Rede von
Heinz
Budde
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Leber, Sie haben vorhin die Behauptung aufgestellt, der Bundeskanzler habe gegen diese Gesetze gestimmt. Sie wissen genau, daß diese Behauptung nicht stichhaltig ist.
Ich darf meine Ausführungen fortführen. Ich stehe trotzdem für jede weitere Frage gern zur Verfügung.
Meine Damen und Herren, zu den Entscheidungen im menschlichen Leben, die in tragischer Weise zu früh und darum auch zu unvorbereitet und zu zufällig fallen, gehört die für die ganze Existenz des Menschen folgenschwere 'Berufswahl, die von ca. 50 % unserer Jugendlichen im Alter von 14 bis 15 Jahren getroffen werden muß. Hinzu kommt in der Regel der seelische Schock, den der Übergang in die zweckrationale Arbeitswelt beim Jugendlichen, ja man ist fast geneigt zu sagen, beim Kind auslöst. Ich möchte hier sagen, der Vierzehnjährige ist nicht berufsreif — zumindest heute nicht mehr. Darüber kann auch der Prozeß der Wachstumsbeschleunigung nicht hinwegtäuschen. Weder geistig noch seelisch, nicht einmal körperlich, ist er dem im Grunde kindfeindlichen Milieu der heutigen Arbeitswelt gewachsen. Hier, meine Damen und Herren, stellt sich die große gesamtgesellschaftliche Aufgabe: Verlängerung der Vollzeitschulpflicht. Auch das sind Konsequenzen aus dem zweiten Jahresgutachten, die in dieser Debatte nicht untergehen sollten, damit sich der Deutsche Bundestag nicht den Vorwurf machen zu lassen braucht, er habe nur in Prozentsätzen, nur in Quantitäten ein Gutachten behandelt, das mehr enthält als nur Äußerungen über Inflationsraten.
Die neunjährige Pflichtschulzeit kann nur ein erster, wenn auch wichtiger Schritt dahin sein. Hinzukommen müssen verstärkter Ausbau von Realschulen, von Ausbau- und Förderstufen, Vermeidung vorzeitig abgebrochener Bildungswege durch größere Durchlässigkeit unseres Schulsystems und vor allem energische Anstrengungen auf dem Neuland von Bildungswerbung und Bildungsberatung. Sie vor allem könnten dazu beitragen, Leerlauf, Fehlentscheidungen und Reibungsverluste zu vermeiden. Wenn es nicht gelingt, den prozentualen Anteil der über 15jährigen Vollzeitschüler, der in der Bundesrepublik trotz aller inzwischen erreichten Fortschritte immer noch unter dem Stand vergleichbarer Industrienationen liegt, zu steigern, dann wird es wohl kaum möglich sein, die gegenwärtige Quote von ca. 5 % Hochschulabsolventen aus einem Geburtenjahrgang zu überschreiten. Diese 5% aber sind eine magische Grenze, die durchbrochen werden müßte, wenn keine verhängnisvollen Engpässe in den leitenden, planenden und dispositiven Berufen auftreten sollen. Eine entsprechende Überlegung gilt für den Sektor. der Berufsausbildung im engeren Sinne. Hier gilt es, zunächst den traditionellen Begriff „Beruf" in einer neuen, zeitgerechten I dynamischen Betrachtung zu sehen.
— Sehen Sie, Herr Wehner, darin unterscheiden wir uns. Sie betrachten diesen Punkt des Jahresgutachtens als Konserve.
Das gibt einen sehr interessanten Aufschluß über Ihre Einschätzung zu wesentlichen Passagen dieses Gutachtens.