Rede von
Dr.
Paul
Kübler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da die Begründung zu dem Änderungsantrag der CDU/CSU auf Subventionierung des Stromtransports der Ruhrkraftwerke bis zu einem Betrag von 100 Millionen DM ausgefallen ist, fühle ich mich zu einer persönlichen Stellungnahme veranlaßt. Ich will nicht noch einmal breit ausführen, daß die wirtschaftliche und soziale Sicherung des Bergbaues nötig ist, sondern ich will gleich klar und unmißverständlich sagen, daß ich es für sinnlos halte, ein Loch dadurch zu stopfen, daß man ein anderes aufreißt. Was Sie an der Ruhr mit dem Stromtransportsubventionierungsgesetz retten wollen, das zerstören Sie mit diesem Antrag am Neckar und am Oberrhein.
Wir haben dort nun glücklich eine eigene Energieversorgung aufgebaut. Wir verstromen, wie Ihnen bekannt ist, das in den Raffinerien neben dem Hauptprodukt Benzin anfallende Heizöl. Für uns waren alle Krisen bisher immer mit Kohleknappheit verbunden. Wir sind trotzdem bereit, die Kohle angemessen an unserem Energieverbrauch zu beteiligen. Was Sie aber jetzt hier noch zusätzlich vorschlagen — diese Subventionierung des Stromtransports —, ist ein tiefer Eingriff in die Standortstruktur der süddeutschen Elektrizitätswirtschaft. Durch diesen Dirigismus für die Steinkohleverstromung an der Ruhr verzerren Sie die Wettbewerbsgleichheit und -lage der Kraftwerke in Süddeutschland. Ich muß das so deutlich sagen,
denn ich empfinde Ihren Änderungsantrag — der nicht von Herrn Kühn, sondern von der CDU stammt, — als Überrumpelungsantrag. Die Fachleute wurden dazu nicht gehört. Mir selber ist dieses Änderungsersuchen erst seit etwa 18 oder 19 Stunden bekannt.
— Im Wirtschaftsausschuß war es nach der Information, die ich in der SPD-Fraktion erhalten habe — es war vielleicht ein anderer Passus - mit der Zustimmung ,der Mehrheit abgelehnt worden. Das Ding ist für mich neu. In 18 Stunden kann ich mich nur über das informieren, was mir in meinem überschaubaren Bereich zur Verfügung steht. Lassen Sie mich deshalb einmal die mir örtlich oder regional vertrauten Verhältnisse meiner Vaterstadt Mannheim schildern. Für umfassendere Studien blieb mir bei Ihrer Verfahrensweise keine Zeit. Ich sage noch einmal, das ist eine Überrumpelung; ich fühle mich durch einen solchen Antrag überrumpelt, wenn vorher gesagt wurde, er sei im Ausschuß abgelehnt
worden. Bei dieser Verfahrensweise kann ich nur mit dem Wenigen antworten, was ich kenne.
Unser Großkraftwerk in Mannheim, das wir in bitteren Jahren und besonders nach ,den Reparationen und der Zerstörung des letzten Krieges sowie den Demontagen in den letzten Jahrzehnten unter großen Opfern wiederaufgebaut und in Gang gebracht haben, wird durch Ihren Antrag praktisch zu einem Spitzenkraftwerk ,degradiert. Das heißt, es kann Strom nur noch in den Zeiten des SpitzenBedarfs verkaufen und wird gegenüber dem nahen Importstrom konkurrenzunfähig. Haben Sie dazu die Fachleute gehört oder nicht? Sie haben sie nicht gehört.
— Es ist Ihre Pflicht, mich zu überzeugen, wenn ich einem so kurzfristig eingereichten Antrag zustimmen soll. Der Art. 38 des Grundgesetzes bindet mein Gewissen, und ohne Wissen kann ich nicht entscheiden. Sie bieten mit dieser Überrumpelung keine Entscheidungsgrundlage. Das Kraftwerk müßte, da der Stromverbrauch in der Stadt immer besteht, es aber nur in Spitzenzeiten exportieren kann, die Gesamtkosten ,auf den regionalen Stromverbrauch abwälzen. Ich möchte Ihnen das einmal so deutlich aus dieser Sicht hier darstellen. Das sind mir bekannte örtliche Tatsachen.
Daneben muß ich die Antragsteller fragen, ob sie nicht aus Gründen der Raumordnung eine verbrauchsorientierte Stromerzeugung für wünschenswert halten. Das wäre ein Dikussionsstoff für dieses Haus. Es gibt auch Leute, für die im Zusammenhang mit einer Notstandsplanung Gesichtspunkte der Dezentralisierung aktuell sein könnten. Auch das wäre einer Überlegung wert.
Ich möchte Ihnen nur sagen: mit den Subventionen des Stromtransports wollen Sie einen vorübergehenden Nutzen an der Ruhr durch einen dauernden Schaden am Neckar erkaufen. Sie stopfen ein Loch zu und reißen ein anderes auf. Ich fordere Sie deshalb auf, Ihren Subventionsantrag zurückzuziehen oder die Entscheidung wenigstens bis Herbst zu vertagen, damit man vernünftig darüber reden kann.