Rede von
Dr.
Kurt
Schmücker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, ich kann dazu nur folgendes feststellen. Erstens bin ich den Kraftausdrükken, die von Ihrer Seite gebraucht werden, nicht gewachsen. Zweitens werden in der Geschäftsordnung Fragen zugelassen und nicht in Fragen gekleidete Angriffe, Herr Erler.
Drittens sage ich Ihnen: Ich werde auf die Punkte eingehen, allerdings nicht so, daß Sie nur Freude daran haben, sondern natürlich auch so, daß Sie sich ärgern müssen, wie Sie das eben schon getan haben. Das ist doch mein gutes Recht. Glauben Sie, Sie allein hätten das Recht, hier Angriffe 2u starten?
Herr Schiller hat sich, nachdem er selbst mich mehrfach falsch zitiert hat und mich in einen Gegensatz zu meinem Freund Burgbacher hat bringen wollen, der nicht besteht, darüber beklagt, daß ich ihn falsch zitiert hätte. Es ist möglich, daß ich Zeitungsmeldungen habe, die das, was er gesagt hat, nicht richtig wiedergeben. Auf diese Möglichkeit habe ich mit der Bemerkung „Es kann falsch von der Zunge gegangen sein, es kann nicht stimmen, auch mir ist das passiert" hingewiesen. Ich habe aber dann diesen Satz zur Überschrift Ihrer Rede gemacht, und darauf kommt es mir an, Herr Schiller. Wenn Sie also Wert darauf legen, daß diese Äußerungen, die in die deutsche Öffentlichkeit als Ihre
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Bundesminister Schmücker
Äußerungen gelangt sind, 'beseitigt werden, habe ich Ihnen die Chance gegeben, sie zu beseitigen.
Herr Schiller ist hier heraufgegangen in der Absicht, Herr Erler, herauszustellen, wo Übereinstimmungen bestehen und wo Meinungsverschiedenheiten geblieben sind. Ich finde, das ist eine gute Absicht gewesen. Aber, Herr Kollege Schiller und auch Herr Erler, ich kann Ihnen leider nicht zugeben, daß diese Absicht verwirklicht worden ist. Denn Sie haben Argumente aufgebaut und sie fünf Minuten später wieder über den Haufen geworfen. Ich werde Ihnen das gleich an einzelnen Beispielen nachweisen.
Ich bin der Meinung, daß wir uns an Übereinstimmungen, wenn sie vorhanden sind, nun gut, einige Minuten freuen, aber dann keine weitere Zeit verlieren sollten, sondern uns über die Divergenzen unterhalten sollten. Dann gibt eis die Möglichkeit, einen weiteren Versuch zu machen, sich gegenseitig zu überzeugen; aber dann muß abgestimmt werden.
Meine Damen und Herren, ein Wort, das Sie wiederholt halben, werde ich mir merken. Sie haben mehrfach darauf hingewiesen: Sie haben die Mehrheit! Meine Damen und Herren, das werden wir dann sagen, wenn Sie — wie so häufig, ungefähr wie das mit dem Ende der Ara — betonen, wir machten von unserer Mehrheit zu Unrecht oder einseitig Gebrauch. Wenn Sie uns diese Verantwortung so einseitig überbürden und von unserem Tisch sprechen, gut, dann werden wir Ihnen in entscheidenden Punkten sagen: Hier ist die Mehrheit, und die Mehrheit wird entscheiden.
— Ich kann durch Mehrheitsbeschluß leider nicht die Ruhe im Saal herstellen.
Herr Schiller, Sie haben darauf hingewiesen, daß die entscheidende Gefahr einer Instabilität — Sie sagten: schleichende Inflation — aus dem Bundeshaushalt kommt. Ich habe ähnliches gesagt. Allerdings nennen Sie immer nur den Bund und vergessen die Länder und die großen Städte, die doch zusammengenommen werden müssen. Herr Schiller, das ist Ihr gutes Recht. Denn hier sprechen wir über den Bund, und Sie wollen nicht daran erinnert werden, daß Sie an einigen Stellen eben eine ganz respektable Verantwortung halben und erheblich zur Stabilität beitragen könnten.
Nun entsteht natürlich die Gefahr, daß ich, wenn. Sie einen solchen Tenor anschlagen, aus der Verteidigung heraus vielleicht dieses oder jenes zu bagatellisieren oder als unumgänglich hinzustellen versuche. Genau das, so habe ich gestern gesagt, werde ich nicht tun. Ich lasse mich nicht in diese Ecke hineinboxen.
