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ID0500800700

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 8. Sitzung Bonn, den 30. November 1965 Inhalt: Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 139 A Abwicklung der Fragestunde 174 B Fragestunde (Drucksache V/38) Fragen des Abg. Logemann: Trinkmilch für Schulkinder Höcherl, Bundesminister . . . . . 174 C Frage des Abg. Prochazka: Preisentwicklung bei Grundnahrungsmitteln Höcherl, Bundesminister . . . . . 174 D Fragen des Abg. Schmidt (Kempten) : Arbeiterrentenversicherung Katzer, Bundesminister . 175 B, 175 C Schmidt (Kempten) (FDP) . 175 B, 175 D Frage des Abg. Fritsch (Deggendorf) : Vermeidung von Nachteilen für Bezieher von Ausgleichs- und Elternrenten nach dem BVG Katzer, Bundesminister . . . . . 176 A Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . . . 176 B Frage des Abg. Genscher: Beitragssatz für die Arbeitslosenversicherung 176 C Frage des Abg. Prochazka: Höhe der derzeitigen versicherungsrechtlichen Ansprüche der Gastarbeiter Katzer, Bundesminister 176 D Frage des Abg. Prochazka: Vorlage eines dritten Änderungsgesetzes zur Kriegsopferversorgung Katzer, Bundesminister . . . . . 176 D Fragen des Abg. Geiger: Maßnahmen auf dem ehemaligen Flugplatzgelände Malmsheim . . . . . . 177 A Frage des Abg. Felder: Dienstvorschriften der Bundeswehr für die Teilnahme an Gottesdiensten Gumbel, Staatssekretär . . . . . 177 C Frage des Abg. Fritsch (Deggendorf) : Finanzierungshilfen zum Bau von Hallenbädern Gumbel, Staatssekretär 177 C Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . . 177 D Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . . 178 A Dröscher (SPD) 178 B Dr. Müller (München) (SPD) . . . 17.8 C Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 178 D Dr. Rinderspacher (SPD) . . . . 179 A Dr. Klepsch (CDU/CSU) . . . . 179 B Dr. Huys (CDU/CSU) . . . . . 179 B Moersch (FDP) 179 C Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . 179 D Dr. Hamm (Kaiserslautern) (FDP) . 179 D II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 30. November 1965 Frage des Abg. Ollesch: Einstellung aller Flüge mit Maschinen vom Typ „Starfighter" Gumbel, Staatssekretär 180 A Ollesch (FDP) 180 B Cramer (SPD) . . . . . . . . 180 C Dr. Müller (München) (SPD) . . . 180 D Moersch (FDP) 181 A Wächter (FDP) . . . . . . . 181 C Frage des Abg. Schultz (Gau-Bischofsheim) : Schaffung einer zentralen Kantinenorganisation Gumbel, Staatssekretär 181 C Mertes (FDP) 181 D Dr. Huys (CDU/CSU) 182 A Opitz (FDP) 182 B Frage des Abg. Felder: Einbau von Abgasfiltern in Pkw und Lkw Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 182 D Felder (SPD) 183 A Dr. Hamm (Kaiserslautern) (FDP) . 183 C Frage des Abg. Lemper: Ausbau des Reststückes B 55, Ortsdurchfahrt Bergheim (Erft) Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 183 D Frage des Abg. Lemper: Einrichtung einer Haltestelle in Kaster (Bahnstrecke Düren–Neuß) Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 184 A Frage des Abg. Dr. Kempfler: Erhöhte Belastung des Straßenverkehrs der B 12 und der B 20 durch die Großraffinerie „Marathon" Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 184 B Dr. Kempfler (CDU/CSU) 184 C Fragen des Abg. Wiefel: Erhöhung von Verkehrstarifen im Güter- und Personenverkehr und deren Folgen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 184 D Wiefel (SPD) 185 A Fragen des Abg. Wiefel: Attraktivere Gestaltung der öffentlichen Massenverkehrsmittel Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 185 B Wiefel (SPD) . . . . . . . . 185 C Seibert (SPD) 185 D Frage des Abg. Schonhofen: Fahrwegaufwendungen der Deutschen Bundesbahn Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 186 A Schonhofen (SPD) 186 B Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 186 C Frage des Abg. Schonhofen: Höhe des Regierungszuschusses an die französischen Staatsbahnen zu ihren Wegekosten Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 186 D Frage des Abg. Schonhofen: Mittelanforderung der DB im Rahmen ihrer Forderung nach „Normalisierung der Konten" Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 187 A Schonhofen (SPD) 187 C Seibert (SPD) . . . . . . . . 187 D Frage des Abg. Tönjes: Höhe der jährlich durch Straßenverkehrsunfälle entstehenden Kosten Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 187 D Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung des Haushaltsausgleichs (Haushaltssicherungsgesetz) (Drucksache V/58) — Erste Beratung — Schmücker, Bundesminister . . . . 139 C Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . . 150 C Dr. Starke (Franken) (FDP) . . . . 159 C Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) . 167 C Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 188 A Strauß (CDU/CSU) 195 B Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 210 A Schmidt (Hamburg) (SPD) 210 C Dr. Barzel (CDU/CSU) 221 C Erler (SPD) 222 C Dr. Pohle (CDU/CSU) 222 D Horten (CDU/CSU) 227 C Nächste Sitzung 228 C Anlage 229 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 30. November 1965 139 8. Sitzung Bonn, den 30. November 1965 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Aigner 30. 11. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 2. 12. Bading * 30. 11. Dr. Birrenbach 2. 12. Blachstein 30. 11. Dr. h. c. Güde 2. 12. Baron zu Guttenberg 30. 11. Hilbert 2. 12. Hörmann (Freiburg) 30. 11. Jaschke 2. ,12. Dr. Kliesing (Honnef) 30. 11. Klinker * 30. 11. Koenen (Lippstadt) 31. 12. Kriedemann 31. 12. Kubitza 2. 12. Lücker (München) * 30. 11. Marquardt 2. 12. Mauk * 30. 11. Memmel 30. 11. * Für die Teilnahme an einer Ausschußsitzung des Europäischen Parlaments Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Michels 30. 11. Dr. Müthling 30. 11. Neumann (Stelle) 30. 11. Rawe 8. 12. Richarts * 30. 11. Röhner 30. 11. Frau Schanzenbach 31. 12. Frau Schimschock 31. 12. Schmidt (Würgendorf) 2. 12. Schultz 2. 12. Schwabe 30. 11. Seuffert * 30. 11. Dr. Siemer 30. 11. Spillecke 2.12. Spitzmüller 2. 12. Wahl ** 3. 12. Dr. Wilhelmi 30. 11. Dr. Wörner 3. 12. Zerbe 2. 12. b) Urlaubsanträge Frau Berger-Heise 18. 2. 1966 ** Für die Teilnahme an einer Ausschußsitzung des Europarats
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Kurt Schmücker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege Kurlbaum, diese Überlegungen, die ich weitgehend teile, berechtigen Sie doch nicht zu dem Verlangen, ein Gutachten, das nach der gesetzlichen Vorschrift nach acht Wochen vorgelegt werden muß, unverzüglich vorzulegen. Darauf kommt es doch an.

