Rede:
ID0500900000

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 43
    1. der: 3
    2. und: 2
    3. Dr.: 2
    4. in: 2
    5. die: 2
    6. über: 2
    7. Die: 1
    8. Sitzung: 1
    9. ist: 1
    10. eröffnet.Meine: 1
    11. Damen: 1
    12. Herren,: 1
    13. heute: 1
    14. feiert: 1
    15. unser: 1
    16. Kollege: 1
    17. Bundesminister: 1
    18. Krone: 1
    19. seinen: 1
    20. 70.: 1
    21. Geburtstag.: 1
    22. Ich: 1
    23. darf: 1
    24. ihm: 1
    25. wohl: 1
    26. Ihrem: 1
    27. Namen: 1
    28. besten: 1
    29. Wünsche: 1
    30. aussprechen.\n: 1
    31. Wir: 1
    32. fahren: 1
    33. fort: 1
    34. Aussprache: 1
    35. Erklärung: 1
    36. Bundseregierung: 1
    37. das: 1
    38. Haushaltssicherungsgesetz.: 1
    39. Das: 1
    40. Wort: 1
    41. hat: 1
    42. Abgeordnete: 1
    43. Emde.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 9. Sitzung Bonn, den 1. Dezember 1965 Inhalt: Glückwunsch zum Geburtstag des Bundesministers Dr. Krone 231 A Begrüßung des Gouverneurs des Staates Oregon 253 A Fragestunde (Drucksache V/38) 267 D Frage des Abg. Tönjes: Einnahmeverluste der DB durch Erhöhung der LKW-Kontingente und Senkung der Beförderungsteuer für den Werkfernverkehr Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 267 D Frage des Abg. Haar (Stuttgart) : Ausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden für das Straßenwesen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 268 A Haar (Stuttgart) (SPD) 268 B Frage des Abg. Haar (Stuttgart) : Kosten für die Verbeserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 268 C Haar (Stuttgart) (SPD) 268 D Fragen des Abg. Faller: Kapitaldienst der Deutschen Bundesbahn Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 269 A Faller (SPD) 269 B Frage des Abg. Seibert: Mehrbelastung der Kraftfahrer durch Erhöhung der Mineralölsteuer in Verbindung mit angeblich hoffnungsloser Verschuldung der DB Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 270 C Frage des Abg. Seibert: Fehlbeträge in den Jahresabschlüssen der DB infolge der Auswirkungen nicht kostendeckender Tarife Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 270 D Seibert (SPD) 270 D Fragen des Abg. Wendt: Berufs-, Schüler- und Sozialverkehr der DB Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 271 B Wendt (SPD) . . . . . . . . 271 D Cramer (SPD) 271 D Seibert (SPD) 272 B Brück (Köln) (CDU/CSU) . . . 272 D Frage des Abg. Dr. Tamblé: Aufhebung von Bahnsteigsperren Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 272 D Dr. Tamblé (SPD) 273 A Strohmayr (SPD) 273 B Fellermaier (SPD) 273 C Felder (SPD) . . . . . . . . 273 D II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 9. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 1. Dezember 1965 Frage des Abg. Ramms: Parkscheiben — Parkuhren — Erhöhung der Parkzeit-Gebühren Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 274 A Ollesch (FDP) 274 B Flämig (SPD) 274 C Jacobi (Köln) (SPD) 274 D Frage des Abg. Rawe: Aufwendungen des Bundes für Ausbau und Unterhaltung der Binnenwasserstraßen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 275 A Wendt (SPD) 275 B Fragen des Abg. Rawe: Sicherung des Investitionsprogramms der DB Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 275 C Seibert (SPD) 276 A Schoettle, Vizepräsident 276 B Frage des Abg. Dr. Schmidt (Wuppertal) : Erhebung von Autobahngebühren von Ausländern beim Grenzübertritt Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 276 D Frage des Abg. Dr. Müller (München) : Abwanderung leitender Techniker und Wissenschaftler der Deutschen Forschungsanstalt für Luftfahrt in Braunschweig Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 277 B Dr. Müller (München) (SPD) . . . . 277 C Berkhan (SPD) ........277 D Fragen des Abg. Ramms: Spikes-Winterreifen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 278 B Haage (München) (SPD) . . . . . 278 C Frage des Abg. Felder: Brücke bei der Raststätte Feucht Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 279 A Felder (SPD) 279 A Fragen des Abg. Flämig: Vorrichtung zur Beseitigung schädlicher Abgase an Kraftfahrzeugen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 279 B Flämig (SPD) 279 D Dr. Schmidt (Offenbach) (SPD) . . 280 B Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung des Haushaltsausgleichs (Haushaltssicherungsgesetz) (Drucksache V/58). Erste Beratung — Dr. Emde (FDP) . . . . . . . . 