr. Kübler 30. 9. Frau Dr. Kuchtner 15. 9. Kurlbaum 30. 9. Leber 16. 9. Lemmer 15. 9. Lenz (Trossingen) 30. 9. Dr. Martin 6. 10. Dr. Marx (Kaiserslautern) 29. 9. Mauk 15. 9. Metzger *) 15. 9. Michels 30. 9. Müller (Aachen-Land) *) 16. 9. Müller (Worms) 17. 9. Opitz 23. 9. *) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Peters (Norden) 20. 9. Picard 17. 9. Frau Pitz-Savelsberg 30. 9. Raffert 6. 10. Rehs 22. 9. Dr. Ritgen 18. 9. Rock 2. 10. Rollmann 16. 9. Saam 7. 10. Schultz (Gau-Bischofsheim) 15. 9. Dr. Schulz (Berlin) 21. 9. Steinhoff 25. 9. Stiller 17. 9. Frau Strobel 16. 9. Strohmayr 16. 9. Teriete 20. 10. Dr. Dr. h. c. Toussaint 25. 9. Dr. Verbeek 15. 9. Weimer 5. 10. Wendelborn 16. 9. Windelen 23. 9. Dr. Wörner 30. 9. Wurbs 15. 9. Dr. Zimmermann 15. 9. Anlage 2 Schriftliche Ausführungen des Abgeordneten Schmidhuber zu Punkt 2 a und b der Tagesordnung. Die von der Bundesregierung eingebrachten Entwürfe eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes und eines Gesetzes zur Förderung der wirtschaftlichen Stabilität schaffen die Voraussetzungen für eine umfassendere, schneller reagierende, feiner dosierende, aber auch mit unserer marktwirtschaftlichen Ordnung konforme Konjunkturpolitik. Wenn auch über einige Einzelfragen der Entwürfe noch zu reden sein wird, kann man nicht bestreiten, daß die Bundesregierung ein auf der Höhe der Zeit stehendes Gesamtkonzept vorgelegt hat. Die Entwürfe sollen das konjunkturpolitische Instrumentarium auf zwei Gebieten erweitern, einerseits auf dem Feld der öffentlichen Haushaltswirtschaft, andererseits durch Schaffung von Einwirkungsmöglichkeiten auf unternehmerische Entscheidungen in der Privatwirtschaft. Angesichts der Bedeutung, die !die Ausgaben der öffentlichen Haushalte sowohl im Bereich der Investitionen als auch bei der Einkommensverteilung - durch den großen Block der Einkommensübertragungen - haben, liegt der Schwerpunkt der Vorlagen auf dem Gebiet der öffentlichen Finanzwirtschaft. In der Debatte über die verfassungspolitischen Fragen, die heute vormittag geführt wurde, ist dies deutlich zum Ausdruck gekommen. Zwei Prinzipien müssen miteinander in Einklang gebracht werden, einerseits die in Art. 109 des Grundgesetzes statuierte Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern - ohne Zweifel ein wesentliches Element des Föderalismus -, andererseits 2794 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. September 1966 die Notwendigkeit einer einheitlichen Konjunkturpolitik, die nicht an den Grenzen der Bundesländer haltmacht und daher nur Sache des Bundes sein kann. Diesen Konflikt zu lösen ist die staatspolitische Hauptaufgabe, die uns in diesem Zusammenhang gestellt ist. Meine Fraktion ist daher dem Bundesrat als der Vertretung der Gliedstaaten sehr dankbar, daß er seine Bereitschaft bekundet hat, unter Zurückstellung verfassungspolitischer Bedenken um des höheren Zieles der Stabilität von Wirtschaft und Währung willen an der Lösung dieses Problems mitzuarbeiten. Damit ist der Wille der Gliedstaaten, einen kooperativen Föderalismus zu praktizieren, sinnfällig zum Ausdruck gekommen. Gelingt es, die vorliegenden Entwürfe ohne Veränderungen in ihrem wesentlichen Kern zu verabschieden, so hat damit unsere föderalistische Ordnung eine neue Bewährungsprobe abgelegt. Wie ich bereits eingangs betont habe, kommt es darauf an, daß das zu schaffende konjunkturpolitische Instrumentarium mit unserer marktwirtschaftlichen Ordnung konform ist. Wir haben mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß Herr Kollege Professor Dr. Schiller insoweit offenbar unserer Meinung ist. Allerdings sind wir nicht der Ansicht, daß der Entwurf in seinen Grundzügen der „freiheitlichen Durchlüftung" bedarf; denn sein Hauptanliegen besteht darin, die öffentliche Finanzwirtschaft in die Gegebenheiten des Marktes einzufügen und die Voraussetzungen für ein konjunkturkonformes Verhalten der öffentlichen Hände zu schaffen. Lassen Sie mich noch kurz eine Frage aus dem privatwirtschaftlichen Teil des Stabilitätsgesetzes anbringen, die mir aus mehreren Gründen, insbesondere aber in ordnungspolitischer Hinsicht, bedeutungsvoll erscheint. § 19 Nr. 3 Buchstabe b des Entwurfs sieht vor, daß durch Rechtsverordnung der Bundesregierung die Bemessung der Absetzungen für Abnutzung in fallenden Jahresraten ganz oder teilweise ausgeschlossen werden kann. Hier wird meines Erachtens der Umstand nicht genügend gewürdigt, daß die degressive Abschreibung von allen Abschreibungsmethoden dem tatsächlichen Wertverzehr der Wirtschaftsgüter am nächsten kommt. Der Ausschluß der degressiven Abschreibung bedeutet daher einen unmittelbaren Eingriff in Kostenstruktur und Kalkulation. Hinzu kommt, daß die Industrie in immer stärkerem Maße zu langfristigen, sich oft über viele Jahre erstreckenden Investitionsprogrammen übergeht, die in ihrer zeitlichen Länge mehrere Konjunkturphasen überlappen und sich daher für konjunkturpolitische Beeinflussungen wenig eignen. Man wird daher auf diesem Weg die angestrebte Harmonisierung der Investitionen kaum erreichen können. Wenn man die Gewährung zusätzlicher Abschreibungsmöglichkeiten