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ID0418819200

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    Deutscher Bundestag 188. Sitzung Bonn, den 26. Mai 1965 Inhalt: Glückwunsch zum Geburtstag des Abg. Dr. Mälzig 9453 A Erweiterung der Tagesordnung 9453 B Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung des Grundstücks der ehemaligen Luftfahrtforschungsanstalt München e. V. in Ottobrunn (Drucksache IV/3475) . . . . . . . . . . . 9453 B Fragestunde (Drucksache IV/3458) Fragen der Abg. Frau Welter (Aachen) : Fehlen von Kinderstationen in Krankenhäusern Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . 9453 B, 9454 D Frau Welter (Aachen) (CDU/CSU) 9453 D, 9454 D Frau Haas (CDU/CSU) 9454 A Geiger (SPD) . . . . . 9454 B, 9455 A Dorn (FDP) 9454 C Fragen des Abg. Seibert: Beeinflussung der Fahrtüchtigkeit durch Arzneimittel — Gefährdung des Straßenverkehrs 9455 A Frage des Abg. Rademacher: Verkehrshinweise für mit Fahrzeugen einreisende Ausländer Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 9455 C Rademacher (FDP) 9456 A Fragen des Abg. Ritzel: Deutsche Schulen im Ausland — Kulturabteilung des AA Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 9456 B Ritzel (SPD) 9456 C Strohmayr (SPD) . . . . . . . 9457 B Frau Freyh (Frankfurt) (SPD) . . 9457 D Börner (SPD) 9457 D Kahn-Ackermann (SPD) 9458 A Frage der Abg. Frau Haas: Erlaß der Kfz-Steuer für Eltern körperbehinderter Kinder Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 9458 C Frau Haas (CDU/CSU) 9458 D Frage des Abg. Wagner: Steuerbefreiung für Überstunden . . . 9459 A Frage des Abg. Dröscher: Verlegung des Militär-Flugplatzes aus dem Stadtgebiet Bad Kreuznach Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 9459 A Dröscher (SPD) . . . . . . . . 9459 B Fragen des Abg. Tobaben: Deutsche Hähnchenmästerei Hüttebräuker, Staatssekretär . . . 9459 D, 9460 A II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 188. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Mai 1965 Fragen des Abg. Ramms: Ausschluß von Wehrpflichtigen aus gewissen Bundeswehreinheiten nach früherem Besuch in Ost-Berlin Gumbel, Staatssekretär 9460 C Ramms (FDP) 9460 C Dorn (FDP) 9461 A Fragen des Abg. Dr. Rutschke: Teilnahme von Angehörigen der Bundeswehr an parteipolitischen Veranstaltungen Gumbel, Staatssekretär . 9461 B, 9461 C, 9463 B Dr. Rutschke (FDP) . . 9461 C, 9461 D, 9463 B Cramer (SPD) 9462 A, 9463 C Dr. Rinderspacher (SPD) 9462 B Kreitmeyer (FDP) . . . . . . 9462 D Berkhan (SPD) 9463 A Fragen der Abg. Frau Döhring: Übernahme der Stuttgarter MoltkeKaserne durch die Bundesvermögensverwaltung Gumbel, Staatssekretär . 9463 D, 9464 B Frau Döhring (SPD) . . . . . . . 9463 D Frage des Abg. Kreitmeyer: Auszüge aus der Debatte über die Verjährung der Naziverbrechen zur Information der Truppe Gumbel, Staatssekretär 9464 B Kreitmeyer (FDP) . . . . . . 9464 C Berkhan (SPD) 9464 D Frage des Abg. Dr. Hoven: Verbot der Teilnahme von Amateurboxern als Bundeswehrsoldaten an den Europameisterschaften in Ost-Berlin Gumbel, Staatssekretär 9465 A Dr. Hoven (FDP) 9465 A Frage des Abg. Kahn-Ackermann: Führung ausländischer akademischer Grade in der Bundesrepublik . . . . 9460 B Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Drucksache IV/2524); Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 GO (Drucksache IV/3480); Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache IV/3467) — Zweite und dritte Beratung — Jahn (SPD) 9465 C Entwurf eines Gesetzes über die Tilgung von Ausgleichsforderungen (Drucksache IV/2524); Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 GO (Drucksache IV/3480); Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache IV/3414) — Zweite und dritte Beratung — . . . . . . . . . 9466 B Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG-Schlußgesetz) (Drucksache IV/1550); Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 GO (Drucksache IV/3436); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wiedergutmachung (Drucksache IV/3423) — Zweite und dritte Beratung — Hirsch (SPD) . . 9466 D, 9467 C, 9475 A Böhme (Hildesheim) (CDU/CSU) . . 9467 B, 9471 B Dr. Schmid, Vizepräsident . . . . 9467 C Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 9468 C Spitzmüller (FDP) . . . . . . 9477 D Deneke (FDP) 9478 C D. Dr. Gerstenmaier (CDU/CSU) . 9478 D Windelen (CDU/CSU) . . . . . 9479 D Nächste Sitzung 9480 Anlagen 9481 Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode — 188. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Mai 1965 9453 188. Sitzung Bonn, den 26. Mai 1965 Stenographischer Bericht Beginn: 9.04 Uhr