231 A Dr. Gradl, Bundesminister . . . . 234 D Dr. Schiller (SPD) 237 C Schmücker, Bundesminister . . . 247 B Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 252 A Dr. Luda (CDU/CSU) . . . . . . 254 B Dr. Dr. Heinemann (SPD) . . . . . 262 B Schmitt-Vockenhausen (SPD), Erklärung nach § 36 GO 267 A Picard (CDU/CSU), Erklärung nach § 36 GO 280 C Benda (CDU/CSU) . . . . . . 281 A Busse (Herford) (FDP) . . . . . 290 B Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundeskanzler 291 D Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . . 295 A Dr. Stoltenberg, Bundesminister . . 302 A Dr. Martin (CDU/CSU) 304 C Moersch (FDP) 307 B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 310 A Illerhaus (CDU/CSU) 310 A Dr. Schellenberg (SPD) 313 A Katzer, Bundesminister 318 A Osswald, Minister des Landes Hessen 324 D Vizepräsident Dr. Schmid . . . . 328 D Seifriz (SPD), Erklärung nach § 36 GO 333 B Dr. Luda (CDU/CSU), Erklärung nach § 36 GO 333 C Dr. Mommer (SPD) 334 A Dr. Barzel (CDU/CSU), Erklärung nach § 36 GO 334 B Erler (SPD) zur GO 334 B Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . . 334 C Nächste Sitzung 334 D Anlagen 335 A Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 9. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 1. Dezember 1965 231 9. Sitzung Bonn, den 1. Dezember 1965 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 9. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 1. Dezember 1965 335 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Arndt (Berlin/Köln) 2.12. Frau Berger-Heise 18.2. 1966 Dr. Birrenbach 2. 12. Blachstein 2. 12. Borm 2. 12. Damm 2. 12. Dr. h. c. Güde 2. 12. Hilbert 2. 12. Jaschke 2. 12. Dr. Kliesing (Honnef) 1. 12. Koenen (Lippstadt) 31. 12. Kriedemann 31. 12. Kubitza 2. 12. Lemmrich 2. 12. Marquardt 2. 12. Rawe 8. 12. Frau Schanzenbach 31. 12. Frau Schimschok 31. 12. Schmidt (Würgendorf) 2. 12. Dr. Schmidt-Burgk 2.12. Schultz 2. 12. Seuffert 2. 12. Spillecke 2. 12. Spitzmüller 2. 12. Wahl* 3.12. Wienand 2. 12. Dr. Wörner 3. 12. Wolf 10. 12. Zerbe 2. 12. *Für die Teilnahme an einer Ausschußsitzung des Europarats Anlage 2 Schriftliche Ausführungen des Abgeordneten Dr. Wuermeling zur Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung. Gestatten Sie mir als einem der Mitglieder dieses Hauses, das „von Anlang an", also seit 1949, „dabei war", einige Worte jenseits aller parteipolitischen Erwägungen. Es ist mir ein echtes Anliegen, hier einmal einige grundsätzliche Bemerkungen zu machen, die von der Sorge um die Erhaltung des Vertrauens in unsere parlamentarische Demokratie bestimmt sind. Ich bitte, sie weder als Polemik nach der einen noch als solche nach der anderen Seite dieses Hauses aufzufassen, weil es um ein Anliegen geht, das uns allen gemeinsam ist. Es ist mir ausschließlich darum zu tun, daß wir alle uns einmal selbst fragen, ob das Gesetzgebungsjahr 1965 des Deutschen Bundestages das Vertrauen in unsere Anlagen zum Stenographischen Bericht parlamentarische Demokratie zu stärken oder zu gefährden geeignet ist. Die gesetzgebenden Körperschaften haben in der ersten Hälfte dieses Jahres als Träger der höchsten staatlichen Souveränität zahlreiche Gesetze beschlossen, die vom Herrn Bundespräsidenten im Bundesgesetzblatt verkündet worden sind. Durch diese Gesetze sind Rechtsverpflichtungen des Bundes übernommen worden, deren Übernahme wir als Gesetzgeber in Ausübung unseres Mandats als gewählte Vertreter unseres Volkes - sehr oft einmütig — sachlich für geboten hielten. Sehen wir jetzt einmal, ohne dieses oder jenes Gesetz als einzelnes oder die dadurch Begünstigten im Auge zu haben, nur die grundsätzliche Tatsache, daß die höchsten Träger unserer staatlichen Souveränität alle diese Verpflichtungen in der feierlichsten Form, nämlich der des Gesetzes, im Namen von Volk und Staat übernommen haben. Unsere Staatsbürger vertrauen selbstverständlich auf die Einhaltung dieser Rechtsverpflichtungen, weil unser Staat sie in gesetzlicher — also höchstverbindlicher - Form übernommen hat. Nun ergeben sich wenige Monate nach Erlaß dieser Gesetze, ohne daß etwa eine plötzliche Wende in unserer wirtschaftlichen Entwicklung eingetreten wäre, Schwierigkeiten bei der Bereitstellung der Haushaltsmittel, die zur Einhaltung der in feierlicher Gesetzesform