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    Deutscher Bundestag 17. Sitzung Bonn, den 27. Januar 1966 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 659 A Fragestunde (Drucksache V/212) Frage des Abg. Dröscher: Beurlaubung deutscher Beschäftigter bei den Stationierungstruppen zur Teilnahme an Lehrgängen und Prüfungen Grund, Staatssekretär 659 D Dröscher (SPD) . . . . . . . 660 A Frage des Abg. Dröscher: Nutzung von Gemarkungsteilen durch Bundeswehranlagen — Grundsteuerausfall Grund, Staatssekretär 660 C Dröscher (SPD) 660 D Strohmayr (SPD) 660 D Fragen des Abg. Dr. Miessner: Dienstpostenzulagen für ungünstige Dienstzeiten bei der Deutschen Bundesbahn Grund, Staatssekretär 661 A Dr. Miessner (FDP) 661 B Seibert (SPD) . .. . . . . . . 661 B Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Angestelltenversicherung . . . . . 662 C Fragen des Abg. Folger: Europäischer Sozialfonds Kattenstroth, Staatssekretär . . . 662 D Frage des Abg. Dr. Müller (München) : Entschädigung für Schäden an Gesundheit und Vermögen bei Nothilfeleistung Kattenstroth, Staatssekretär . . . 663 C Dr. Müller (München) (SPD) . . . 663 D Fragen des Abg. Dr. Geißler: „Telefonseelsorge" — „Fernsprechseelsorge" Stücklen, Bundesminister . . . . . 664 A Dr. Geißler (CDU/CSU) . . . . . 664 B Fragen des Abg. Porzner: Fernsehprogramm in Rothenburg ob der Tauber und im Landkreis Rothenburg 664 B Frage des Abg. Dr. Müller (München) : Nichtempfang von Sendestationen der BRD im unmittelbar benachbarten Ausland Stücklen, Bundesminister 664 C Dr. Müller (München) (SPD) . . 664 D Hofmann (Kronach) (SPD) . . . 665 B Strohmayr (SPD) . . . . . . 665 C II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Januar 1966 Frage des Abg. Schmidt (Kempten) : Unzulänglicher Empfang des 3. Fernsehprogramms im Bereich des Bayerischen Rundfunks Stücklen, Bundesminister 665 D Schmidt (Kempten) (FDP) . . . 666 A Ertl (FDP) 666 C Hofmann (Kronach) (SPD) . . . 666 C Fragen des Abg. Fellermaier: Maul- und Klauenseuche 667 A Fragen der Abg. Ertl und Schmidt (Kempten) : Förderungsmittel für technische Anlagen bei Futterbaubetrieben . . . 667 A, C Frage des Abg. Schmidt (Kempten) : Erstattungsmöglichkeit für Emmentaler-Export in die EWG-Länder . . . 667 B Fragen des Abg. Leicht: Weineinfuhrkontingente 667 C Fragen des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) : Bundesforschungsanstalten in Braunschweig 667 C Frage des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) : Naturwissenschaftlich-technische Attachés für die wichtigsten Botschaften . 667 C Frage des Abg. Rollmann: Zentrales Institut zur Ausbildung und Fortbildung von Straf vollzugsbediensteten Dr. Jaeger, Bundesminister . . . 667 D Rollmann (CDU/CSU) 668 A Fragen des Abg. Dr. Gleissner: Mißbrauch im Abzahlungsgeschäft — Zahl der Wechselgeschäfte beim Autokauf 668 B Fragen des Abg. Dorn: Probezeit und Vorbereitungsdienst der Beamten — Grundwehrdienst Gumbel, Staatssekretär 668 C Dorn (FDP) 668 C Fragen des Abg. Gierenstein: Stand der Privatisierung im Industriegelände Ebenhausen-Werk Dr. Dollinger, Bundesminister . . 669 A Schoettle, Vizepräsident 669 B Strohmayr (SPD) 669 B Böhm (SPD) 669 D Frage des Abg. Dr. Becher (Pullach) : Todesurteil über den deutschen Staatsbürger Johann Zirisan in Jugoslawien Dr. Carstens, Staatssekretär . . . 670 B Frage des Abg. Dr. Becher (Pullach) : Gefahren für deutsche Ferienreisende durch die jugoslawische Justiz Dr. Carstens, Staatssekretär . . 670 D Bühler (CDU/CSU) 671 A Prochazka (CDU/CSU) 671 B Frage des Abg. Dr. Becher (Pullach) : Möglichkeit einer Ahndung der Ermordung deutscher Kriegsgefangener und Jugoslawien-Deutscher in Jugoslawien Dr. Carstens, Staatssekretär . . . 671 C Dr. Becher (Pullach) (CDU/CSU) . 671 D Borm (FDP) 672 A Fragen des Abg. Müller (Berlin) : Deutsche Chemieausstellung in Moskau 672 A Fragen des Abg. Liehr: Behandlung der SBZ als Drittland Dr. Carstens, Staatssekretär . . . 672 C Liehr (SPD) 672 D Fragen des Abg. Strohmayr: Militärhilfe für Griechenland und die Türkei Dr. Carstens, Staatssekretär . . 673 B Strohmayr (SPD) 673 C Erklärung des Bundesministers der Auswärtigen Dr. Schröder, Bundesminister . . 673 D, 691 C, 696 A Frau Strobel (SPD) 676 B Dr. Furler (CDU/CSU) 679 B Dr. Starke (Franken) (FDP) . . . 682 B Dr. Birrenbach (CDU/CSU) . . . 683 C Freiherr von und zu Guttenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . 686 B Dr. Apel (SPD) 688 B D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . 690 B Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) . 690 B Wehner (SPD) 693 D Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung betr. a) Aufhebung der Immunität von Abgeordneten bei Verkehrsdelikten und Bagatellsachen, b) Ermächtigung gem. § 197 StGB (Drucksache V/229) . 696 D Nächste Sitzung 697 Anlagen 699 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Januar 1966 659 17. Sitzung Bonn, den 27. Januar 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete() beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Adenauer 28. 1. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 28. 1. Bartsch 28. 1. Bauer (Würzburg) *) 28. 1. Prinz von Bayern 5. 2. Dr. Bechert 28. 1. Frau Berger-Heise 18. 2. Berkhan *) 28. 1. Berlin 28. 1. Blachstein *) 28. 1. Blank 12. 2. Burger 10. 4. Corterier *) 28. 1. van Delden 6. 2. Draeger *) 28. 1. Dr. Effertz 27. 1. Frau Eilers 28. 1. Dr. Elbrächter 27. 1. Erler 15. 2. Faller 28. 1. Figgen 28. 1. Flämig *) 28. 1. Fritz (Wiesbaden) 27. 1. Frau Funcke (Hagen) 11. 2. Geiger 27. 1. Gibbert 28. 1. Dr. Gleissner 4. 2. Gscheidle 28. 1. Haar (Stuttgart) 27. 1. Dr. Dr. Heinemann 28. 1. Herold *) 28. 1. Hilbert *) 28. 1. Hösl *) 28. 1. Frau Dr. Hubert *) 28. 1. Dr. h. c. Jaksch 27. 1. Josten 19. 2. Junghans 7. 2. Kahn-Ackermann *) 28. 1. Frau Klee *) 28. 1. Dr. Kliesing (Honnef) *) 28. 1. Dr. Kopf *) 28. 1. Frau Krappe 28. 2. Leber 28. 1. Lenze (Attendorn) *) 28. 1. Liedtke 8. 3. Dr. Lohmar 28. 1. Frau Dr. Maxsein *) 28. 1. Frau Meermann 28. 1. Dr. Morgenstern 28. 1. Neemann 15. 2. Paul *) 28. 1. Frau Pitz-Savelsberg 28. 1. Pöhler *) 28. 1. *) Für die Teilnahme an einer Tagung der Beratenden Versammlung des Europarats Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Dr. Pohle 27. 1. Riedel (Frankfurt) 27. 1. Dr. Rutschke *) 28. 1. Frau Schanzenbach 3. 2. Dr. Schiller 27. 1. Schlager 27. 1. Dr. Schmid (Frankfurt) *) 28. 1. Schmidt (Hamburg) 28. 1. Dr. Schulz (Berlin) *) 28. 1. Dr. Serres *) 28. 1. Seuffert 19. 2. Urban 31.1. Dr. Frhr. v. Vittinghoff-Schell *) 28. 1. Vogt *) 28. 1. Dr. Wahl *) 28. 1. Weimer 27. 1. Wienand *) 28. 1. Baron von Wrangel 28. 1. Wurbs 28. 1. b) Urlaubsanträge Dr. Rinderspacher 6. 2. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Grund vom 27. Januar 1966 auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Müller (München) zu der Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Zerbe St). Wegen Zeitablaufs der gestrigen Fragestunde konnte ich Ihre zweite Zusatzfrage zu den Fragen des Abgeordneten Zerbe, die sich auf den kommunalen Straßenbau bezog, leider nicht mehr beantworten. Ich erlaube mir deshalb, Ihnen die Antwort schriftlich zu übermitteln. Im Rahmen der Maßnahmen zur Geldwertstabilisierung ließ es sich nicht vermeiden, auch den Straßenbauplan des Bundes einzubeziehen und gegenüber dem ursprünglichen Plan- und Finanzierungssoll Einschränkungen vorzunehmen. Soweit hierbei echte Kürzungen vorgenommen werden mußten, sind die Zuschüsse an die Gemeinden hiervon bewußt unberührt geblieben. Sie wurden im Gegenteil gegenüber dem Vorjahr von 200 Mio DM auf 208 Mio DM erhöht. Eine weitere Erhöhung dieser Zuschüsse würde zwangsläufig die Zurückstellung von zahlreichen für das Rechnungsjahr 1966 vorgesehenen Baumaßnahmen an Bundesfernstraßen nach sich ziehen. Es wäre aber nicht sinnvoll, die zweifellos im kommunalen Verkehrsbereich bestehenden Engpässe zu Lasten der ohnehin noch nicht befriedigend gelösten Fernverkehrsprobleme zu beseitigen. **) Siehe 16. Sitzung Seite 617 B 700 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Januar 1966 Die von Ihnen erwähnte Möglichkeit, die Zweckbindung der Mineralölsteuer um einen bestimmten Prozentsatz zugunsten des kommunalen Straßenbaus zu erhöhen, würde bedeuten, daß im Gesamthaushalt eine Deckungslücke entstehen würde, die unter den gegenwärtigen Umständen nur durch Steuererhöhungen geschlossen werden könnte. Es sollte bei dieser Betrachtung nicht außer acht gelassen werden, daß der Bund im Interesse der Gemeinden schon jetzt über die direkten Zuschüsse an die kommunalen Baulastträger hinaus rd. 38 v.H. der Aufwendungen des 2. Vierjahresplanes = rd. 4,9 Mrd. DM für Baumaßnahmen im Vorfeld der großen Ballungszentren oder indirekt durch den Bau von Umgehungsstraßen und neuen entlastenden Autobahnen zur Verfügung stellt. Wenn es sich hier auch um Aufgaben handelt, die in die alleinige Zuständigkeit des Bundes fallen, so tragen sie doch entscheidend zur Entlastung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden bei. Wie ich schon in der gestrigen Fragestunde betont habe, wird erwogen, ggf. dem Deutschen Bundestag so bald wie möglich weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden vorzuschlagen. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Lotze (Drucksache V/212 Frage XII/4) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Landwirtschaft fühlbare Schäden dadurch entstehen, daß an der Bundeswasserstraße Weser zwischen dem Mittellandkanal und Bremen gelegene Ländereien alljährlich überflutet werden? Es trifft zu, daß landwirtschaftlich genutzte Flächen und sonstige Anlagen beiderseits der Weser bei Hochwasser überflutet werden und hierbei Schäden auftreten. Für die Abführung des Hochwassers ist der Querschnitt zwischen den Winterdeichen bemessen und notwendig. Der Deichschutz ist stets Landessache. Solche Überflutungen treten je nach Wetterlage in gleicher Weise wie an der Weser auch an anderen Flüssen auf, natürlich ebenso wie an der Weser nicht alljährlich. Sie führen auch keinesfalls immer zu Schäden. Auch ihr Ausbleiben kann Schäden durch zu starke Bodenaustrocknung veranlassen. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Lotze (Drucksache V/212 Frage XII/5) : Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, der Hochwassergefahr der Weser wirksam zu begegnen, um dadurch Schäden von den davon betroffenen landwirtschaftlichen Betrieben abzuwenden? Nach Artikel 89 GG obliegt dem Bund die Verwaltung der Bundeswasserstraßen. Der Umfang seiner Unterhaltungspflicht ergibt sich aus § 28 Wasserhaushaltsgesetz. Danach hat der Bund für die Erhaltung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Wasserabflusses — darunter fällt in übereinstimmender Auffassung mit den Ländern nicht der Hoch-wasserabfluß des Gewässerbettes — und für die Erhaltung der Schiffbarkeit zu sorgen. Für die Sicherung des Hochwasserabflusses, also für den Schutz der Anlieger gegen das Hochwasser ist das jeweilige Bundesland und nicht der Bund zuständig. Maßnahmen zur Verminderung der Hochwassergefahren können daher nicht vom Bund, sondern nur von den Ländern getragen werden. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kahn-Ackermann (Drucksache V/212 Frage XII/6) : Trifft es zu, daß das Teilstück der Isar-Talbahn Wolfratshausen—Beuerberg noch in diesem Jahr stillgelegt werden soll? Für die Stillegung des Teilstückes Wolfratshausen—Beuerberg der Isartalbahn liegt mir bisher noch kein Antrag der Deutschen Bundesbahn gemäß Bundesbahngesetz vor. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Brück (Drucksache V/212 Frage XII/7) : Wie ist der Stand der Arbeit der Internationalen Kommission zum Schutz von Mosel und Saar gegen Verunreinigung? Die Internationalen Kommissionen zum Schutze der Mosel und der Saar haben am 29. Januar 1963 ihre Arbeiten aufgenommen. Diese Kommissionen haben die Aufgabe, alle notwendigen Untersuchungen zur Ermittlung der Verunreinigungen vorzubereiten und aufgrund der erzielten Ergebnisse den betreffenden Regierungen die geeigneten Maßnahmen zum Schutze der Mosel und der Saar vorzuschlagen. Zur Durchführung dieser Aufgaben sind je zwei Arbeitsgruppen gebildet worden. Aufgrund der Vorschläge dieser Arbeitsgruppen sind Maßnahmen ergriffen, durch die die Verschmutzung der Rossel und somit auch der Saar und der Mosel durch den Schlamm der französischen Kohlengruben im wesentlichen beseitigt sein soll. Anhand der festgelegten Untersuchungsprogramme sind die Kommissionen weiterhin bemüht, auch die sonstigen Verunreinigungen und Verschmutzungen dieser Wasserläufe auf ein erträgliches Maß zu vermindern. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Januar 1966 701 Anlage 7 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Schwabe (Drucksache V/212 Frage XII/8) : Reichen die derzeitigen Bestimmungen über die Ausführung von Warndreiecken aus, um die kontinuierliche Herstellung und den wünschenswerten breiten Absatz derselben zu gewährleisten? Ich möchte Ihre Frage durchaus bejahen. Es wird zur Zeit geprüft, wie die geltenden Bestimmungen über die Ausführung von Warndreiecken zu ändern sind, um sie den größeren Sicherheitsanforderungen im Verkehr anzupassen. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (Drucksache V/212 Fragen XII/19, XII/10 und XII/11): Trifft es zu, daß die Deutsche Bundesbahn 1966 trotz höheren Bedarfs nur 2500 Güterwagen ankaufen wird, während in den zurückliegenden Jahren durchschnittlich etwa 10 000 Güterwagen pro Jahr in Auftrag gegeben wurden? Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch die in Frage XII/9 genannte Einsparungsmaßnahme die Waggonfabriken der Bundesrepublik, die zum Teil fast völlig von Aufträgen der Deutschen Bundesbahn abhängig sind, in eine schwierige wirtschaftliche Situation kommen, die vor allen Dingen auch erhebliche soziale Harten für die Belegschaften mit sich bringt? Wird durch die beabsichtigten Sparmaßnahmen bei der Vergabe des Baues von Güterwagen die Deutsche Bundesbahn auch künftig ihre Aufgaben im bisherigen Umfange erfüllen können? Ich kann auf Ihre drei Fragen heute noch keine abschließende Antwort geben, da die dazu angeforderte Stellungnahme der Deutschen Bundesbahn nicht ausreichend war und neue Ermittlungen notwendig werden. Wenn Sie einverstanden sind, werde ich die Fragen nach Klärung des Sachverhalts schriftlich beantworten. Fest steht schon heute, daß die Deutsche Bundesbahn im Durchschnitt der letzten drei Jahre jährlich rd. 8000, also nicht rund 10 000 neue Güterwagen bezogen hat und daß bei dem erheblichen Rückgang der Massenguttransporte auch zur Zeit der Herbstspitzen ein Überhang von Güterwagen festzustellen war. Die Auftragsprogramme der Deutschen Bundesbahn werden leider auch entscheidend von ihren Finanzierungsmöglichkeiten bestimmt, die ihrerseits durch die Entwicklung des Kapitalmarktes stark eingeengt sind. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Eppler (Drucksache V/212 Frage XII/12) : Hat ein Schild an einer Ortsdurchfahrt „Achtung Ortsdurchfahrt, Streuen noch nicht beendet", das den ganzen Winter hindurch angebracht ist, für Straßenbenutzer rechtliche Auswirkungen? Das in der Frage erwähnte Schild ist kein amtliches Verkehrszeichen. Die Streupflicht der Gemeinde, die in der Ortsdurchfahrt an besonderen Gefahrenstellen besteht, wird durch den Hinweis nicht gemindert. Dem Verkehrsteilnehmer wird eine Vorsicht nahegelegt, die sich bei winterlicher Witterung von selbst versteht. Für die Schadenersatzpflicht hat das Schild, wenn es den ganzen Winter hindurch angebracht ist, keine rechtlichen Auswirkungen. Ich habe bereits im Februar 1959 die obersten Verkehrs- und Straßenbaubehörden der Länder gebeten, solche Schilder nicht aufzustellen bzw. zu 'beseitigen. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Ertl (Drucksache V/212 Fragen XII/13 und XII/14) : Trifft es zu, daß die Deutsche Bundesbahn beabsichtigt, die Frachttarife für lebende Tiere zu erhöhen? Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch die Heraufsetzung der Frachttarife für lebende Tiere die bäuerlichen Betriebe, insbesondere in den marktfernen und von Natur benachteiligten Gebieten, mit Einkommensverlusten rechnen müssen? Zu Frage XII/13: Ja; soweit ich unterrichtet bin, beabsichtigt die Deutsche Bundesbahn die nichtkostendeckenden Frachten für die Beförderung lebender Tiere zu erhöhen. Dieser Tarif ist zuletzt 1958 gebildet worden. Die Einnahmen daraus decken heute nur einen Teil der verursachten Kosten. Zu Frage XII/14: Ob und inwieweit die Heraufsetzung der Frachttarife für lebende Tiere für die Erzeuger zu Einnahmeverlusten führt, dürfte davon abhängen, wie sich der Markt auf die durch die Tarifänderung herbeigeführte neue Lage einstellt. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Freyh (Drucksache V/212 Frage XII/15) : Sind der Bundesregierung bereits von der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn die von der Bundesbahndirektion Frankfurt (Main) erarbeiteten Pläne für das gemeinsame Bauvorhaben V-Bahn der Stadt Frankfurt (Main) und der Deutschen Bundesbahn zugeleitet worden? Die Pläne bedürfen vor ihrer offiziellen Weiterleitung an den Bundesminister für Verkehr der Behandlung im Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn. Diese steht noch aus. 702 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Januar 1966 Anlage 12 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Freyh (Drucksache V/212 Frage XII/16): Welche künftigen Pläne hat die Deutsche Bundesbahn mit der elektronischen Zugauskunft, wie sie augenblicklich am Hauptbahnhof in Frankfurt (Main) eingerichtet ist? Der von der Firma Siemens & Halske entwickelte elektronische Fahrplan-Auskunftsautomat, zuerst auf der Internationalen Verkehrsausstellung in München gezeigt, wird gegenwärtig in Frankfurt (Main) erprobt. Von dem Ergebnis wird es abhängen, ob weitere Geräte dieser Art beschafft werden. Anlage 13 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Weigl (Drucksache V/212 Frage XII/17) : Hat die Bundesregierung die Einführung einer Gebühr für Ausländer bei der Benutzung unserer Autobahnen prüfen lassen? Die Frage ist in etwas abgewandelter Form schon in der Fragestunde am 1. Dezember 1965 beantwortet worden. Ich darf darauf verweisen und kurz wiederholen, daß nach eingehender Überprüfung die Erhebung einer solchen Gebühr nicht für nützlich angesehen werden kann. Es ist kein Staat in der freien Welt bekannt, in dem nur Ausländer zur Gebührenerhebung für Straßen verpflichtet sind. Eine einseitige Gebührenerhebung nur für Ausländer ist — auch hei den bestehenden internationalen Vereinbarungen über die Freiheit der Straße — in der Bundesrepublik Deutschland nicht vertretbar. Anlage 14 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert (Drucksache V/212 Frage XII/18) : Wird die Bundesregierung in Anbetracht der Stellungnahme der EWG-Kommission zu den Als-ob-Tarifen den Bau des Saar- Pfalz-Kanales nunmehr gemeinsam mit den Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und dem Saarland erörtern? Die Bundesregierung hält entgegen der Stellungnahme der Kommission vom 13. Januar 1966 ihren Standpunkt aufrecht, daß es sich bei den Als-ob-des Landes Rheinland-Pfalz beraten. Mit den Regierungen des Saarlandes und des Landes Rheinland-Pfalz stehen wir bezüglich des gesamten Problemkreises in ständiger Verbindung. Tarifen um Wettbewerbsmaßnahmen gemäß Artikel 80 Abs. 3 des EWG-Vertrages handelt. Sie prüft zur Zeit, in welcher Weise sie ihre Auffassung zur Geltung bringen kann, und wird darüber mit den beteiligten Landesregierungen des Saarlandes und Anlage 15 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert (Drucksache V/212 Frage XII/19) : Ist der Bundesverkehrsminister in Anbetracht der in einigen Städten gemachten Erfahrungen bereit, auf eine bundeseinheitliche Regelung dahin gehend hinzuwirken, daß Sonderparkplätze für Ärzte eingeführt werden? Bisher ist mir dies nur aus Berlin bekannt. Die Rechtslage beleuchtet ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg vom 3. Dezember 1965, in dem erneut entschieden wird, daß die Straßenverkehrs-Ordnung keine rechtliche Handhabe bietet, „dem Zu- und Abgangsverkehr von Anliegern in der Weise Rechnung zu tragen, daß zum Zwecke der Aufstellung an- und abfahrender Kraftfahrzeuge öffentlicher Verkehrsraum bereitgestellt wird". Die obersten Landesbehörden haben auf der Besprechung vom 18. und 19. Januar 1966 sich gegen eine gesetzliche Änderung dieser Rechtslage ausgesprochen; sie befürchten, daß die Begünstigung eines Berufszweiges zahlreiche Berufungen nach sich zieht. Anlage 16 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 27. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Matthöfer (Drucksache V/212 Fragen XII/20 und XII/21) : Welches Ergebnis hatten die in der Fragestunde der 186. Sitzung des 4. Deutschen Bundestages angekündigten Verhandlungen der Bundesregierung mit den Länderregierungen bezüglich der Entschädigungsbestimmungen für erhöhte Schäden, die vor allem dem Einzelhandel bei U-Bahnbauten entstehen? Hält die Bundesregierung eine einheitliche Regelung des in Frage XII/20 genannten Problems durch den Bundesgesetzgeber für zweckmäßig? Nach den bisher eingegangenen Stellungnahmen einiger Länder zu unserer Anfrage vom 20. Juli 1965 wird in keinem Fall eine gesetzgeberische Tätigkeit des Bundes für erforderlich oder zweckmäßig gehalten. Hamburg hält eine gesetzliche Regelung nicht für eine Sache des Bundes, da die Probleme vornehmlich nur innerhalb einzelner Großstädte und nicht beim Bau von Bundesstraßen auftreten. Bayern und Hessen halten es für richtig, die Frage der Entschädigung bei Beeinträchtigungen durch U-Bahn- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Januar 1966 703 bauten der Gesetzesauslegung durch die Rechtsprechung zu überlassen. Dieser Weg erscheint richtig. Bereits bei Beantwortung der Frage im Bundestag am 21. Mai 1965 wurde auf die Entwicklung der Rechtsprechung in dieser erst in letzter Zeit bedeutsamer gewordenen Angelegenheit hingewiesen. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 5. Juli 1965 wurde die bisherige Rechtsprechung über Geschäftsschädigungen durch Straßenbauten zugunsten der durch U-Bahn-bauten Beeinträchtigten modifiziert. Danach braucht der Straßenanlieger Beeinträchtigungen seines Gewerbebetriebs durch Arbeiten für die Anlegung einer neuen Untergrundbahnstrecke in der Regel nicht entschädigungslos hinzunehmen. Diese höchstrichterliche Entscheidung zeigt, daß die Rechtsprechung bemüht ist, den Belangen der durch U-Bahn-bauten Geschädigten Rechnung zu tragen. Anlage 17 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Stoltenberg vom 26. Januar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) (Drucksache V/212 Fragen XIV/1, XIV/2 und XIV/3): Ist die Bundesregierung bereit, die in der Stadt Braunschweig befindlichen 4 Bundesforschungsanstalten: Forschungsanstalt für Landwirtschaft, Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, Deutsche Forschungsanstalt für Luftfahrt von eventuellen Kürzungen und Sperrungen der Haushaltsmittel auszunehmen? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, damit in den Bundesforschungsanstalten durch die im Zuge der Preissteigerungen eingetretenen Einsparungen der Beschaffung wesentlicher Fachliteratur und Periodika die wissenschaftlichen Arbeitsgrundlagen nicht gehemmt werden? Wird die Bundesregierung wie andere große Industrie-Nationen bereit sein, naturwissenschaftlich-technische Attachés an die wichtigsten Botschaften zu entsenden? Frage XIV/1: Nach dem Regierungsentwurf des Haushaltsgesetzes und des Bundeshaushaltsplans 1966 sind generelle Kürzungen und Sperren von Haushaltsmitteln nicht vorgesehen. Die von Ihnen genannten Braunschweiger Forschungsanstalten sind also nicht von solchen Maßnahmen betroffen. Ich hoffe, daß auch der Deutsche Bundestag bei der Beratung des Bundeshaushaltsplans 1966 keine Kürzungen und Sperren zu Lasten der Bundesforschungsanstalten vornehmen wird. Frage XIV/2: Die Ansätze für Fachliteratur und Zeitschriften für Bundesforschungsanstalten (Titel 202) sind im Entwurf des Bundeshaushaltsplans 1966 so ausgestattet, daß Fachbücher und Periodika als wissenschaftliche Arbeitsgrundlage im notwendigen Umfang beschafft werden können. Gerade diese Ansätze sind im Verhältnis zum Wachstum des Bundeshaushalts überdurchschnittlich erhöht worden. Frage XIV/3: Die Bundesregierung hält es für notwendig, dem Beispiel anderer Industrienationen zu folgen und im Laufe der Zeit Wissenschaftsattachés an wichtige deutsche Botschaften zu entsenden. Die erste vom Bundestag bewilligte Stelle wird voraussichtlich in Kürze besetzt werden.
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    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung begrüßt die Gelegenheit, dem Bundestag über den Stand der Verhandlungen des Ministerrats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in Luxemburg und über die deutsche Haltung zu berichten. Die Beratungen in Luxemburg werden morgen fortgesetzt. Sie waren bisher schwierig und werden auch morgen schwierig sein. Wegen der Tragweite der Probleme und Entscheidungen wünscht die Bundesregierung das Hohe Haus zu informieren, ihre bisherige und künftige Linie darzulegen, ihre Sorgen mit dem Hohen Haus zu teilen, seinen Rat zu hören und soweit möglich seine Unterstützung zu finden.
    Meine Damen und Herren! Um die Probleme dieser Verhandlungen ins rechte Licht zu setzen, be-