als ein Instrument zur Überwindung einer Stagnation für nötig hält, so kann man dies auch tun, ohne gleichzeitig Möglichkeiten vorzusehen, die geeignet sind, die Abschreibungen unter den tatsächlichen Wertverzehr herabzudrücken. Der Hinweis, daß auch Beschränkungen der privaten Investitionen möglich sein müßten, wenn man der öffentlichen Hand auf diesem Gebiete Fesseln anlegte, vermag nicht zu überzeugen; denn die privatwirtschaftlichen Investitionen stehen im Gegensatz zu denen der öffentlichen Hand unter dem Diktat der Rendite. Die Ertragsantizipationen der Unternehmer sorgen von vornherein für eine Selektion der Investitionen und damit für eine volkswirtschaftlich sinnvolle Verwendung des Kapitals, die man im Bereich der öffentlichen Haushalte mitunter vermißt. Der Strom der privatwirtschaftlichen Investitionen ist die Grundlage für künftiges Wachstum und damit auch für eine Steigerung der Masseneinkommen. Er sollte durch kurzfristige Überlegungen möglichst nicht geschmälert werden. Die mittelbare Einwirkung über die die Ertragsantizipationen beeinflussende Zinspolitik dürfte ausreichen. Ähnliches gilt für die Sonderabschreibungen. Sie werden für Maßnahmen gewährt, die entweder zur Stärkung der nationalen Produktivkräfte in der Zukunft (Forschungsaufgaben) oder zur Erfüllung von wichtigen Gemeinschaftsaufgaben (Luft- und Gewässerreinhaltung) dienen. Man wird daher diese Einzelfragen in der Ausschußberatung noch sorgfältig prüfen und sich um praxisnahe Verbesserungen bemühen müssen. Die Bedeutung des vorliegenden Gesetzwerkes für die weitere gedeihliche Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft sollte durch diese wenigen kritischen Anmerkungen in keiner Weise geschmälert werden. Anlage 3 Schriftliche Ausführungen des Abgeordneten Stein (Honrath) zu Punkt 2 a und b der Tagesordnung. Meine Zustimmung zu dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der wirtschaftlichen Stabilität hätte ich leichteren Herzens gegeben, wenn der Ausbau des wirtschaftspolitischen Instrumentariums sich nicht bis in das Gebiet der steuerlichen Abschreibungen erstreckt hätte. Die Begründung des Regierungsentwurfs wirbt zwar mit beredten Worten für diese Einbeziehung der Abschreibungspolitik, und ich bin mir dessen auch bewußt, daß der Wiederaufbau unserer produzierenden Wirtschaft nach der Währungsreform wesentlich durch Investitionsanreize auf dem Abschreibungsgebiet gefördert worden ist. Aber damals — bei der Unterversorgung aller Märkte — waren die Investitionen weniger riskant. Jetzt aber tragen die Investoren ein großes Risiko, weil ihnen die Märkte nicht mehr jede Investition honorieren. Dieses Risiko sollte in einer Marktwirtschaft den Unternehmern nicht abgenommen werden; andererseits muß ihnen dann die Entscheidungsfreiheit, wann und wie groß sie investieren wollen, eingeräumt bleiben. Sie mit Anreizen bald in Investitionen, die sie sonst nicht vorgenommen hätten, zu lenken und bald wieder von Investitionsentschlüssen abzudrängen, bedeutet, in unsere Marktwirtschaft ein Lenkungselement hineinzutragen, mit dem ich mich nicht befreunden kann. Deutscher Bundestag — 5, Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. September 1966 2795 In den „Monatsblättern für freiheitliche Wirtschaftspolitik", die Herr Dr. Volkmar Muthesius, der Präsident des Bundes der Steuerzahler, herausgibt, ist vor kurzem eindringlich vor der „politisierten Abschreibung" gewarnt worden. Im FebruarHeft der zitierten Zeitschrift findet sich folgendes Zitat: Für alle Menschen, die davon überzeugt sind, ein Ministerialrat in einem der maßgeblichen Ministerien sei stets und auf alle Fälle klüger als ein Unternehmer, mag der Gedanke einer solchen Investitionspädagogik etwas geradezu Bestechendes haben. Das Verfahren sieht so aus, als greife der Staat materiell gar nicht in die Dispositionen der Unternehmer ein — er verändere ja nur die steuerlichen Bedingungen. Aber in Wirklichkeit würde eine solche Methode eine schwere Unsicherheit in das Wirtschaftsleben bringen; und zum anderen müßte man nach Branchen differenzieren, was eine unübersehbare weitere Komplizierung in unser Steuerrecht bringen würde. Ein solches Verfahren würde einen Roheitsakt darstellen, ganz im Gegensatz zu der Vermutung, es bedeute eine Lenkung mit leichter Hand. Ich werde in diesem Zusammenhang auch an ein Wort erinnert, daß der Herr Bundeskanzler in der Bundestagsdebatte vom 17. 2. 