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    Anlage t Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Ackermann 31. 5. Dr. Adenauer . 26. 5. Adorno 26. 5. Frau Albertz 26.5. Dr. Aschoff 26. 5. Dr. Atzenroth 26. 5. Dr. Dr. h. c. Baade 26. 5. Bading * 26. 5. Dr.-Ing. Balke 26. 5. Bauer (Wasserburg) 26.5. Bäuerle 26. 5. Bazille 15. 6. Bergmann * 26. 5. Fürst von Bismarck 28. 5. Frau Blohm 26. 5. Brand 26.5. Frau Brauksiepe 26. 5. Brünen 14. 6. Burgemeister 26. 5. Busch 26. 5. Büttner 30. 5. van Delden 26. 5. Dr. Dr. h. c. Dresbach 5. 6. Eisenmann 26. 5. Frau Dr. Elsner * 26. 5. Dr. Emde 26. 5. Eschmann 26. 5. Etzel 26. 5. Faller * 26. 5. Felder 29. 5. Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) 26. 5. Gewandt 28. 5. Glombig 31. 5. Frau Griesinger 26. 5. Gscheidle 26. 5. Frhr. zu Guttenberg 15. 6. Dr. Hesberg 26. 5. Hesemann 26. 5. Hörauf 26. 5. Frau Dr. Hubert 26. 5. Hübner 26. 5. Illerhaus 26. 5. Dr. Jungmann 26. 5. Kalbitzer * 26. 5. Killat 26. 5. Frau Kleinert 15. 6. Dr. Koch 26.5. Könen (Düsseldorf) 26. 5. Koenen (Lippstadt) 26. 5. Frau Korspeter 20. 6. Dr. Kreyssig * 26. 5. Kriedemann * 26. 5. Kulawig 26. 5. Leber 20. 6. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete() beurlaubt 'bis einschließlich Lenz (Bremerhaven) 31.5. Dr. Löbe 26. 5. Dr. Lohmar 28. 6. Lücker (München) * 26. 5. Maier (Mannheim) 15. 6. Dr. Mälzig 26. 5. Dr. Martin 26. 5. Mattick 26. 5. Merten 26. 5. Metter 26. 5. Metzger * 26. 5. Michels 15. 6. Mick 26. 5. Missbach _ 26.5. Moersch 15. 6. Dr. h. c. Dr.-Ing Möller 26. 5. Dr. Müller-Hermann 26. 5. Neumann (Allensbach) 26.5. Oetzel 26. 5. Opitz 26. 5. Pöhler 26. 5. Dr. Ramminger 26. 5. Reichhardt 26. 5. Frau Renger 26. 5. Richarts 26. 5. Riedel (Frankfurt) 26.5. Seifriz 26. 5. Seuffert 26. 5. Dr. Seume 26. 5. Dr. Sinn 26. 5. Schlüter 3. 6. Schmidt (Braunschweig) 26. 5. Dr. Schneider (Saarbrücken) 26. 5. Dr. Starke 26. 5. Frau Strobel * 26. 5. Tobaben 26. 5. Wehking 26. 5. Wendelborn 26. 5. Werner 26. 5. Wieninger 26. 5. Wischnewski 26. 5. Dr. Zimmermann (München) 26. 5. Zoglmann 26. 5. Zühlke 6. 6. Anlage 2 Umdruck 660 Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD, FDP zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesentschädigungsgesetzes (2. ÄndG-BEG) (Drucksachen IV/1550, IV/3423). Der Bundestag wolle beschließen: 1. In Artikel I Nr. 1 werden in § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe f die Worte „als deutscher Staatsangehöriger" gestrichen. 2. In Artikel I Nr. 14 wird Buchstabe b (§ 30 Abs. 3) gestrichen. 9482 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 188. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Mai 1965 3. In Artikel I Nr. 38 Buchstabe b (§ 83 Abs. 2) wird die letzte Zeile „ab 1. Oktober 1964 = 785 DM" geändert in „vom 1. Oktober 1964 bis 31. Dezember 1965 = 785 DM". Außerdem wird folgende neue Zeile angefügt: „ab 1. Januar 1966 = 1000 DM". 4. In Artikel I Nr. 45 Buchstabe a (§ 95 Abs. 1) wird die letzte Zeile „ab 1. Oktober 1964 = 785 DM" geändert in „vom 1. Oktober 1964 bis 31. Dezember 1965 = 785 DM". Außerdem wird folgende neue Zeile angefügt: „ab 1. Januar 1966 = 1000 DM". 5. In Artikel I Nr. 55 wird in § 116 Abs. 1 der Halbsatz hinter den Worten „in Höhe von 10 000 Deutsche Mark" gestrichen und das Komma durch einen Punkt ersetzt. Absatz 2 wird gestrichen. 6. In Artikel I Nr. 63 wird in § 141 folgender neuer Absatz 3 a eingefügt: „ (3 a) Anspruch auf eine Soforthilfe in Höhe von 3000 Deutsche Mark hat der Verfolgte, dem die Freiheit mindestens auf die Dauer von drei Jahren entzogen worden ist und der zur Zeit der Freiheitsentziehung die deutsche Staatsangehörigkeit besessen hat. Absatz 2 findet entsprechende Anwendung. Der Anspruch besteht nicht, wenn dem Verfolgten ein Anspruch auf Soforthilfe nach Absatz 1 oder 1 b zusteht." 