    Bundesminister Dr. Schröder
    darf es einer kurzen Erinnerung an die Vorgeschichte. Werfen wir einen Blick zurück auf den 30. Juni 1965 in Brüssel. In jener Nachtsitzung sah sich der Rat vor folgender Situation. Es gab Übereinstimmung in einigen Fragen der Agrarfinanzierung, jedoch Meinungsverschiedenheiten in folgenden Fragen: über den Beitragsschlüssel zum Agrarfonds, über die Dauer der Übergangslösung der Agrarfinanzierung, über die Erweiterung der Haushaltsbefugnisse des Europäischen Parlaments und über die Einzelfragen bei der gleichgewichtigen Entwicklung der Gemeinschaft.
    Bei diesem Stand der Verhandlungen brach der französische Außenminister Couve de Murville als Präsident des Ministerrats die Verhandlungen ab. Frankreich erhob zwei Vorwürfe. Die Kommission habe mit ihren Vorschlägen ihr Mandat überschritten. Die Partner Frankreichs hätten ihre Zusage für eine endgültige Regelung der Agrarfinanzierung nicht eingehalten. Diese Vorwürfe wurden damals in der Nachtsitzung und später von den fünf anderen Mitgliedern des Ministerrats zurückgewiesen. Sie treffen nicht zu.
    Die Gründe sind folgende. Erstens: Die Verordnung Nummer 25 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik von 1962 sieht vor, daß bis zum 30. Juni 1965 eine Regelung der Agrarfinanzierung vom 1. Juli 1965 bis zum Ende der Übergangszeit beschlossen wird. Diese Verordnung verpflichtet alle Partner gleichmäßig, sich um eine sachgerechte und vernünftige Lösung zu bemühen. Sie gab Frankreich kein Recht, zu verlangen, daß die anderen Partner einseitig den französischen Vorstellungen folgen. Zweitens: Die Kommission handelte im Rahmen des Vertrages und ihres Mandates. Und drittens: Die am 30. Juni noch offenen Fragen hätten bei Fortsetzung der Verhandlungen gelöst werden können.
    Wie Sie wissen, meine Damen und Herren, praktizierte Frankreich anschließend eine Politik, die man eine „Politik des leeren Stuhls" gegenüber den Gemeinschaften genannt hat. Über diese Haltung wäre vom rechtlichen und politischen Standpunkt manches zu sagen. Ich möchte aber heute nicht näher darauf eingehen, sondern mich auf die Wiedergabe der Tatsachen beschränken.
    Die Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beschäftigte sich anschließend mit der so entstandenen Lage. Sie verfaßte ein Memorandum unter dem Datum vom 22. Juli 1965. Dieses Memorandum der Kommission enthielt eine Reihe von Zugeständnissen an die Adresse Frankreichs. Es legte die Dauer der Übergangszeit für die Agrarfinanzierung bis 1970 fest. Es sah vor, daß die Gemeinschaft erst nach 1970 eigene Einnahmen erhalten sollte.
    Einige Wochen später wurde die bisher eingenommene französische Haltung durch den Staatspräsidenten de Gaulle in der Pressekonferenz vom 9. September etwas abweichend verdeutlicht. Präsident de Gaulle sagte damals:
    Was sich am 30. Juni in Brüssel hinsichtlich der
    landwirtschaftlichen Finanzregelung abspielte,
    hat nicht nur das ständige Sträuben unserer Partner gegen eine Einbeziehung der Landwirtschaft in den Gemeinsamen Markt der Sechs, sondern auch gewisse Irrtümer und Zweideutigkeiten, die in den Verträgen über die Wirtschaftsgemeinschaft der Sechs enthalten sind, ans Licht gebracht. Deshalb war die Krise früher oder später unvermeidlich.
    Einige Wochen später, am 20. Oktober 1965, führte der französische Außenminister Couve de Murville vor der französischen Nationalversammlung folgendes aus:
    Eine allgemeine Überprüfung des Ganzen zwingt sich auf, die es gestatten würde, normale Bedingungen der Zusammenarbeit zwischen den Sechs festzulegen, natürlich unter Wahrung der wesentlichen Interessen Frankreichs und vor allem seiner landwirtschaftlichen Interessen.
    Meine Damen und Herren, ich komme aus dieser Vorgeschichte zu einer kurzen Schlußfolgerung. Der Stand der Verhandlungen über die Agrarfinanzierung in der Nacht zum 30. Juni rechtfertigte weder deren Abbruch noch den heute schon sieben Monate dauernden relativen Stillstand der Gemeinschaften, oder ich sage lieber: ihre relative Bewegungslosigkeit. Der eigentliche Grund der französischen Haltung liegt offensichtlich tiefer. Es geht um die Struktur der Gemeinschaften selbst.
    Die übrigen Partner der Gemeinschaft bemühten sich in diesen Monaten vielfältig um die Fortsetzung bzw. die Wiederaufnahme der gemeinsamen Arbeit an den gemeinsamen Aufgaben und Problemen. Der Ministerrat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beschloß in einer Sitzung vom 25. und 26. Oktober des letzten Jahres ein Ersuchen an Frankreich mit folgendem Inhalt: die Lösung der Probleme im Rahmen der Verträge, eine Einladung zu einer außerordentlichen Ratstagung ohne Teilnahme der Kommission. Diese Einladung an Frankreich wurde am 30. November und am 20. Dezember 1965 wiederholt. Am 23. Dezember 1965 nahm Frankreich die Einladung an, wünschte aber eine Sitzung außerhalb Brüssels. So kam es zu der außerordentlichen Ratstagung in Luxemburg.
    Meine Damen und Herren, ich wende mich nun dieser Tagung des Ministerrats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 17. und 18. Januar in Luxemburg zu. Es bestand Übereinstimmung, daß auf dieser Ratstagung mit der Tagesordnung „Die Lage in den Gemeinschaften" die beiden folgenden Punkte behandelt werden sollten: die Anwendung des Mehrheitsstimmrechts und das Auftreten der Kommission.
    Zunächst nun eine Darlegung der französischen Haltung. Frankreich fordert, daß eine Mehrheitsentscheidung dann nicht stattfindet, wenn ein Land es verlangt, mit anderen Worten: ein uneingeschränktes Veto. Das wäre praktisch die Beseitigung des Mehrheitsprinzips, also eine Vertragsänderung. Zum Auftreten der Kommission hat Frankreich ein Zehn-Punkte-Memorandum vorgelegt, das Punkte von unterschiedlicher Bedeutung enthält. So wird z. B. gefordert, daß die Kommission vor Vorlage