1966, als wir über das zweite Jahresgutachten des Sachverständigenrates diskutierten, gebraucht hat: Es ist in einer freien Wirtschaft völlig ausgeschlossen, die Investitionen offizieller und privater Art, die Gewinne oder die Löhne oder die Preise in einem ganz bestimmten Verhältnis zueinander halten zu wollen. Das ist mit der Wirklichkeit einfach nicht in Einklang zu bringen. Diese Einsicht gilt in ganz besonderem Maße gegenüber allen Absichten zur Steuerung der Investitionen. Der technische Fortschritt ist nirgendwo auf der Welt ein kontinuierlicher Strom, den man durch leicht verschiebbare Schleusentore eindeutig lenken könnte. — Soviel zu meinen grundsätzlichen Bedenden gegenüber der Einbeziehung der Abschreibungen in das Stabilisierungsgesetz. Nun sind in diesem Hohen Hause wichtige Argumente vorgetragen worden, die für eine Änderung der steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten als ein zusätzliches konjunkturpolitisches Instrument sprechen. Es wurde vor allem gesagt, die Bundesregierung wolle den Spielraum erweitern, der ihr im Steueränderungsgesetz von 1961 durch die Ermächtigung gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe s des Einkommensteuergesetzes geschaffen worden sei. Nach dieser Ermächtigung kann die Bundesregierung in konjunkturellen Schwächeperioden befristet allgemeine Sonderabschreibungen gewähren. Ich gebe zu, daß die im § 19 Nr. 3 des Entwurfs des Stabilisierungsgesetzes vorgesehene Änderung dieses Buchstabens s eine Verfeinerung bedeutet. Wir haben noch keine Erfahrungen mit der Formulierung aus dem Jahre 1961 gemacht. Aber Wissenschaft und Praxis haben darauf hingewiesen, daß die damalige Ermächtigung wahrscheinlich in den Schwächezeiten, für die sie geschaffen wurde, zur Wiederbelebung des Investierens nicht ausreichen würde. Insofern ist zuzugeben, daß die jetzt vorgesehene Regelung einen Fortschritt bedeutet. Aber wir dürfen nicht übersehen, daß der vorgeschlagenen Erweiterung für schwache Zeiten auch eine Verschlechterung des bisherigen Abschreibungsrechts gegenübersteht, die in Phasen überschäumender Investitionstätigkeit zur Anwendung kommen soll. Sie greift über das Operieren mit Sonderabschreibungen hinaus. Dem Absatz 1, der die Erweiterung bringt, soll nämlich ein Absatz 2 folgen, in dem es wörtlich heißt: Die Bundesregierung wird ermächtigt, ohne Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Vorschriften zu erlassen, nach denen die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen und erhöhten Absetzungen sowie die Bemessung der Absetzungen für Abnutzung in fallenden Jahresbeträgen ganz oder teilweise ausgeschlossen werden können, wenn die Nachfrage nach Investitionsgütern oder Bauleistungen das Angebot wesentlich übersteigt und daraus eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts mit erheblichen Preissteigerungen entstanden ist oder zu entstehen droht. Mit dem Satzteil „sowie die Bemessung der Absetzungen für Abnutzung in fallenden Jahresbeträgen" wird beträchtlich über die Variierung der steuerlichen Abschreibungen hinausgegangen. Hier wird nämlich generell mit der zeitweiligen Entziehung des Rechts, die Investitionen degressiv abzuschreiben, gedroht. Als dieses Hohe Haus über das Steueränderungsgesetz vorn 18. 7. 1958 debattierte, lag ihm zur degressiven Abschreibung ein Bericht seines Finanzausschusses vor, in dem es dem Sinne nach hieß, der Ausschuß habe sich die Auffassung zu eigen gemacht, daß die degressive Abschreibung auf dem anerkannten Besteuerungsprinzip beruhe, wonach echter betrieblicher Aufwand auch als Aufwand anerkannt werden müsse und nicht als Gewinn versteuert werden dürfe. Der Ausschuß fuhr dann fort: Über das Ausmaß der notwendigen Abschreibung müssen jeweils die wirtschaftlich-technischen Bedingungen entscheiden. Diese dürfen nicht durch Finanzierungsbedürfnisse oder Finanzierungwünsche verdrängt werden, die in dem Substanzverbrauch keine Rechts-, sondern nur eine formale Begründung finden. Die Abschreibung ist also keine Finanzierungshilfe. Die Bemessung der Absetzungen für Abnutzung in fallenden Jahresbeträgen ist aber in Zeiten eines raschen technischen Fortschritts die einzig mögliche Antwort der Unternehmen in der produzierenden Wirtschaft auf diesen technischen Fortschritt. Ich befürchte, daß das starre Festhalten an der Entwurfsfassung des § 19 Nr. 3 die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsparteien draußen in der Wirtschaft dem Verdacht aussetzt, bei uns habe ein investitionsunfreundliches Denken die 2796 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. September 1966 Oberhand gewonnen. Dies wäre ein Bruch mit der Tradition dieses Hohen Hauses. Wir haben seit 1949 vieles unternommen, um das Verständnis für ein intensives Investieren in den breitesten Schichten unseres Volkes wachzuhalten und ein Wiederaufleben der ehemaligen klassenkämpferischen Feindseligkeit gegenüber den Investoren und Kapitalgebern zu verhindern. Ohne die vorbildliche hohe Investitionsquote wäre unserer Volkswirtschaft der Anschluß an die Weltwirtschaft nicht gelungen. Ohne dieses unentwegte Investieren wäre die Arbeitslosigkeit nie beseitigt worden. Die Investitionsfreudigkeit ist nicht anders wie die Sparfreudigkeit zu beurteilen, ja, sie verleiht dieser überhaupt erst ihren produktiven Sinn. Wer die Investitionsfreudigkeit beeinträchtigt, schadet uns allen. Das Investieren muß dem Forschen und Erfinden in der Rangordnung gleichgestellt sein. Dem Zwang, sich durch Investitionen wettbewerbsfähig zu erhalten, ist nicht nur die kapitalintensive Großindustrie ausgesetzt. Für die mittleren und kleinen Unternehmen, das gesamte Handwerk und auch für die Landwirte gilt dieser Zwang nicht minder. Ohne Investitionen wären alle diese Bereiche bald hoffnungslos wettbewerbsunfähig. Ich glaube aber, daß wir bei