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ID0500825400

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Metadaten
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 8. Sitzung Bonn, den 30. November 1965 Inhalt: Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 139 A Abwicklung der Fragestunde 174 B Fragestunde (Drucksache V/38) Fragen des Abg. Logemann: Trinkmilch für Schulkinder Höcherl, Bundesminister . . . . . 174 C Frage des Abg. Prochazka: Preisentwicklung bei Grundnahrungsmitteln Höcherl, Bundesminister . . . . . 174 D Fragen des Abg. Schmidt (Kempten) : Arbeiterrentenversicherung Katzer, Bundesminister . 175 B, 175 C Schmidt (Kempten) (FDP) . 175 B, 175 D Frage des Abg. Fritsch (Deggendorf) : Vermeidung von Nachteilen für Bezieher von Ausgleichs- und Elternrenten nach dem BVG Katzer, Bundesminister . . . . . 176 A Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . . . 176 B Frage des Abg. Genscher: Beitragssatz für die Arbeitslosenversicherung 176 C Frage des Abg. Prochazka: Höhe der derzeitigen versicherungsrechtlichen Ansprüche der Gastarbeiter Katzer, Bundesminister 176 D Frage des Abg. Prochazka: Vorlage eines dritten Änderungsgesetzes zur Kriegsopferversorgung Katzer, Bundesminister . . . . . 176 D Fragen des Abg. Geiger: Maßnahmen auf dem ehemaligen Flugplatzgelände Malmsheim . . . . . . 177 A Frage des Abg. Felder: Dienstvorschriften der Bundeswehr für die Teilnahme an Gottesdiensten Gumbel, Staatssekretär . . . . . 177 C Frage des Abg. Fritsch (Deggendorf) : Finanzierungshilfen zum Bau von Hallenbädern Gumbel, Staatssekretär 177 C Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . . 177 D Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . . 178 A Dröscher (SPD) 178 B Dr. Müller (München) (SPD) . . . 17.8 C Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 178 D Dr. Rinderspacher (SPD) . . . . 179 A Dr. Klepsch (CDU/CSU) . . . . 179 B Dr. Huys (CDU/CSU) . . . . . 179 B Moersch (FDP) 179 C Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . 179 D Dr. Hamm (Kaiserslautern) (FDP) . 179 D II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 30. November 1965 Frage des Abg. Ollesch: Einstellung aller Flüge mit Maschinen vom Typ „Starfighter" Gumbel, Staatssekretär 180 A Ollesch (FDP) 180 B Cramer (SPD) . . . . . . . . 180 C Dr. Müller (München) (SPD) . . . 180 D Moersch (FDP) 181 A Wächter (FDP) . . . . . . . 181 C Frage des Abg. Schultz (Gau-Bischofsheim) : Schaffung einer zentralen Kantinenorganisation Gumbel, Staatssekretär 181 C Mertes (FDP) 181 D Dr. Huys (CDU/CSU) 182 A Opitz (FDP) 182 B Frage des Abg. Felder: Einbau von Abgasfiltern in Pkw und Lkw Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 182 D Felder (SPD) 183 A Dr. Hamm (Kaiserslautern) (FDP) . 