    Bundesminister Dr. Schröder
    ihrer Vorschläge an den Rat die Regierungen der Mitgliedstaaten konsultieren muß. Im übrigen wird eine Änderung der Öffentlichkeitsarbeit der Kommission sowie eine Einschränkung ihrer Selbständigkeit auf dem Gebiete der Außenbeziehungen und schließlich eine verstärkte Finanzkontrolle gefordert.
    Insgesamt betrachtet würde bei Annahme dieser Vorschläge die Stellung der Kommission erheblich geschwächt, das vom Vertrag geschaffene Verhältnis zwischen den beteiligten Staaten, dem Ministerrat und der Kommission zu Lasten der Kommission verändert, falls nicht rechtlich, so jedenfalls tatsächlich.
    Gegen Ende der Ratstagung legte die französische Delegation den Entwurf eines Zeitplans mit den französischen Vorstellungen zur Überwindung der — wie es dort heißt — Krise vor. Dieser Zeitplan enthielt folgende Termine: bis Ende Januar Einigung über das Mehrheitsstimmrecht, Einigung über das Verhältnis Rat-Kommission, Einigung über das Datum der Hinterlegung der Ratifikationsurkunden zum Fusionsvertrag; bis zum 7. Februar Genehmigung des Haushalts im schriftlichen Verfahren; bis Ende Februar Einigung über die Zusammensetzung der neuen Kommission, Einigung über das Prinzip des turnusmäßigen Wechsels des Präsidiums; bis Ende März Einigung über die Agrarfinanzierung auf einer normalen Ratstagung; bis Ende April Angleichung der nationalen Zolltarife an den gemeinsamen Zolltarif auf einer normalen Ratstagung.
    Ich möchte zwei Aspekte dieses Zeitplans hervorheben. Der Zeitplan macht nicht nur Vorschläge für Termine, sondern enthält zusätzliche Bedingungen für die Rückkehr Frankreichs nach Brüssel, nämlich die Festlegung des Termins für die Ratifikation des Fusionsvertrags, was die Klärung der Zusammensetzung der neuen Kommission voraussetzt, sowie die Einführung des Rotationsprinzips für das Präsidium der neuen Kommission. Schließlich fehlt in dem Zeitplan jeder Hinweis auf den gleichgewichtigen Fortschritt der Gemeinschaft, z. B. Beschlüsse für die Kennedy-Runde. Dagegen tritt die Agrarfinanzierung mit absolutem Vorrang in den Vordergrund.
    Welches ist die deutsche Haltung? In der Frage der Mehrheitsabstimmung ist Art. 148 des EWG-Vertrags maßgebend. Diese Bestimmung lautet:
    Soweit es in diesem Vertrag nicht anders bestimmt ist, beschließt der Rat mit der Mehrheit seiner Mitglieder.
    Ein allgemeines Vetorecht ist mit dieser klaren Bestimmung unvereinbar. Im übrigen hat sich nach unserer Meinung die bisherige Anwendung der Mehrheitsregel dort, wo sie schon gilt, bewährt. In keinem Fall sind für ein Mitglied unzumutbare Verpflichtungen begründet worden. Die Mehrheitsregel ist mit gutem Grund in den Vertrag eingeführt. Die Möglichkeit, Mehrheitsentscheidungen zu treffen, ist ein entscheidendes Verfassungselement des Vertrages. Es sichert die Funktionsfähigkeit des Rates gegen Obstruktion und das Beharren auf zu einseitig bestimmten Positionen. Es erzeugt Verständnisbereitschaft und fördert kommunitäres Verhalten.
    Ich habe hier kürzlich vor dem Hohen Hause schon ausgeführt, daß nach unserer Meinung bei der Anwendung von Mehrheitsentscheidungen neben rechtlichen Erwägungen auch politische Gesichtspunkte berücksichtigt werden müßten. Die Zweckmäßigkeit einer Mehrheitsentscheidung sollte in jedem Falle gewissenhaft geprüft werden. In den Fällen, in denen ein lebenswichtiges Interesse eines oder mehrerer Partner auf dem Spiele steht und von diesen Partnern überzeugend begründet werden kann, sollten im Geiste gegenseitiger Rücksichtnahme Lösungen gesucht werden, die diesem Interesse in angemessener Weise Rechnung tragen. Jede Entscheidung, die getroffen wird, muß vom Geiste einer rücksichtsvollen Gemeinschaftsarbeit getragen sein.
    Auf der Ratstagung in Luxemburg ist u. a. die Auffassung vertreten worden, daß diese vorsichtige Handhabung des Mehrheitsprinzips auch in Fällen von grundsätzlicher Bedeutung, die in der Vergangenheit Gegenstand eines einstimmigen Beschlusses gewesen seien, gelten sollte. Mit diesem Gedanken können wir uns durchaus befreunden. Wir sind auch ferner bereit, dem Gedanken zuzustimmen, daß bestimmte Verordnungen, die nach dem damals vorliegenden Zeitplan eigentlich vor dem 31. Dezember 1965 einstimmig hätten verabschiedet werden sollen, jetzt noch einstimmig verabschiedet werden. Ich weiß allerdings nicht, ob man eine Uhr tatsächlich so lange anhalten kann, wie eine Brüsseler Wendung lautet. Es wird jedoch zu vertreten sein, sich in diesem Sinne zu verständigen. Das Ergebnis dieser Überlegungen ist also, daß unter Wahrung der Vertragsbestimmungen über die Mehrheitsentscheidung diese in einer Weise angewendet werden sollten, die dem Geiste und der Lebenswirklichkeit der Gemeinschaft gerecht wird.
    Die Kommission unter Präsident Hallstein ist in den vergangenen Jahren der von allen Seiten vielgerühmte Motor des Fortschritts in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gewesen. Sie muß auch nach der Fusion ihren Charakter als unabhängiges Gemeinschaftsorgan behalten. Es wäre eine Gefahr für die Zukunft der Gemeinschaft, wenn die Stellung der Kommission geschwächt würde.