7. In Artikel I wird folgende neue Nummer 67 a eingefügt: ,67 a. Es wird folgender neuer § 148 a eingefügt: „§ 148 a (1) Ist eine durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen an ihrem Eigentum oder an ihrem Vermögen geschädigte juristische Person, Anstalt oder Personenvereinigung oder deren Rechts- oder Zwecknachfolger gemeinnützig im Sinne der Gemeinnützigkeitsverordnung, so kann ihr auf Antrag zur Milderung einer sich durch die §§ 142 bis 148 ergebenden Härte ein Härteausgleich gewährt werden, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. (2) Anträge auf Gewährung eines Härteausgleichs nach Absatz 1 sind bis zum 31. Dezember 1965 zu stellen. (3) Für die Gewährung des Härteausgleichs wird ein Sonderfonds in Höhe von 10 Millionen Deutsche Mark gebildet, der vom Land Baden-Württemberg verwaltet wird."' 8. In Artikel I Nr. 73 werden in § 157 a Abs. 1 letzter Satz die Worte „nach Inkrafttreten dieses Gesetzes" durch die Worte „nach dem 29. Juni 1956" ersetzt. 9. In Artikel I Nr. 82 Buchstabe c wird in § 171 Abs. 2 folgender neuer Buchstabe d angefügt: „d) zugunsten von Verfolgten, die die Voraussetzungen der §§ 150, 154 erfüllen und ihren letzten Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt in einem dem Deutschen Reich nach dem 30. September 1938 angegliederten Gebiet einschließlich des ehemaligen Protektorats Böhmen und Mähren gehabt haben, wegen eines Schadens in der Ausbildung." In Artikel V Nr. 1 wird folgender Absatz 1 a eingefügt: „(1 a) Eine Beihilfe aus dem zu errichtenden Sonderfonds erhält auch der Verfolgte, der auf die Dauer von mindestens sechs Monaten den Judenstern getragen oder unter menschenunwürdigen Bedingungen in der Illegalität gelebt hat (§ 47 BEG). Ein Anspruch auf diese Beihilfe besteht nicht, wenn der Verfolgte eine Beihilfe nach Absatz 1 erhält." 10. In Artikel V Nr. 1 Abs. 2 wird „700 Millionen Deutsche Mark" durch „1200 Millionen Deutsche Mark" ersetzt. 11. In Artikel V Nr. 1 wird folgender Absatz 6 a eingefügt: „(6 a) Die Beihilfe nach Absatz 1 a beträgt 1000 Deutsche Mark." 12. Artikel V Nr. 1 Abs. 10 wird wie folgt gefaßt: „ (10) Die Höhe des Steigerungsbetrages, der nach Absatz 8 gezahlt wird, bestimmt sich nach dem Verhältnis des nach Auszahlung der Grundbeträge gemäß den Absätzen 5 und 6 und der Beihilfen gemäß Absatz 6 a verbleibenden Fondsbetrages zu der Gesamtzahl der festgestellten Steigerungsbeträge. Dabei sind die Beträge, die durch Anrufung der Entschädigungsgerichte streitbefangen sind, angemessen zu berücksichtigen." 13. In Artikel V Nr. 2 wird der Absatz 2 wie folgt gefaßt: „ (2) Ist der Berechtigte nach Verkündung dieses Gesetzes verstorben, so steht der Anspruch auf Beihilfe nach Nummer 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 1 a seinem Ehegatten und im Falle dessen Todes den Kindern des Verfolgten zu; im Falle der Nummer 1 Abs. 2 Satz 2 steht der Anspruch auf (lie Beihilfe den Kindern des verstorbenen Verfolgten zu." 14. In Artikel VI Nr. 1 wird a) Absatz 2 a gestrichen, b) in Absatz 4 der Satz 3 gestrichen. Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 188. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Mai 1965 9483 16. In Artikel XI sind folgende Änderungen vorzunehmen: a) In Nr. 1 Zeile 1 muß zwischen den Nummern 3 a und 5 eingefügt werden „4 (§ 10 Abs. 1, 2 und 3)"; b) in Nr. 1 Zeile 2 werden die Worte „14 Buchstabe b" gestrichen; c) in Nr. 1 Zeile 4 werden die Worte „21. Buchstabe a" gestrichen; d) in Nr. 1 Zeile 8 wird „64 bis 70" durch „65 bis 70" ersetzt; e) in Nr. 1 Zeile 11 wird „87 Buchstaben b bis g" durch „87 Buchstaben b bis h" ersetzt; f) in Nr. .4 wird „Buchstabe c" durch „Buchstabe c zweiter Halbsatz" ersetzt; g) in Nr. 6 Zeile 3 werden hinter der Nr. 14 die Worte „Buchstabe ,a" gestrichen; h) in Nr. 6 Zeile 5 wird „21 Buchstaben ,a und b" durch „21 Buchstaben a, b und c erster Halbsatz" ersetzt;, i) in Nr. 6 Zeile 7 muß zwischen den Nummern 43 a und 45 die Nr. 43 b und zwischen den Nummern 54 und 58 a die Nr. 58 eingefügt werden; k) in Nr. 6 Zeile 9 muß zwischen den Nummern 64 und 71 die Nr. 67 a eingefügt werden. Bonn, den 26. Mai 1965 Dr. Barzel und Fraktion Erler und Fraktion Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion
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    Rede von Dr. Rolf Dahlgrün


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel vom 10. September 1952 wurde vor fast 13 Jahren das große Werk der Wiedergutmachung begonnen, mit dem wenigstens teilweise die materiellen Schäden ausgeglichen werden sollen, die ein schreckliches System Millionen von Menschen zugefügt hatte. Heute stehen wir am Ende des gesetzgeberischen Werkes der Wiedergutmachung. Erlauben Sie mir deshalb eine kurze Rückschau auf das, was das ganze Volk in der Bundesrepublik während dieser Jahre geleistet hat.