183 C Frage des Abg. Lemper: Ausbau des Reststückes B 55, Ortsdurchfahrt Bergheim (Erft) Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 183 D Frage des Abg. Lemper: Einrichtung einer Haltestelle in Kaster (Bahnstrecke Düren–Neuß) Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 184 A Frage des Abg. Dr. Kempfler: Erhöhte Belastung des Straßenverkehrs der B 12 und der B 20 durch die Großraffinerie „Marathon" Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 184 B Dr. Kempfler (CDU/CSU) 184 C Fragen des Abg. Wiefel: Erhöhung von Verkehrstarifen im Güter- und Personenverkehr und deren Folgen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 184 D Wiefel (SPD) 185 A Fragen des Abg. Wiefel: Attraktivere Gestaltung der öffentlichen Massenverkehrsmittel Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 185 B Wiefel (SPD) . . . . . . . . 185 C Seibert (SPD) 185 D Frage des Abg. Schonhofen: Fahrwegaufwendungen der Deutschen Bundesbahn Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 186 A Schonhofen (SPD) 186 B Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 186 C Frage des Abg. Schonhofen: Höhe des Regierungszuschusses an die französischen Staatsbahnen zu ihren Wegekosten Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 186 D Frage des Abg. Schonhofen: Mittelanforderung der DB im Rahmen ihrer Forderung nach „Normalisierung der Konten" Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 187 A Schonhofen (SPD) 187 C Seibert (SPD) . . . . . . . . 187 D Frage des Abg. Tönjes: Höhe der jährlich durch Straßenverkehrsunfälle entstehenden Kosten Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 187 D Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung des Haushaltsausgleichs (Haushaltssicherungsgesetz) (Drucksache V/58) — Erste Beratung — Schmücker, Bundesminister . . . . 139 C Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . . 150 C Dr. Starke (Franken) (FDP) . . . . 159 C Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) . 167 C Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 188 A Strauß (CDU/CSU) 195 B Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 210 A Schmidt (Hamburg) (SPD) 210 C Dr. Barzel (CDU/CSU) 221 C Erler (SPD) 222 C Dr. Pohle (CDU/CSU) 222 D Horten (CDU/CSU) 227 C Nächste Sitzung 228 C Anlage 229 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 30. November 1965 139 8. Sitzung Bonn, den 30. November 1965 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Aigner 30. 11. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 2. 12. Bading * 30. 11. Dr. Birrenbach 2. 12. Blachstein 30. 11. Dr. h. c. Güde 2. 12. Baron zu Guttenberg 30. 11. Hilbert 2. 12. Hörmann (Freiburg) 30. 11. Jaschke 2. ,12. Dr. Kliesing (Honnef) 30. 11. Klinker * 30. 11. Koenen (Lippstadt) 31. 12. Kriedemann 31. 12. Kubitza 2. 12. Lücker (München) * 30. 11. Marquardt 2. 12. Mauk * 30. 11. Memmel 30. 11. * Für die Teilnahme an einer Ausschußsitzung des Europäischen Parlaments Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Michels 30. 11. Dr. Müthling 30. 11. Neumann (Stelle) 30. 11. Rawe 8. 12. Richarts * 30. 11. Röhner 30. 11. Frau Schanzenbach 31. 12. Frau Schimschock 31. 12. Schmidt (Würgendorf) 2. 12. Schultz 2. 12. Schwabe 30. 11. Seuffert * 30. 11. Dr. Siemer 30. 11. Spillecke 2.12. Spitzmüller 2. 12. Wahl ** 3. 12. Dr. Wilhelmi 30. 11. Dr. Wörner 3. 12. Zerbe 2. 12. b) Urlaubsanträge Frau Berger-Heise 18. 2. 1966 ** Für die Teilnahme an einer Ausschußsitzung des Europarats
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rolf Dahlgrün