    (Sehr richtig! in der Mitte und bei der SPD.)

    Die bisher schon gute Zusammenarbeit zwischen dem Rat und der Kommission kann allerdings in einzelnen Punkten sicher noch verbessert werden. Die Beratungen über das französische Zehn-Punkte-
    Memorandum sollten deshalb auf der kommenden Ratstagung fortgesetzt werden. Wir hoffen, daß wir gemeinsam eine befriedigende Lösung dieses Komplexes finden können. Wohlverstanden aber, meine Damen und Herren, kann es hierbei nicht darum gehen, etwa eine Direktive des Rats an die Kommission auszuarbeiten. Nach Art. 162 des Vertrages über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ziehen der Rat und die Kommission einander zu Rate und regeln einvernehmlich die Art und Weise ihrer Zusammenarbeit. Das bedeutet, daß nach Abklärung der Standpunkte im Rat ein Gespräch zwischen Rat und Kommission stattfinden muß, um eine solche



    Bundesminister Dr. Schröder
    einverständliche Regelung im Sinne des Art. 162 herbeizuführen.
    Über den französischen Zeitplan möchten wir jetzt noch nicht sprechen, sondern nur den Hinweis geben, daß wir die Termine für zu kurz halten. Wir sehen uns auch nicht in der Lage, unter dem Druck der Politik des leeren Stuhls über Personalien und Inkrafttreten des Fusionsvertrages zu verhandeln.

    (Beifall in der Mitte.)

    Wir sind auch nicht bereit, über die Agrarfinanzierung losgelöst von den harmonischen Fortschritten der Gemeinschaft auf anderen Gebieten zu verhandeln.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Hierüber gibt es Einverständnis mit unseren anderen vier Partnern. Wir möchten hoffen, daß auch unsere französischen Freunde sich diesem Gedanken nicht verschließen werden, da er eine Voraussetzung für die Schaffung einer ausgewogenen, alle Interessen berücksichtigenden Entwicklung der Gemeinschaft darstellt. Sobald eine Einigung über die beiden auf der Luxemburger Tagung anstehenden Fragen, nämlich Mehrheitsentscheidung im Rat und Auftreten der Kommission, erreicht ist, halten wir es für dringend geboten, daß die normalen Ratstagungen in Brüssel zu sechst wiederaufgenommen werden. Bei der ersten dieser Ratstagungen sollen dann die vordringlichen Probleme erörtert werden.
    Erlauben Sie mir einen kurzen Ausblick. Die Bundesregierung drückt ihre Hoffnung aus, daß in Luxemburg über die Frage der Mehrheitsentscheidungen im Rat und über die Zusammenarbeit zwischen Rat und Kommission gemeinschaftliche Auffassungen erarbeitet werden. Die Bundesregierung hat den Wunsch, daß Frankreich danach den Weg nach Brüssel zurückfindet, damit wir gemeinsam und tatkräftig im Rahmen der Organe der Gemeinschaft an der harmonischen Fortentwicklung der Gemeinschaft weiterarbeiten. Die Bundesregierung ist nach wie vor überzeugt, daß die Vollendung des großen Werks des Gemeinsamen Marktes im Interesse aller Mitgliedstaaten liegt.

    (Beifall in der Mitte.)

    Dieses Werk ist eine Voraussetzung für ein einiges Europa.
    Das, meine Damen und Herren, ist die Haltung, die wir in Luxemburg einnehmen; das ist die Gesinnung, aus der wir handeln.

    (Beifall auf allen Seiten des Hauses.)



Rede von Erwin Schoettle
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich eröffne die Aussprache über die Erklärung des Herrn Bundesaußenministers. Das Wort hat Frau Abgeordnete Strobel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Käte Strobel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Damen! Die heutigen Nachrichten aus Frankreich sind eigentlich ermutigend. Man hat den Eindruck, daß Frankreich den ultimativen Charakter seiner Terminvorschläge abschwächen will. Das wäre nach allem, was jetzt der Herr Bundesaußenminister berichtet hat, eine wesentlich lockere Haltung, als sie vom französischen Außenminister in Luxemburg vertreten worden ist. Nach einer Mitteilung in der „Welt" gibt es auch eine französische Erklärung, die besondere Bereitschaft zeigt, am Gelingen der Kennedy-Runde mitzuwirken. Wenn das stimmt, so wäre das ein Zeichen dafür, daß nicht allein von den Fünfen, sondern auch von Frankreich her mehr getan wird, um in den kommenden Luxemburger Verhandlungen zu einer für alle tragbaren Lösung zu gelangen, als zunächst sichtbar war. Wenn wir das ausdrücken, so ist dabei natürlich der Wunsch ein bißchen der Vater des Gedankens.

    (Beifall rechts.)

    Aber nicht zuletzt wollen wir ja mit diesem Ziel in solche Verhandlungen gehen, und dazu gehört auch ein Stück Optimismus. Wenn das richtig ist, dann wäre von vornherein schon einmal ein etwas besseres Klima vorhanden. Worauf das zurückzuführen ist, will ich nicht untersuchen.
    Ich für mein Teil möchte sagen: es war sicher für den Fortgang der Verhandlungen auch nützlich, daß zwischen den beiden Verhandlungsterminen das Kolloquium mit dem Ministerrat im Straßburger Parlament durchgeführt werden konnte. Es ist etwas geschehen, was man diesem Parlament und seinen drei Institutionen für die Zukunft eigentlich immer wünschen möchte. In den Fraktionssitzungen der drei großen Fraktionen haben nämlich sowohl Vertreter des Ministerrats als auch der Kommissionen zusammen mit den Parlamentariern aus den sechs Ländern in Vorbereitung des Kolloquiums über die Dinge gründlich diskutiert. Das wäre auch für die Zukunft ein guter Stil, und das Parlament würde es sehr begrüßen, wenn man das fortsetzen könnte.
    Ich meine, wir sollten heute — und das gehört auch zur Verbesserung des Klimas — ganz besonders der italienischen Regierung dafür danken, daß sie trotz ihrer schwierigen Situation bereit ist, die Verhandlungen in Luxemburg nicht aufzuhalten. Das war sicher nicht leicht. Ferner sollte es heute auch hier eine weitere Klärung geben, um die Chancen für die kommenden Verhandlungen zu verbessern. Vor allem liegt mir wegen der Pressestimmen in Frankreich auch daran, zu betonen, daß die Bundesrepublik Deutschland nicht weniger als die anderen Vier zur Lösung der Probleme bereit ist. Das muß jetzt deutlich werden, damit nicht eine Situation eintritt, in der wir, die Deuschen, sozusagen den Schwarzen Peter zugeschoben bekommen.
    Generell möchte ich sagen, die beteiligten Regierungen, das Parlament, die verschiedenen Parteien, die Presse, die großen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Kräfte in der Bundesrepublik erklären, ja beschwören die Beteiligten, den Willen zur Gemeinschaft und die Wirksamkeit der Gemeinschaften unter allen Umständen zu erhalten. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, daß die Gemeinschaften auf dem Weg zur europäischen Einigung überhaupt bisher den sichtbarsten Erfolg hatten. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, daß die Überzeugung von der Notwendigkeit, die Teilintegration zu überwinden, und zwar sowohl geographisch als auch politisch, durch die Tätigkeit der