    (Beifall in der Mitte.)

    Es geht doch nicht darum, daß wir hier über eine Änderung sprechen — über die ich ja mit mir reden lasse; ich bin .sogar der Meinung, daß das Gesetz geändert werden muß; denn dieses Gutachten muß vorliegen, wenn die Haushaltsberatungen beginnen. Wir haben im vorigen Jahr keine Zeit gefunden, weder im Wirtschaftsausschuß noch hier, eine ausführliche Debatte zu führen. — Das Wort „Respekt" müßte eigentlich in diesem Augenblick fallen. - Aber es geht doch nicht an, daß Sie so tun, als ob die Bundesregierung wider ihre Pflicht handeln und mit der Veröffentlichung des Gutachtens säumig werden würde. Das ist doch einfach nicht der Fall. Ich möchte Sie bitten, es mir mit meinen Erwiderungen nicht so leicht zu machen.

    (Heiterkeit in der Mitte.)

    Lassen Sie mich nun versuchen, eine Darstellung aus meiner Sicht zu geben. Mit Recht mißt man den Erfolg der Wirtschaftspolitik an der Beschäftigungslage, am Lebensstandard und an der Stabilität des Geldes. Wir haben das Beschäftigungsproblem im positiven Gegensatz zu manchen anderen westlichen Ländern erfolgreich gemeistert. Wir können auch zufrieden sein mit der Entwicklung des Lebensstandards — nicht etwa in dem Sinne, als ob es keine Aufgaben mehr gäbe; wenn aber das Erreichte mit dem Möglichen verglichen wird, so ist der Erfolg unbestreitbar. Nicht befriedigen kann uns aber die Entwicklung des Geldwertes, also der Preise. Es hat keinen Sinn, diese Sorgen zu verniedlichen.
    Ich zögere deswegen auch ein wenig, auf die internationalen Vergleichszahlen zu verweisen, weil mir dies eventuell als ein Bagatellisierungsversuch ausgelegt werden könnte. Aber ich muß diesen Vergleich anstellen, damit wir in der Wirklichkeit bleiben und nicht illusionär diskutieren.
    Wir stehen in einer engen wirtschaftlichen Verflechtung mit unserer Umwelt und können unsere Probleme nicht isoliert sehen. Schauen wir uns also einmal die internationalen Zahlen an! Wenn wir den September 1965 mit dem Jahresdurchschnitt 1960, also mittelfristig — das ist ja Ihre Überlegung —, vergleichen, dann finden wir folgendes: An der Spitze stehen die Vereinigten Staaten mit



    Bundesminister Schmücker
    6,9; dann kommt die Bundesrepublik mit 15,8; die Schweiz folgt mit 17,8, England mit 19,6, Schweden mit 21, Frankreich mit 22,7, Holland mit 24,3, Italien mit 27,5.
    Wenn ich die aktuellen Zahlen nehme — und das sind die Zahlen, die uns beunruhigen —, so muß ich feststellen, daß wir Deutschen von dem zweiten auf den vierten Platz abgerutscht sind. Dabei kann man aber vielleicht — ich sage das bei allem Respekt vor der Statistik anderer Länder — über die Zahlen einiger Nachbarn streiten. Fest steht auf jeden Fall: besser als wir stehen nur die Vereinigten Staaten und zum Teil die Schweiz da.
    Es liegt nahe, bei diesen beiden Ländern und nicht bei den anderen nachzusehen, wie sie ,es gemacht haben. Dabei müssen wir gleich Abstriche machen. In der amerikanischen Wirtschaft mit 190 Millionen Menschen in einem Markt, mit einem Sozialprodukt von 650 Milliarden Dollar und einigen Arbeitslosen herrschen andere Verhältnisse als bei uns, ebenso in der kleineren Schweiz mit überschaubaren Größen. In einem aber, so scheint mir, sind uns die Vereinigten Staaten und auch die Schweiz überlegen: In beiden Ländern herrscht trotz oder, wie ich annehmen möchte, gerade wegen ihrer föderativen Ordnung ein höheres Maß an privater und öffentlicher Bereitschaft zur Solidarität. Ich erinnere an die Reaktion der amerikanischen Wirtschaft auf die Zahlungsbilanzbotschaft des Präsidenten. Ich bitte, auch einmal die Methode der Veröffentlichung und der Debatte des Sachverständigengutachtens in den Vereinigten Staaten zu diskutieren. Ich erwähne die Abstimmungen in den Schweizer Kantonen, bei denen angeblich unpopuläre Restriktions-
    und Stabilisierungsmaßnahmen die Zustimmung beachtlicher Mehrheiten gefunden haben.
    Ein solches solidarisches Zusammenstehen in der Wirtschaft — und unter Wirtschaft verstehe ich alle Beteiligten, also auch die Gewerkschaften — gibt es bei uns leider noch nicht. Das ist zwar bedauerlich; aber einen Vorwurf können allenfalls diejenigen erheben, die den Appellen der Bundesregierung gefolgt sind, nicht aber diejenigen, die bei jeder Gelegenheit das Gegenteil taten. Ich sehe auch mit einiger Sorge, wie das gegenseitige Absprechen der Objektivität im politischen Raum dazu führt, daß man immer mehr nach Instanzen ruft, die jenseits der parlamentarischen Kontrolle stehen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Welch ein Glück, meine Damen und Herren von der SPD, daß wir in Sachen Haushalt nicht Ihren Vorschlägen gefolgt sind! Wie müßte das Streichen dann wohl ausfallen! Was dagegen die konjunkturpolitischen Einzelmaßnahmen angeht, so habe ich niemals bestritten — und ich tue das auch heute nicht —, daß die SPD-Fraktion einige gute Vorschläge gemacht hat. Sie hat auch, was ich anerkenne, den von uns vorgeschlagenen Maßnahmen mehrfach ihre Unterstützung gegeben. Ich hoffe und ich werbe darum, daß dies auch weiterhin so sein möge. Aber, meine Damen und Herren, ich muß auch die breite Öffentlichkeit gewinnen. Die Politik der Stabilisierung kann nur Erfolg haben, wenn alle am
    Wirtschaftsleben Beteiligten — und das ist jeder von uns — mitarbeiten.