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Sehr verehrter Herr Kollege Jacobi, Sie sagen immer, ich müßte etwas zugeben. Ich denke gar nicht daran!

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Ich darf Sie aber daran erinnern, daß ich selber, als
    ich über die Situation der Finanzminister in den



    Bundesminister Dr. Dahlgrün
    Ländern gesprochen habe, gleich für die Gemeinden mit erklärt habe, sie hätten es sehr schwer, weil es bei ihnen um Schulen, Krankenhäuser, Nahverkehrswege, also um unmittelbar die Bevölkerung betreffende wichtige Investitionen gehe. Das hatte ich also bereits gesagt.
    Darf ich nun auf die Kinder zurückkommen, die eigensinnig und schlecht erzogen möglicherweise wegen der Kürzung ihrer Wunschzettel unzufrieden und unglücklich sind. Meine Damen und Herren, wir sind uns doch wohl alle darüber einig, daß diese Kinder sich damit selber die Freude verderben. Ich meine, auch wir sind auf dem besten Wege, uns Freude und Stolz auf das von uns Erreichte, auf unsere Leistungen zu verderben. Wenn ich höre, wie heutige Erfolge und Zuwachsraten kritisiert werden — „katastrophal", „vollkommen unzureichend" —, dann muß ich immer an die Zeiten denken, wo nicht Millionen Mitbürger über die Grenzen in Urlaub fahren konnten, sondern Millionen Arbeitslose mühsam von der Arbeitslosenunterstützung sich durchhungern mußten. Wir wären in den dunklen Jahren von Herzen dankbar gewesen, wenn wir auch nur einen Bruchteil der heutigen Zuwachs-und Erfolgsdaten hätten aufweisen können. Ich meine, wir sollten uns die Freude und den Stolz über das, was geleistet worden ist, nicht durch Katastrophenwarnungen und abwertende abfällige Kritik verderben lassen. Die Lage ist nicht ohne Schatten, ohne Wolken, wir müssen sehr aufpassen; aber ich glaube, wir müssen hauptsächlich auf uns selber aufpassen.
    Meine Damen und Herren, ich habe die Leistung der Opposition gewertet, indem ich ihre Anteilnahme am Bewertungsgesetz, hier zufällig in der Diskussion durch die Zwischenrufe verursacht, herausgestellt habe. Ich will mich enthalten, noch etwas zur Opposition zu sagen. Ich werde ihre Leistungen — die man von ihr als Opposition mit Fug verlangen kann — daran messen, wie sie sich bei den wichtigen Aufgaben, mit denen ich ihr kommen werde, bei der Finanzreform und bei der Reform des Haushaltsrechts, einstellen wird. Ich hoffe, daß sie ihre tätige Mitwirkung an diesen wirklich entscheidenden Aufgaben für die Zukunft nicht versagen wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Strauß.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Aussprache über eine Regierungserklärung geht es einmal darum, sich mit dem Inhalt der Regierungserklärung auseinanderzusetzen; es geht aber auch darum, den gesamten Rahmen, in dem sich unsere Politik bewegt, die wesentlichen Probleme, Faktoren, Kräfte und Veränderungstendenzen aufzuzeigen.

    (V o r s i t z: Präsident D. Dr. Gerstenmaier)

    Das Schlußkapitel der Regierungserklärung trägt die Überschrift: „Die Nachkriegszeit ist zu Ende". Sicherlich ist unser Land, der freie Teil Deutschlands, wiederaufgebaut. Die Bundesrepublik Deutschland von heute hat ein größeres Sozialprodukt als das Deutsche Reich vor dem zweiten Weltkrieg. Sie hat eine stärkere Industriekapazität, als Deutschland zu irgendeiner Zeit aufweisen konnte. In dieser Bundesrepublik Deutschland gibt es heute je 1000 Einwohner mehr Wohnungen als jemals zuvor. Die Bundesrepublik Deutschland hat auf wirtschaftlichem Gebiet alle europäischen Staaten überflügelt. Sie steht heute mit ihrer Wirtschaftskraft in der freien Welt an zweiter Stelle. Sie ist im Volumen ihres Außenhandels an der zweiten Stelle in der gesamten Welt. Masseneinkommen und Lebensverhältnisse sind besser, als sie jemals gewesen sind. Die sozialen Leistungen übertreffen in ihrem Gesamtumfange alles, was bisher in einem deutschen Staate jemals unter dieser Bezeichnung aufgewendet wurde. Sie stehen je Kopf der Bevölkerung heute an der Spitze aller Industriestaaten der Welt. Der materielle Wiederaufbau ist vollzogen, und zwar nicht nur für die einheimische Bevölkerung, sondern auch für die über 10 Millionen Vertriebene und Flüchtlinge. Sie haben nicht nur eine neue Notheimat gefunden; sie sind in die Wirtschafts- und Sozialgemeinschaft eingegliedert worden; sie haben mit ihrer geistigen und körperlichen Leistung wesentlich zu dem Gesamtergebnis beigetragen. Deshalb verdienen sie es auch nicht, dauernd als gefährliche Elemente, als Störenfriede, als Revanchisten und Revisionisten in der Weltöffentlichkeit diffamiert zu werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ohne ihr Opfer und ohne ihre Leistung wäre unsere politisch-soziale Struktur für den Kommunismus in den schwierigen Jahren des Aufbaus anfälliger gewesen.
    Ich stimme dem Herrn Bundeskanzler zu, wenn er sagt, daß die Politik eines großen Landes nicht ohne politisches Selbstbewußtsein gestaltet werden kann. Keinem Volk auf dieser Welt wird es aus Gründen innerhalb und außerhalb unseres Landes so schwer gemacht, dieses Selbstbewußtsein aufzubringen, wie gerade dem deutschen Volk.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das deutsche Volk ist zur Zeit auf dem Wege — es kann gar nicht anders —, sich dieses politische Selbstbewußtsein wieder zu erwerben. Aber — wenn ich über das Materielle und Soziale hinaus denke — die Frage ist: ist die Nachkriegszeit wirklich zu Ende?
    Die Opfer, die politische Verfolgung, Krieg und Nachkriegsschäden gefordert haben, werden wohl erst in der nächsten Generation, die aktiv und passiv an diesen Ereignissen nicht mehr unmittelbar beteiligt war, vergessen werden. Für uns ist, im großen politischen Rahmen gesehen, die Nachkriegszeit erst dann zu Ende, wenn wir wieder ein gerechtes Urteil der Welt über das deutsche Volk erlangt haben,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    wenn die Wiederherstellung der deutschen Einheit erfolgt ist und wenn dieses Deutschland im Rahmen einer europäischen Staatengemeinschaft seinen Platz bekomomenn hat, also aus dem labilen Gleichgewichtszustand, in dem es sich ohne europäische Einigung