    Frau Strobel
    Gemeinschaften gewachsen ist und sichtbarer geworden ist. Das zeigt auch die Tatsache, die man als Positivum werten muß, daß die Bereitschaft Englands zum Beitritt in eine Gemeinschaft, die ihre Sicherheit wiedergefunden hat, gewachsen ist. Das zeigt sich auch daran, daß die Sorge um den Bestand der Gemeinschaften und die Erwartungen, daß die Krise bald und ohne allzu große Narben überwunden wird, auch von den EFTA-Ländern geteilt werden. Die Sorge um den Bestand der Gemeinschaften kommt also nicht nur bei den Sechsen, sondern auch bei den Drittländern zum Ausdruck, die sich bisher zum Teil durch die Gemeinschaft geschädigt fühlten. Ich meine, daß auch die Notwendigkeit deutlich wird, den politischen Gehalt der Gemeinschaften zu vertiefen, zu verbreitern und durch eine europäische politische Union zu ergänzen. Das ist durch die Krise und die Ursachen der Krise, auf die der Herr Bundesaußenminister ja schon hingewiesen hat, noch deutlicher geworden.
    So, meine ich, ist die EWG trotz der Krise, in der sie sich befindet, der stärkste Grundpfeiler der europäischen Einigung. Aber wir dürfen auch nicht müde werden, immer wieder zu sagen, daß ein anderer ebenso wichtiger Grundpfeiler der europäischen Einigung die deutsch-französische Verständigung und eine dauerhafte deutsch-französische Freundschaft ist und daß wir diesen Grundpfeiler genauso wichtig nehmen wie den andern. Wir wollen beides erhalten, wir wollen beides ausbauen. Es ,gibt aber grundlegende Meinungsverschiedenheiten unter den Sechs über den Weg zum einigen Europa und vor allen Dingen über die Politik eines vereinigten Europas. Die Krise ist eben der Ausdruck dieser unterschiedlichen Auffassung. Aber nicht allein zwischen Frankreich und Deutschland, wie das leider manchmal aussieht, sondern diese Meinungsverschiedenheiten gibt es zwischen der französischen Regierung und den anderen fünf beteiligten Regierungen. Deshalb lassen Sie mich bitte noch einmal sagen, je größer und je fester die gemeinsame Haltung der Fünf ist, desto mehr Chancen bestehen, die Integration zu erhalten und fortzusetzen. Deshalb möchten wir nachdrücklich den Wunsch aussprechen, daß sich die deutsche Regierung, genauso wie die anderen, um ein Höchstmaß an Übereinstimmung mit den anderen Regierungen bemüht. Ich muß sagen, die Aktivität der Benelux-Länder in den letzten Tagen, z. B. die des holländischen Außenministers, Herrn Luns — und des holländischen Regierungschefs, Herrn Kals —, ist imponierend und dient der Einigung bzw. der gemeinsamen Haltung der Fünf. Ich habe bei dem Bericht des Herrn Bundesaußenministers — der ja eine chronologische Darstellung war — eigentlich vermißt, daß auch die Bundesregierung in den letzten Tagen solche Kontakte weiter genutzt hat. Es ist ja so, daß der Katalog der zu lösenden Probleme nicht kleiner, sondern größer wird.
    Ohne Zweifel scheint es zu sein, daß die Fusion bzw. die mit der Fusion zusammenhängenden Fragen allmählich zum schwierigsten Punkt werden, also z. B. die Zusammensetzung der künftigen Kommission. Der Bundestag hat den Verträgen über die Fusion zugestimmt. Wir haben es letzten Endes getan, um die Exekutiven zu stärken, und können aus diesem Vertrag und auch aus politischen Gründen keinerlei Schwächung der Exekutiven hinnehmen, weder bezüglich der Befugnisse noch bezüglich der personellen Zusammensetzung. Aber ich meine, eines sollte man sehen und auch ehrlich aussprechen. Auf die Dauer kann auf ein roulierendes System bei den Präsidenten und Vizepräsidenten der künftigen vereinigten Kommission nicht verzichtet werden. Je früher und je ehrlicher wir uns zu diesem Grundsatz auch in Luxemburg bekennen, desto leichter wird es möglich sein, zu verhindern, daß in diesem Augenblick bestimmte Personen die Opfer der Krise werden, noch dazu diejenigen, die man bisher als Motor der gesamten Gemeinschaft bezeichnet hat. Es geht nicht um Personen, sondern es geht um die Sache, und um der Sache willen sollten wir uns dieser Forderung nach einer künftigen Roulierung bei diesen Positionen der Kommission nicht widersetzen wenn jetzt für die Übergangszeit, bis dieses Roulieren eintritt, eine befriedigende, vertretbare Lösung gefunden wird. Frage an die Bundesregierung: Hat sie hier einen Weg gesucht und gefunden, um in dieser Frage mit den anderen Fünf gemeinsam vorzugehen? Der Herr Bundesaußenminister hat sich zum roulierenden System nicht geäußert.
    Die drei Hürden — Formen der Zusammenarbeit, Mehrheitsbeschlüsse, Terminkalender — sind inzwischen unterschiedlich abgeschwächt worden. Niemand bestreitet — das möchte ich auch gern zu den sogenannten zehn Punkten sagen —, daß es auch bei der Kommission in Brüssel Pannen und Mißgriffe gegeben hat. Manche — das muß ich Ihnen ehrlich sagen — haben wir erst durch das Gespräch in den Fraktionen mit Mitgliedern des Ministerrats erfahren. Es ist mir eigentlich nicht recht erklärlich, warum man nicht schon früher auf Grund von Art. 162 des Vertrages mit der Kommission darüber offen und ehrlich gesprochen hat, warum man nicht Herrn Hallstein den Freundschaftsdienst erwiesen hat, ihm zu sagen, daß bestimmte Formen seitens bestimmter Mitglieder des Ministerrats nicht gern gesehen werden. Für uns ist die Kommission nie tabu gewesen, und wir haben gerade in Straßburg immer wieder die Kommission — allerdings natürlich in erster Linie bezüglich ihrer Politik — kritisiert. Die Formen erschienen uns weniger wichtig.
    Aber man darf natürlich diese äußeren Dinge jetzt nicht als Vorwand benutzen, um die Unabhängigkeit der Kommision anzuzweifeln, um ihren Gemeinschaftsauftrag einzuschränken, um ihr Initiativrecht einzuschränken. Denn, meine Damen und Herren — wir sollten das als Parlamentarier besonders deutlich sehen —, jede Zurückdrängung der Kommission in ihren vertraglich festgelegten Rechten und Pflichten bedeutet auch eine Zurückdrängung des Einflusses des Parlaments. Denn die Kommission ist dem Europäischen Parlament verantwortlich, und das Europäische Parlament kann nur in Zusammenarbeit mit der Kommission auf die Dinge Einfluß nehmen.
    Ich meine also, man muß die zehn Punkte als Ganzes sehen; aber man muß sie auch als Ganzes entschärfen. Wir müssen jede Zurückdrängung der



    Frau Strobel
    Kommission nicht zuletzt auch deswegen ablehnen, weil sie eine Zurückdrängung des Parlaments bedeuten würde.

    (Abg. Dr. Mommer: Sehr wahr!)

    Die einmütige Auffassung des Bundestages war immer, daß der Einfluß des Europäischen Parlaments gestärkt werden muß, und zwar um so mehr, je wichtiger die Beschlüsse der Gemeinschaft werden und je mehr Mehrheitsbeschlüsse in der Gemeinschaft zustande kommen. Aber nun müssen wir — und ich möchte auch das offen sagen — tatsächlich unsere Bemühungen um eine Stärkung des Einflusses des Parlaments zurückstellen. Wir möchten jedoch deutlich sagen: aufgeschoben darf in diesem Fall nicht aufgehoben sein. Denn diese Gefahr ist ja auch vorhanden.
    Auf keinen Fall können wir aber doch im Augenblick eine weitere Schwächung hinnehmen, und diese Gefahr ist in den zehn Punkten enthalten. Das sehen Sie am besten an den Punkten 1 und 2. Ich meine, die bisherige Praxis der Kommission war gut; die Kommission hat nämlich, bevor sie ihre Vorschläge vorgelegt hat, sowohl mit den einzelnen Regierungen als auch mit dem Parlament gesprochen. Die Formulierung in diesen ersten beiden Punkten sieht eigentlich so aus, als ob sie das nicht getan hätte. Außerdem steht im zweiten Punkt, daß man ihr künftig verbieten müsse, ihre Vorschläge dem Europäischen Parlament mitzuteilen, bevor der Ministerrat sich mit ihnen befasse. Das wäre eine völlig unmögliche Praxis; denn das Europäische Parlament ist ja auch das einzige Organ der Gemeinschaften, das öffentlich tagt, und es ist doch ein guter Stil in der Gesetzgebung — und darum handelt es sich —, daß über Gesetze nicht hinter verschlossenen Türen verhandelt wird — was ja im Ministerrat der Fall ist —, sondern daß wenigstens vorher die Öffentlichkeit und das zuständige Parlament darüber informiert werden.