der Bundesregierung offene Türen bei dieser Anerkennung der volkswirtschaftlichen Bedeutung des Investierens einrennen. Daher vertraue ich auch der Aussage des Herrn Bundeswirtschaftsministers, daß die unternehmerische Investitionsfreiheit nur in Fällen der äußersten Notwendigkeit gelenkt werden soll. Insoweit stelle ich meine Bedenken gegen die Entwurfsfassung des § 19 zurück. Es ist mein Wunsch, daß eine möglichst breite Mehrheit mit mir anerkennt: die produktiven Investitionen der Unternehmen — also die Ausrüstungsinvestitionen und die dazu nötigen Bauten — sind die volkswirtschaftlich sinnvollsten und nützlichsten Vermögensanlagen. Niemand kann leugnen, daß diese Investitionen es sind, die in hervorragender Weise die Steigerung des allgemeinen Lebensstandards bewirken und ermöglichen. Sie lassen eine sich unausgesetzt ausweitende Nachfrage die zu ihrer Befriedigung nötige Produktionsstätte finden. Um es zu präzisieren: investieren heißt, Sachvermögen bilden, heißt die Betriebsanlagen auf einen Stand bringen, der den vom Stande der Technik, von der Marktlage und von den Rentabilitätsrücksichten aufgegebenen Notwendigkeiten Rechnung trägt. Ich möchte noch einmal unterstreichen, daß die Investitionsentscheidungen nur das einzelne Unternehmen in seiner Verantwortung und seiner Risikobereitschaft fällen kann. Es gibt keine Zentrale, die genügend Überblick hätte, um Verantwortung und Risiko dem Unternehmen abzunehmen. Wir wollen, daß neben die Prinzipien des angemessenen Wachstums unserer wirtschaftlichen Hilfsquellen und der Verbesserung der realen Versorgung gleichberechtigt das der monetären Stabilität tritt. Hier sind Konfliktsituationen denkbar, zu denen, wie ich zugebe, auch eine übersteigerte Investitionsgüternachfrage beitragen kann, eine Nachfrage, die sich zeitlich und in bestimmten Sachbereichen zu sehr konzentriert. Die Folge ist, daß die Kapazitäten zur Herstellung gewisser Investitionsgüter zeitweilig nicht ausreichen, daß kürzere Lieferfristen mit Preiskonzessionen erkauft werden, daß Arbeitskräfte um den Preis exorbitanter Locklöhne schnell angeheuert werden und daß alle diese zusätzlichen Lasten an die Abnehmer weitergewälzt werden. Ich will betonen, daß diese Situationen bei uns bislang nicht lawinenartig eingetreten sind bzw. da, wo sie sich auf Teilmärkten ankündigten, bald wieder verflogen. Hier erwies sich das ausländische Angebot an Maschinen als recht zuverlässige Bremse. Um die jüngste Industriegeschichte geht es aber nicht. Es ist vielmehr so, daß eine kluge vorausschauende Politik tunlichst auch Extreme in ihre Rechnung einzustellen hat. Dazu zwei Gesichtspunkte! 1. Es gibt sicherlich auch auf dem Gebiet der produktiven Investitionen die Erscheinungen des Hortens und der Mode. Warum sollte man sie nicht zu glätten suchen? 2. Es ist keineswegs angebracht, den Schwarzen Peter im Ernstfall immer nur der öffentlichen Hand weiterzugeben. Denn auch die öffentlichen Investitionen dürfen nicht in Mißkredit gebracht werden, sie sind in vielen Fällen doch die Anschlußinvestitionen der privaten Entwicklung. Die Schlußfolgerung ist: mit dem Mangel an monetärer Stabilität wird ein Wirtschaftswachstum, das immer und nur auf dem Stand von übermorgen sein möchte, unter Umständen zu hoch bezahlt. Für heute und morgen up to date zu sein, genügt auch. Wir wollen daher wirtschaftspolitische Maßnahmen und Instrumente ins Auge fassen, die helfen können, das unternehmerische Investieren stetiger werden zu lassen durch Stützung bei übermäßiger Verlangsamung ebenso wie durch Bremsen bei zu großer Beschleunigung. Ich greife auf meine eingangs vorgetragenen Bedenken zurück: Oberster Grundsatz muß sein, daß diese Vorkehrungen den Unternehmern unter keinen Umständen die Freude am Investieren nachhaltig verderben. Das bedeutet nicht nur, daß das Interesse am technischen Fortschritt wachgehalten werden muß; auch die Finanzierungsatmosphäre muß freundlich bleiben. Die Geschichte lehrt uns, Absentismus der Produzenten wie Attentismus der Geldgeber sind Zeichen dafür, daß im politischen Verhalten etwas nicht gestimmt hat. Gewöhnlich war es ein Mangel an Gleichgewicht, an außen- und innerpolitischer Stabilität. Also nicht nur privatwirtschaftlich, sondern auch wirtschaftspolitisch gelten die Stichworte: Kooperation und Koordination. Wenn wir für die vor uns liegenden Aufgaben einen gesetzlichen Maßanzug schneidern wollen, dann müssen wir diese Stichworte im Auge behalten: die Kooperation zwischen den öffentlichen Händen und die Kooperation zwischen diesen und der Wirtschaft. Das Prinzip sollte sein: die konzertierte Aktion geht vor Befehl. Nur so kann Verständnis für das Erforderliche geweckt werden. Dann werden sich auch die Investitionspläne der Wirtschaftsunternehmen auf die allgemeinen übergeordneten Interessen ausrichten.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Carl Otto Lenz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wäre gewiß sehr reizvoll, die sehr interessante Debatte über das Stabilitätsgesetz, die wir gestern nachmittag und gestern abend hier geführt haben, in ihrer ganzen Breite fortzusetzen. Das ist jedoch nicht meine Absicht. Ich möchte mich auf drei grundsätzliche Fragen beschränken, die gestern nachmittag hier von verschiedenen Rednern angeschnitten worden sind. Es geht erstens um die Frage, ob wir die Ziele des Stabilitätsgesetzes auf dem Wege einer Verfassungsänderung oder eines Staatsvertrages verwirklichen wollen. Zweitens möchte ich einige Worte zum Konjunkturrat sagen, den der Kollege Schiller angesprochen hat. Drittens möchte ich einige Bemerkungen zur parlamentarischen Mitwirkung machen.