übernommenen Verpflichtungen erforderlich sind. Von jedem Staatsbürger verlangen wir ganz selbstverständlich, daß er, wenn er durch übernommene Verpflichtungen in Bedrängnis kommt, alle, aber auch alle seine Existenz nicht bedrohenden Anstrengungen macht, um seine Verpflichtungen zu erfüllen. Wir verlangen von ihm insbesondere, daß er erforderlichenfalls durch Einschränkungen in seiner Lebenshaltung oder durch andere eigene wirtschaftliche Opfer die Erfüllung seiner Verpflichtungen ermöglicht, auch wenn es ihm schwer fällt. Wir verlangen das als ein Gebot der Rechtssicherheit und auch der Honorigkeit und der Fairneß und erzwingen das sogar notfalls durch unsere Gerichte. Mich bewegt schon seit langen Wochen immer wieder die Frage, ob - und gegebenenfalls warum — hier für den Staat andere Maßstäbe gelten oder gelten dürfen. Gewiß, der Staat ist Träger der Souveränität und kann, soweit er nicht direkt gegen das Grundgesetz verstößt, gerichtlich nicht gezwungen werden, seine Gesetze aufrechtzuerhalten. Aber gelten für ihn hier deshalb grundsätzlich andere Regeln? Ist Rechtssicherheit, Fairneß, Honorigkeit und Vertrauenswürdigkeit aller staatlichen Organe nicht etwas, mit dem der Staat seinen Bürgern ein Beispiel geben soll und muß? Unter diesem Aspekt sollten wir nicht zuletzt die im Haushaltssicherungsgesetz für die verschiedensten Bereiche geplanten Maßnahmen sehen, nicht die Einzelmaßnahme oder das jeweils gegebene Gruppeninteresse, sondern nur die Tatsache, daß hier vor wenigen Monaten feierlich in Gesetzesform übernommene Rechtsverpflichtungen des Staates, 336 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 9. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 1. Dezember 1965 sei es durch Abstriche, sei es durch Hinausschiebung, nicht eingehalten werden sollen. Ich gebe ohne weiteres zu: Wenn jetzt plötzlich eine unerwartete Änderung der Verhältnisse — etwa eine Wirtschaftskrise — eingetreten wäre und einen nicht voraussehbaren Notstand ausgelöst hätte, dann könnte der Staat — etwa wie seine Bürger in einem Vergleichsverfahren — nach Ausschöpfung aller anderen Mittel zu solchen Maßnahmen greifen. Aber doch erst nach Ausschöpfung aller ohne Gefährdung seiner Existenz möglichen anderen Mittel, ehe er zur Kürzung eben übernommener Rechtsverpflichtungen schreitet. Sind hier nun wirklich alle anderen ohne Gefährdung unserer staatlichen Existenz möglichen Mittel ausgeschöpft? Oder will man hier nur unseren Bürgern — denn sie sind ja der Staat — etwa leicht mögliche Einschränkungen nicht zumuten? Oder würde die Erfüllung dieser Rechtsverpflichtungen etwa die Existenz des Staates und damit aller Bürger gefährden? Letzteres wäre sicher der Fall, wenn die Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen 'bedenkliche Auswirkungen auf die Kaufkraft unserer Währung hätte. In diesem Falle besteht gewiß ein so hohes Gemeininteresse, nämlich die Erhaltung der Kaufkraft der Währung für alle Bürger, daß auch radikale Maßnahmen gerechtfertigt wären und auch verstanden würden. Aber müssen nicht erst einmal alle währungs- und wirtschaftsneutralen Anstrengungen gemacht werden, um zu den übernommenen Verpflichtungen zu stehen? Und gibt es solche? Es gibt sie, wenn man sich dazu zu entschließen bereit ist. Wenn keine zusätzliche Kaufkraft geschaffen wird, kann von Gefährdung der Währung keine Rede sein. Kaufkraftverlagerung z. B. ist währungsneutral. Nun haben wir im letzten Jahr — ich nehme die niedrigste, von der Opposition genannte Zahl — eine reale Einkommenserhöhung um jedenfalls rund 5 % gehabt. Ist es wirklich unvertretbar, daß man, wenn andere Wege nicht möglich sind, davon einen kleinen Bruchteil in Form von Genußmittelsteuern zusätzlich erhebt, um die gesetzlich geschaffenen Rechtsverpflichtungen zu erfüllen? Muß der Staat, d. h. die Gesamtheit seiner Bürger, nicht wirklich alle, aber auch alle zumutbaren Anstrengungen machen, um nicht als wortbrüchig — und zwar wortbrüchig in den Handlungen der höchsten staatlichen Organe — zu erscheinen? Es geht hier jetzt nicht darum, die sachliche Angemessenheit der beschlossenen Gesetze zu diskutieren. Diese steht mindestens dann nicht zur Diskussion, wenn dieselbe Mehrheit, die sie beschlossen, und dieselbe Regierung, die sie dem Herrn Bundespräsidenten zur Verkündung vorgelegt hat, heute weiter regiert. Die sachliche Angemessenheit stünde