    (Abg. Wehner: Sehr gut!)

    Das Vetorecht, meine Damen und Herren, ist ein anderer solcher Punkt. Dazu wird sich noch einer meiner Kollegen äußern. Ich möchte aber auch hier sagen, man muß doch die ganze Abstimmungspraxis in der EWG im Lichte der bisherigen Praxis des Ministerrats und der Kommission sehen. Und da muß man einfach der Kommission und dem Ministerrat zugestehen, daß die bisherige Praxis keinerlei Anlaß zu Mißtrauen irgendeines Landes geben kann, daß es in wichtigen Fragen majorisiert werde, ganz abgesehen davon, daß die Verträge noch heute in viel mehr Fragen Einstimmigkeit vorsehen — auch in der dritten Periode —, als das allgemein bekannt ist. Das Vetorecht ist aber hochgespielt worden, weil es der Ausdruck der Integration ist, und ich würde sagen, wir sollten auch nicht davor zurückschrecken, in diesem Zusammenhang zu sagen, daß Vertragstreue heute in der Weltöffentlichkeit für jede Regierung unverzichtbar ist.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Wir möchten aus diesem Grunde hoffen, daß auch
    der französische Staatspräsident de Gaulle Achtung
    und Einhaltung der im Namen des französischen Volkes geschlossenen Verträge garantieren wird.

    (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP.)

    Nun möchte ich bezüglich der Termine an den Herrn Bundesaußenminister — obwohl er sagte, er wolle sich dazu heute nicht äußern — die Frage richten: Gibt es eigentlich einen gemeinsamen Fahrplan der Fünf für die Reihen- und Zeitfolge der längst fälligen Entscheidungen? Schließlich ist es keine schlechte Nachricht, wenn man laut VWD vom 24. Januar aus Paris hört, daß französische Regierungsstellen sagen, wenn sie ein Arbeitsprogramm vorschlügen, dann geschehe das in dem Geist, Verhandlungen zu eröffnen. Das sei kein Ultimatum. Im übrigen — das steht hier als ein Ausdruck des französischen Sprechers — liege kein Vorschlag vor, die von Frankreich genannte Frist zu verlängern. Wenn das stimmt, würde ich es bedauern, wenn also die Fünf in Luxemburg nicht so reagiert hätten, daß sie sich sagen: Natürlich können wir nicht verlangen, daß Frankreich bei seinem Terminvorschlag die Punkte nennt, die für uns wichtig sind. Es wird die Punkte nennen, die für Frankreich wichtig sind. Die anderen müssen dann eben die Punkte ergänzen. Aber man muß erwarten, daß die Fünf jetzt die Punkte nennen, die für die Gemeinschaft wichtig sind, und daß sie versuchen, mit der französischen Regierung hierin zu einer Einigung zu gelangen. Das betrifft nicht nur die Punkte, die für die Gemeinschaft nach innen, sondern auch diejenigen, die für die Gemeinschaft nach außen wichtig sind.
    Ich erinnere hier noch einmal an die Verantwortung in den GATT-Verhandlungen. Hier ist, meine ich, ein entscheidender Punkt — in Straßburg hatte ich sehr diesen Eindruck —, der ein bißchen zu dem Versuch benutzt werden könnte, die Bundesrepublik zu isolieren. Es gibt da Formulierungen wie: „Der Schlüssel liegt jetzt in Bonn" usw. In eine solche Situation dürfen wir uns nicht drängen lassen,

    (Abg. Wehner: Sehr wahr!)

    von niemand, und dürfen wir uns auch nicht selber begeben.
    Ich meine, das hängt auch ein bißchen mit den Problemen der Agrarfinanzierung zusammen. Als ich letzthin hier sagte, an der Agrarfinanzierung dürfe die weitere Existenz der Gemeinschaft nicht scheitern, kam von Ihnen der Zuruf: „Wer soll das bezahlen!" Nun, meine Damen und Herren, es gibt ja das neue Memorandum der EWG-Kommission. Ich bitte Sie sehr, es einmal zu studieren. Ich würde vom Herrn Bundesaußenminister gern wissen, ob die Bundesregierung der Meinung ist, daß man auf der Basis des Memorandums der EWG-Kommission durchaus die Agrarfinanzierung jetzt regeln könnte, und ob es von französischer Seite irgendwelche Äußerungen gibt, die hoffen lassen, daß sich auch Frankreich auf die Basis dieses Memorandums begibt.
    Ganz besonders begrüßen wir die Erklärung des Präsidenten des Ministerrates in Straßburg, auch



    Frau Strobel
    die dort abgegebenen Erklärungen der verschiedenen Regierungen. Denn sie lassen immerhin darauf schließen, daß Geist, Inhalt und Wirksamkeit der Verträge — einschließlich derjenigen der Kommission — nicht geschwächt werden sollen.
    Etwas muß ich noch sagen. Besorgt machen uns Stimmen, die jetzt von Alternativlösungen mit der EFTA sprechen. Dafür ist jetzt nicht die Zeit, meine Damen und Herren.

    (Abg. Wehner: Sehr richtig!)

    Damit leisten wir weder der europäischen Einigung noch den Sechsen, noch den anderen Sieben einen Dienst. Die Sieben wollen und können nur in eine intakte Gemeinschaft eintreten. Da wir ihren Beitritt wünschen, ist es nötig, daß wir jetzt dafür sorgen, daß die Gemeinschaft wieder intakt wird.
    Dabei kann man von beiden Seiten nichts Unmögliches verlangen. Unmöglich wäre es, den Vertrag zu ändern. Das hat die französische Regierung übrigens erkannt. Es ist für die französische Regierung gar nicht so schwer, jetzt auf die Vertragsänderung zu verzichten; denn es steht, wenn es weitergeht, ja die Zusammenlegung der Verträge unmittelbar bevor. Da wird es harte Verhandlungen um ihren künftigen Inhalt geben. Ebenso unmöglich ist es, der Gemeinschaft zuzumuten, daß die Verträge nicht eingehalten oder durch Fehlinterpretationen zerstört werden. Wir wollen die Integration erhalten. Wir müssen sie erhalten, wenn nicht eine lähmende Resignation in der ganzen europäischen Öffentlichkeit das Einigungswerk auf lange Zeit in Frage stellen !soll. Wenn in der Wirtschaftsgemeinschaft der Motor der Gemeinschaft, die Kommission, seiner politischen Wirksamkeit beraubt würde, ginge die politische Einigung Europas nicht rascher, sondern langsamer vor sich. Wenn die Demontage der Integration in der EWG begänne, wäre der Tatbestand der Unfähigkeit Europas, sich enger als in einem lockeren Bündnis zusammenzuschließen, gegeben.
    Der französische Staatspräsident strebt nach seinen eigenen Erklärungen ein starkes, von den dominierenden Weltmächten unabhängiges Europa an. Wir wollen ein Europa, das durch seinen Zusammenschluß als Ganzes zu einem gleichberechtigten Partner Amerikas werden kann. Beides, meine Damen und Herren, ist aber nur möglich, wenn Europa einig ist, wenn es seine Einigungspolitik fortsetzt. Sollte es nicht möglich sein — und wir Deutschen sollten und wollen uns darum besonders bemühen —, sich unter dem Gewicht dieser Tatsache auf einem vertretbaren Punkt zu treffen?

    (Beifall.)