    Der Kern dieses Abkommens war die Zahlung einer Eingliederungshilfe in Höhe von rund 3 Milliarden DM. Wir sind davon ausgegangen, daß es diesem jungen Staate Israel nicht zugemutet werden konnte, allein die Last eines Prozesses der Eingliederung von Hunderttausenden jüdischer Menschen zu tragen, die im Zuge der NS-Gewaltherrschaft und des zweiten Weltkrieges in Israel eine Zufluchtstätte und neue Heimat gefunden hatten.
    Das deutsch-israelische Wiedergutmachungsabkommen ist inzwischen in vollem Umfange abgewickelt worden. Es hat in der westlichen Welt volle Zustimmung und Anerkennung gefunden. In den arabischen Staaten, mit denen uns immer freundschaftliche Beziehungen verbunden haben, ist der Vertrag leider nicht immer richtig gesehen worden, ebenso wie die kürzlich erfolgte Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel.
    Ich möchte deshalb auch heute noch einmal in aller Deutlichkeit erklären: Weder das Wiedergutmachungsabkommen 1952 mit Israel noch die Aufnahme normaler diplomatischer Beziehungen mit Israel richten sich in irgendeiner Weise gegen irgendeinen anderen Staat. Beide Maßnahmen dienen allein der Normalisierung der Beziehungen zwischen zwei Völkern, die durch die Hölle der Jahre 1933 bis 1945 haben gehen müssen.
    Das Wiedergutmachungsabkommen mit Israel war gekoppelt mit einem Härtefonds von 450 Mililonen DM für jüdische Verfolgte außerhalb Israels und sah die gesetzliche Regelung des Entschädigungs-
    und Rückerstattungsrechtes vor. Auch diese Verpflichtungen hat das deutsche Volk inzwischen loyal erfüllt.
    1953 wurde das Bundesergänzungsgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung erlassen, das 1956 grundlegend novelliert worden ist. Dieses Gesetz bildet das Herzstück der Wiedergutmachung und ist auch historisch ein-

    Bundesminister Dr. Dahlgrün
    malig, weil nicht nur die Verluste der eigenen deutschen Staatsangehörigen, ,sondern in erheblichem Umfange auch Schäden fremder Staatsangehöriger entschädigt worden sind. Über drei Millionen Einzelansprüche wurden nach diesem Gesetz von Menschen aus aller Welt angemeldet. Die jüdischen Verfolgten stehen im Vordergrund, weil sie die nationalsozialistische Gewaltpolitik am schwersten betroffen hat. Aber auch zahllose andere Personengruppen wurden in gleicher Weise von Staatsunrecht und Kriegsverbrechen berührt.
    Nachdem 1952 noch angenommen wurde, das Entschädigungsgesetz mit etwas zwei bis drei Milliarden DM durchführen zu können, wurden alle Schätzungen von der grausamen Wirklichkeit weit überholt. Alle angeblichen Zweckschätzungen wurden leider bestätigt, ja vielfach durch die Wirklichkeit überholt. Bis heute haben Bund und Länder, die die Entschädigungsaufwendungen anteilig je etwa zur Hälfte tragen, schon über 18 Milliarden DM für das Bundesentschädigungsgesetz ausgegeben. Noch vor kurzem haben wir angenommen, daß das Gesetz einen weiteren Aufwand von etwa 8 Milliarden DM erfordern würde, so daß ohne die jetzt dem Hohen Hause vorliegende Schlußnovelle ein Gesamtaufwand von 26 Milliarden DM entstünde. Neueste Schätzungen der Länder haben ergeben, daß auch diese Schätzzahl zu niedrig war und daß — ohne Novelle — mit etwa 28 Milliarden DM gerechnet werden muß.
    Auf dem Gebiet der Rückerstattung und der Wiedergutmachung im öffentlichen Dienst sind weitere umfangreiche gesetzliche Regelungen getroffen und erhebliche Leistungen bewirkt worden. Auf Grund der alliierten Rückstattungsgesetze und Rückerstattungsverordnungen wurden in Natur an die Geschädigten Milliardenwerte selbstverständlich zurückgegeben. Das Bundesrückerstattungsgesetz von 1957 sah aber auch Ersatzleistungen für entzogene Vermögensgegenstände in Höhe von 1,5 Milliarden DM vor. Am 24. Juni 1964, also vor knapp einem Jahr, hat das Hohe Haus ein Schlußgesetz zu diesem Gesetz beschlossen, das eine ganze Reihe von Erweiterungen und Verbesserungen beinhaltete. Mit den Mehraufwendungen dieses Gesetzes, die allein den Bund treffen, sind auf diesem Teilgebiet der Wiedergutmachung Gesamtaufwendungen von etwas mehr als 4 Milliarden DM erforderlich. Gezahlt sind davon rund 2,4 Milliarden DM.
    Zu dem Gesetz von 1951 über die Wiedergutmachung im öffentlichen Dienst mit seinen zahlreichen Änderungsgesetzen — ein Schlußgesetz steht bevor — fehlen genaue statistische Angaben. Nach unseren Schätzungen sind bereits über 2 Milliarden DM gezahlt worden.
    Auch auf dem zwischenstaatlichen Sektor ist die Wiedergutmachung in den letzten Jahren vorangetrieben worden. Die Bundesregierung hat mit 12 west- und südeuropäischen Staaten globale Wiedergutmachungsverträge für etwa 200 000 Geschädigte mit Zahlungen in Höhe von rund 1 Milliarde DM geschlossen.
    Nur die wichtigsten Gebiete der Wiedergutmachung sind genannt. Das deutsche Volk in der Bundesrepublik hat für Zwecke der Wiedergutmachung bisher rund 28 Milliarden DM aufgebracht. Ohne die heute zu erörternde Novelle müssen noch rund 12,5 Milliarden DM geleistet werden.