    (Beifall in der Mitte.)

    Die Mitarbeit aller kann jedoch nicht erreicht werden, wenn die Regierung versuchen würde, bedrohliche Entwicklungen zu bagatellisieren. Es ist keineswegs leicht, die Karten offen auf den Tisch zu legen; denn nur zu viele versuchen dann, die Karten zu vertauschen und den Schwarzen Peter dem jeweils anderen zu geben. Warnungen der Regierung werden immer wieder zu Vorwürfen gegen sie verfälscht. Aber, meine Damen und Herren, ich vertraue darauf, daß unsere Bürger ein klares Ohr haben und unterscheiden können.
    Die wirtschaftliche Situation des Jahres 1966 sieht so aus: Das Bruttosozialprodukt steigt real um knapp 5 %; nominal erhöht es sich jedoch um gut 8,5 % auf anähernd 450 Milliarden DM. Wir haben somit unsere Ansprüche in einer Größenordnung zwischen 15 und 20 Milliarden DM über den realen Zuwachs hinaus gesteigert. An dieser Überbeanspruchung sind alle, ausnahmslos alle beteiligt. Der Staatsverbrauch wächst 1965 um mehr als 11 %, die Ausgaben der Unternehmer für Ausrüstungsinvestitionen steigen um rund 13 %, und der private Verbrauch nimmt um rund 91/2 % zu. Die Bruttolöhne und -gehälter je Beschäftigten werden um etwa 8,5 % steigen, netto sogar um 9,5 %.
    Trotz der hohen Sparrate hat diese Steigerung ihre Wirkung nicht nur auf den Konsum. Bei einem Produktivitätszuwachs von etwa 4 1/2 % hat sie ihn auch auf die Kostenentwicklung. Die Folgen der Überbeanspruchung unserer Wirtschaft spüren wir bei den Preisen. Es hilft kein Taschenspielertrick. Diese Folgen sind die unerbittliche Konsequenz unseres gesamtwirtschaftlichen und politischen Verhaltens. Wir sehen das auch deutlich an unserer außenwirtschaftlichen Position. Die Einfuhr hat auf fast allen Gebieten sprunghaft zugenommen. Mit einer Steigerungsrate von rund 21 % geht sie über die recht günstige Exportentwicklung von 10 % weit hinaus. Unser Handelsbilanzüberschuß ist von 5 1/2 Milliarden DM in den ersten 10 Monaten des Vorjahres auf 680 Millionen DM in der gleichen Zeit 1965 zusammengeschmolzen. Zusammen mit dem steigenden Defizit in unserer Dienstleistungsbilanz und bei den Übertragungen sind wir damit in den laufenden Posten der Zahlungsbilanz in einen beträchtlichen Fehlbetrag hineingeraten. Noch können wir uns den verstärkten Rückgriff auf die Märkte des Auslandes leisten; aber eine weitere Aufblähung der Einkommen und Kosten müßten wir sehr bald mit einer Gefährdung unserer Wettbewerbsposition bezahlen. Und dies, meine Damen und Herren, ist der entscheidende Satz: Was wir heute tun, ist wesentlich; von mir aus kann es knurrend getan werden; aber wir müssen es tun. Es kommt darauf an, daß wir handeln.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir haben genug Beispiele dafür, wie schmerzlich und langwierig die Wiederherstellung des inneren und äußeren Gleichgewichts ist. Erkennen wir deshalb die untrüglichen Zeichen und handeln wir da-