aber auch dann jetzt nicht zur Diskussion, wenn etwa die Opposition, die den Gesetzen zugestimmt und durch ihren „Schattenfinanzminister" für die 5. Wahlperiode noch viel höhere Mehrausgaben, nämlich 76 Milliarden DM, angekündigt hat, heute die Regierung stellte, Denn weder Koalition noch Opposition können heute plötzlich sachlich anderer Meinung sein, als vor wenigen Monaten, wenn sich keine neuen sachlichen Argumente eingestellt haben. Mir sind solche neuen sachlichen Argumente gegen den Inhalt der vor einigen Monaten beschlossenen Gesetze in keinem Falle bekanntgeworden. Nur die Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen macht einige Schwierigkeiten. Aber können sie nicht ohne Gefährdung des Gemeinwohls behoben werden? Dürfen wir uns bei solcher Sachlage der Erfüllung unserer Verpflichtungen entziehen, weil etwa eine leichte Erhöhung etwa auch der Tabaksteuer keine sehr populäre Maßnahme ist? Steht nicht wirklich etwas mehr auf dem Spiel als der Unwille der — sicher nicht der meisten — Raucher, von denen doch nicht einer ernsten Schaden leiden kann, wenn z. B. mit einem zusätzlichen Pfennig auf die Zigarette über 900 Millionen DM zur Erfüllung feierlich übernommener Rechtsverpflichtungen unseres Staates aufgebracht werden? Solche innere Kaufkraftverlagerung ist doch wohl durchaus „währungsneutral". Ich habe diese Forderung in meinen Wahlversammlungen häufig vertreten und erinnere mich nicht, hier auch nur 'einmal auf echten Widerspruch gestoßen zu sein. Unsere Bürger haben schon ein Gefühl für Treu und Glauben auch im öffentlichen Leben und wünschen sich in der großen Mehrheit einen Staat, auf dessen Umgangsformen sie stolz sein können. Dürfen wir diese unsere staatsbewußten Bürger enttäuschen, indem wir ihnen etwas vormachen, was wir schärfstens beanstanden müßten, wenn sie es als einzelne täten? Wir alle hören jetzt im Lande draußen Formulierungen, die uns früher nur aus dem Munde von Gegnern unseres demokratischen Staates zu Ohren kamen: „Die machen da oben ja doch, was sie wollen" oder noch hiel härtere Worte, die ich hier nicht wiederholen möchte. Ist es nicht unser aller Aufgabe, solche Formulierungen Lügen zu strafen, und nicht dazu Anstoß zu geben? Darüber sollten wir bei der Beratung des Haushaltssicherungsgesetzes sehr gründlich nachdenken. Ich möchte meine persönliche Meinung hier klar dahin zum Ausdruck bringen dürfen, daß der kleine Ärger über eine gar nicht erhebliche Erhöhung von Genußmittelsteuern, mit der die Bundesregierung ja schon einen — allerdings sehr schüchternen — Ansatz gemacht hat, eine Kleinigkeit ist gegenüber dem Verlust an Vertrauen in unsere parlamentarisch-demokratische Ordnung, den ein Bruch feierlich übernommener gesetzlicher Verpflichtungen zur Folge haben müßte und nachweislich als Versuch schon hat. Mir lag daran, alle Mitglieder dieses Hauses zu bitten, diese Erwägungen einmal sehr gründlich zu überdenken und sich in aller Ruhe die Frage zu beantworten, ob unsere junge Demokratie solchen Vertrauensverlust überhaupt wieder aufholen kann. Es geht hier im letzten nicht um Gruppeninteressen dieses oder jenes von den Gesetzen betroffenen Bereiches, es geht erst recht nicht um Parteipolitik, es geht hier um etwas ganz Grundsätzliches und Entscheidendes, ohne das weder Koalition noch Opposition auf die Dauer unsere demokratische Ordnung werden erhalten können: um das Vertrauen des Bürgers, vor allem unserer jungen Generation, in ihren und unseren Staat. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 9. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 1. Dezember 1965 337 Anlage 3 Schriftliche Ausführungen des Abgeordneten Stein (Honrath) zur Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung. Ich darf ein Problem behandeln, das mir und meiner Fraktion besonders am Herzen liegt, das ist der Arbeitsmarkt, sozusagen die Südtangente im magischen Dreieck der Vollbeschäftigung, Preisstabilität und Zahlungsbilanz. Ich warne vor der Illusion, daß durch Rationalisierung und Automation der Arbeitskräftemangel in den nächsten Jahren abnimmt. Er wird selbst dann bestehenbleiben, wenn keine Restriktionspolitik die Rationalisierungsmöglichkeiten hemmen würde. Hier ist der entscheidende Engpaß, der die Produktionskraft der Wirtschaft spürbar einschränkt. Was ist zu tun? Der innerdeutsche Arbeitsmarkt ist fast ausgeschöpft. Das gilt