    Diese Zahlen zeigen in eindeutiger Weise, welche außerordentliche Priorität die Wiedergutmachung gehabt hat. Dies wird in der ganzen Welt anerkannt. Es ist ungerecht und unangebracht, die bisher an die Verfolgten gezahlte Wiedergutmachung als „klägliche Konkursquote" zu bezeichnen. Wenn man will, kann man alles schlecht machen. Auch die Bundesregierung weiß, daß die tatsächlich angerichteten Verfolgungsschäden viel höher sind als die geleistete und noch zu leistende Entschädigung. Das Erbe Hitlers war eine Katastrophe nie gekannten Ausmaßes: Das deutsche Staatswesen und seine Wirtschaft waren total zusammengebrochen. Die deutschen Lande waren auseinandergerissen. Not, Elend, Schäden — wohin man nur sah! Die Schuldenlast des Deutschen Reiches ging in astronomische Zahlen. Nur wer — absichtlich oder unabsichtlich — diese historischen Gegebenheiten außer acht läßt, kann eine Leistung von über 40 Milliarden DM als „klägliche Konkursquote" bezeichnen. Vor der heute verantwortlichen Regierung türmen sich außerdem aber auch die Verluste der Vertriebenen, der Kriegsopfer, der Bombenopfer und der Währungsgeschädigten auf. Diese 20 bis 30 Millionen durch das gleiche Unheil geschädigten Menschen werden bis zum Ablauf des Lastenausgleichs rund 100 Milliarden DM erhalten. Die Wiedergutmachtungsberechtigten — etwa 2 bis 2 1/2 Millionen Menschen — erhalten in kürzerer Zeit fast die Hälfte . dieser Summe.
    Ich ziehe diesen Vergleich nicht, um die Wiedergutmachung in ein helles Licht zu stellen, sondern allein als Beweis dafür, daß der Wiedergutmachung im Rahmen der NS- und Kriegsfolgenliquidation ein absoluter Vorrang eingeräumt worden ist.
    Nach den neuesten mir vorliegenden Zahlen hat die Liquidation der Kriegs- und NS-Folgen von 1948 bis 1965 bisher alles in allem rund 350 Milliarden DM gekostet. Das war doch nur deshalb möglich, weil andere dringende Staatsaufgaben bewußt zurückgestellt wurden. Nun vergeht kein Tag, an dem wir nicht hören müssen, wie sehr wir mit der Beseitigung unserer Kriegsschäden, mit der angemessenen Versorgung der Kriegsopfer und mit wichtigen Gemeinschaftsaufgaben wie Straßenbau, Gesundheitspflege und Förderung der Wissenschaften im Rückstand sind. Mögen die Kritiker aber auch einmal daran denken, daß wir erst einmal verpflichtet waren, das deutsche Ansehen in der Welt nach Kräften wiederherzustellen. Nur dann konnten wir damit rechnen, daß uns in unserer Not Beistand geleistet werden würde, wie es geschehen ist. Nur dann konnten wir damit rechnen, aus unserer Vereinsamung herauszukommen und wieder Freunde in der Welt zu finden, ohne die wir verloren sind.
    Was wir für Zwecke der NS-Liquidation und der Gemeinschaftsaufgaben ausgeben können, hat aber Grenzen. Auch hier gilt der primitive Satz — ich



    Bundesminister Dr. Dahlgrün
    habe ihn heute morgen von dieser Stelle schon in einem anderen Zusammenhang ausgesprochen —, daß man die Mark nur einmal ausgeben kann. Angesichts der zum Teil ernsten Situation, in der sich die Pflege der Gemeinschaftsaufgaben befindet, muß uns allen klar sein, daß wir die Ausgaben für die NS- und Kriegsfolgenliquidation, die sich ohnehin noch auf weit über 100 Milliarden DM belaufen werden, nicht noch mehr steigern können, daß diese Ausgaben auslaufen und diese Gelder für Aufgaben freiwerden müssen, die wir nicht versäumen dürfen, wenn wir die Zukunft gewinnen wollen.
    Das gilt auch — mit aller Deutlichkeit sei es gesagt — für die Wiedergutmachung. Niemand sollte vergessen, daß auch die Wiedergutmachungsberechtigten wegen der Sicherstellung ihrer berechtigten Forderungen das allergrößte Interesse daran haben müssen, daß wir fähig bleiben, solche Leistungen zu erarbeiten.
    Bei der Ihnen vorliegenden Novelle zum Bundesentschädigungsgesetz handelt es sich um die Schlußnovelle auf diesem Gebiet. Die Absicht der abschließenden Regelung lag zwar auch schon den Beschlüssen des Hohen Hauses bei der Novelle von 1956 zugrunde, durch die das Bundesentschädigungsgesetz namhaft erweitert und verbessert wurde. Bei Durchführung des Gesetzes haben sich dann aber doch Unzulänglichkeiten und Härten herausgestellt. Die Regierung entschloß sich, nochmals eine Reihe begrenzter Verbesserungen vorzunehmen, durch die solche Härten beseitigt oder wenigstens gemildert werden. Der Wiedergutmachungsausschuß hat den Regierungsentwurf noch in mancher Hinsicht erweitert, so daß nach unseren Schätzungen das finanzielle Volumen der Novelle auf etwa 4,5 Milliarden DM gekommen ist. Die Bundesregierung wird diesen Verbesserungen zustimmen, weil sie der Meinung ist, daß das neue Gesetz eine würdige Abschlußregelung sein soll.