    Bundesminister Schmücker
    nach. Wir müssen, so hart es im Einzelfall auch sein mag, die öffentlichen Ausgaben drastisch beschneiden. Der von der Bundesregierung für 1966 vorgeschlagene Haushalt von 69,4 Milliarden DM ist nach meiner Meinung eher zu hoch als zu niedrig angesetzt. Mit dem Haushalt 1966 muß der Bund — und damit haben alle Kritiker das Recht und die Chance, sich zu beteiligen — ein für alle gültiges Vorbild setzen. Über den Haushalt aber entscheiden Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag, und zwar alle drei Instanzen gemeinsam, ohne Teilung der Verantwortung und ohne Aufteilung in Lob und Tadel. Die Verantwortung tragen alle.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Wir dürfen den Haushalt nicht nur unter fiskalischen Gesichtspunkten sehen; aber es wäre schon gut, wenn wir das wenigstens täten. Er muß konjunkturpolitisch betrachtet werden. Dazu drei Punkte:
    Erstens. Auch ein ausgeglichener Haushalt reicht in dieser Situation noch nicht als Beitrag des Staates zur Preisstabilität aus.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Wir müssen sogar überlegen, ob wir nicht einen Teil der dann eingehenden Einnahmen stillegen sollten.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Zweitens. Neben dem Haushalt 1966 geht es auch schon um 1967 und die Vorbelastung für die weitere Zukunft. Eine mittelfristige Vorschau auf die Haushaltsentwicklung der nächsten vier bis fünf Jahre ist deshalb unumgänglich notwendig. Der Finanzminister wird sie vorlegen. Ich hoffe, daß wir alle entsprechend handeln.
    Drittens. Konjunkturgerechte Finanzpolitik erfordert den antizyklischen Einsatz aller öffentlichen Haushalte, auch der Länder, der Gemeinden und der Sozialversicherung. Erfolgreich können die Bemühungen aber nur dann sein, wenn alle aus höherer und besserer Einsicht bereit sind, sich einzureihen. Daran mangelte es bisher. Es hat gar keinen Sinn, das zu ignorieren: der Bundestag trägt dabei wie die Bundesregierung und der Bundesrat eine hohe Verantwortung.
    Da immer wieder Vorschläge über neue Kommissionen gemacht werden, möchte ich auch etwas dazu beitragen. Ich würde es begrüßen, wenn sich auch der Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages verstärkt einschalten könnte. Auf jeden Fall muß erreicht werden, daß — was 1965 wegen der Überbelastung nicht gelungen ist — die wirtschaftliche Lage und die wirtschaftspolitischen Schlußfolgerungen auf Grund des Sachverständigengutachtens gründlich diskutiert werden. Diese Beratungen müssen und werden sich — davon bin ich überzeugt — auch bei den Einzelbeschlüssen auswirken.
    Ich begrüße besonders die Vorschläge, die Herr Kollege Barzel gemacht hat. Er hat ein altbekanntes Thema aufgegriffen, und der Herr amtierende Präsident hat diesen Vorschlag auch mehrfach gemacht: Ausgaben nur im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Haushalts! Wenn wir das erreicht haben, sind wir ein gutes Stück weitergekommen.
    Zu dem Wirtschaftsausschuß möchte ich noch einmal sagen, daß das nächste Gutachten des Sachverständigenrates eine günstige Gelegenheit bietet, die wirtschaftspolitische Diskussion in diesem Hause zu forcieren, zu beflügeln und dafür zu sorgen, daß sie nicht nur draußen — ich sagte vorhin: über den Wassern —, jenseits der parlamentarischen Kontrolle stattfindet; auch wir wollen einen interessanten Teil der Debatte hier im Hause behalten, Herr Kollege Schiller.
    Einordnen aber müssen sich auch die Sozialpartner. Dieser Bereich ist unbestreitbar wesentlich für die Stabilität. Die Lohn- und die Arbeitszeitpolitik sind maßgebend für die Preisentwicklung. Ich möchte es deutlich sagen, Tarifvereinbarungen, die eine bestimmte Preissteigerung vorwegnehmen, sind nach meiner Meinung unverantwortlich und widersprechen allen Stabilitätsbemühungen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie sind ein erster Schritt zu den verderblichen Gleitklauseln, mit denen einige Länder böse Erfahrungen gemacht haben. Das gilt nicht nur für die Löhne, das gilt auch für die Arbeitszeit.
    Wir müssen die Arbeitszeitfrage außerdem im Zusammenhang mit der wachsenden Verantwortung aller Mitarbeiter im Wirtschaftsleben sehen. Je mehr die Arbeitnehmer zu Mitarbeitern mit eigener Verantwortlichkeit werden, um so weniger läßt sich ihre Arbeitszeit in eine bestimmte Stundenzahl und eine bestimmte Einteilung hineinpressen.

    (Abg. Matthöfer: Weshalb sind Sie dann gegen die Mitbestimmung!)

    — Was hat denn das damit zu tun?

    (Abg. Matthöfer: Mit der Eigenverantwortung der Arbeitnehmer!)

    - Ich habe Ihnen vorhin gesagt, daß die Eigenverantwortung des Arbeitnehmers sich nicht in bestimmte Arbeitszeiten hineinpressen läßt. Und wie können Sie außerdem die Behauptung aufstellen, ich sei gegen die Mitbestimmung? Ich habe den Gesetzen hier zugestimmt. Ich war aber damals wie heute der Meinung, daß das ein Ausgangspunkt sei und daß wir die echte Mitbestimmung erst durch Mitbesitz erreichen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich möchte diesen Gedanken nicht durch den Zwischenruf verwischen lassen und will ihn deshalb wiederholen: Je mehr die Arbeitnehmer zu Mitarbeitern in eigener Verantwortlichkeit werden, um so weniger läßt sich ihre Arbeitszeit in eine bestimmte Stundenzahl und eine bestimmte Einteilung hineinpressen. Die Situation im Mittelstand, bei den Selbständigen zeigt das doch zur Genüge. Zur Gegenseitigkeit, zur Solidarität gehört es auch, daß in der Arbeitszeit die Extreme nicht zu weit auseinandergerückt werden. Gesamtwirtschaftlich können wir uns, wenigstens auf absehbare Zeit, eine weitere Arbeitszeitverkürzung überhaupt nicht leisten. Jetzt machen Sie ruhig den Zwischenruf hinsichtlich jener Anzeige, über die ich mich genau-



    Bundesminister Schmücker
    so gewundert habe wie Sie und mit der ich mich nicht identifiziere. Der Rückgang der Zahl der Arbeitskräfte ist nicht zuletzt eine späte Last des Krieges, die wir tragen müssen. Das nimmt uns niemand ab. Die geburtenschwachen Jahrgänge zwingen uns schon jetzt, alle Reserven zu mobilisieren. Eine weitere Verkürzung der Arbeitszeit — jedenfalls in dieser Situation — würde gegen jede volkswirtschaftliche Vernunft verstoßen. Wer sie fordert, der sollte dann wenigstens in Sachen Stabilität den Mund halten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die letzten Jahre haben immer deutlicher gezeigt, daß ohne die Unterstützung der Unternehmer und der Gewerkschaften die Stabilität nicht gesichert werden kann. Unternehmer und Gewerkschaften haben einen erheblichen Spielraum für marktunabhängige preis- und lohnpolitische Entscheidungen, die dann von der Gesamtheit getragen werden müssen. Die Vorstellung, Regierung und Notenbank könnten durch die Wettbewerbs- und Konjunkturpolitik die Einordnung in die gesamtwirtschaftlichen Erfordernisse erzwingen, geht an der Realität vorbei. In unserer freiheitlichen Wirtschaftsgesellschaft kann die staatliche Wirtschaftspolitik a 11 ein ohne Gefährdung der Vollbeschäftigung und der internationalen Zusammenarbeit die Stabilität nicht mehr gewährleisten. Die Wirtschaftspolitik muß von allen Gruppen verlangen, daß sie Rücksicht nehmen auf die gesamtwirtschaftlichen Belange. Wenn das nicht gelingt, meine Damen und Herren, dann scheitert die freiheitliche Wirtschaftsordnung, und ohne politische Debatte kehren zurück der Plan und der Zwang. Und das muß verhindert werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich werde in engem Kontakt mit meinen Ressortkollegen die bisherigen gelegentlichen Zusammenkünfte mit den Repräsentanten der wichtigsten Gruppen der Wirtschaft intensivieren und zu einem ständigen Gespräch über die aktuellen wirtschaftspolitischen Fragen ausbauen. Der Herr Bundeskanzler hat zu dem ersten Gespräch bereits eingeladen. Wir wollen zu einer umfassenden und regelmäßigeren Aussprache über die Möglichkeiten der Koordinierung und der Zusammenarbeit kommen. Über die Schwierigkeiten sind wir uns durchaus im klaren. Ich möchte auch von Anfang an klarstellen, daß solche Gespräche keineswegs eine Vorstufe zu irgendeiner Art von Bundeswirtschaftsrat sind, der nach meiner Überzeugung mit unserer Ordnung nicht vereinbar ist.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Es sollen weder die Tarifautonomie noch die unternehmerische Freiheit noch der politische Entscheidungs- und Führungsanspruch von Parlament und Regierung in Frage gestellt werden.