    Strauß
    zwangsläufig befinden muß, -zu einem stabilen Gleichgewichtszustand gelangt ist. Die Bildung eines politischen Selbstbewußtseins ist nicht ausschließlich oder vornehmlich Aufgabe der Bundesregierung. Sie obliegt allen Kräften unserer pluralistischen Staats-und Gesellschaftsordnung. Trotzdem darf ich die Bundesregierung auffordern, alle ihr zu Gebote stehenden Mittel und Möglichkeiten zu verstärken, aufeinander abzustimmen und auf diesen einen Schwerpunkt auszurichten, daß die gewohnheitsmäßigen, fahrlässigen, absichtlichen und manchmal bewußt in den Dienst der Auflösung der westlichen Gemeinschaft gestellten Verzerrungen der deutschen Geschichte und des Deutschlandbildes von heute bekämpft und beseitigt werden. Es handelt sich hierbei nicht nur um kommunistische Propaganda. Es handelt sich auch um die Tatsache, im besonderen, daß die moralische Alleinschuld der deutschen Politik, über die es keine Diskussion gibt, unter der Diktatur Hitlers für den zweiten Weltkrieg nachträglich, rückwirkend abermals auf den ersten Weltkrieg und auf frühere Ereignisse zurückprojiziert wird, damit vor der ganzen Welt das Bild eines militaristischen, aggressiven, kriegslüsternen und revanchesüchtigen Deutschlands von heute glaubhaft gemacht wird.
    Der letzte Deutsche Bundestag hat mit großer Mehrheit eine Entscheidung getroffen, die ein furchtbares Problem lösen sollte, nämlich Verfolgung und Bestrafung der Nazi-Verbrechen. Er hat eine Lösung gefunden, die von dem Bemühen bestimmt war, den Erfordernissen eines Rechtsstaates wie dem außenpolitischen Ansehen der Bundesrepublik Deutschland als der Vertreterin der deutschen Nation Rechnung zu tragen. Diese Lösung darf aber nicht dazu führen, daß im Weltbewußtsein sich der Eindruck festigt, daß allein von den Deutschen und ihren Verbündeten Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen worden seien. Es würde der objektiven Wahrheit und der Gerechtigkeit dienen, vor aller Welt klarzumachen, daß während des Krieges und nach dem Kriege auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit an Deutschen und ihren damaligen Verbündeten in großer Zahl begangen worden sind.

    (Beifall bei der CSU.)