nicht nur für die Männer-, sondern auch für die Frauenarbeit. Der Anteil der Frauenbeschäftigung ist mit 35% heute in der Bundesrepublik höher als in jedem anderen europäischen Land. Vielleicht stecken noch kleine Reserven in der Halbtagsarbeit. Vielleicht sind auch noch einige in der Landwirtschaft vorhanden. Im ganzen ist keine Erleichterung zu erwarten. Das Statistische Bundesamt schätzt bis 1972 noch eine weitere Abnahme von Erwerbstätigen um 600 000. Vielleicht kann noch manches getan werden, um den Anreiz für Arbeiter, Angestellte und Beamte, die über das Pensionsalter hinaus noch arbeiten wollen, zu erhöhen. Aber sie kennen die Probleme, die hier aus der Differenz zwischen Gehalt und Pension, aus der Besteuerung und aus wielen Einzelheiten, nicht zuletzt aus der Generationsfrage an sich entstehen. Die steuerliche Schonung von Überstunden gehört ebenfalls in diesen Bereich. Man muß ganz deutlich sehen, daß hier überall Grenzen gesetzt sind. Wir können es uns nicht erlauben, auf diese Mangelerscheinungen in fatalistischer Abstinenz zu blicken — wie das Kaninchen auf die Schlange — und im Nichtstun zu verharren. Dazu gibt uns am wenigsten die Tatsache Veranlassung, daß es besonders schlecht um die Beschäftigung des Bedarfs an Nachwuchskräften bei uns bestellt ist. Die offenen Lehrstellen dieses Jahres konnten bekanntlich nur bis zu 40 % besetzt werden. Wer weiß, daß es uns gerade an ausgebildeten Kräften fehlt, daß alle Automation den qualifizierten Fachmann nicht ersetzen kann, der muß gerade diese Zahl mit Bestürzung registrieren. Sie ragt über den Parteienstreit hinaus und ist sozusagen eine interfraktionelle Zahl. Wir müssen nicht nur mit Ländern konkurrieren, die eine größere Kapitalkraft ins Treffen führen, sondern auch mit Ländern konkurrieren, in denen länger und härter als bei uns gearbeitet wird, wie Japan. Es ist nicht mit dem Schlagwort Niedrigpreisland getan, sondern nur mit der Erkenntnis, wo die Gründe der zutage tretenden Wettbewerbsverzerrungen liegen. Das Beunruhigende der Zahlungsbilanzsituation ist doch, daß sie deutlich macht, daß auch unsere europäischen Nachbarn uns zu überrunden beginnen. Die Entwicklung des Arbeitsmarktes der letzten 10 Jahre zeigt uns deutlich, daß wir hier in einer echten Strukturkrise stehen, die wir bewältigen müssen. Diese Strukturkrise wird sichtbar an der Beschäftigung unserer ausländischen Arbeitskräfte und den damit auftretenden Problemen. Diese Gastarbeiter sind im Rahmen unserer Wirtschaftsentwicklung mehr als ein Konjunkturpuffer. Wir hatten in der jüngsten Spanne unserer innerdeutschen Wirtschaftsgeschichte mehrfach Konjunkturpausen. Die Stetigkeit des Anwachsens unserer ausländischen Gastarbeiter zeigt eben die strukturelle Grundlage dieses Bedarfs. Mitte 1954 waren es 73 000, am 30. 9. 1965 waren es 1 217 000. Das ist eine siebzehnfache Steigerung am Laufe von 11 Jahren. Natürlich muß man auch hier die Proportionen sehen. Gewiß, die ausländischen Arbeiter füllen gerade jene Lücke, deren Offenbleiben auch die derzeitige Produktion unmöglich gemacht hätte. Aber wir dürfen uns trösten, daß bei uns ihr Anteil an der Beschäftigtenzahl nur 5,5% beträgt. In der Schweiz sind es 30%, in Frankreich 8-10%, und auch in Belgien und Holland liegt der Anteil höher. Das strukturelle Angespanntsein wird dadurch erschwert, daß die Fluktuation der Ausländer sehr groß ist. Gerade wenn der Anteil der ausländischen Arbeiter an der Gesamtzahl der Beschäftigten noch erträglich gering ist, erfordert dies unser Eingreifen zur richtigen Zeit, d. h. sofort. Wirtschaft und Verwaltung stehen hier in einer gemeinsamen Verantwortung. Beide brauchen die gut ausgebildeten und eingewöhnten ausländischen Arbeitskräfte. Die Wirtschaft bemüht sich bereits heute um eine Vorschuleng künftiger Gastarbeiter in ihren Heimatländern. In Spanien und Italien werden z. B. entsprechende Lehrwerkstätten von der deutschen Industrie auch durch die Entsendung von Meistern und Fachkräften unterstützt. Die Zusammenarbeit mit den Behörden des In- und Auslandes funktioniert im allgemeinen gut. Ich möchte an dieser Stelle vor allem der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung unser aller Dank und Anerkennung aussprechen. So ist auch vorbehaltlos anzuerkennen, daß sich in Deutschland Organisationen und Verbände um die Betreuung der Gastarbeiter bemühen, und es muß