Sie haben also die Kritik aufgenommen, daß eine Gefahr für die Stabilität aus den öffentlichen Haushalten kommt. Ich unterstreiche das.
Nun, Herr Schiller, haben Sie Ihr Argument gleich wieder über den Haufen geworfen. Sie haben gesagt, das mit der Kuponsteuer sei verkehrt gewesen, und haben als Begründung angeführt, daß wir zur Besserung unserer Infrastruktur — Sie haben sogar die Gemeinden genannt — ausländisches Kapital brauchten.
Nun frage ich Sie: Wir sollen die Haushalte beschränken und dann die außerordentlichen Haushalte durch Einfuhr ausländischen Geldes, ausländischen Kapitals aufblähen. Wo ist da Sinn? Wo ist da Verstand?
Daß wir diese Aufgaben erfüllen müssen, weiß ich auch. Aber wir können sie doch nur im Rahmen unserer Fähigkeiten erfüllen, im Rahmen der Kapazitäten, die uns zur Verfügung stehen. Wenn wir mehr Geld an den Markt bringen, als wir an Gütern und Dienstleistungen dagegenstellen können, tritt eben die schleichende Inflation ein. Um diese zu bremsen, haben wir uns für die Kuponsteuer entschieden. Ich finde, die Aufhebung der Kuponsteuer im gegenwärtigen Augenblick wäre genau das Gegenteil von einer Stabilitätspolitik, Herr Schiller.
Ich möchte aber noch einmal auf .die beiden anderen Argumente hinweisen. Ich habe großes Verständnis dafür, daß den betroffenen Kreisen diese Kuponsteuer unangenehm ist. Ich nehme sogar das Argument hin, daß man einige Vorwürfe gegen den Bund erheben kann, weil er hier Kapitalnehmer und Steuergesetzgeber in einer Person ist und er auch über die Rentabilität des Geldes befindet, das er selbst in Anspruch genommen hat. Dieses Argument nehme ich hin. Aber wenn ich es mit all den anderen Argumenten abwäge, komme ich doch zu dem Ergebnis, daß diese Kuponsteuer notwendig gewesen ist und daß sie wesentlich dazu beigetragen hat, daß sich die Entwicklung nicht überschlagen hat.
Der entscheidende Gesichtspunkt, Herr Kollege Schiller, bleibt ja doch folgender. In fast allen Ländern gibt es ähnliche Regelungen. Sie wissen, daß die Kuponsteuer bei den Ländern, mit denen wir Doppelbesteuerungsabkommen haben, verrechnet wird, daß sie also eine Steuer ist, die von der Einkommensteuer abgezogen wird. Betroffen werden also nur die Spekulanten. Betroffen wird das vagabundierende Geld. — Ich kann nicht dafür, wenn Herr Schiller nicht zuhört. Aber ich muß Ihnen dieses Argument doch vor Augen stellen, meine Damen und Herren. Denn hier geht es nicht nur um eine konjunkturpolitische Maßnahme. Hier geht es auch darum, daß Einkünfte gleich besteuert werden, also gerecht besteuert werden.
Herr Schiller hat dann darauf hingewiesen, daß die Maßnahmen der Bundesregierung zu spät gekommen seien und daß sie heute nicht mehr wirkten. Ich kann daraus nur den Schluß ziehen, daß Sie das Haushaltssicherungsgesetz ablehnen wollen und die Dinge so laufen lassen wollen. Ich räume Ihnen das Recht ein, einen Vorwurf zu erheben, aber nur Ihnen, Herr Schiller, weil Sie diesem Hohen
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Bundesminister Schmücker
Hause bisher nicht angehört haben. Für den Bundeshaushalt sind wir aber in allen Organen verantwortlich, und ich glaube, auch für all das, was sich aus dem Bundeshaushalt ergibt. Aber, meine Damen und Herren, Herr Schiller übersieht eines: daß es bei dieser Haushaltssicherung nicht nur um die Konjunkturpolitik geht, sondern um den ganz einfachen fiskalischen Grundsatz, daß die Ausgaben den Einnahmen angepaßt werden. Schon aus dieser Überlegung heraus ist es notwendig, das zu tun, was die Bundesregierung Ihnen vorschlägt.