    (Beifall in der Mitte.)

    Worum es geht, ist vielmehr, durch größere Einsicht in die wechselseitige Abhängigkeit und die gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge bei allen die Bereitschaft zur freiwilligen Einordnung zu stärken.
    Herr Kollege Schiller, das mit dem „Strammstehen" hat mir gar nicht gefallen, und darum möchte
    ich hier noch einmal sagen: das Unternehmen, das ich vorschlage und gegen das Sie ja nicht sind, hat einen starken Verbündeten, nämlich die öffentliche Meinung. Diese öffentliche Meinung muß mobilisiert werden. Ich hoffe, auch einen starken Verbündeten hier im Hause zu haben; denn das Notwendige muß so und so getan werden, und wenn es durch Zwang getan werden muß, heißt das durch Gesetze, durch Administration; und ich möchte die Verwaltung sehen, die dann entsteht, um das durchzuführen. Angesichts dieser unausweichlichen Situation sollte es, meine ich, eigentlich nicht schwer sein, die Vernunft aufzubringen, das zu tun, was notwendig ist.
    Erfolgreich können diese Bemühungen natürlich nur dann sein, wenn der Staat, Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat mit gutem Beispiel vorangehen. Wir können nicht von der Wirtschaft — und ich rechne die Gewerkschaften dazu — ein Zurückstecken ihrer Forderungen erwarten, wenn wir selbst nicht bereit sind, bei unseren Entscheidungen harte Disziplan zu üben. Das bedeutet in jedem Fall, auch denen gegenüber hart zu bleiben, die von uns Härte immer nur dann fordern, wenn sie selbst gerade nicht beteiligt sind.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Nach meiner Überzeugung sind ständige Konsultationen ein notwendiges und bedeutsames Element der freiheitlichen Wirtschaftspolitik. Die Kredit- und die Finanzpolitik müssen natürlich weiterhin ihre Steuerungsfunktion für den Wirtschaftsablauf haben.
    Eine wesentliche Unterstützung kann die Stabilität aus der Strukturpolitik gewinnen. Die Strukturpolitik soll — wenn auch nicht nur — Reserven mobilisieren. Das Wort „Strukturpolitik" ist nicht mehr ganz so verpönt wie vor einigen Jahren.

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    Aber es ist auch ganz gut, daß noch einiger Argwohn geblieben ist; denn für allzu viele ist Strukturpolitik nur ein Vorwand, unwirtschaftliche Positionen auf Staatskosten zu erhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das ist schlecht, das geht nicht. Die Strukturpolitik darf Strukturwandlungen nicht verhindern. Sie muß vielmehr die Strukturveränderungen so fördern, daß die Mobilität von Arbeit und Kapital regional und sektoral erleichtert wird, daß Strukturwandlungen sich mit einem Minimum an wirtschaftlichen und sozialen Härten vollziehen und daß keine einseitigen Strukturen entstehen.
    Arbeitskräfte und Kapital sind knapp; sie werden es auch in Zukunft sein. Darum darf das Kapital nicht dort verharren, wo seine geringere Rentabilität auch der Gesamtheit zum Nachteil wird. Es ist gefährlich für unsere Wettbewerbsfähigkeit und für unser weiteres Wirtschaftswachstum, wenn das knappe Kapital nicht dem bestmöglichen wirtschaftlichen Fortschritt dient. Unsere Wirtschaft aber muß mit dieser Frage unternehmerisch fertigwerden. Der Staat soll helfen, nicht durch Investitionskontrollen, auch nicht durch dirigistische Maßnahmen. Im Steuerrecht, im Gesellschaftsrecht und in der Kapitalmarktorganisation müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen



    Bundesminister Schmücker
    werden, daß das Kapital dort angelegt wird, wo es am dringendsten benötigt wird. Mit der Neufassung des § 6 b des Einkommensteuergesetzes und mit der Initiative für die Kapitalbeteiligungsgesellschaften ist bereits ein guter Anfang gemacht worden.
    Aber darüber hinaus kann der große Kapitalbedarf der Wirtschaft ohne die Beteiligung breiter Schichten nicht gedeckt werden. Eigentumsbildung ist daher keineswegs nur ein soziales oder soziologisches, sondern ein eminent wichtiges ökonomisches Problem. Darum habe ich in den sozialen Hilfen zur Eigentumsbildung immer nur eine Initialzündung gesehen. Auf die Dauer gelingt die Kapitalbildung unter Beteiligung breitester Schichten nur in einem wirtschaftlich gesunden Klima. Die Vermögensbildung in breiten Schichten muß für die Unternehmer wie für die Sparer in gleicher Weise attraktiv sein.
    Die Mobilität des Kapitals darf nicht vor unseren Grenzen haltmachen. Die Internationalität der Wirtschaft ist erfreulicherweise schon so weit fortgeschritten, daß sich ihr niemand mehr entziehen kann. Die Kapitalverflechtung über die Grenzen hinweg ist eine natürliche und notwendige Folge der wirtschaftlichen Integration. Daß es beim Einsatz deutschen Kapitals im Ausland und bei ausländischen Investitionen in der Bundesrepublik nicht ohne Reibungen abgeht, ist nur natürlich. Auch mir ist nicht unbekannt, daß einzelne ausländische Investoren eine Politik betreiben, die man nur mit Sorge verfolgen kann. Aber wir wissen auch, daß es sich hierbei um Ausnahmen handelt. Insgesamt können wir mit dem Einsatz ausländischen Kapitals in der deutschen Wirtschaft sehr zufrieden sein. Er beweist uns, daß die ausländischen Investoren Vertrauen in unsere wirtschaftliche Entwicklung haben. Es wäre gut, wenn deutsche Investoren sich ihrerseits stärker im Ausland engagierten. Die Bundesregierung wird alles tun, das zu unterstützen.
    Die Arbeitskräfte werden in den nächsten Jahren noch knapper, als sie es heute schon sind. Es ist Ihnen bekannt, daß, wenn wir keine Gastarbeiter hätten, wir schon einen Rückgang der Zahl der Arbeitskräfte hätten. Arbeitskräfte müssen deshalb dort tätig werden können, wo sie sich und der Allgemeinheit — das ist identisch — den größten Nutzen bringen. Die Bildungs- und Ausbildungspolitik darf den Menschen nicht an zu enge Formen binden; sie muß die Mobilität fördern, sie muß auf die Begabung und den Bedarf der Wirtschaft eingehen. Manches an guter Tradition scheint dabei aus den Fugen zu geraten, und der einzelne wird vor Probleme gestellt, die er allein nicht lösen kann. Er wird es aber leichter schaffen, wenn er sieht, daß es vielen Menschen gleich ihm ergeht und die Gemeinschaft sich um ihn kümmert. Er wird sogar bald sehr froh sein, dann nämlich, wenn er in seinem neuen Bereich merkt, daß es ihm besser geht als vorher.
    Die Wirtschafts- und Sozialpolitik kann wohl dafür sorgen, daß jeder eine Arbeit hat; aber sie kann nicht garantieren, daß jeder in dem einmal erlernten Beruf und an dem gleichen Arbeitsplatz bis zum
    Ende seines Lebens bleiben kann. Die Mobilität der Arbeitskräfte steht heute gleichberechtigt neben der Treue im Beruf. Was notwendig ist, das entscheiden jeweils die Umstände. Wenn wir uns heute fragen, ob es mehr an Beharrlichkeit oder Mobilität fehlt, so meine ich, wir müßten mobiler werden. Das muß geschehen, auch wenn das Arbeitsrecht — immer noch im Ehrgeiz, dem Beamtenrecht nachzueifern — die Mobilität eher hindert als begünstigt. Ich weiß, daß auch die Gewerkschaften von der Notwendigkeit der beruflichen Mobilität überzeugt sind. Um so erstaunlicher ist es, daß die Begleiterscheinungen der Mobilität, nämlich das Abwandern aus bestimmten Branchen und Berufen, Alarmmeldungen auslösen. Dann gibt es Protestmärsche, Aufregung ergreift die Menschen, und es wird mal wieder auf „die da in Bonn" geschimpft, wenngleich in einer solchen Situation nichts dringender notwendig ist, als Ruhe und Vernunft zu wahren. Einerseits fordert man von der Bundesregierung Maßnahmen zur Mobilitätsförderung, andererseits nennt man sie „Automationsmuffel", weil sie nicht genügend tue, um den bedrohten Arbeitsplatz des einzelnen gegen den technischen Fortschritt und gegen den Strukturwandel zu sichern. Diese widerspruchsvolle Argumentation muß vom Tisch; sie ist unsauber, sie vernebelt und hemmt den Fortschritt. Wir werden im Bundestag sehr bald Gelegenheit haben, über konkrete Maßnahmen zur Förderung der Mobilität zu sprechen.
    Die Strukturwandlungen in unserer Wirtschaft fordern auch künftig unsere ganze Aufmerksamkeit. Deshalb habe ich in meinem Hause eine eigene Unterabteilung für Strukturpolitik eingerichtet. Sie umfaßt alle hierfür relevanten Arbeitsbereiche. Es sind mutige Überlegungen notwendig, um eine ausgeglichene Wirtschafts- und Sozialstruktur zu schaffen. Für die Wirtschaft werden damit neue Wachstumsmöglichkeiten erschlossen. Vor allem in den industriell schwach entwickelten Gebieten stecken noch erhebliche Reserven. Ihre Nutzung verschafft auch der Landwirtschaft neue Absatzchancen. Ich gebe zu erwägen, die landwirtschaftlichen Regionalprogramme in die gesamtwirtschaftlichen Strukturüberlegungen besser einzubauen. Finanzreform und regionale Strukturpolitik hängen eng zusammen. Ohne eine gerechte Verteilung der Steuerquellen bleiben alle Förderungsmaßnahmen Stückwerk. Die Regionalpolitik braucht auch in der Zukunft viel Geld. Natürlich muß auch hier jede Ausgabe überlegt werden. Gesamtwirtschaftlich gibt es aber kaum lohnendere Investitionen als bei den regionalen Strukturprogrammen, und wir werden deshalb die bewährten bisherigen Programme weiter ausbauen. Das sind: die Förderung der Bundesausbauorte durch Hilfen für Industrieansiedlung, die Entwicklung der Bundesausbaugebiete durch Verbesserung der Infrastruktur und Kredithilfen für die gewerbliche Wirtschaft, die Unterstützung des Zonenrandgebietes, das besonders hart an der deutschen Teilung zu tragen hat.
    Regionale Strukturprobleme stehen nicht selten in engem Zusammenhang mit den Wandlungen in der sektoralen Struktur der Wirtschaft. Die großen Agrargebiete sind ebensosehr Beispiele wie das