    Ohne weitere Einzelheiten möchte ich nur das Sonderproblem der sogenannten „Post-Fifty-Three"Fälle hervorheben, an dem sich ein besonderes heftiger Meinungsstreit entzündet hat. Es handelt sich um Personen, die bekanntlich nach 1953 aus den Ländern hinter dem Eisernen Vorhang ausgewandert sind, insgesamt etwa 150 000 bis 160 000 Menschen, von denen etwa zwei Drittel jetzt in Israel leben. Diese Personen sind nach dem Bundesentschädigungsgesetz nicht anspruchsberechtigt. Auch ist die Bundesrepublik auf Grund der Verträge mit den westlichen Alliierten, dem Staate Israel und der Claims Conference zu ihrer Einbeziehung nicht verpflichtet. Aus dem Blickfeld der deutschen Wiedergutmachung ist es nun einmal ein großer Unterschied, ob ein Verfolgter unmittelbar durch deutsches Staatsunrecht im Inland betroffen wurde oder ob es sich um Menschen handelt, die im Zuge der Kriegsereignisse nach der deutschen Besetzung fremder Länder in den unheilvollen Strudel der Verfolgung hineingerissen wurden. Bei diesen Fällen handelt es sich rechtlich, nicht nur nach unserer Meinung, um ein Reparationsproblem. Die Berücksichtigung dieses Personenkreises im innerdeutschen Entschädigungsrecht stellt deshalb eine freiwillige
    und zusätzliche Wiedergutmachungsleistung der Bundesrepublik dar, für die moralische und humanitäre Erwägungen maßgebend sind. Dabei kann es sich nur um eine nach Art und Umfang beschränkte Entschädigungsregelung handeln, nicht um eine volle individuelle Einbeziehung dieses Personenkreises in das Gesetz.
    Die gleichen humanitären Erwägungen liegen auch den Globalverträgen zugrunde, die in den letzten Jahren mit zwölf europäischen Staaten abgeschlossen worden sind. Auch für den Personenkreis der „Post-Fifty-Three" kann deshalb nicht eine rechtliche Einbeziehung in die individuelle Entschädigung vorgeschlagen werden. Es blieb der Bundesregierung keine andere Wahl als die Bildung eines Sonderfonds zur Milderung sonst auftretender Härten. Einer individuellen Regelung standen also schwerwiegende rechtliche, verwaltungsmäßige und finanzielle Gründe entgegen.
    Wenn der Fonds heute auf den erheblichen Betrag von 1,2 Milliarden DM festgelegt wird, stellt die Bundesregierung in der Erwartung auf eine einhellige Billigung des Schlußgesetzes durch das Hohe Haus und in der Erwartung der Zustimmung der Verfolgten in ihren wichtigsten Organisationen grundsätzliche Bedenken wegen der Höhe zurück, um einen würdigen Abschluß zu ermöglichen. Sie ist der Auffassung, daß die Ausstattung des Fonds in dieser Höhe durchaus befriedigende Lösungen ermöglicht.
    Die gesamte Novelle wird also ein geschätztes finanzielles Volumen von annähernd 4,5 Milliarden DM haben, so daß das Bundesentschädigungsgesetz bis Ende 1974 rund 33,3 Milliarden DM kosten wird. Die Gesamtkosten der Wiedergutmachung einschließlich der Schlußnovelle sind mit annähernd 44 Milliarden DM anzusetzen. Damit beweisen wir erneut, daß die Wiedergutmachung für uns alle eine echte politische und menschliche Verpflichtung ist und daß wir bereit sind, wirkliche Opfer zu tragen. Ich bin der Letzte, der aus der Wiedergutmachung ein „Rechenexempel" machen will. Andererseits erkläre ich aber hier ganz offen, daß nunmehr wirklich die äußerste Grenze erreicht ist.
    Wir werden in den nächsten vier bis fünf Jahren beachtliche Summen für die Wiedergutmachung bereitstellen müssen, um die Schlußnovellen zum Bundesrückerstattungsgesetz und zum Bundesentschädigungsgesetz zu finanzieren. Weitere Verpflichtungen und Belastungen kann niemand auf sich nehmen, ohne dringende sonstige außen- und innenpolitische Vorhaben zu gefährden.
    Meine Damen und Herren, zum Schluß ein Wort des Dankes — des Dankes zunächst an die Mitarbeiter an diesem Gesetzgebungswerk, insbesondere an den Vorsitzenden des Wiedergutmachungsausschusses, Herrn Kollegen Hirsch. Ich weiß zu würdigen, welche Arbeit, welche Geduld und nicht zuletzt welche großen fachlichen Fähigkeiten notwendig waren, um dieses Schlußgesetz zu schaffen. Auch den übrigen Mitgliedern des Ausschusses gilt mein Dank für das Gelingen, wobei ich vor allem die Kollegen Prof. Dr. Böhm, Böhme, Hamacher, Spitz-



    Bundesminister Dr. Dahlgrün
    müller und Ziegler nennen möchte, ohne daß die anderen dadurch vergessen werden sollen. Der besondere Dank der Bundesregierung gilt auch den Vertretern der Länder, die dank ihres Fachwissens und ihrer Erfahrungen aus der Praxis bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs und bei den Beratungen im Wiedergutmachungsausschuß hervorragende Arbeit geleistet haben. Außerdem möchte ich in dieser Stunde auch all den Tausenden unbekannten Mitarbeitern in den Entschädigungsbehörden danken, die meist im verborgenen eine sehr schwere Arbeit verrichten, die ihnen nur selten Anerkennung, dafür um so öfter bittere Vorwürfe und Klagen einbringt.
