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    Deutscher Bundestag 17. Sitzung Bonn, den 27. Januar 1966 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 659 A Fragestunde (Drucksache V/212) Frage des Abg. Dröscher: Beurlaubung deutscher Beschäftigter bei den Stationierungstruppen zur Teilnahme an Lehrgängen und Prüfungen Grund, Staatssekretär 659 D Dröscher (SPD) . . . . . . . 660 A Frage des Abg. Dröscher: Nutzung von Gemarkungsteilen durch Bundeswehranlagen — Grundsteuerausfall Grund, Staatssekretär 660 C Dröscher (SPD) 660 D Strohmayr (SPD) 660 D Fragen des Abg. Dr. Miessner: Dienstpostenzulagen für ungünstige Dienstzeiten bei der Deutschen Bundesbahn Grund, Staatssekretär 661 A Dr. Miessner (FDP) 661 B Seibert (SPD) . .. . . . . . . 661 B Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Angestelltenversicherung . . . . . 662 C Fragen des Abg. Folger: Europäischer Sozialfonds Kattenstroth, Staatssekretär . . . 662 D Frage des Abg. Dr. Müller (München) : Entschädigung für Schäden an Gesundheit und Vermögen bei Nothilfeleistung Kattenstroth, Staatssekretär . . . 663 C Dr. Müller (München) (SPD) . . . 663 D Fragen des Abg. Dr. Geißler: „Telefonseelsorge" — „Fernsprechseelsorge" Stücklen, Bundesminister . . . . . 664 A Dr. Geißler (CDU/CSU) . . . . . 664 B Fragen des Abg. Porzner: Fernsehprogramm in Rothenburg ob der Tauber und im Landkreis Rothenburg 664 B Frage des Abg. Dr. Müller (München) : Nichtempfang von Sendestationen der BRD im unmittelbar benachbarten Ausland Stücklen, Bundesminister 664 C Dr. Müller (München) (SPD) . . 664 D Hofmann (Kronach) (SPD) . . . 665 B Strohmayr (SPD) . . . . . . 665 C II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Januar 1966 Frage des Abg. Schmidt (Kempten) : Unzulänglicher Empfang des 3. Fernsehprogramms im Bereich des Bayerischen Rundfunks Stücklen, Bundesminister 665 D Schmidt (Kempten) (FDP) . . . 666 A Ertl (FDP) 666 C Hofmann (Kronach) (SPD) . . . 666 C Fragen des Abg. Fellermaier: Maul- und Klauenseuche 667 A Fragen der Abg. Ertl und Schmidt (Kempten) : Förderungsmittel für technische Anlagen bei Futterbaubetrieben . . . 667 A, C Frage des Abg. Schmidt (Kempten) : Erstattungsmöglichkeit für Emmentaler-Export in die EWG-Länder . . . 667 B Fragen des Abg. Leicht: Weineinfuhrkontingente 667 C Fragen des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) : Bundesforschungsanstalten in Braunschweig 667 C Frage des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) : Naturwissenschaftlich-technische Attachés für die wichtigsten Botschaften . 667 C Frage des Abg. Rollmann: Zentrales Institut zur Ausbildung und Fortbildung von Straf vollzugsbediensteten Dr. Jaeger, Bundesminister . . . 667 D Rollmann (CDU/CSU) 668 A Fragen des Abg. Dr. Gleissner: Mißbrauch im Abzahlungsgeschäft — Zahl der Wechselgeschäfte beim Autokauf 668 B Fragen des Abg. Dorn: Probezeit und Vorbereitungsdienst der Beamten — Grundwehrdienst Gumbel, Staatssekretär 668 C Dorn (FDP) 668 C Fragen des Abg. Gierenstein: Stand der Privatisierung im Industriegelände Ebenhausen-Werk Dr. Dollinger, Bundesminister . . 669 A Schoettle, Vizepräsident 669 B Strohmayr (SPD) 669 B Böhm (SPD) 669 D Frage des Abg. Dr. Becher (Pullach) : Todesurteil über den deutschen Staatsbürger Johann Zirisan in Jugoslawien Dr. Carstens, Staatssekretär . . . 670 B Frage des Abg. Dr. Becher (Pullach) : Gefahren für deutsche Ferienreisende durch die jugoslawische Justiz Dr. Carstens, Staatssekretär . . 670 D Bühler (CDU/CSU) 671 A Prochazka (CDU/CSU) 671 B Frage des Abg. Dr. Becher (Pullach) : Möglichkeit einer Ahndung der Ermordung deutscher Kriegsgefangener und Jugoslawien-Deutscher in Jugoslawien Dr. Carstens, Staatssekretär . . . 671 C Dr. Becher (Pullach) (CDU/CSU) . 671 D Borm (FDP) 672 A Fragen des Abg. Müller (Berlin) : Deutsche Chemieausstellung in Moskau 672 A Fragen des Abg. Liehr: Behandlung der SBZ als Drittland Dr. Carstens, Staatssekretär . . . 672 C Liehr (SPD) 672 D Fragen des Abg. Strohmayr: Militärhilfe für Griechenland und die Türkei Dr. Carstens, Staatssekretär . . 673 B Strohmayr (SPD) 673 C Erklärung des Bundesministers der Auswärtigen Dr. Schröder, Bundesminister . . 673 D, 691 C, 696 A Frau Strobel (SPD) 676 B Dr. Furler (CDU/CSU) 679 B Dr. Starke (Franken) (FDP) . . . 682 B Dr. Birrenbach (CDU/CSU) . . . 683 C Freiherr von und zu Guttenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . 686 B Dr. Apel (SPD) 688 B D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . 690 B Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) . 690 B Wehner (SPD) 693 D Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung betr. a) Aufhebung der Immunität von Abgeordneten bei Verkehrsdelikten und Bagatellsachen, b) Ermächtigung gem. § 197 StGB (Drucksache V/229) . 696 D Nächste Sitzung 697 Anlagen 699 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Januar 1966 659 17. Sitzung Bonn, den 27. Januar 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete() beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Adenauer 28. 1. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 28. 1. Bartsch 28. 1. Bauer (Würzburg) *) 28. 1. Prinz von Bayern 5. 2. Dr. Bechert 28. 1. Frau Berger-Heise 18. 2. Berkhan *) 28. 1. Berlin 28. 1. Blachstein *) 28. 1. Blank 12. 2. Burger 10. 4. Corterier *) 28. 1. van Delden 6. 2. Draeger *) 28. 1. Dr. Effertz 27. 1. Frau Eilers 28. 1. Dr. Elbrächter 27. 1. Erler 15. 2. Faller 28. 1. Figgen 28. 1. Flämig *) 28. 1. Fritz (Wiesbaden) 27. 1. Frau Funcke (Hagen) 11. 2. Geiger 27. 1. Gibbert 28. 1. Dr. Gleissner 4. 2. Gscheidle 28. 1. Haar (Stuttgart) 27. 1. Dr. Dr. Heinemann 28. 1. Herold *) 28. 1. Hilbert *) 28. 1. Hösl *) 28. 1. Frau Dr. Hubert *) 28. 1. Dr. h. c. Jaksch 27. 1. Josten 19. 2. Junghans 7. 2. Kahn-Ackermann *) 28. 1. Frau Klee *) 28. 1. Dr. Kliesing (Honnef) *) 28. 1. Dr. Kopf *) 28. 1. Frau Krappe 28. 2. Leber 28. 1. Lenze (Attendorn) *) 28. 1. Liedtke 8. 3. Dr. Lohmar 28. 1. Frau Dr. Maxsein *) 28. 1. Frau Meermann 28. 1. Dr. Morgenstern 28. 1. Neemann 15. 2. Paul *) 28. 1. Frau Pitz-Savelsberg 28. 1. Pöhler *) 28. 