    Zu dem ersten Problem, Verfassungsänderung oder Staatsvertrag, möchte ich mir erlauben, auf folgende Umstände hinzuweisen. Gegenstand dieses Gesetzes ist die Beeinflussung des gesamten volkswirtschaftlichen Ablaufs in der Bundesrepublik. Das Mittel, das dazu angewandt werden soll, ist die Steuerung des Kapitalmarktes. Nun gibt es in unserem Lande weder Ländervolkswirtschaften noch Länderkapitalmärkte. Die Verfassung geht davon aus, daß die die Gesamtwirtschaft betreffende Gesetzgebung vom Bund gemacht wird.
    Wir haben deshalb große Bedenken, anzunehmen, ,daß man in diesen Gesetzgebungsbereich durch eine staatsvertragliche Regelung eingreifen könnte. Denn es ist doch so: durch die Gesetzgebungskompetenzen des Grundgesetzes hat die Bundesrepublik nicht nur gewisse Rechte erhalten, gewisse Dinge zu regeln, sondern auch eine Pflicht, sich gewisser Dinge anzunehmen, und zwar in dem Verfahren, das im Grundgesetz vorgeschrieben ist. Dieses Verfahren ist das normale Gesetzgebungsverfahren und in Sonderfällen die Änderung des Grundgesetzes im Wege eines verfassungsändernden Gesetzes. Aber selbst bei einer Verfassungsänderung brauchen wir nur eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und Bundesrat, während der Vorschlag, einen Staatsvertrag abzuschließen, ein einstimmiges Zusammenwirken von Bund und Ländern — und das auf einem Gebiet, das der Bundesgesetzgebung untersteht -
    erfordert.
    Ich teile die Auffassung aller derer, die der Meinung sind, daß ein derartig wichtiges Gesetzgebungswerk im möglichst breiten Einvernehmen, ja möglicherweise einstimmig verabschiedet werden sollte. Aber es sind zwei verschiedene Dinge, ob man die Einstimmigkeit in gewissen Fragen für politisch wünschenswert hält oder ob man sie zur Voraussetzung von politischem Handeln überhaupt macht. Das letzte erscheint uns gefährlich.
    Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zu diesem Komplex machen. Nach unserer Auffassung handelt es sich bei dem Vorschlag zur Ergänzung des Grundgesetzes um eine außerordentlich wesentliche Ergänzung, nämlich um eine Ergänzung, die in den Augen der Öffentlichkeit klarstellt, daß die Bundesrepublik, der Bund, daß Regierung, Parlament und Bundesrat verantwortlich sind für stabiles Geld, sichere Arbeitsplätze und ein stetiges Wirtschaftswachstum. Dazu braucht man gewisse Steuerungsmittel. Weshalb diese noch nicht im Grundgesetz stehen, wissen wir doch alle. Wir alle kennen die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes und die Schwierigkeiten, die wir gerade bei der Verabschiedung des finanzpolitischen Teils in den Jahren 1948/49 gehabt haben. Wir von der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union begrüßen es besonders, daß dieser Grundsatz unserer Wirtschaftspolitik: „Stabiles Geld - sichere Arbeitsplätze — stetiges Wirtschaftswachstum" nun in den Rang eines Verfassungssatzes erhoben werden soll. Wir sind sicher, auch in diesem Punkte mit allen Seiten dieses Hohen Hauses übereinzustimmen.
    Lassen Sie mich nun einige Worte zu dem Konjunkturrat sagen. Ich möchte hier nicht auf die Frage eingehen, ob ein Konjunkturrat oder ein Sachverständigengremium unfehlbarer ist als die Regierung. Der Kollege Arndt hat in dankenswerter Weise klargelegt, daß Regierungen irren können. Meine Damen und Herren, daß Sachverständige irren können, wissen Sie, ohne daß ich es Ihnen expliziere.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Daneben, meine Damen und Herren, gibt es ein zweites Problem. Sachverständige können sich nicht nur irren, sie können sich häufig auch nicht einigen. Es ist keineswegs sicher, daß ein Sachverständigengremium in der Lage ist, der Regierung in einer schwierigen wirtschaftspolitischen Situation schnell einstimmige, einmütige Vorschläge zu machen. Aber die Regierung muß trotzdem handeln; denn nach unserer Auffassung hat sie die Verantwortung für das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht.
    Dennoch möchten wir die Nützlichkeit solcher Gremien nicht bestreiten. Der Bundeswirtschaftsminister hat in seiner Vorlage selbst zwei Gremien vorgeschlagen. Aber wir möchten vermeiden, daß die Regierung durch einen Wust von Verfahrensvorschriften etwa darin gehindert wird zu handeln, weil die zuständigen Sachverständigen noch nicht gesprochen haben.
    Noch ein Punkt scheint uns besonders wichtig zu sein. Ich glaube, da stimmen wir mit allen Seiten dieses Hauses überein. Wir können uns nicht vorstellen, daß ein solches Sachverständigengremium, wie es auch immer zusammengesetzt sei, rechtsetzende Befugnisse hat. Das ist nach unserer Auffas-