    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meinen Ausführungen, bei denen das finanzielle Gewicht der Entscheidungen naturgemäß einen breiten Raum einnehmen mußte, weil wir uns dem Parlament gegenüber zu absoluter Offenheit über die Tragweite der zu fassenden Entschlüsse verpflichtet fühlen, möchte ich noch ein letzten Wort anfügen. Zwanzig Jahre sind seit dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus vergangen. Das deutsche Volk hat in einem bewundernswerten Aufstieg aus Not und tiefstem Elend, aus Haß und Verachtung heute wieder einen geachteten Platz in der Völkerfamilie. Vergessen wir niemals, daß dafür das Erkennen unserer Schuld und die Bereitschaft, diese nach Menschenkräften wiedergutzumachen, entscheidend waren. Es sind falsche Propheten und Verführer schlimmster Sorte, die dem Volke einreden wollen, die Anerkennung einer vorhandenen Schuld und die Bereitschaft zur Wiedergutmachung sei würdelos, schädige das deutsche Ansehen und gehe gegen die Ehre. Nur wer sich frei und offen zu dem bekennt, was war, handelt würdig und stolz und gewinnt Ehre, mag geschehen sein, was will. Außerdem sollten wir über Mark und Pfennig, so wichtig sie selbstverständlich sind, niemals vergessen, daß wir heute hier nur den finanziellen Schlußpunkt setzen. Die notwendige Wiedergutmachung der Herzen ist längst nicht beendet.

    (Beifall.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Zur Abstimmung wollen die Fraktionen Erklärungen abgeben; außerdem wollen einige einzelne Abgeordnete Erklärungen zur Abstimmung abgeben.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Böhme für die CDU/CSU.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Georg Böhme


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute, wenige Wochen vor Ablauf der 4. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, über die Novelle zum Bundesentschädigungsgesetz beschließen, so können wir feststellen, daß wir nunmehr, rund zwanzig Jahre nach dem Zusammenbruch des NS-Staates, auch auf diesem Sachgebiet einen würdigen Abschluß gefunden haben. Das nunmehr vorliegende Schlußgesetz zum Bundesentschädigungsgesetz hält weitgehend an .der bisherigen Grundstruktur des Gesetzes, insbesondere an dem Kreis der Anspruchsberechtigten und an den Schadenstatbeständen, fest. Eine ganze
    Anzahl von Härten wurde aber beseitigt und die Einführung zahlreicher für notwendig gehaltener sachlicher Verbesserungen vorgenommen.
    Wie Ihnen bekannt ist, hat der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer bereits in seiner Regierungserklärung vom Herbst 1961 darauf hingewiesen, daß eine Schlußgesetzgdbung auf dem Gebiete der Wiedergutmachung in Aussicht genommen sei, die im wesentlichen technischen Charakter tragen und besonders die graben Unbilligkeiten beseitigen sollte. Der Umfang der Mehrleistungen ist damals auf rund 1 Milliarde geschätzt worden. Als dann die Novelle vorgelegt wurde, ging die Regierungsvorlage bereits von Aufwendungen von rund 3 Milliarden DM aus. Über diese Vorlage ist der federführende Ausschuß noch weiter hinausgegangen, und durch den interfraktionellen Änderungsantrag von heute morgen haben wir uns, glaube ich, bemüht, auch die letzten Dinge hier klarzuziehen.
    Bevor ich jedoch auf das Gesetz im einzelnen eingehe, .gestatten Sie mir angesichts der Bedeutung der uns vorliegenden Materie, ganz kurz noch einen Rückblick auf die letzten Jahrzehnte zu werfen und einen Überiblick über die Situation zu geben. Als das „Tausendjährige Reich" nach zwölf Jahren im. Jahre 1945 in einer politischen, militärischen, wirtschaftlichen und finanziellen Katastrophe ohnegleichen zusammenbrach, wie sie in der Geschichte der Neuzeit unbekannt war, war die erste und wichtigste Aufgabe, die Gleichheit aller vor dem Gesetz wiederherzustellen. Das war der erste Schritt zu einem Rechtsstaat. Doch von einer deutschen rechtsstaatlichen Ordnung war man 1945 noch weit entfernt. Aber allen Einsichtigen war damals klar, daß nach Beseitigung der vom NS-Regime hinterlassenen Trümmer ein neuer Staat als freiheitlicher Rechtsstaat nur dann errichtet werden konnte, wenn vor Schaffung neuen Rechts das getretene und zerschundene Rechtsbewußtsein der Bürger wiederhergestellt würde. Es mußte deshalb zunächst mit der Beseitigung des früher geschehenen Unrechts begonnen werden. Dafür wurde dem deutschen Sprachschatz das neu geprägte Wort „Wiedergutmachung" beigefügt, das dann in die Gesetzessprache eingegangen ist.
    Der Begriff der Wiedergutmachung ist als unausweichliche Konsequenz des neuen Rechtsstaates nicht erst im Nachkriegsdeutschland entstanden; er ist auch keine Schöpfung neuzeitlichen Rechtsdenkens. Eine Wiedergutmachung hat es zu allen Zeiten und unter allen Rechtssystemen gegeben. Sie ist nichts anderes als die Anwendung allgemeiner Rechtsnormen auf einen durch Unrechtsmaßnahmen verletzten Rechtszustand. Eine solche Wiedergutmachung finden wir daher in allen Jahrhunderten der Menschheitsgeschichte. Im Verhältnis der Einzelpersonen zueinander kann keine moderne Rechtsordnung ohne den Grundsatz der Wiedergutmachung angerichteten Schadens auskommen.