1. *) Für die Teilnahme an einer Tagung der Beratenden Versammlung des Europarats Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Dr. Pohle 27. 1. Riedel (Frankfurt) 27. 1. Dr. Rutschke *) 28. 1. Frau Schanzenbach 3. 2. Dr. Schiller 27. 1. Schlager 27. 1. Dr. Schmid (Frankfurt) *) 28. 1. Schmidt (Hamburg) 28. 1. Dr. Schulz (Berlin) *) 28. 1. Dr. Serres *) 28. 1. Seuffert 19. 2. Urban 31.1. Dr. Frhr. v. Vittinghoff-Schell *) 28. 1. Vogt *) 28. 1. Dr. Wahl *) 28. 1. Weimer 27. 1. Wienand *) 28. 1. Baron von Wrangel 28. 1. Wurbs 28. 1. b) Urlaubsanträge Dr. Rinderspacher 6. 2. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Grund vom 27. Januar 1966 auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Müller (München) zu der Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Zerbe St). Wegen Zeitablaufs der gestrigen Fragestunde konnte ich Ihre zweite Zusatzfrage zu den Fragen des Abgeordneten Zerbe, die sich auf den kommunalen Straßenbau bezog, leider nicht mehr beantworten. Ich erlaube mir deshalb, Ihnen die Antwort schriftlich zu übermitteln. Im Rahmen der Maßnahmen zur Geldwertstabilisierung ließ es sich nicht vermeiden, auch den Straßenbauplan des Bundes einzubeziehen und gegenüber dem ursprünglichen Plan- und Finanzierungssoll Einschränkungen vorzunehmen. Soweit hierbei echte Kürzungen vorgenommen werden mußten, sind die Zuschüsse an die Gemeinden hiervon bewußt unberührt geblieben. Sie wurden im Gegenteil gegenüber dem Vorjahr von 200 Mio DM auf 208 Mio DM erhöht. Eine weitere Erhöhung dieser Zuschüsse würde zwangsläufig die Zurückstellung von zahlreichen für das Rechnungsjahr 1966 vorgesehenen Baumaßnahmen an Bundesfernstraßen nach sich ziehen. Es wäre aber nicht sinnvoll, die zweifellos im kommunalen Verkehrsbereich bestehenden Engpässe zu Lasten der ohnehin noch nicht befriedigend gelösten Fernverkehrsprobleme zu beseitigen. **) Siehe 16. Sitzung Seite 617 B 700 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Januar 1966 Die von Ihnen erwähnte Möglichkeit, die Zweckbindung der Mineralölsteuer um einen bestimmten Prozentsatz zugunsten des kommunalen Straßenbaus zu erhöhen, würde bedeuten, daß im Gesamthaushalt eine Deckungslücke entstehen würde, die unter den gegenwärtigen Umständen nur durch Steuererhöhungen geschlossen werden könnte. Es sollte bei dieser Betrachtung nicht außer acht gelassen werden, daß der Bund im Interesse der Gemeinden schon jetzt über die direkten Zuschüsse an die kommunalen Baulastträger hinaus rd. 38 v.H. der Aufwendungen des 2. Vierjahresplanes = rd. 4,9 Mrd. DM für Baumaßnahmen im Vorfeld der großen Ballungszentren oder indirekt durch den Bau von Umgehungsstraßen und neuen entlastenden Autobahnen zur Verfügung stellt. Wenn es sich hier auch um Aufgaben handelt, die in die alleinige Zuständigkeit des Bundes fallen, so tragen sie doch entscheidend zur Entlastung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden bei. Wie ich schon in der gestrigen Fragestunde betont habe, wird erwogen, ggf. dem Deutschen Bundestag so bald wie möglich weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden vorzuschlagen. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Lotze (Drucksache V/212 Frage XII/4) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Landwirtschaft fühlbare Schäden dadurch entstehen, daß an der Bundeswasserstraße Weser zwischen dem Mittellandkanal und Bremen gelegene Ländereien alljährlich überflutet werden? Es trifft zu, daß landwirtschaftlich genutzte Flächen und sonstige Anlagen beiderseits der Weser bei Hochwasser überflutet werden und hierbei Schäden auftreten. Für die Abführung des Hochwassers ist der Querschnitt zwischen den Winterdeichen bemessen und notwendig. Der Deichschutz ist stets Landessache. Solche Überflutungen treten je nach Wetterlage in gleicher Weise wie an der Weser auch an anderen Flüssen auf, natürlich ebenso wie an der Weser nicht alljährlich. Sie führen auch keinesfalls immer zu Schäden. Auch ihr Ausbleiben kann Schäden durch zu starke Bodenaustrocknung veranlassen. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Lotze (Drucksache V/212 Frage XII/5) : Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, der Hochwassergefahr der Weser wirksam zu begegnen, um dadurch Schäden von den davon betroffenen landwirtschaftlichen Betrieben abzuwenden? Nach Artikel 89 GG obliegt dem Bund die Verwaltung der Bundeswasserstraßen. Der Umfang seiner Unterhaltungspflicht ergibt sich aus § 28 Wasserhaushaltsgesetz. Danach hat der Bund für die Erhaltung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Wasserabflusses — darunter fällt in übereinstimmender Auffassung mit den Ländern nicht der Hoch-wasserabfluß des Gewässerbettes — und für die Erhaltung der Schiffbarkeit zu sorgen. Für die Sicherung des Hochwasserabflusses, also für den Schutz der Anlieger gegen das Hochwasser ist das jeweilige Bundesland und nicht der Bund zuständig. Maßnahmen zur Verminderung der Hochwassergefahren können daher nicht vom Bund, sondern nur von den Ländern getragen werden. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kahn-Ackermann (Drucksache V/212 Frage XII/6) : Trifft es zu, daß das Teilstück der Isar-Talbahn Wolfratshausen—Beuerberg noch in diesem Jahr stillgelegt werden soll? Für die Stillegung des Teilstückes Wolfratshausen—Beuerberg der Isartalbahn liegt mir bisher noch kein Antrag der Deutschen Bundesbahn gemäß Bundesbahngesetz vor. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Brück (Drucksache V/212 Frage XII/7) : Wie ist der Stand der Arbeit der Internationalen Kommission zum Schutz von Mosel und Saar gegen Verunreinigung? Die Internationalen Kommissionen zum Schutze der Mosel und der Saar haben am 29. Januar 1963 ihre Arbeiten aufgenommen. Diese Kommissionen haben die Aufgabe, alle notwendigen Untersuchungen zur Ermittlung der Verunreinigungen vorzubereiten und aufgrund der erzielten Ergebnisse den betreffenden Regierungen die geeigneten Maßnahmen zum Schutze der Mosel und der Saar vorzuschlagen. Zur Durchführung dieser Aufgaben sind je zwei Arbeitsgruppen gebildet worden. Aufgrund der Vorschläge dieser Arbeitsgruppen sind Maßnahmen ergriffen, durch die die Verschmutzung der Rossel und somit auch der Saar und der Mosel durch den Schlamm der französischen Kohlengruben im wesentlichen beseitigt sein soll. Anhand der festgelegten Untersuchungsprogramme sind die Kommissionen weiterhin bemüht, auch die sonstigen Verunreinigungen und Verschmutzungen dieser Wasserläufe auf ein erträgliches Maß zu vermindern. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Januar 1966 701 Anlage 7 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Schwabe (Drucksache V/212 Frage XII/8) : Reichen die derzeitigen Bestimmungen über die Ausführung von Warndreiecken aus, um die kontinuierliche Herstellung und den wünschenswerten breiten Absatz derselben zu gewährleisten? Ich möchte Ihre Frage durchaus bejahen. Es wird zur Zeit geprüft, wie die geltenden Bestimmungen über die Ausführung von Warndreiecken zu ändern sind, um sie den größeren Sicherheitsanforderungen im Verkehr anzupassen. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (Drucksache V/212 Fragen XII/19, XII/10 und XII/11): Trifft es zu, daß die Deutsche Bundesbahn 1966 trotz höheren Bedarfs nur 2500 Güterwagen ankaufen wird, während in den zurückliegenden Jahren durchschnittlich etwa 10 000 Güterwagen pro Jahr in Auftrag gegeben wurden? Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch die in Frage XII/9 genannte Einsparungsmaßnahme die Waggonfabriken der Bundesrepublik, die zum Teil fast völlig von Aufträgen der Deutschen Bundesbahn abhängig sind, in eine schwierige wirtschaftliche Situation kommen, die vor allen Dingen auch erhebliche soziale Harten für die Belegschaften mit sich bringt? Wird durch die beabsichtigten Sparmaßnahmen bei der Vergabe des Baues von Güterwagen die Deutsche Bundesbahn auch künftig ihre Aufgaben im bisherigen Umfange erfüllen können? Ich kann auf Ihre drei Fragen heute noch keine abschließende Antwort geben, da die dazu angeforderte Stellungnahme der Deutschen Bundesbahn nicht ausreichend war und neue Ermittlungen notwendig werden. Wenn Sie einverstanden sind, werde ich die Fragen nach Klärung des Sachverhalts schriftlich beantworten. Fest steht schon heute, daß die Deutsche Bundesbahn im Durchschnitt der letzten drei Jahre jährlich rd. 8000, also nicht rund 10 000 neue Güterwagen bezogen hat und daß bei dem erheblichen Rückgang der Massenguttransporte auch zur Zeit der Herbstspitzen ein Überhang von Güterwagen festzustellen war. Die Auftragsprogramme der Deutschen Bundesbahn werden leider auch entscheidend von ihren Finanzierungsmöglichkeiten bestimmt, die ihrerseits durch die Entwicklung des Kapitalmarktes stark eingeengt sind. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Eppler (Drucksache V/212 Frage XII/12) : Hat ein Schild an einer Ortsdurchfahrt „Achtung Ortsdurchfahrt, Streuen noch nicht beendet", das den ganzen Winter hindurch angebracht ist, für Straßenbenutzer rechtliche Auswirkungen? Das in der Frage erwähnte Schild ist kein amtliches Verkehrszeichen. Die Streupflicht der Gemeinde, die in der Ortsdurchfahrt an besonderen Gefahrenstellen besteht, wird durch den Hinweis nicht gemindert. Dem Verkehrsteilnehmer wird eine Vorsicht nahegelegt, die sich bei winterlicher Witterung von selbst versteht. Für die Schadenersatzpflicht hat das Schild, wenn es den ganzen Winter hindurch angebracht ist, keine rechtlichen Auswirkungen. Ich habe bereits im Februar 1959 die obersten Verkehrs- und Straßenbaubehörden der Länder gebeten, solche Schilder nicht aufzustellen bzw. zu 'beseitigen. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Ertl (Drucksache V/212 Fragen XII/13 und XII/14) : Trifft es zu, daß die Deutsche Bundesbahn beabsichtigt, die Frachttarife für lebende Tiere zu erhöhen? Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch die Heraufsetzung der Frachttarife für lebende Tiere die bäuerlichen Betriebe, insbesondere in den marktfernen und von Natur benachteiligten Gebieten, mit Einkommensverlusten rechnen müssen? Zu Frage XII/13: Ja; soweit ich unterrichtet bin, beabsichtigt die Deutsche Bundesbahn die nichtkostendeckenden Frachten für die Beförderung lebender Tiere zu erhöhen. Dieser Tarif ist zuletzt 1958 gebildet worden. Die Einnahmen daraus decken heute nur einen Teil der verursachten Kosten. Zu Frage XII/14: Ob und inwieweit die Heraufsetzung der Frachttarife für lebende Tiere für die Erzeuger zu Einnahmeverlusten führt, dürfte davon abhängen, wie sich der Markt auf die durch die Tarifänderung herbeigeführte neue Lage einstellt. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Freyh (Drucksache V/212 Frage XII/15) : Sind der Bundesregierung bereits von der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn die von der Bundesbahndirektion Frankfurt (Main) erarbeiteten Pläne für das gemeinsame Bauvorhaben V-Bahn der Stadt Frankfurt (Main) und der Deutschen Bundesbahn zugeleitet worden? Die Pläne bedürfen vor ihrer offiziellen Weiterleitung an den Bundesminister für Verkehr der Behandlung im Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn. Diese steht noch aus. 702 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Januar 1966 Anlage 12 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Freyh (Drucksache V/212 Frage XII/16): Welche künftigen Pläne hat die Deutsche Bundesbahn mit der elektronischen Zugauskunft, wie sie augenblicklich am Hauptbahnhof in Frankfurt (Main) eingerichtet ist? Der von der Firma Siemens & Halske entwickelte elektronische Fahrplan-Auskunftsautomat, zuerst auf der Internationalen Verkehrsausstellung in München gezeigt, wird gegenwärtig in Frankfurt (Main) erprobt. Von dem Ergebnis wird es abhängen, ob weitere Geräte dieser Art beschafft werden. Anlage 13 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Weigl (Drucksache V/212 Frage XII/17) : Hat die Bundesregierung die Einführung einer Gebühr für Ausländer bei der Benutzung unserer Autobahnen prüfen lassen? Die Frage ist in etwas abgewandelter Form schon in der Fragestunde am 1. Dezember 1965 beantwortet worden. Ich darf darauf verweisen und kurz wiederholen, daß nach eingehender Überprüfung die Erhebung einer solchen Gebühr nicht für nützlich angesehen werden kann. Es ist kein Staat in der freien Welt bekannt, in dem nur Ausländer zur