    Dr. Lenz (Bergstraße)

    sung mit dem parlamentarischen Grundgedanken unserer Verfassung unvereinbar. Ich nehme an, darüber brauche ich hier nicht lange zu reden.

    (Zuruf von der SPD: Allerdings!)

    Schließlich zur parlamentarischen Mitwirkung! Wir befinden uns hier, glaube ich, in weitgehender Übereinstimmung mit dem, was von der Seite unseres Koalitionspartners, vor allen Dingen des Kollegen Starke, der darüber eingehende Ausführungen gemacht hat, und auch von seiten der SPD gesagt worden ist. Ich habe den Eindruck, daß auch der Bundeswirtschaftsminister, der ja eine lange parlamentarische Erfahrung hat und Parlamentarier ist, Verständnis für dieses unser Anliegen hat. Ich bin davon überzeugt, daß wir in den Ausschußberatungen geeignete Formen finden werden, um diese auch nach unserer Auffassung wünschenswerte und notwendige stärkere parlamentarische Mitwirkung im Gesetz zu verankern.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Erwin Schoettle
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Genscher.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans-Dietrich Genscher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin Herrn Kollegen Lenz außerordentlich dankbar, daß er hier die Frage der Verfassungsänderung noch einmal zur Diskussion gestellt hat. Gerade diese Frage ist in der publizistischen „Vorberatung" dieses Gesetzes einer der Schwerpunkte der Kritik der Opposition am Vorhaben der Bundesregierung gewesen.
    Positiv hebt sich davon ' die Stellungnahme der Mehrheit der Länder im Bundesrat ab, die mit ihrer grundsätzlichen Zustimmung zur Verfassungsänderung und mit ihren konstruktiven Vorschlägen zur Änderung des Vorschlags der Bundesregierung einen Beweis hoher bundesstaatlicher Verantwortung erbracht haben. Ich möchte sagen, daß dieser Durchgang im Bundesrat eine bestandene Bewährungsprobe des Föderalismus in unserem Lande war. Ich würde es begrüßen, wenn die kritischen Länder ihre Auffassung heute von dieser Rednertribüne aus in einer Diskussion noch einmal darlegten.
    Die Erklärungen des Kollegen Schiller in der gestrigen Debatte geben eine gewisse Hoffnung, daß sich in der sozialdemokratischen Opposition ein Sinneswandel vollzieht. Wir vermissen, daß der Kollege Arndt in seiner Schlußrede gestern diese Frage nicht noch etwas präzisiert hat; denn er gehörte zu denen, die sich in besonderem Maße als Propheten der staatsvertraglichen Regelung in der Öffentlichkeit betätigt haben.
    Dem Herrn Kollegen Schiller müssen wir sagen, daß wir mit der Verfassungsänderung kein schweres Geschütz auffahren wollen. Mit dieser Verfassungsänderung wollen wir klare und beständige Regelungen schaffen. Wir sagen ja zur Verfassungsänderung und damit nein zum Immobilismus der Staatsverträge. Wir wollen nicht, daß sich das Fiasko des Schuljahresbeginns im Bereich der Konjunkturpolitik wiederholt.