    Kein vernünftiger und anständiger Mensch kann sich weigern, die Scheußlichkeiten, die bei diesen Prozessen enthüllt werden, anders als mit Scham, Abscheu und Empörung zur Kenntnis zu nehmen. Aber es gilt, die ganze Wahrheit zu erfassen und auch das einzubeziehen, was in der Praxis des Kommunismus seit dem Jahre 1917 sich ereignet hat. Es ist deshalb auch eine heikle Aufgabe der deutschen Politik, ohne Selbstentschuldigung und ohne Versuche, die eigene Schuld zu verwischen, die Welt über die Wahrheit und nichts als die geschichtliche Wahrheit aufzuklären. Die Bundesregierung sollte sich dieser Aufgabe unterziehen. Sie sollte aber hier auch von ihren Verbündeten unterstützt werden. Das deutsche Volk darf nicht als Objekt einer Geschichtsklitterung und einseitigen Bewertung zu einer Nation mit kriminellen Instinkten degradiert und als potentiell gefährlich für seine Nachbarn und
    für den Frieden der Welt auf die Dauer diffamiert werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich bin fest überzeugt: Wenn die Bundesrepublik Deutschland, wenn wir uns zu einem anderen politischen Kurs entschlossen hätten, wenn wir den Anschluß an das östliche Macht- und Gesellschaftssystem gesucht hätten, würden die Moskauer Propaganda, die unterstellten Propagandaorgane der anderen kommunistisch beherrschten Länder und ihre bewußten und unbewußten Helfershelfer in der nicht-kommunistischen Welt nicht mit dieser Lautstärke gegen Deutschland, gegen uns, gegen den freien Teil unserer Nation zu Felde ziehen. Der amerikanische Botschafter McGhee hat vor kurzem in einer bemerkenswerten Rede die Welt aufgefordert, nach den 20 Jahren, die seit dem Ende der Hitlerherrschaft vergangen sind, ihr Urteil über Deutschland zu überprüfen und dem deutschen Volke Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Es ist kein Zufall, daß das Auschwitz-Stück von Peter Weiss „Die Ermittlung" von der Zone anläßlich seiner gleichzeitigen Aufführung auf west- und ostdeutschen Bühnen zu einer wüsten Hetze gegen die Bundesrepublik Deutschland benützt wird.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Alle Elemente dieser Propaganda, daß nämlich die Wurzeln für den Faschismus und letzten Endes für Auschwitz in der Bundesrepublik noch nicht ausgerottet seien, daß der „wahre Humanismus" in der sowjetischen Besatzungszone zu Hause sei, daß die Gefahr der Wiederholung jener Verbrechen bestehe, wobei deutlich immer auf die Bonner Politik abgezielt wird, daß die Bundesrepublik bezichtigt wird, noch „viel schlimmere" Verbrechen zu planen, daß die Mächtigen von ehedem noch heute im westdeutschen Staat an wichtigen und entscheidenden Positionen säßen, alle diese Behauptungen haben nur einen Zweck, der großen sowjetischen Strategie zu dienen, die nach wie vor darauf hinausläuft, die Bundesrepublik zu isolieren und zu neutralisieren.
    In diesem Zusammenhang darf ich auch die Bundesregierung bitten, die Angriffe, die von der sowjetrussischen Zeitung „Prawda" gegen den Bundespräsidenten unseres Staates erhoben worden sind, mit aller Entschiedenheit zurückzuweisen

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und sich dieses Doppelspiel der diplomatischen Höflichkeit einerseits und der groben — ich darf sagen: infamen — Diffamierung andererseits nicht bieten zu lassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die wahrlich nicht deutschnationaler Tendenzen verdächtigen „Salzburger Nachrichten" haben in einem Leitartikel vom 12. Oktober 1965 geschrieben — ich zitiere wörtlich —:
    Auf internationaler oder auf nationaler Bühne außerhalb der Bundesrepublik Deutschland gibt es kaum eine Veranstaltung, eine Tagung, eine Konferenz usw., auf der man nicht auf diesen freien demokratischen westdeutschen Staat mit