Gebührenerhebung für Straßen verpflichtet sind. Eine einseitige Gebührenerhebung nur für Ausländer ist — auch hei den bestehenden internationalen Vereinbarungen über die Freiheit der Straße — in der Bundesrepublik Deutschland nicht vertretbar. Anlage 14 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert (Drucksache V/212 Frage XII/18) : Wird die Bundesregierung in Anbetracht der Stellungnahme der EWG-Kommission zu den Als-ob-Tarifen den Bau des Saar- Pfalz-Kanales nunmehr gemeinsam mit den Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und dem Saarland erörtern? Die Bundesregierung hält entgegen der Stellungnahme der Kommission vom 13. Januar 1966 ihren Standpunkt aufrecht, daß es sich bei den Als-ob-des Landes Rheinland-Pfalz beraten. Mit den Regierungen des Saarlandes und des Landes Rheinland-Pfalz stehen wir bezüglich des gesamten Problemkreises in ständiger Verbindung. Tarifen um Wettbewerbsmaßnahmen gemäß Artikel 80 Abs. 3 des EWG-Vertrages handelt. Sie prüft zur Zeit, in welcher Weise sie ihre Auffassung zur Geltung bringen kann, und wird darüber mit den beteiligten Landesregierungen des Saarlandes und Anlage 15 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert (Drucksache V/212 Frage XII/19) : Ist der Bundesverkehrsminister in Anbetracht der in einigen Städten gemachten Erfahrungen bereit, auf eine bundeseinheitliche Regelung dahin gehend hinzuwirken, daß Sonderparkplätze für Ärzte eingeführt werden? Bisher ist mir dies nur aus Berlin bekannt. Die Rechtslage beleuchtet ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg vom 3. Dezember 1965, in dem erneut entschieden wird, daß die Straßenverkehrs-Ordnung keine rechtliche Handhabe bietet, „dem Zu- und Abgangsverkehr von Anliegern in der Weise Rechnung zu tragen, daß zum Zwecke der Aufstellung an- und abfahrender Kraftfahrzeuge öffentlicher Verkehrsraum bereitgestellt wird". Die obersten Landesbehörden haben auf der Besprechung vom 18. und 19. Januar 1966 sich gegen eine gesetzliche Änderung dieser Rechtslage ausgesprochen; sie befürchten, daß die Begünstigung eines Berufszweiges zahlreiche Berufungen nach sich zieht. Anlage 16 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Matthöfer (Drucksache V/212 Fragen XII/20 und XII/21) : Welches Ergebnis hatten die in der Fragestunde der 186. Sitzung des 4. Deutschen Bundestages angekündigten Verhandlungen der Bundesregierung mit den Länderregierungen bezüglich der Entschädigungsbestimmungen für erhöhte Schäden, die vor allem dem Einzelhandel bei U-Bahnbauten entstehen? Hält die Bundesregierung eine einheitliche Regelung des in Frage XII/20 genannten Problems durch den Bundesgesetzgeber für zweckmäßig? Nach den bisher eingegangenen Stellungnahmen einiger Länder zu unserer Anfrage vom 20. Juli 1965 wird in keinem Fall eine gesetzgeberische Tätigkeit des Bundes für erforderlich oder zweckmäßig gehalten. Hamburg hält eine gesetzliche Regelung nicht für eine Sache des Bundes, da die Probleme vornehmlich nur innerhalb einzelner Großstädte und nicht beim Bau von Bundesstraßen auftreten. Bayern und Hessen halten es für richtig, die Frage der Entschädigung bei Beeinträchtigungen durch U-Bahn- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Januar 1966 703 bauten der Gesetzesauslegung durch die Rechtsprechung zu überlassen. Dieser Weg erscheint richtig. Bereits bei Beantwortung der Frage im Bundestag am 21. Mai 1965 wurde auf die Entwicklung der Rechtsprechung in dieser erst in letzter Zeit bedeutsamer gewordenen Angelegenheit hingewiesen. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 5. Juli 1965 wurde die bisherige Rechtsprechung über Geschäftsschädigungen durch Straßenbauten zugunsten der durch U-Bahn-bauten Beeinträchtigten modifiziert. Danach braucht der Straßenanlieger Beeinträchtigungen seines Gewerbebetriebs durch Arbeiten für die Anlegung einer neuen Untergrundbahnstrecke in der Regel nicht entschädigungslos hinzunehmen. Diese höchstrichterliche Entscheidung zeigt, daß die Rechtsprechung bemüht ist, den Belangen der durch U-Bahn-bauten Geschädigten Rechnung zu tragen. Anlage 17 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Stoltenberg vom 26. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) (Drucksache V/212 Fragen XIV/1, XIV/2 und XIV/3): Ist die Bundesregierung bereit, die in der Stadt Braunschweig befindlichen 4 Bundesforschungsanstalten: Forschungsanstalt für Landwirtschaft, Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, Deutsche Forschungsanstalt für Luftfahrt von eventuellen Kürzungen und Sperrungen der Haushaltsmittel auszunehmen? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, damit in den Bundesforschungsanstalten durch die im Zuge der Preissteigerungen eingetretenen Einsparungen der Beschaffung wesentlicher Fachliteratur und Periodika die wissenschaftlichen Arbeitsgrundlagen nicht gehemmt werden? Wird die Bundesregierung wie andere große Industrie-Nationen bereit sein, naturwissenschaftlich-technische Attachés an die wichtigsten Botschaften zu entsenden? Frage XIV/1: Nach dem Regierungsentwurf des Haushaltsgesetzes und des Bundeshaushaltsplans 1966 sind generelle Kürzungen und Sperren von Haushaltsmitteln nicht vorgesehen. Die von Ihnen genannten Braunschweiger Forschungsanstalten sind also nicht von solchen Maßnahmen betroffen. Ich hoffe, daß auch der Deutsche Bundestag bei der Beratung des Bundeshaushaltsplans 1966 keine Kürzungen und Sperren zu Lasten der Bundesforschungsanstalten vornehmen wird. Frage XIV/2: Die Ansätze für Fachliteratur und Zeitschriften für Bundesforschungsanstalten (Titel 202) sind im Entwurf des Bundeshaushaltsplans 1966 so ausgestattet, daß Fachbücher und Periodika als wissenschaftliche Arbeitsgrundlage im notwendigen Umfang beschafft werden können. Gerade diese Ansätze sind im Verhältnis zum Wachstum des Bundeshaushalts überdurchschnittlich erhöht worden. Frage XIV/3: Die Bundesregierung hält es für notwendig, dem Beispiel anderer Industrienationen zu folgen und im Laufe der Zeit Wissenschaftsattachés an wichtige deutsche Botschaften zu entsenden. Die erste vom Bundestag bewilligte Stelle wird voraussichtlich in Kürze besetzt werden.