auch erwähnt werden, daß öffentliche Mittel zur Überwindung der Sprach- und der Unterkunftsschwierigkeiten beitragen. Allerdings wäre besonders für den Wohnungsbau ein stärkeres Arrangement wünschenswert. Ein naheliegendes Problem, das wir lösen müssen, ist nämlich die regelrechte Einwanderung ganzer Familien. Gerade jene Gastarbeiter, die ihre Familie nachkommen lassen wollen, suchen die dauerhafte Beschäftigung in unserem Land. Sie stellen eine wertvolle Anreicherung des deutschen Arbeitskraftpotentials dar. Für sie müssen Wohnungen bereitgestellt werden. Auch die Frage der Beschäftigung der Frauen am gleichen Ort ist zu beantworten. Daß dies möglich und für alle Beteiligten vorteilhaft ist, hat sich besonders in Südwestdeutschland bereits deutlich gezeigt. Das führt uns schließlich noch zu weitergehenden Überlegungen. Manchmal erinnert der heutige Zustrom der Gastarbeiter an die großen Einwanderungswellen des vorigen Jahrhunderts nach Ame- 338 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 9. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 1. Dezember 1965 rika. Was damals auf gut Glück und unter großen Härten vor sich ging, können wir in der Gegenwart steuern. Wir müssen uns in dieser Legislaturperiode darüber Gedanken machen, solange die Dinge noch zu übersehen sind. Die volle Integration jener Familien, die dies anstreben, sollte erleichtert werden. Reale Gründe, die eine weitsichtige Politik berücksichtigen muß, gibt es genug, vom Produktionserfordernis über den Bedarf der Dienstleistungsgesellschaft bis zur Vermeidung eines Vakuums gegenüber dem Osten. Reale Gründe, die dagegen sprechen, gibt es nicht, auch nicht im soziologischen Bereich. Untersuchungen haben ergeben, daß von der gelegentlich behaupteten höheren Kriminalität keine Rede sein kann. Die volkswirtschaftlichen Kosten schließlich werden, nimmt man alles in allem, bei der Einbürgerung geringer sein als bei der Fluktuation. Wenn wir der strukturellen Teuerung, die sich aus den erhöhten Ansprüchen bei gleichzeitigem Arbeitskräftemangel ergibt, wirksam entgegentreten wollen, müssen wir nicht nur in der Haushaltspolitik, sondern auch auf diesem Gebiet neue Wege beschreiten. Wir haben das Beispiel aus Übersee, wir erleben es auch in unserem eigenen Lande. Die Entwicklung des Ruhrgebietes vollzog sich unter maßgeblicher Beteiligung ausländischer Arbeitskräfte. Sie sind längst integriert, und die Träger ihrer Namen stellen nicht nur prominente Stars der Fußballmannschaften, sondern in allen Bereichen hochqualifizierte Arbeiter, Angestellte und Beamte. Die Einfügung von Ausländern in die deutsche Industriegesellschaft bringt auch staatsrechtliche Probleme mit sich. Italien ist schon heute bereit, einen Teil seiner Auswanderungswilligen nach Deutschland zu lenken, das sind Einwanderer zu uns. Das soll kein Hindernis, sondern Ansporn sein. Wir müssen jetzt Überlegungen zur Herabsetzung der Einbürgerungszeit anstellen, die noch 10 Jahre beträgt. Wir brauchen eben nicht nur Fremde, die höchstens 2-3 Jahre bleiben, unsere Zahlungsbilanz verschlechtern und sich dann mit dem verdienten Geld und den erworbenen Kenntnissen daheim selbständig machen. Diese werden ohnehin immer die Mehrheit der ausländischen Arbeitskräfte bilden. Wir brauchen gerade jene Minderheit, die entschlossen ist, durch ihre Leistung ein Teil unseres Volkes zu werden. Sie ist uns willkommen und sie ist uns wertvoll. Sie bedeutet eine der großen Strukturbereinigungen, vor die uns die Industriegesellschaft stellt. Wir sollten daher alles tun, um diesen Menschen bei uns eine neue Heimat zu geben. Wir sollten es bald tun, sofort damit beginnen. In Entlohnung, Arbeitsbedingungen, Sozialleistungen und jedem Detail des Arbeitsrechts sind sie den Deutschen ohnehin fast völlig gleichgestellt. Sie müssen auch im staatsrechtlichen und gesellschaftlichen Rahmen die selbstverständliche Gleichberechtigung finden. Damit werden wir einen wichtigen Beitrag zu jener Stabilisierung leisten, die uns zur Zeit so sehr beschäftigt. Gesundes Wachstum auf stabiler Grundlage ist keine Utopie. Man muß allerdings etwas dafür tun, heute und morgen und vorausschauend auf lange Frist.
Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, heute feiert unser Kollege Bundesminister Dr. Krone seinen 70. Geburtstag. Ich darf ihm wohl in Ihrem Namen die besten Wünsche aussprechen.