    (Beifall rechts und bei Abgeordneten in der Mitte.)

    Es ist gewiß keine leichtfertige Grundgesetzänderung, die hier vorgeschlagen wird. Es ist auch keine Grundgesetzänderung aus aktuellem Anlaß, sondern in Wahrheit handelt es sich um die Anpassung unserer Verfassung an die Erfordernisse einer modernen Konjunkturpolitik.
    Mit Recht haben schon einige Vorredner darauf hingewiesen, daß die Väter des Grundgesetzes dieser Bundesregierung die Verantwortung für die Konjunktur- und Währungspolitik übertragen haben, daß sie ihr aber nicht die Instrumente gegeben haben, um dieser Verantwortung gerecht werden zu können, und diese Verfassungsänderung soll nichts anderes bewirken als die Aufhebung der Diskrepanz zwischen Verantwortung und Möglichkeit.

    (Beifall bei der FDP.)

    Die Zuordnung eines Instrumentariums für die Beeinflussung auch des Finanzgebarens der öffentlichen Hände ist in Wahrheit keine Hingabe neuer Zuständigkeiten an den Bund, sondern sie ist eine Folgewirkung der Vorentscheidung über die währungspolitische Verantwortung, die dem Bund durch das Grundgesetz übertragen worden ist.
    Die anfänglich vorgebrachten Bedenken, es könne etwa die Garantie des Art. 79 Abs. 3, also die Garantie der Gliederung des Bundes in Länder, angetastet werden, können im Ernst nicht mehr vorgebracht werden. Auch der Grundsatz der Trennnung der Haushaltswirtschaften von Bund und Ländern wird durch die angestrebte Regelung in keiner Weise berührt. Schon heute ist dieser Grundsatz ja in einer Reihe von Fragen durchbrochen. Ich darf darauf hinweisen: wir haben ein einheitliches Währungswesen, wir haben ein einheitliches Zollgebiet, wir kennen den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, und wir haben eine veränderbare Steuerverteilung. Also auch die Väter des Grundgesetzes haben doch schon den sehr starken inneren Zusammenhang der öffentlichen Finanzmassen erkannt, und es kann nicht geleugnet werden, daß das Haushaltsgebaren der öffentlichen Hand — wenn Sie z. B. irgendwo einige spektakuläre Rathausbauten sehen — sehr dazu geeignet ist, das Konjunkturgeschehen in unserem Lande zu beeinflussen.
    Wir wollen mit der Grundgesetzänderung die Wirkung erreichen, daß die öffentlichen Haushalte sich auf allen Ebenen einpassen müssen in die konjunktur- und wirtschaftspolitische Linie, die der Bund beschlossen hat und die er durchführt. Wir können auf die Dauer die Hauptlast im Kampf für die Währungsstabilität eben nicht der Bundesbank überlassen. Die öffentlichen Hände müssen in allen Ebenen mitwirken.

    (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Warum fangen Sie dann nicht beim Haushalt 1967 an!)

    — Wir werden, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, sehr genau aufpassen, wer uns dabei unterstützt.

    (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Sie wollen wohl unterstützt werden und selbst nichts tun!)

    — Sie brauchen sich nicht zu erregen, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen; Sie können Ihre Energien



    Genscher
    jetzt ganz aufsparen und sie bei Ihren innerparteilichen Veranstaltungen in Hessen verwenden, wenn Sie sich in diesen Rahmen einpassen müssen.

    (Beifall bei der FDP. — Zurufe von der SPD. — Abg. Schmitt-Vockenhausen: Bei den nächsten Wahlen in Hessen werden Sie sich noch einmal verringern!)

    — Na ja, das haben Sie ja schon in Nordrhein-Westfalen vorausgesagt. Sie müssen dort einmal nachfragen, wie es da aussieht.

    (Zurufe von der Mitte. — Abg. SchmittVockenhausen: Jedenfalls haben Sie diesen großen Zuwachs der SPD in NordrheinWestfalen vorher bestritten!)

    — Einen Zuwachs der SPD haben wir nie bestritten.
    Zu dieser Frage haben wir uns gar nicht geäußert,

    (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Doch!)

    weil wir nicht Wahlastrologen sind, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen. Aber Sie haben sich soeben als Wahlastrologe für Hessen betätigt. Sie werden bei der Landtagswahl in Hessen erfahren, daß die FDP stärker aus dieser Wahl hervorgehen wird, als sie heute im Landtag vertreten ist.