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    Rede von Dr. Heinz Starke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Freien Demokraten möchte ich betonen, daß wir die Wiederaufnahme der Verhandlungen am gemeinsamen Tisch, um den Fortgang 'der europäischen Arbeit zu erörtern, außerordentlich begrüßt haben. Wir haben auch die dann sich ergebende Debatte im Europäischen Parlament begrüßt, die zu einer gewissen Klarstellung einer Reihe von Fragen beigetragen hat.
    Wir !begrüßen diese Erörterungen am gemeinsamen runden Tisch in Luxemburg schon deshalb, weil dadurch nicht der Eindruck entsteht, daß man bei den bevorstehenden deutsch-französischen Konsultationen in Paris die Dinge zweiseitig regeln könnte; denn es handelt sich ja hier nicht um eine nur deutsch-französische Frage, sondern eben um eine Frage, die den Fortgang der europäischen Arbeit betrifft. Auf der anderen Seite gestehen wir offen, daß wir ohne Illusionen die Wiederaufnahme der Verhandlungen gesehen haben und daß wir von vornherein nicht geglaubt haben, daß angesichts all dessen, was sich ereignet hat, morgen wieder alles so sein werde wie gestern. Vor allein aber liegt uns am Herzen zu sagen, daß wir diese Wiederaufnahme der Verhandlungen in Luxemburg von vornherein nicht als ein Zusammenkommen angesehen haben, um Bedingungen in Empfang zu nehmen oder gar zu akzeptieren. Die Bundesregierung sollte hören und mit voller Bereitschaft für eine gute Lösung prüfen, was Frankreich will. Wir möchten ihr ganz besonders dafür danken, daß die Bundesregierung das getan hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Ruhe, die die Bundesregierung bewahrt hat, sollte auch — und das haben gerade meine Vorredner bewiesen — das Parlament bewahren. Wir dürfen jetzt nicht die Nerven verlieren. Für uns ist es heute am wichtigsten, daß wir diese Haltung der Bundesregierung bestätigen; und wie ich aus den Ausführungen meiner Vorredner entnommen habe, wird das Hohe Haus die Haltung der Regierung stärken. Das ist — diese Bemerkung möchte ich doch machen — um so wichtiger, als eine Fülle von Zwischenmeldungen in den letzten Tagen — auch in der inländischen Presse — der so notwendigen und von der Bundesregierung so sehr gepflegten Verbindung mit den vier anderen Partnern nicht dient.
    Die Grundhaltung des Parlaments sollte ganz klar sein. Das Parlament hat seinerzeit die europäischen Verträge ratifiziert, und Wortlaut und Geist dieser Verträge können ohne das in den Verträgen vorgesehene Verfahren — d. h. ohne das Parlament — nicht geändert werden.
    Man kann gewiß in Luxemburg an Hand des französischen Memorandums über die verbesserte Zusammenarbeit zwischen Ministerrat und Kommission sprechen. Es ist bereits erwähnt worden, daß man dabei den Art. 162 nicht übersehen darf, der für die Regelung der Zusammenarbeit eine „Einvernehmlichkeit" zwischen den beiden Organen der Gemeinschaft vorsieht. Ich möchte auch auf Art. 163 hinweisen, der ja Mehrheitsentscheidungen innerhalb der Kommission vorsieht.
    Wir Freien Demokraten haben immer betont, daß die Gemeinschaft auf Kosten der Lebensinteressen der Mitgliedstaaten nicht erfolgreich entwickelt werden könnte. Auf der anderen Seite ist aber vor einer Art Vetorecht zu warnen, insbesondere etwa gar einem Vetorecht auf bestimmten Gebieten, mit dem man sich dann hier bereits beschlossene Vorteile erhalten könnte, dort aber auf anderen Gebieten Fortschritte — insbesondere in Richtung einer gleichzeitigen und gleichgewichtigen Entwicklung — verhindern könnte.
    Ganz sicher ist es auch so — das möchten wir besonders betonen —, daß man die vertragsgemäße Stellung der Kommission nicht durch die Art der personellen Besetzung verändern darf. Dem steht Art. 157 des Vertrags über die Unabhängigkeit der Kommissionen und ihrer Mitglieder entgegen. Ich erwähne hier nur — was vielleicht nicht immer die nötige Beachtung findet —, daß die seinerzeitige personelle Umbesetzung in der Euratom-Kommis-



    Dr. Starke (Franken)

    sion deren europäische Wirksamkeit in gar keiner Weise verstärkt hat.
    Wenn man das Ganze sieht, stellt man immer wieder fest, daß die nun einmal geltenden Verträge ein ausgewogenes Ganzes bilden, aus dem man nicht leichthin Stücke herausbrechen kann, um auf der anderen Seite den Rest zu erhalten oder zu behalten. Von den Opfern, die wir gerade in der Bundesrepublik für das Ganze, für das ausgewogene System gebracht haben, will ich heute hier gar nicht sprechen.

    (Vorsitz : Präsident D. Dr. Gerstenmaier.)

