Herr Kollege Schiller, auch ich habe — wie Sie — nicht die Gabe, daß ich alles auf einmal sagen kann. Es muß der Reihe nach gehen. Es ist ein Nachteil der Fragestunde, die zur Belebung dient, daß sie das Gespräch auch einmal durcheinanderbringen kann. Darum gestatten Sie mir, daß ich auf diese Sache zu sprechen komme, wenn sie bei mir dran ist.
Ich wiederhole: Sie beherrschen die großartige Kunst, bei sachlicher Übereinstimmung dennoch rhetorisch anderer Meinung zu bleiben.
Aber diese Kunst können Sie sich nur so lange leisten, Herr Kollege Schiller, wie Sie nicht in der Verlegenheit sind — und Sie sind es ja nicht mehr —, von Amts wegen die Probe aufs Exempel machen zu müssen. Würde ich Ihrem Weg folgen, dann brauchten wir uns in der Zukunft kaum noch um Argumente, sondern nur noch um Zahlen zu streiten. Ich glaube, damit würde das eine blutleere Sache werden, und das könnte man mit Spannung in der Tat dann nur noch tun, wenn man so viele Bonmots auf Lager hat wie Sie. Sonst wird die Sache zu langweilig.
Ich danke Ihnen, daß Sie die in meiner Rede zur Regierungserklärung aufgeworfene Frage, wie die echten politischen Probleme ins Parlament zurückgebracht werden können, mit so beredten Worten angesprochen haben. Diese Debatte, meine Damen und Herren, macht deutlich, wie problematisch es ist, über Vorlagen zu diskutieren, die nicht aus diesem Hause und auch nicht von der Regierung, sondern von Dritten kommen.
Das ist sehr problematisch. Ich lehne es nicht ab, das zu tun. Ich meine nur, wir müssen die richtige Form finden, diese Debatten zu führen, sonst entsteht zu leicht der Eindruck, als reklamiere der eine oder der andere — und davor habe ich gewarnt — ein Gutachten für sich.
Ich will Ihnen darum meine erste Antwort geben. Wenn wir fortfahren, uns gegenseitig die Objektivität abzusprechen, dann ist es ganz natürlich, daß alle Parteien darunter leiden. Dann ist es weiter ganz natürlich, daß im außerparlamentarischen, im außerpolitischen Raum ein neues Kraftfeld entsteht, dann macht man Politik, ohne sich politisch zu engagieren, und Sie wissen, daß wir Deutschen ohnehin zu diesem Fehler neigen.
Frau Kollegin Dr. Krips, das Wort, das bei Ihnen heute am häufigsten vorkam, war das Wort Neutralität, und es hatte so die Betonung, als sollte es ein Argument sein. Das ist bereits ein Zeichen dieser Richtung.
Ich meine, wir sollten auch im Sinne der konzertierten Aktion hier eine gemeinsame Anstrengung machen, d. h. dort gemeinsam handeln, wo es möglich ist, und dort einander respektieren, wo wir verschiedene Ansichten haben.
Im übrigen, nach dieser sehr aufschlußreichen, langen Debatte wird es, beginnend mit dem Haushalt, in der übernächsten Woche um die Realisierung der Grundsätze gehen. Und da Sie, lieber Herr Schiller, Ihre Rede im Herbst mit Brecht und Nein schlossen und sich gestern über Biermann zum Ja vorwagten, hoffe ich, daß Sie damit nicht den Anfang zu einem eigenen Roulette: ja-nein-ja-nein-ja gemacht haben, sondern daß Sie auch ein Zitat finden, das es Ihnen erlaubt, im konkreten Fall Farbe zu bekennen. Mein Schlußwort ist kein Zitat, sondern nur ein Dank — ein Dank für Lob und Tadel — und ein Bitte: die Bitte, im konkreten Fall Farbe
Bundesminister Schmücker
zu bekennen. Der Haushalt gibt dazu die nächste Chance.