(Beifall.)

Wir fahren fort in der Aussprache über die Erklärung der Bundseregierung und über das Haushaltssicherungsgesetz. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Emde.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Georg Emde


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am dritten Tag der verbundenen Debatte über Regierungserklärung und Haushaltssicherungsgesetz verlagert sich der Schwerpunkt der Aussprache nach der vorliegenden Rednerliste eindeutig auf den Punkt Haushaltssicherungsgesetz. Das mag für manche Kollegen und für die Öffentlichkeit unter Umständen die Vorstellung erwecken, daß nunmehr die Fachleute des Haushalts das Wort ergreifen würden, die Oberbuchhalter der Nation diskutieren würden. Ich halte es aber für notwendig, hier völlig klarzumachen, daß es um weit mehr geht als um den rein technischen Vorgang des Haushaltsausgleichs,

    (Abg. Dr. Barzel: ,Sehr wahr! — Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Sehr richtig!)

    daß es hier um grundlegende Fragen der Finanzpolitik, der Währungspolitik und der allgemeinen Wirtschaftspolitik geht.
    Es ist im Laufe der letzten Tage mehrfach davon gesprochen worden, daß wir nach den Jahren ,des stürmischen Aufbaus unseres Staates nunmehr in die Gestaltung der Konsolidierungsphase der deutschen Politik eintreten. Meine Damen und Herren, dem ist ,so. Das ist auch die Überzeugung der liberalen Partei. Wenn es um diese Probleme geht, haben wir über mehr zu diskutieren als über das reine Zahlenwerk. Es geht hier um die drängenden Fragen des Heute, des Morgen und des Übermorgen, um eine Reihe von Entscheidungen über Jahre hinweg, um eine Reihe von Entscheidungen, an deren Spitze ,das Haushaltssicherungsgesetz steht.
    Die Sozialdemokratische Partei hat sich zu diesem Haushaltssicherungsgesetz bisher äußerst vorsichtig geäußert. Es hat in den zwei Tagen der Debatte verschiedene Worte gegeben. Es gibt das Wort von dem anderen Tisch, von dem Tisch, an dem man nicht sitze, von dem Tisch der Regierung, die hier die Verantwortung zu tragen und die Entscheidung zu fällen habe. Es gibt das zweifache Nein. Es gibt das Nein, das der Kollege Möller zum Schluß seiner Rede ausgesprochen hat, und es gibt das Nein, das der Kollege Professor Schiller zum Schluß seiner Rede gesagt hat. Es gibt ferner eine allgemein gehaltene Kritik des Kollegen Möller an diesem Gesetz. Ich glaube, es ist nunmehr der Zeitpunkt, über diese allgemeinen Äußerungen, über die Vorstellung des Nein, über die Vorstellung des anderen Tischs klar und deutlich zu machen, was die einzelnen Fraktionen hier in diesem Hause zu diesem Gesetzeswerk sagen und wie sie sich in der nächsten Phase der deutschen Wirtschafts- und Währungspolitik verhalten wollen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Lassen Sie mich für die Freie Demokratische Partei nach den etwas umschreibenden und schwimmenden Äußerungen der SPD um so klarer sprechen. Erstens: Wir sind entschlossen, den Haushalt des Jahres 1966 auszugleichen. Zweitens: Wir sind bereit, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen,

    (Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Hört! Hört!)

    Drittens: Wir sind gewillt, über die jetzigen Vorschläge zur Begrenzung des Haushalts hinaus weitere Einsparungen bei den Haushaltsberatungen vorzunehmen, um neuralgische Punkte des zu erwartenden Entwurfs zu beseitigen und das Haushaltsvolumen zu senken. Viertens: Wir sind entschlossen, über die Haushaltsansätze des Jahres 1965 nur dann hinauszugehen, wenn gesetzliche, rechtliche oder sonstige unabweisbare Notwendigkeiten bestehen. Denn nur dann, wenn wir diese vier Punkte erfüllen, wenn wir uns nach diesen Maximen verhalten, werden wir überhaupt den freien Raum haben, um uns im Jahr 1966 haushaltspolitisch freizuschwimmen.
    Das Haushaltssicherungsgesetz wird in der nächsten Woche im Haushaltsausschuß beraten werden. Der Haushaltsausschuß wird sich in dieser Woche konstituieren. Er wird — wie ich annehme — unseren altverehrten Kollegen Schoettle wieder zu seinem Vorsitzenden wählen. Am Montag werden wir, wenn die Zeitabsprache eingehalten wird, im Haus-
    232 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 9. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 1. Dezember 1965
    Dr. Emde
    haltsausschuß die ersten definitiven Entschlüsse zu fassen und Entscheidungen zu fällen haben. Einige Tage später werden hier im Plenum die zweite und dritte Lesung dieses Gesetzeswerkes stattfinden.
    Meine Damen und Herren, es wird sicherlich manche Diskussion über Einzelteile und Einzelheiten des Haushaltssicherungsgesetzes geben. Aber im Endeffekt gibt es für uns keinen Zweifel daran, daß das Gesamtgesetzeswerk verabschiedet werden muß und verabschiedet werden wird.

    (Beifall bei der FDP.)

    Wir Vertreter der FDP im Haushaltsausschuß und nachher auch im Plenum sind gewillt, unseren Diskussions- und Beratungsbeitrag zu diesem Sektor zu liefern. Wir sind bereit, eigene Vorstellungen zu entwickeln und diese eigenen Vorstellungen in die Debatte einzuführen. Dabei gehen wir aber davon aus, daß alles, was wir vorschlagen werden, im Rahmen dieses Haushaltssicherungsgesetzes liegt, daß die Vorschläge im Rahmen der einzelnen Gruppen gemacht werden und die Einsparungsmasse oder die zur Verfügung stehende Finanzmasse von 2,9 Milliarden DM auch von uns erreicht werden wird. Das ist die politische Erklärung, die ich hier für meine Fraktion hier in der ersten Lesung abzugeben habe.

    (Beifall bei der FDP.)

    Wir werden die SPD in der Debatte im Haushaltsausschuß und im Plenum in der zweiten und dritten Lesung dann aber dazu zwingen, zu all diesen Fragen im einzelnen in aller Öffentlichkeit Stellung zu
    nehmen. Die SPD wird dann nicht sagen können, daß das ein anderer „Tisch" sei, mit dem sie nichts zu tun habe. Sie muß ja oder nein sagen. Sie muß definitiv Stellung beziehen; denn an dieser Schicksalsfrage der Nation kann es nur eine gemeinsame Beratung geben, und es darf nicht das Wort geben: Das ist nicht unsere Sache.

    (Sehr wahr! in der Mitte.)