    Bundesminister Schmücker
    Ruhrgebiet und manche der traditionellen Textilregionen. Es ist nicht schwierig, in der Strukturpolitik die Zustimmung zu Prinzipien zu erhalten — das ist ja meistens leicht —; sehr schwer ist es dagegen, das Ja zu Maßnahmen im Einzelfall zu bekommen. Ich möchte es hier vor dem Deutschen Bundestag einmal offen aussprechen: ich bedauere es sehr, daß der Rationalisierungsverband für die Baumwollindustrie noch immer fehlt, obwohl wir alle Anstrengungen gemacht haben und jede Unterstützung angeboten haben.
    Der Strukturwandel fordert unternehmerische Tatkraft, viel unangenehme Einsicht und langfristig orientierte politische Entscheidungen. Das gilt in besonderem Maße für die Veränderungen im Energiebereich. Sie wissen, das in diesem Frühjahr beschlossene Programm sollte 6 Millionen t Steinkohle für vier Jahre neutralisieren. Bei der Durchführung dieses Programms traten erhebliche Schwierigkeiten auf. In einem Gespräch mit Ministerpräsident Meyers habe ich sie ausräumen können. Das Energieproblem ist nicht ausschließlich national zu sehen. Es ist ein Problem Europas, und damit ist auch eine europäische Lösung notwendig. Wir können nach dem Montanvertrag einem Lieferzwang in die anderen Partnerländer unterworfen werden. Eine entsprechende Abnahmeverpflichtung unserer Partner fehlt leider. Das kann nach meiner Meinung nicht so bleiben. Ich werde mich um eine Klärung bemühen, ohne das Handeln zu Hause hinauszuzögern. Ein früheres Handeln war wegen der gespaltenen Kompetenz von Luxemburg und Brüssel nicht möglich. Die beschlossene Fusion der Behörden — auch wenn sie ohne deutsche Schuld hinausgezögert werden sollte — gibt einen echten Ansatz.
    Ich möchte hier ausdrücklich sagen, daß wir nicht gewillt sind, nur die Vorratshaltung für die anderen zu übernehmen .Wenn hier eine gemeinsame Vorratshaltung betrieben werden muß, dann müssen sich auch alle an den Kosten beteiligen, insbesondere diejenigen, die in der Not auf diese Vorratshaltung reflektieren.
    Der Unternehmensverband Ruhrbergbau hat mich in den vergangenen Wochen über die eigenen Vorstellungen des Steinkohlenbergbaus informiert. Ich werde in nächster Zeit weitere Gespräche mit den Vertretern der Mineralölindustrie, der Stahlindustrie — die ja selbst großen Kohlebesitz hat — und insbesondere auch mit der Elektrizitätswirtschaft führen. Bei dem Gesamtprogramm denke ich nicht an eine quantitative Garantie irgendwelcher Art. Jede gesamtwirtschaftlich vertretbare Energiepolitik muß den Unvermeidbarkeiten des Wirtschaftsablaufes Rechnung tragen. Die Kohleförderung muß den Absatzmöglichkeiten angepaßt werden und nicht umgekehrt. Das macht harte Anstrengungen aller Beteiligten notwendig. Die vordringlichste Sorge der Bundesregierung wird es dabei sein, sicherzustellen, daß Nachteile für die betroffenen Bergleute nicht eintreten und daß die soziale Sicherung des deutschen Bergmanns auch weiterhin gewährleistet bleibt.
    Meine Damen und Herren, darf ich nun noch einige Anmerkungen zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft machen. In den öffentlichen Diskussionen haben den Vorrang auch heute noch die politischen Gesichtspunkte. Ich sehe darin keinen Nachteil, denn das drückt den ungebrochenen Willen der europäischen Völker zu einer politischen Einigung aus. Und was ist für uns — gerade angesichts der Krise — dringender als das Festhalten an diesen europäischen Zielen! Manches der Unruhe, die heute über dieses und jenes laut wird, ist in Wahrheit politische Unruhe, es ist Sorge um die politische Zukunft Deutschlands und Europas. Im letzten Sommer sind wir deutlich daran erinnert worden, daß wirtschaftliche Einigung noch nicht ohne weiteres die politische Union bringt. Mir liegt heute daran, noch einmal die ökonomische Seite der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft herauszustellen und daran zu erinnern, daß die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft maßgeblich Anteil an der Steigerung auch un-unseres Lebensstandards hat. Ein Verzicht auf die EWG oder ihre Einschränkung würde sich nachteilig auch auf unsere Lebensverhältnisse auswirken. Manche Mängel unserer wirtschaftlichen Entwicklung, z. B. die unzureichende Preisstabilität, sind auch eine Folge davon, daß wir noch keine Wirtschaftsunion haben, also den großen elastischen Binnenmarkt in Europa noch nicht herstellen konnten.
    Der werdende Binnenmarkt hat sich allerdings sehr eindrucksvoll entwickelt: Das Bruttosozialprodukt der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ist von 1958 bis 1965 um 38 % gestiegen. Das Wachstum ist zum großen Teil durch eine Produktionssteigerung pro Kopf, also durch erhöhte Produktivität erreicht worden. Der Handel der Mitgliedstaaten untereinander ist von 1958 bis 1964 um 168 °/o gestiegen. Im Vergleich dazu hat der Welthandel, ohne den Handel innerhalb der EWG, nur um 50%
    zugenommen. Was ein ungehinderter Warenaustausch für die Konjunktur — insbesondere für die Handelsbilanzen — der einzelnen EWG-Länder bedeutet, haben wir alle schon sehr deutlich erfahren. Unser Außenhandel reagiert jetzt viel schneller und stärker auf unterschiedliche konjunkturelle Spannungen in den einzelnen Ländern. Diese hohe Elastizität hilft kurzfristig die Stabilisierung zu erleichtern. Halten die Spannungen aber länger an, so stecken wir uns gegenseitig mit der Inflation an. Brüssel muß deshalb gerade auch für die gemeinsame Konjunkturpolitik wieder aktionsfähig werden. Ebenso notwendig sind die Brüsseler Entscheidungen, um die Kennedy-Runde vorwärtszubringen. Ihr Erfolg ist wesentlich für gute und freundschaftliche Wirtschaftsbeziehungen zur übrigen freien Welt, insbesondere für die Milderung der wirtschaftlichen Aufteilung Europas, für die Überbrückung des Grabens. Für uns Deutsche sind die angestrebten Zollsenkungen außerdem gerade in unserem gegenwärtigen Bemühen um die Stabilität wichtig. Wo man auch hinsieht, wir alle werden mit unserem eigenen wirtschaftlichen Problem ohne weitere Fortschritte in der EWG nicht mehr fertig. Ich appelliere deshalb erneut und eindringlich an unsere französischen Freunde, daß die Verhandlungsrunde bald wieder vollständig sein möge. Wir müssen das begonnene Werk gemeinsam fortsetzen. Nicht nur unsere, auch die Interessen Frankreichs, die Interessen



