Herr Kollege Schiller, ich glaube, es ist wirklich nicht die Zeit — —
— Einen Moment, Herr Wehner, so nicht!
— Das ist großartig, Herr Wehner; Sie haben sonst nicht so viel Zeit.
Das Defizit des Bundeshaushalts 1965, Herr Kollege Schiller, beträgt 724 oder 726 Millionen DM. Ich habe die Zahl im Moment nicht im Kopf. Sie wird Ihnen mit der Gesamtabrechnung des Jahres 1965 gedruckt vorgelegt werden. Sie wissen ja, daß Sie diese Abrechnung des Haushalts nach einiger Zeit erhalten. Ich glaube, wir sollten die Frage des Kassendefizits von 2,3 Milliarden DM bei der Bundesbank hier nicht weiter erörtern. Das geht nun wahrhaftigen Gotts nicht. Daß das, was Herr Schmücker genannt hat, nicht vergleichbar ist mit dem, was die Bundesbank im Januar-Bericht gesagt hat, ist doch ganz klar.
Noch eine Bemerkung zu der mittelfristigen Vorausschau. Eine Gesamtvorausschau, ein öffentlicher Gesamthaushalt ist selbstverständlich nur möglich, wenn zwischen Bund, Ländern und Gemeinden Übereinstimmung über ein Schema, über ein einheitliches Erhebungsformular geschaffen worden ist. Ich kann Ihnen erfreulicherweise mitteilen, daß im Verhältnis Bund—Länder ein Arbeitskreis damit beschäftigt ist, diese Unterlagen zu schaffen. Zusätzlich müssen aber noch 25 000 Gemeinden oder mindestens eine repräsentative Zahl von großen, mittleren und kleinen Gemeinden einbezogen werden. Das sind Arbeiten, die mit der Finanzreform zusammenhängen, die die Bundesregierung tatkräftig gefördert hat. Trotz all Ihrer düsteren Prognosen liegt das Gutachten inzwischen vor und wird Ihnen in aller Kürze zugestellt werden können. Übrigens nutzt mir die Zusammenfassung der Bedarfsanmeldungen aller öffentlichen Haushalte gar nichts, wenn nicht die Abstimmung der Ausgabeanforderungen mit den finanzwirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Möglichkeiten, d. h. die Festlegung von Prioritäten, hinzukommt.
Nun muß ich mich, so leid es mir tut, einem Zwischenruf oder einer Zwischenfrage des Kollegen Schmidt zuwenden. Er ist zwar leider nicht da, aber ich möchte die Erwiderung gern im Protokoll haben. Herr Kollege Schmidt, der ja auch Diplomvolkswirt ist, hat während der Rede des Herrn Bundeskanzlers auf eine „Inflationsrate" bei den Steuerschätzungen hingewiesen. Ich weiß, daß in populären Auslassungen dazu häufig der Gedanke geäußert wird, der Staat könne sich über die
Inflationsrate bei den Steuereingängen besonders freuen. Ich habe dazu zu sagen, daß ich den in dem Zwischenruf des Herrn Kollegen Schmidt liegenden Vorwurf nicht verstehe. Auch in dem Sachverständigengutachten findet sich eigenartigerweise der Vorwurf, die Bundesregierung berücksichtige in ihrer Haushaltsgestaltung einen Inflationszuschlag, wenn sie die Steigerung des nominellen Sozialprodukts zugrunde lege; auf diese Weise werde den Preissteigerungstendenzen Vorschub geleistet. Meine Damen und Herren, es ist unrealistisch, die Steuern auf der Basis des realen Wachstums des Bruttosozialprodukts zu schätzen. Dann würde dem Bundesfinanzminister, wie das früher immer geschehen ist, der Vorwurf gemacht werden, er habe bewußt druntergehalten. Die Steuerschätzung, an der neuerdings die Länder beteiligt sind, wie Sie wissen, an der auch die Bundesbank beteiligt ist, an der unabhängige Sachverständige beteiligt sind, erfolgt in keiner Weise so, daß eine Inflationsrate einkalkuliert wird. Aber die zu erwartenden Einnahmen müssen nach der ausdrücklichen Vorschrift des Art. 110 Abs. 1 des Grundgesetzes und nach § 9 der Reichshaushaltsordnung so geschätzt werden, daß die voraussichtlichen Einnahmen möglichst mit dem Ist in der Waage gehalten werden. Deshalb kann eine solche wirklichkeitsgetreue Vorausschätzung der Steuern nur auf der Basis des zu erwartenden nominellen Wirtschaftswachstums erfolgen, und zwar mit Abwägungen auf 1 3/4 Jahr im voraus und auf die manchmal über ein Jahr zurückliegenden Veranlagungszeiträume. Aber der Vorwurf, daß dabei eine Inflationsrate geschätzt wird, ist eine Unterstellung, die nicht richtig ist. Selbst bei völligem Stillstand der Preise würden sich, wenn Sie die reale Wachstumsrate nehmen, die im Laufe des vorangegangenen Jahres eingetretenen Veränderungen erstmals in rund 12 Monaten auswirken. Das können Sie gar nicht vermeiden.
Ich möchte nur feststellen, daß es für die konjunkturgerechte Haushaltsgestaltung gar nicht auf die reale Steuerschätzung ankommt, die Herr Kollege Schmidt mit entsprechend niedrigeren Ausgabeansätzen verlangt hat. Allein ausschlaggebend ist, daß die erzielten Einnahmen, wie hoch sie auch immer sein mögen, einer konjunkturgerechten Verwendung zugeführt werden. Darauf allein kommt es an. Sie müssen also z. B. zur Tilgung von Schulden benutzt werden. — Bitte, Herr Kollege!