    Strauß
    Knüppeln losgehen oder wenigstens einige giftige Pfeile hinterrücks auf ihn abschießen würde. Geschieht dies
    — so heißt es weiter —
    in einem kommunistischen Staat vor einer rein kommunistischen Zuhörerschaft oder vor einem internationalen Forum von kommunistischen Rednern, so ist dies noch einigermaßen verständlich, dies deshalb, weil die Kommunisten Osteuropas heute in ihrem Drang nach Westen die starke Bundesrepublik mit ihren starken Streitkräften als Haupthindernis ansehen, das der Ausbreitung der Fehllehre Lenins entgegensteht. Weniger verständlich ist es
    — so heißt es dort —,
    wenn selbst westliche Staaten, die mit der Bundesrepublik verbündet sind, mit den Kommunisten nahezu gemeinsame Sache machen und Anliegen kommunistischer Staaten gegen die Bundesrepublik, die heute einer der wichtigsten Hüter der Freiheit ist, kräftig unterstützen.
    So weit die „Salzburger Nachrichten". Die Zeitung hat es höflicherweise unterlassen, auf ähnliche Erscheinungen innerhalb der Bundesrepublik hinzuweisen.
    Wenn Herr Kollege Erler gestern darauf hingewiesen hat, daß der Bundeskanzler das gute Verhältnis, die guten Beziehungen zum Geist und zu den Gewerkschaften gestört, ja zerschlagen habe, dann möchte ich nicht auf diese nach normaler Beurteilung unhaltbare Behauptung, Herr Kollege Erler, im einzelnen etwa eingehen, sondern nur eines sagen. Der Vorsitzende der größten und wichtigsten Gewerkschaft Deutschlands, der IG Metall, Herr Brenner, Ihr Parteifreund, hat bei dem nicht zufällig auf Anfang September gelegten Kongreß der IG Metall zum Beispiel gesagt,

    (Zurufe von der CDU/CSU: Sehr gut! Sehr wahr!)

    die Kräfte, die in der Bundesrepublik von Abrüstung redeten, meinten vielmehr Aufrüstung. Er meinte damit naturgemäß die Regierungskoalition, die Bundesregierung und die dahinter stehenden Parteien. Das ist ein Beitrag dazu, daß sich im Ausland ein falsches Bild der deutschen Politik bildet.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir haben uns viel zu oft über die Problematik der Aufrüstung in unserer Zeit und für unseren Staat unterhalten, als daß wir uns über dieses Thema noch weiter grundsätzlich oder in der Methode unterhalten müßten. Wir sollten uns gegenseitig zubilligen, daß wir alle — ich wiederhole das: wir alle — für eine echte, umfassende, generelle, unter Kontrolle stehende Abrüstung aller Staaten dieser Welt sind, daß wir aber auch den bescheidenen Beitrag, den wir zur gemeinsamen Sicherheit leisten, nicht unter die geheime Überschrift „Wunsch zur Aufrüstung" oder „Wunsch zum militärischen Größenwahn" stellen dürfen, wenn wir nicht unsere eigene Politik aufgeben wollen, zu der sich auch die Opposition nach langem Schweigen, nach langem Nein, Herr Kollege Schiller, aber dann doch mit einem Ja bekannt hat.
    Wenn es weiterhin heißt, das Verhältnis zum deutschen Geist sei gestört, möchte ich fragen: Wer repräsentiert eigentlich den deutschen Geist?

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der CDU/CSU: Günter Grass! — Zuruf von der SPD: Strauß! — Heiterkeit.)

    — Da sich so viele Finger auf mich richten, darf ich eines einmal sagen: Die These „Der Geist steht links" ist nichts anderes als die permanente Wiederholung einer Dummheit.

    (Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Damit Sie mich nicht falsch verstehen: der Geist, soweit sich das Wort überhaupt realiter definieren läßt, steht auch links, selbstverständlich. Aber die schlichte Simplifizierung, daß der Geist schlechthin links stehe, daß alles, was links sei — ohnehin eine dubiose Terminologie —, Geist habe

    (Heiterkeit in der Mitte)

    und daß das, was Geist habe, aber nicht links stehe, durch eine Prädikatisierungsstelle dieses Vorzugs entkleidet würde, können wir in der Form nicht mitmachen.