Rede von
Dr.
Rolf
Dahlgrün
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich die seit gestern laufende Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung überdenke, dann habe ich leider den Eindruck, daß es wenig Sinn hat, den Versuch zu unternehmen, zu überzeugen. Wir haben insbesondere gestern vorbereitete Reden gehört, mit wohlpräparierten Gags an bestimmten Stellen. Diese Reden waren vorher über die Agenturen gelaufen, so daß die Fraktion der Opposition genau wußte, an welcher Stelle gelacht oder Beifall gegeben werden mußte.
Ich habe den Eindruck, daß hier im Hause einer dem andern Verschulden vorwirft. Die Opposition lastet der Regierungskoalition und hauptsächlich der Bundesregierung Verschulden an und macht den Versuch, sich selbst reinzuwaschen. Ich will nicht auf die billigen Argumente einiger Herren der Opposition eingehen und mit dem franzötsischen Sprichwort „qui s'excuse s'accuse" antworten.
Dabei darf ich an dieser Stelle einen Gesichtspunkt in die Diskussion bringen, der bisher bei der Beurteilung der Lage noch keine Rolle gespielt hat, wie ich mich richtig zu erinnern glaube. Dais ist die Frage des Zeitpunkts der Einbringung dieser Gesetze. Ich meine damit, daß die Bundesregierung nach sorgfältiger Vorbereitung, Prüfung und Überlegung 1962, 1963 und 1964 Gesetze eingebracht, daß die sorgfältige Bearbeitung dieser Gesetze in den Ausschüssen des Hohen Hauses ihre Zeit gekostet hat und daß in der Zwischenzeit von allen möglichen Seiten neue, andere Entwürfe eingebracht wurden, die nun allerdings kumuliert die Grenze des Tragbaren überschritten haben.
Man muß also, wenn man jemandem einen Vorwurf macht, auch einmal prüfen, wann der Betreffende, der sich eine Vorstellung gemacht, der eine Anregung gegeben und einen Entwurf eingebracht hat, bei der Errechnung der Belastungen angesetzt hat.
Die Koalition bemängelt fehlende Ersatzvorschläge der Opposition. Die Opposition denkt nach den Worten von Herrn Kollegen Dr. Möller überhaupt nicht daran, Ersatzvorschläge zu bringen, weil sie glaubt, daß es überflüssig sei, der Regierungskoalition oder der Bundesregierung mit Vorschlägen zur Hand zu gehen.
Diese gegenseitigen Vorwürfe zu prüfen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, halte ich für ein ziemlich überflüssiges Beginnen. Der Bundesminister der Finanzen muß an heute und an die Zukunft denken. Trotzdem kann ich es nicht unterlassen, doch ein ganz klein wenig nachzukarten.
Ich habe vor dem Plenum und in dien Ausschüssen, was Kollege Dr. Möller erfreulicherweise hier ausdrücklich erwähnt hat, immer wieder meine warnende Stimme erhoben. Ich habe darüber hinaus den Fraktionen, nicht zuletzt auch Herrn Dr. Möller, schriftlich die Belastungen vor Augen geführt — in den Vorlagen, die ich Ihnen zugestellt habe —, die angesichts des Pensums, das sich der Bundestag vorgenommen hatte, auf uns zukommen würden.
Herr Dr. Möller, darf ich Sie in einem berichtigen. Sie haben gesagt, wenn ich die Tür im Ausschuß hinter mir zugemacht hätte, habe die Regierungskoalition gegen mich beschlossen. Herr Dr. Möller, das habe ich mir sehr genau angesehen. Das hat nicht die Regierungskoalition allein so gemacht, sondern auch die SPD hat sehr fleißig bei verschiedenen Gelegenheiten mit wechselnden Mehrheiten die einzelnen Abstimmungen durchgeführt.