    Alles in allem möchten wir der Regierung nochmals für ihre Haltung danken. Wir sind unsererseits hinsichtlich des weiteren Verfahrens der Meinung — und Sie wissen, welche große Rolle Verfahrensfragen in der Gemeinschaft spielen —, daß engste Fühlungnahme mit den vier anderen Partnern auch in Zukunft notwendig ist, daß man in Luxemburg ohne die Kommission nur die von Frankreich aufgeworfenen Verfahrensfragen behandeln sollte, daß nach einer Einigung darüber eine vollständige, eine volle Rückkehr aller an den Ratstisch erforderlich ist, nicht etwa nur eine partielle Rückkehr zur Behandlung bestimmter Fragen, daß erst danach wiederum über die Besetzung der Gesamtkommission und über Sachfragen verhandelt werden kann und daß schließlich die Ratifizierung bzw. die Hinterlegung der Ratifizierungsurkunden über die Vertragsänderung, die wir hier schon beschlossen haben, nicht vor der Einigung über die personelle Besetzung der Gesamtkommission vorgenommen werden sollte.
    Schon heute möchten wir auch angesichts des vorgelegten Arbeitsplanes, der natürlich kein Ultimatum ist, vor weiteren Arbeitsplänen warnen, bei denen wiederum feste Termine vereinbart werden, die nach bisheriger Erfahrung als Verpflichtung ausgelegt werden, bis zu diesem Termin eine z. B. ein e m Mitgliedsstaat genehme Regelung zu treffen, obwohl die Termine doch in Wirklichkeit unter dem Vorbehalt verstanden werden mußten, daß man sich in der Sache einigt. Gerade durch ein solches Verfahren wird die dringend notwendige gleichzeitige und gleichgewichtige Entwicklung der Gemeinschaft auf allen Gebieten verhindert und entstehen feste Verpflichtungen mit Lasten besonders etwa für einen Mitgliedstaat, denen dann nur ganz vage Expektanzen und Hoffnungen auf anderen Gebieten gegenüberstehen. Das darf in Zukunft nicht mehr geschehen. Wir sollten uns auch vor Augen halten, daß derjenige, der sieben Monate den Fortgang der Arbeiten doch verzögert hat, jetzt natürlich nicht vorzüglich an der Reihe ist, solche Bedingungen zu stellen.

    (Beifall bei der FDP.)

    Trotz aller dieser Schwierigkeiten muß und wird nach unserer Auffassung dieses Europa überleben. Wir können es weder in der Weltpolitik noch für unsere Politik noch als einen Kristallisationspunkt für ein größeres Europa entbehren. Wir begrüßen also noch einmal die klare Haltung der Regierung und möchten dieser Haltung eine Rückenstärkung aus diesem Hohen Hause geben. Auch die von der Bundesregierung so sorgsam gepflegte gemeinsame Haltung der fünf Partner begrüßen wir. Nur eine solche feste und zugleich maßvolle Haltung unseres Parlaments und der Bundesregierung trägt dazu bei, das Vertrauen wiederherzustellen und dann zu erhalten, ohne daß ein Europa der Freien und Gleichen, wie wir es uns denken, nicht bestehen kann. In einer solchen Haltung verkörpert sich für unsere Vorstellungen wahre europäische Einstellung. Sie allein wird sich in den kommenden Verhandlungen bewähren und, wie wir glauben, zum Erfolg führen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Birrenbach.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Kurt Birrenbach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Krise der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft — und daß eine Krise besteht, ist die Auffassung aller Redner heute morgen gewesen — ist nicht die erste Krise der europäischen Institutionen und sicherlich auch nicht die letzte. Sie unterscheidet sich, abgesehen von der Krise im Januar 1963, von allen übrigen dadurch, daß es hier nicht in erster Linie um materielle Fragen geht, sondern, wie der Bundesaußenminister richtig erklärt hat, in Wahrheit um die Struktur der Gemeinschaft selbst. Hier wird das den Verträgen von Rom zugrunde liegende Funktionsprinzip in Frage gestellt, jedenfalls in seiner zeitweiligen Anwendung, — wenn nicht mehr.
    Daß diese Krise ausgebrochen ist, kann niemanden überraschen. Man wundert sich höchstens, daß sie erst jetzt zum Ausbruch gekommen ist. In Wahrheit geht es hier, wenn auch erst auf wirtschafts- und sozialpolitischem Gebiet, um die Frage der Priorität von Gemeinschaft und Nationalstaat. Dieser Zwiespalt ist ein Dilemma, das so lange bestehenbleibt, bis Europa seine endgültige verfassungsmäßige Form gefunden hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wenn dieses Prinzip bisher nicht in Frage gestellt worden ist, so hatte dies zwei Gründe. Erstens: Je stärker der Prozeß der inneren Verflechtung auf wirtschaftlichem Gebiet im Rahmen der Gemeinschaft weitergeht, desto tiefer schneidet jede Entscheidung der Gemeinschaft in die historisch gewachsenen, souveränen Belange eines jeden Staates ein. Zweitens: Ab 1. Januar 1966 macht der Vertrag in der Schlußphase der Übergangszeit in großem Umfang Mehrheitsentscheidungen möglich.
    Zunächst ist zu sagen, daß diese Krise, so schwer sie ist, ein natürliches Element innerhalb des Wachstumsprozesses der Gemeinschaft ist. Daher muß von vornherein davor gewarnt werden, anzunehmen, daß es hier spezifisch um eine isolierte Auseinandersetzung zwischen Frankreich und der Bundesrepublik geht.

    (Sehr gut! in der Mitte.)




    Dr. Birrenbach
    Zur Diskussion steht heute sachlich das Problem, ob das Funktionsprinzip der Römischen Verträge auch dann Anwendung finden kann, wenn es um Fragen geht, die an den Kern der Politik rühren, und Wirtschafts- und Sozialpolitik, meine Damen und Herren, sind in Wahrheit Politik; darüber besteht kein Zweifel.