    Bundesminister Schmücker
    aller Sechs und die Interessen aller, die mit den Sechs im freundschaftlichen Handelsverkehr verbunden sind, stehen auf dem Spiel,
    Ich darf zusammenfassen. Stabilität und weitere Aufwärtsentwicklung in einer gesunden Wirtschafts-und Sozialstruktur verlangen von uns folgendes:
    Erstens. Die Politik der sozialen Marktwirtschaft muß fortgeführt und den gewandelten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen entsprechend ausgebaut werden.
    Zweitens. Notwendig sind Weltoffenheit und unbeirrbares Festhalten an der europäischen Integration.
    Drittens. Der Bundeshaushalt muß nicht nur kurzfristig in Ordnung gebracht werden. Notwendig ist die Einfügung der Haushaltspolitik in die längerfristigen Zielsetzungen der Stabilitäts- und Wachstumspolitik.

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr gut!)

    Das erfordert, daß Bund, Länder, Gemeinden und auch die Sozialversicherungsträger mitarbeiten. Es müssen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine gemeinsame antizyklische Finanzpolitik und für mehrjährige Haushaltsplanungen geschaffen werden. Das erfordert auch den politischen Willen zur Einordnung der Einzelentscheidungen in das gesamtpolitische Interesse und in die gesamtpolitischen Möglichkeiten. Der Bund — und dies geht alle seine Organe an — muß hier mit guten Beispielen vorangehen.
    Viertens. Alle diese Bemühungen müssen durch die Entscheidungen der Sozialpartner unterstützt werden. Die Bundesregierung wird mit den Repräsentanten der großen wirtschaftlichen und sozialen Gruppen eine entsprechende Aussprache einleiten.
    Fünftens. Es ist notwendig, die Struktur- und die Wettbewerbspolitik so fortzuentwickeln, daß die für Wachstum und Stabilität erforderlichen Strukturwandlungen gefördert und erleichtert werden. Dazu gehört aber auch die Bereitschaft der Unternehmer und der Arbeitnehmer zu größerer Mobilität und zur Anpassung an die Veränderungen der Technik, des Marktes und der Wirtschafts- und Beschäftigungsstruktur.
    Meine Damen und Herren, die heutigen Aufgaben der Wirtschaftspolitik sind zwar anders, keineswegs aber leichter. Sie sind differenzierter und vielschichtiger geworden. Eine gesunde Wirtschaft ist die feste und die beste Grundlage für unsere gesamte Innen- und Außenpolitik.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die bisherige stabile wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung hat wesentlich zur Festiggung im Innern und zur Wiederherstellung unseres Ansehens draußen beigetragen. Es liegt an uns und nur an uns, an unserer Einsicht und an unserer Solidarität, diesen Weg konsequent fortzusetzen.

    (Anhaltender Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Erwin Schoettle
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Burgbacher.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Fritz Burgbacher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im „Volkswirt" Nr. 47 war folgendes zu lesen, was ich mit Erlaubnis des Präsidenten hier kurz wiedergebe:
    Polemik statt Information, das ist das trübe Fazit aus der bisherigen Preisdebatte. Und das gerade zu einem Zeitpunkt, da Information notwendig wäre, um einer Preishysterie entgegenzuwirken, die sich herauszubilden droht, je länger dieser unqualifizierte Streit anhält. Dabei liegen die Tatsachen zur Preisentwicklung auf dem Tisch, und man braucht wirklich nicht Nationalökonom zu sein, um sie zu sehen. Gewisse Schwierigkeiten mag es vielleicht dem einen oder anderen bereiten, daß nicht ein oder zwei Ursachen für die Preissteigerungen verantwortlich zu machen sind, sondern daß es ein ganzes Bündel von Einflüssen ist, die sich gegenseitig berühren, durchdringen und potenzieren.
    Das vor allem hätten Sie, Herr Kollege Professor Schiller, wissen müssen.

    (Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Wollen Sie auch den ersten Absatz verlesen?)

    — Den habe ich nicht da.

    (Aha! bei der SPD. — Abg. Wehner: Den haben Sie sich nicht besorgt! — Zurufe von der SPD: Ausschußbüro! — Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller überreicht dem Redner den Text.)

    — Bitte sehr, wenn es Ihnen Freude macht:
    Wollte man nach der Lautstärke der Auseinandersetzung über die derzeitigen Preissteigerungen urteilen, so befänden wir uns mitten in einer galoppierenden Inflation. Die Regierung ist heftigen Angriffen der Opposition und der Gewerkschaften ausgesetzt. Ihr schlechtes Gewissen äußert sich in Unsicherheit.
    Das ist das Zitat, das Sie wollten; aber das andere ist ja nicht gerade in Ihrem Sinne.
    Nun, auch ich möchte unseren Kollegen Schiller - wie das üblich ist — zu seiner Jungfernrede beglückwünschen. Ich bitte aber um Entschuldigung, wenn das beinahe das einzig Positive ist, was ich dazu sagen kann.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir haben einmal — wenn diese persönliche Bemerkung erlaubt ist — bei dem Kongreß der IG-Metall eine Diskussion über Automation gehabt. In dieser Diskussion habe ich Sie als achtenswerten und beachtenswerten Gegner kennen und schätzen gelernt, und deshalb habe ich mich tatsächlich stundenlang auf eine Erwiderung vorbereitet. Ich glaube aber, daß es gar nicht nötig gewesen ist.

    (Lachen bei der CDU/CSU.)

    Sehen Sie, man soll doch in Zusammenhängen denken und soll in die Tiefe gehen. Was aber haben Sie



    Dr. Burgbacher
    gemacht? Sie haben zum Teil handfeste Polemik geboten, und zwar unter dem Beifall Ihrer Freunde. Sie sind sehr auf der Oberfläche geplätschert, ohne den Zusammenhängen in der Tiefe nachzuspüren, und Sie haben einiges Richtige gesagt, und zwar ohne den Beifall Ihrer Freunde.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.) Warum haben Sie es nötig — —