Dann hat Herr Schiller einiges zur Energiepolitik gesagt. Er hat zwar mehrfach betont, wir wollten hier keine Kohlendebatte veranstalten. Er hat dann aber doch auch beklagt, daß ich nicht ausreichend Auskünfte gegeben hätte, und anschließend wieder verlangt, daß wir hier nicht zwischen Tür und Angel — das ist mein Ausdruck, — eine Energiedebatte führen. Herr Kollege Schiller, jedesmal im November oder Dezember haben wir in diesem Hohen Hause eine Kohledebatte geführt. Bis 1957/58 haben Sie den Vorwurf erhoben, es werde zu wenig produziert, und nachher — entsprechend der Lage — haben Sie genau umgekehrt argumentiert. Bei diesen Debatten erfolgten immer wieder Vorausberechnungen und Planungen über den künftigen Energiebedarf. Ich habe leider die Ziffern hier nicht zur Hand; aber sie würden wesentlich zur Auflockerung der Debatte beitragen; denn alle diese Ziffern sind falsch. Wäre zu irgendeinem Zeitpunkt in den vergangenen Jahren ein Plan auf Grund der vorgelegten Ziffern aufgestellt worden, dann wäre dieser Plan zumindest geändert worden, wahrscheinlich aber schon hinfällig gewesen. Daß diese Erkenntnis keineswegs dazu berechtigt, nun etwa zu sagen, wir tun in der Energiepolitik gar nichts, ist selbstverständlich. Aber, meine Damen und Herren, Sie sind doch sonst gewohnt, das, was getan worden ist, vom Ergebnis her zu beurteilen.
Nun vergleichen Sie doch einmal unsere Lage mit der Energiesituation in Europa. Wer hat denn eine sichere und billige Energieversorgung? Ist es denn in anderen Ländern etwa günstiger als bei uns? Davon kann doch keine Rede sein; ganz im Gegenteil!
Ich bin der Auffassung, daß dadurch, daß wir nicht allzuviel staatliche Abschirmung gewährt haben, die Anstrengungen der Beteiligten sehr, sehr gefördert worden sind. Sie brauchen sich ja nur die Ergebnisse anzusehen.
Sie sind dann auf ein Wort von mir zu sprechen gekommen, daß die Förderung der Absatzmöglichkeit angepaßt werden müsse. Das ist doch nichts Neues, Herr Schiller, das ist doch nichts Neues. Wir haben hier von 140 Millionen t gesprochen, und zwar in dem Sinne, daß wir uns bemühen wollten, für Absatzmöglichkeiten in dieser Größenordnung einzutreten und alles zu tun, um diesen Absatz zu erreichen. Ich will hinzufügen, Herr Schiller, natürlich muß die Produktion den Absatzmöglichkeiten angepaßt werden. Aber wir müssen natürlich auch dafür sorgen, daß die Absatzmöglichkeiten für die
Kohle in optimaler Höhe erhalten bleiben. Ich weiß nicht, wieso Sie in diesen Ausführungen etwas Neues erkennen wollen. Das ist die Fortsetzung einer Energiepolitik, wie wir sie betrieben haben und die, wie ich hoffe, zu einem guten Ergebnis führen wird.
Sie haben sich dann für einen Appell an die Montanunion sehr stark gemacht. Sie haben damit meine eigenen Worte aufgegriffen und unterstützt. Ich wollte das hier nur einmal darlegen, damit nicht der Eindruck entsteht, daß, wenn Herr Schiller etwas sagt, dies ein Vorwurf ist und, wenn ich etwas sage, dies eine Verteidigung ist.
Tatsache ist doch, daß es auch die Montanunion sehr schwer hatte, Maßnahmen durchzuführen; denn sie ist zuständig für Kohle und Stahl. Kohle und Stahl sind durch mancherlei Dinge miteinander verbunden. Aber die Energiepolitik muß doch zusammen gesehen werden mit der Ölpolitik und der Kernenergiepolitik. Für diese beiden Bereiche war Luxemburg aber nicht zuständig. Hieraus haben sich — das konnten wir doch nicht ändern — Schwierigkeiten ergeben, die ich — ebenso wie Sie — bedauere. Bei meinem ersten Besuch in Luxemburg habe ich darauf hingewiesen, daß man trotz der unterschiedlichen Behörden und der unterschiedlichen Verträge zu einer gemeinsamen Energiepolitik werde kommen müssen. Die Antwort darauf lautete, daß nach der Fusion der Behörden eine Möglichkeit dazu geschaffen würde.