    Das Funktionsprinzip des Vertrages besteht in dem ständigen Dialog zwischen einer europäischen Institution, deren Aufgabe es ist, Lösungen für die gemeinsamen Probleme vorzuschlagen, und den nationalen Regierungen, vertreten im Ministerrat. So heißt es in einer Resolution des Komitees für die Vereinigten Staaten von Europa. Dieses Verfahren führt innerhalb des Ministerrates — und hier ist das Zentrum der Entscheidungen — zu gemeinschaftlichen Entscheidungen. Die Kommission nimmt in der Formulierung ihrer Vorschläge das Interesse aller Sechs vorweg und schlägt aus ihrer spezifischen Rolle innerhalb des Mechanismus der Verträge nur solche Lösungen vor, die für die Gemeinschaft, d. h. für alle annehmbar sind. Die Kommission ist daher das Gemeinschaftsorgan schlechthin. Sie verkörpert den Geist der Gemeinschaft, sie ist die Hüterin des Vertrages. Ihre Mitglieder sind keinen Weisungen der Regierungen unterworfen und nur dem Europäischen Parlament verantwortlich. Die Kommission ist damit, wie Herr Furler gesagt hat, der Motor der Gemeinschaft. Verlöre sie ihre Eigenständigkeit, dann wäre ein Dialog mit den Regierungen im Ministerrat nicht mehr möglich, sicherlich aber nicht fruchtbar. Aber auch der Ministerrat ist, obwohl die Nationalstaaten in ihm vertreten sind, ein europäisches Organ. Auch bei seinen Entschließungen muß das Interesse der Gemeinschaft als Ganzes über dem der Nationalstaaten liegen. Eine Gemeinschaft liegt aber nur dann vor, wenn alle Partner alle Probleme als gemeinsame Probleme ansehen und auch als solche behandeln. Jede Gemeinschaft würde scheitern, wenn wahrhaft vitale Interessen einzelner Partnerstaaten verletzt würden. Das ergibt sich allein aus dem Charakter der Gemeinschaft. Dafür sorgt das institutionalisierte Zusammenspiel zwischen Kommission einerseits und Ministerrat andererseits. Dieses Prinzip gewinnt so die Rolle eines Federateurs, d. h. einer einigenden Kraft, die in Gemeinschaften auf hegemonialer Basis aus dem Übergewicht der Macht resultiert.
    So ist die Gemeinschaft nach den Worten Walter Hallsteins eine echte Rechtsordnung, so sind die Verträge von Rom das Grundgesetz der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, der rechtliche Rahmen der europäischen Wirtschafts- und Sozialordnung. Wenn dieses Prinzip in Frage gestellt wird, so muß man fragen, ob es bisher funktioniert hat. Diese Frage ist mit einem klaren Ja zu beantworten.
    Die gemeinsame Zusammenarbeit in den europäischen Institutionen hat, aus der deutschen Perspektive gesehen, der Entwicklung einer deutsch-französischen Freundschaft erst die Grundlage und den Rahmen geboten. Die Zusammenarbeit an gemeinsamen Zielen, die Ersetzung des Machtgedankens durch das Rechtsprinzip,

    (Sehr gut! in der Mitte)

    wie Jean Monnet immer betont, hat die Beziehungen dieser beiden Länder von dem Cauchemar der Vergangenheit befreit. Das gilt für das Verhältnis der Bundesrepublik zu ihren übrigen Partnerstaaten in gleicher Weise.
    Die EWG unter Führung von Rat und Kommission hat der Wirtschaftsunion der Sechs eine wirtschaftliche Blüte ermöglicht, die in der Wirtschaftsgeschichte ohne Beispiel ist. Alle Partner — ich wiederhole: alle Partner — haben aus ihr wirtschaftliche Vorteile gezogen. Ihre Anziehungskraft ist so groß, daß Großbritannien im Jahre 1962 mit anderen Staaten den Beitritt gesucht hat und heute erneut zu suchen beginnt, daß mehr oder minder alle Staaten diesseits der Demarkationslinie den Wunsch haben, sich der EWG anzuschließen oder mindestens zu assoziieren. Selbst osteuropäische Länder sind von der Entwicklung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beeindruckt.
    Sie hat schließlich die große Schutzmacht der westlichen Welt, die Vereinigten Staaten, dazu veranlaßt, einem Europa, das auch politisch mit „einer Stimme spricht" — und das ist der logische Abschluß des Integrationsprozesses, der in der EWG eingeleitet, aber noch nicht beendet ist —, eine Partnerschaft unter Gleichen anzubieten.
    Wenn dies das Ergebnis des bisherigen Verlaufs der Entwicklung der EWG ist, so besteht kein Zweifel, daß es im Interesse aller liegt, dieses historisch so wirkungsvolle Prinzip nicht dadurch zu verändern, daß das Verhältnis der wichtigsten Organe untereinander zu Lasten der Kommission verschoben und das auf der Mehrheitsregel beruhende Integrationsprinzip nicht beeinträchtigt wird.
    Kein Staat Europas muß in der Frage der Treue zu abgeschlossenen Verträgen gewissenhafter sein als die Bundesrepublik.

    (Beifall in der Mitte.)

    Kein Land wird hierfür mehr Verständnis haben als Frankreich, wo die Sakrosanktheit der Verträge eine ununterbrochene nationale Tradition ist. Wenn also die Bundesrepublik in den kommenden Verhandlungen von der Basis der Verträge ausgehen muß, so fragt es sich, ob ohne Änderung der Verträge Möglichkeiten bestehen, Mißbräuche zu verhindern, die in einer Majorisierung einzelner Partner in Fragen vitaler Bedeutung liegen könnten.
    Der belgische Ministerpräsident Spaak hat zu Recht darauf hingewiesen, daß es hier gar nicht um die Frage „Mehrheit oder Einstimmigkeit", sondern in Wahrheit um das Prinzip der qualifizierten Mehrheit geht. Was ausgeschlossen werden muß, ist das Veto eines einzelnen Staates. Vieles ist über diese Frage im Laufe der Debatte gesagt worden. Sicherlich ist eines klar: Wenn eine Vertragsänderung nicht möglich ist, so sollten sich Lösungen finden lassen, die, vom Gemeinschaftsgedanken getragen, einen solchen Mißbrauch ausschalten.
    Das sogenannte vitale Interesse ist juristisch nicht formulierbar. Die Lösungen können also im wesentlichen nur im prozeduralen Bereich liegen, im besonderen in der Übereinstimmung aller, gemein-



    Dr. Birrenbach
    schaftskonform zu handeln. Das setzt aber voraus, daß die Rolle der Kommission in diesem Bereich, die die eines Moderators ist, nicht verändert und insbesondere nicht abgestuft wird. Einzelne Bestimmungen des französischen Zehner-Katalogs machen eine solche Interpretation möglich. Andere sind durchaus diskussionsfähig.
    Im übrigen ist die Rolle der Kommission nach Art. 162 des Vertrages — worauf der Bundesaußenminister hingewiesen hat — Gegenstand einer Übereinkunft zwischen Kommission und Rat. Der Ministerrat kann also nur Überlegungen anstellen, welche Gedanken in den Verhandlungen mit der Kommission über ihre Verhaltensweise diskutiert werden sollen. Auch hier sind Vertragsabänderungen unmöglich. Die Stipulierung einer Konsultationsverpflichtung für die Kommission, wie sie z. B. in Punkt 1 des Zehner-Katalogs enthalten ist, ist undenkbar. Eine vorherige Kontaktnahme zwischen Kommission und Rat aber ist auf der anderen Seite ebenso wünschenswert wie notwendig.