    Kollege Möller hat in seiner Rede eine Kritik in einer alten Weise geübt, die mich an die Haushaltsberatung des Jahres 1965 erinnert, an die dritte Lesung am 26. Februar hier in diesem Raum. Kollege Möller hat gesagt, der Etat des Jahres 1965 sei unsolide, und er hat gesagt, die Koalitionssprecher dürften nicht zugeben, daß dieser Etat unsolide sei.

    (Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Geben Sie es denn jetzt zu?)

    — Ich will mich gleich zu dem Problem der Unsolidität äußern. Aber ich möchte zunächst das Wort „die Koalitionssprecher durften das nicht zugeben" aufgreifen. Ich glaube, Herr Kollege, das Wort „dürfen" ist etwas falsch, insbesondere wenn Sie hier an mich denken.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Es war ein inneres Muß gemeint, nicht ein äußeres!)

    — Ich wollte gerade auf dieses Problem zu sprechen kommen. Wenn Sie das innere Muß meinten, möchte ich dazu sagen, daß gerade meine Fraktion und ich hier erklärt haben, daß wir uns stets auch als Kontrollorgan und als Gegensatz selbst zur eigenen Regierung fühlen, daß wir unsere parlamentarische Aufgabe stets wahrzunehmen gedenken. Wir haben doch hier mit unserem Koalitionspartner, zusammen mit unserer eigenen Regierung in der Frage der Kriegsopferversorgung gerungen. Wir haben nie unter dem Muß, unter dem moralischen Zwang gestanden — weder die CDU noch wir —, etwas nicht zugeben zu dürfen, weil wir uns etwa als Vortrupp der Regierung fühlten. Ich habe in der Vergangenheit hier einmal das Wort vom Chor und dem Vorsänger gebraucht. Es ist nicht nett, daß man eigene Worte zitieren muß, das klingt ein bißchen überheblich; aber wir sind durch Ihre Äußerung einfach in diese Debatte hineingekommen. Ich möchte das hier einmal in der Sache klargestellt haben. Das Dürfen kann aber auch nie so ausgelegt werden, daß wir etwa hier unter einem Zwang, unter einem Befehl ständen. Liberalen zu befehlen, ist so unmöglich, wie einem Bienenschwarm zu befehlen.

    (Beifall bei der FDP.)

    Herr Kollege, zu dem Wort, der Haushalt sei unsolide: Ist dieser Etat 1965 wirklich in sich unsolide? Wir wissen doch nicht nur aus den Worten, die der Finanzminister hier vorgetragen hat, daß der Etat des Jahres 1965 — wenn Sie einmal das Problem Bundesbahn ausklammern — im Endeffekt in sich ausgeglichen enden wird, daß die Steuermehreinnahmen von 760 Millionen DM, die jetzt schon deutlich sind, ausreichen werden, um die Beträge zu decken, die der Bund am Kapitalmarkt nicht aufnehmen kann, und daß die Globalkürzung von 1,5 Milliarden DM zusammen mit den überplanmäßigen Ausgaben abgedeckt wird durch Minderausgaben, die an anderer Stelle entstanden sind. Herr Kollege Möller, ich möchte nur noch einmal auf das zurückverweisen, was ich damals gesagt habe. Es ist klar, daß eine Barleistung von 1,5 Milliarden DM nicht ausreichen wird, um die Finanzkrise der Deutschen Bundesbahn im Jahre 1965 zu überwinden. Ich habe ausdrücklich auf diesen Punkt hingewiesen, und insofern kann auch uns gegenüber der Vorwurf, wir hätten diesen Haushalt unsolide aufgebaut und dann wider besseres Wissen verteidigt, nicht aufrechterhalten werden. Herr Kollege Möller, ich hatte doch damals gesagt: Wo ist die Alternative der SPD? Wo ist das, was Sie als Gegengebäude zu unserem Gebäude erstellen? Wo ist das, was Sie zur Verbesserung vorschlagen, was über die reine Kritik an dem Werk der Regierung, das hier vorgelegen hat und hier verabschiedet wurde, hinausgeht?
    Herr Kollege Möller, Sie erheben den Vorwurf, daß erst jetzt gespart wird. Auch wir erheben diesen Vorwurf, daß erst jetzt gespart wird. Aber ich stelle an Sie die Frage: Wird die SPD bereit sein, sich jetzt an dem Sparen zu beteiligen — auch unter Verzicht auf eigene Anträge in Dingen, die Ihrem Herzen nahestehen?

    (Beifall bei der FDP.)

    Sie haben in Ihrer gestrigen Rede, als ein Zwischenruf kam und Ihnen vorgeworfen wurde, Sie hätten ja selbst Erhöhungsanträge beim Kindergeld gestellt, gesagt: Nun, im Rahmen eines Gesetzeswerkes kann man natürlich in den Ausschußberatungen Anträge stellen. — Sie haben aber uns, den
    Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 9. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 1. Dezember 1965 233
    Dr. Emde
    Freien Demokraten, den Vorwurf gemacht, bei der Diskussion um die Steuersenkung den Antrag auf Lohnsteuerfreiheit gestellt zu haben und den Antrag für den Altersfreibetrag für freie Berufe und Pensionäre gestellt zu haben. Das, was Sie sich selber als Recht zubilligen, haben Sie uns vorgeworfen. — Bitte schön!