    (Zurufe von der SPD. — Abg. SchmittVockenhausen: Das wäre für die CDU sehr schmerzlich!)

    — Herr Schmitt-Vockenhausen, das Wahlergebnis wird natürlich mit entscheidend davon abhängen, wie sehr Sie sich hier bei dieser Grundgesetzergänzung und -änderung Ihrer staatspolitischen Verantwortung bewußt zeigen.
    Meine Damen und Herren, die öffentlichen Haushalte in Bund, Ländern und Gemeinden stellen in ihrer Gesamtheit, in ihrer Summe eine sehr wesentliche Beeinflussung des Kapitalmarktgeschehens und des Konjunkturgeschehens dar. Die Trennung in die einzelnen Haushaltswirtschaften hat aber bisher verhindert, daß dieser Gesamtwirkung die Möglichkeit einer Gesamtbeeinflussung gegenübersteht. Auch diese Diskrepanz muß überwunden werden.
    Wir halten es für verfassungsrechtlich unzulässig, diese Zuständigkeitsfragen zwischen Bund und Ländern im Wege eines Staatsvertrages zu ändern. Die Länder sind nicht befugt, durch Staatsvertrag Kompetenzen aufzugeben, und der Bundestag könnte einer verfassungsändernden vertraglichen Regelung mit den Ländern ohne Beteiligung des Bundesrates gar nicht zustimmen. Der Staatsvertrag würde in Wahrheit eine dritte Ebene in unserem Land installieren. Er würde jenen gefährlichen Weg sanktionieren, den die Länder heute schon in manchen Bereichen im Wege der Selbstkoordinierung gehen. Die Bundesrepublik ist durch einen zweigliedrigen Staatsaufbau in Bund und Länder ausgezeichnet. Wir wollen nicht noch eine zusätzliche Ebene einfügen und damit die Handlungsfähigkeit von Bund und Ländern gemeinsam schwächen.

    (Zustimmung bei der FDP und CDU/CSU.)

    Die Summe der Länder ist nun einmal der Bund und nicht eine im Grundgesetz nicht vorgesehene Ländergemeinschaft.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Herr Kollege Schiller hat mit Recht darauf hingewiesen — —

    (Abg. Matthöfer: Wie stehen Sie denn zu dem „Gemeinschaftswerk" von Herrn Erhard?)

    — Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, daß die Pläne für ein Gemeinschaftswerk die Vorstellungen des CDU-Vorsitzenden Erhard und nicht die der Bundesregierung sind. Ich kann hier für die CDU nicht sprechen.

    (Abg. Wehner: Damals war er aber noch gar nicht Vorsitzender!)

    — Sein Vorsitzender hat ihm aber nicht widersprochen, Herr Kollege Wehner. Sie wissen ja, die Herren stimmen auch manchmal überein.
    Der Staatsvertrag würde zudem dazu führen, daß wir neue „graue Zonen" zwischen Bund und Ländern schaffen, die der parlamentarischen Kontrolle der Länder entzogen, aber der parlamentarischen Kontrolle des Bundes noch nicht zugeordnet sind.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Herr Kollege Schiller hat gestern darauf hingewiesen, daß der Entwurf einer Verfassungsänderung insoweit einer Ergänzung bedürfe, als bei den Ausführungsgesetzen, die wir auch zu beschließen haben, die parlamentarische Kontrolle verstärkt werden müsse. Wir stimmen ihm darin völlig zu. Sie würden aber mit dem Staatsvertrag das Gegenteil erreichen. Sie würden weder die parlamentarische Kontrolle der Länder noch des Bundes bekommen. Aus diesem Grunde sagen wir auch aus verfassungspolitischen Gründen nein zu der Vorstellung, diese Frage in einem Staatsvertrag regeln zu wollen. Wir sind aber bereit, mit Ihnen konstruktiv an Lösungen zu arbeiten, die die parlamentarische Kontrolle für alle Maßnahmen, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung treffen kann, sicherstellen. Ich glaube, daß wir nach den Äußerungen des Kollegen Lenz eine Mitwirkung der CDU/CSU unterstellen dürfen.
    Ich bin Ihnen, Herr Kollege Schiller, sehr dankbar dafür, daß Sie gestern eindeutig klargestellt haben, daß der Konjunkturrat keine rechtsetzende Befugnis bekommen sollte. Das ist ein klärendes Wort in einer guten Richtung. Vielleicht können Sie in dieser Richtung noch etwas weitergehen; dann werden wir auch in dieser Frage eine Übereinstimmung erzielen.
    Meine Damen und Herren, für uns Freie Demokraten — und ich glaube, ich kann für die Regierungskoalition in ihrer Gesamtheit sprechen — ist die Entscheidung über diese notwendige Verfassungsänderung zugleich ein Testfall für die Bereitschaft der Opposition, dann auch an der Finanzreform mitzuwirken.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen des Abg. Wehner.)




    Genscher
    — Wir möchten Sie bitten, Herr Kollege Wehner: Gehen Sie nicht den Weg zurück zu einem immobilen Staatenbund, sondern gehen Sie mit uns den Weg hin zu einem modernen handlungsfähigen Bundesstaat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)