    Die Kommission kann aber auch dadurch geschwächt werden — beachten wir das sehr! —, daß die Persönlichkeiten, welche die Regierungen in sie delegieren, nicht von dem politischen Rang sind wie diejenigen, die die heutige Kommission bilden.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Eine Schwächung des Organs der Kommission im Verhältnis zum Rat — darüber müssen wir uns völlig klar sein — würde den gesamten Mechanismus der Römischen Verträge aus den Angeln heben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir sind sicher, für diesen Gedanken überall Verständnis zu finden, zumal dann, wenn die Verhandlungen zwischen der Kommission und dem Rat über ihr zukünftiges Verhältnis im Geiste der Gemeinschaft und auf der Grundlage der Verträge geführt werden.
    Die Verhandlungen der deutschen Delegation können also in Luxemburg nur auf der Basis der Verträge geführt werden, und zwar mit Festigkeit, Besonnenheit, Konzilianz und Verständnis für alle Vertragspartner. Wenn sich, wie es den Anschein hat, alle Delegationen über diese Grundprinzipien klar sind, wäre es jedenfalls absolut notwendig, daß die Römischen Institutionen wieder an ihrem eigentlichen Sitz in Brüssel über das Programm der Zukunft verhandeln. Ein anderer Weg besteht nicht. Weitere Préalables sind in diesem Zusammenhang nicht mehr möglich. Darüber sind sich alle Redner des heutigen Tages klar gewesen.
    Nach einer Einigung über diese beiden fundamentalen Punkte hat also die normale Arbeit der Institutionen in Brüssel wieder zu beginnen. Der Zeitplan, der in Luxemburg für die künftige Arbeit vorgetragen worden ist, wurde vom französischen Außenminister als Croquis, d. h. als Skizze, bezeichnet. Daß eine Skizze unverbindlich ist, ist ebenso klar, wie es klar ist, daß Programme und Termine einer Gemeinschaft nur gemeinsam festgelegt werden können. Darüber kann und sollte nirgendwo ein Zweifel bestehen. Im übrigen ist das Programm dieser Skizze auch so umfangreich, daß es in der angegebenen Zeit einfach nicht abgewickelt werden kann.
    Was nun die einzelnen Fragen anbelangt, die auf der Tagesordnung der normalen Ratssitzung zusammen mit der Kommission in Brüssel behandelt werden sollen, so erscheint es heute verfrüht, diese hier in Einzelheiten zu behandeln. Erst muß die Klippe von Luxemburg überwunden sein, ehe in Brüssel in die Erörterung sachlicher Fragen wieder eingetreten werden kann. Für diese schälen sich aber aus der bisherigen Debatte für die Zukunft, das heißt immer, wenn die Hoffnung sich erfüllt, daß Frankreich seinen Platz in Brüssel im Kreise von Rat und Kommission wieder einnimmt, einige grundsätzliche Gesichtspunkte heraus, die ich nochmals zusammenfassen möchte.
    Lassen Sie mich aber diese Erwägungen aus wohlverstandenen Gründen mit einer Bemerkung beginnen. Die Bundesrepublik will den europäischen Agrarmarkt ebenso, wie alle Partner den industriellen Markt wünschen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das soll die französische Besorgnis zerstreuen, als wäre die Bundesrepublik nicht bereit, dem französischen Interesse an einer vernünftigen und praktikablen agrarpolitischen Regelung Rechnung zu tragen.
    Damit ist aber gleichzeitig ein anderes Problem gestellt, für das wir Frankreich bitten müssen, das gleiche Verständnis zu haben. Eine harmonische Entwicklung der Gemeinschaft — und das sieht Art. 2 des Vertrages vor — ist nur denkbar, wenn nicht einzelne Bereiche von besonderem Interesse für einzelne Partner zeitlich vorgezogen, sondern nach Möglichkeit alle nach dem Grad ihrer Dringlichkeit pari passu behandelt werden. Agrarmarkt j a, aber gleichzeitig Industriemarkt!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Probleme in Brüssel müssen nach ihrer effektiven Dringlichkeit behandelt werden. Diese Dringlichkeit hat sich in manchen Fragen auf Grund der Abwesenheit eines Partners eher erhöht als vermindert. Ich denke insbesondere an die Fragen der Kennedy-Runde. Diese ist nicht nur für die Bundesrepublik von außerordentlicher politischer wie wirtschaftlicher Bedeutung; sie ist es auch für Europa als Ganzes. Hat die Kennedy-Runde Erfolg, so wird die zollmäßige Kluft zwischen den beiden Teilen Europas vermindert und den Vereinigten Staaten die Aufgabe erleichtert, ihre militärische Schutzfunktion in Europa auszuüben, die für alle europäischen Staaten — ich wiederhole: für alle — von fundamentaler Bedeutung ist.
    Prozediert der Ministerrat nach Wiederaufnahme seiner normalen Tätigkeit in Brüssel nach den Gesichtspunkten der Gleichgewichtigkeit einerseits und der materiellen Dringlichkeit andererseits, so kommen wir zurück zu einem Geist, der die Juni-Besprechungen 1965 zwischen Staatssekretär Lahr und M. Wormser, dem Vertreter des französischen Außenministers, einerseits und die Gespräche zwischen dem damaligen französischen Wirtschaftsmi-



    Dr. Birrenbach
    nister und Herrn Schmücker andererseits beseelt hat. In der Dokumentation der Gemeinschaft findet eine solche Prozedur ihren Niederschlag in den Leitlinien des Ministerrates für die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik vom 1. Dezember 1965 und in dem Memorandum der Kommission vom 22. Juli 1965.
    Was nun die Fusion der Exekutiven anbelangt, so hat die Bundesrepublik diesen Vertrag frühzeitig ratifiziert; früher als die meisten anderen Mitglieder der Gemeinschaft. Sie hat damit ihr positives Interesse ' eindeutig unter Beweis gestellt. Andererseits verstehen wir, daß es schwierig ist, Parlamenten anderer Mitgliedstaaten für die Ratifizierung dieser Vereinbarung Fristen zu setzen.
    Bei der Lösung der personellen Fragen sollten, wenn einmal die Normalisierung der Arbeit in Brüssel wieder eingetreten ist, mehrere Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Die Kontinuität der Arbeit der Kommission ist in der vor uns stehenden Zeit wichtiger und unentbehrlicher denn je. Ferner sollte der Respekt vor historischen Leistungen nicht übersehen werden. Institutionen sind so stark, wie die Persönlichkeiten, die sie tragen und verkörpern.
    Gestatten Sie mir zum Schluß eine Bemerkung. Alle europäischen Nationen, ohne Ausnahme, sollten sich in dieser Krise darüber klar sein, daß es für die europäischen Institutionen keine vollwertige Alternative gibt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)