    Der Begriff der Wiedergutmachung im heutigen Sinne ist außer im Grundgesetz in keiner der bisherigen deutschen Verfassungen enthalten. Man war sich, als man diese Verfassungen damals verabschiedete, wohl darüber im klaren, daß einzelne Ver-



    Böhme (Hildesheim)

    fassungsbestimmungen in der Praxis durch weite oder enge Auslegung in einem gewissen Rahmen veränderlich seien. Niemand rechnete jedoch damit, die Verfassung könne irgendwann mit Vorbedacht und systematisch, wie es im Dritten Reich geschehen ist, ,gebrochen werden.
    Im deutschen Recht finden wir den Grundsatz der Entschädigung in den Vorschriften des allgemeinen bürgerlichen Rechts über die Haftung für Schäden, die durch unerlaubte Handlungen entstanden sind, oder in den Bestimmungen über die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften, die gegen die guten Sitten verstoßen, und in denen über die Staatshaftung für fehlerhafte Handlungen der Beamten. Auch in Einzelgesetzen sind die gleichen Grundsätze verwirklicht.
    Obwohl es nicht zweifelhaft war, daß schon nach diesen Gesetzen den von Verfolgungsmaßnahmen Betroffenen Rechtsansprüche zustehen, konnte der einzelne nicht auf diese Vorschriften verwiesen werden. In der Mehrzahl aller Fälle wäre die Durchsetzung des Anspruchs entweder an der Unkenntnis über die Person des Schädigers, seiner Unauffindbarkeit, der Vernichtung von Urkunden, der Verschollenheit von Zeugen und der Unmöglichkeit gescheitert, die sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen zu erfüllen. Auch in den Fällen, in denen der NS-Staat unmittelbar eingegriffen hat und für die Handlungen verantwortlich zu machen ist, wäre es nicht möglich gewesen, die Ansprüche zu verwirklichen, da ein Rechtsnachfolger des früheren Deutschen Reiches und der nationalsozialistischen Organisationen nicht bestand. Erst nach Erlaß des Grundgesetzes vom Mai 1949 ergab sich hinsichtlich der Frage; wer die Haftung für die an das Deutsche Reich, das Land Preußen, die NSDAP und ihre Gliederungen und Verbände gestellten Ansprüche zu übernehmen hatte, aus Art. 134 Abs. 4 und Art. 135 Abs. 5 des Grundgesetzes die Verpflichtung des Bundes, diese Rechtsverhältnisse zu regeln. Dabei machten jedoch die Schwierigkeiten der Betroffenen, Beweise für ihre Ansprüche zu erbringen, sowie die finanziellen Möglichkeiten des Bundes und der Länder den Erlaß von Sondergesetzen sowie die Errichtung von Behörden zu ihrer Durchführung notwendig.
    Außer den für eine Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in Betracht kommenden Personen und Gruppen hatten auch andere, zahlenmäßig weit größere Bevölkerungsgruppen durch den Krieg und den Zusammenbruchschwere Schäden erlitten. Es oblag dem Bund, die hieraus geltend gemachten Ansprüche nach den Bestimmungen des Grundgesetzes zu regeln. Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß zwischen der Abgeltung der durch Krieg und Zusammenbruch entstandenen Schäden und der Erfüllung von Ansprüchen der durch die NS-Maßnahmen Betroffenen ein wesentlicher Unterschied besteht. Die durch den Krieg und den Zusammenbruch entstandenen Schäden sind die Folgen der von uns allen zu tragenden Niederlage. Die Schäden der durch die nationalsozialistischen Maßnahmen Betroffenen beruhen dagegen auf Unrecht, das der NS-Staat seinen eigenen Staatsangehörigen zugefügt hat.
    Die deutsche Wiedergutmachung beruht .auf der Erwägung, daß es die moralische Pflicht der Bundesrepublik Deutschland ist, tim Rahmen ides finanziell Möglichen die Schäden auszugleichen, die den Verfolgten .durch das nationalsozialistische Gewaltregime aus Gründen der Rasse, des Glaubens, der Weltanschauung oder der politischen Gegnerschaft zugefügt worden sind.
    Die Bundesrepublik Deutschland nimmt für sich in Anspruch, Rechtsnachfolgerin des ehemaligen Deutschen Reichs zu sein. Aus dieser völkerrechtlichen Identität von Bundesrepublik und Deutschem Reich kann aber nicht geschlossen werden, daß die Bundesrepublik als Rechtsnachfolgerin auch rechtlich für alle vom Reich verursachten Schäden haftet. Dies haben Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung bestätigt. Es war daher Aufgabe des Gesetzgebers der Bundesrepublik, auf den einzelnen Rechtsgebieten jeweils über die Gewährung von Leistungen zu Lasten des Staates zu entscheiden.
    Wir sind uns auch klar darüber — das hat der Herr Bundesfinanzminister soeben bereits .eindringlich betont —, daß die Ansprüche der Verfolgten der NS-Gewaltherrschaft — das kann doch zumindest im Endergebnis nicht mehr ernstlich in Frage gestellt werden — unter der Gesamtschau der Regelung eines Staatsbankrotts einmaligen Ausmaßes gesehen werden müssen, den der Zusammenbruch des Reiches der neuerstandenen Bundesrepublik als bitteres Erbe hinterlassen hat. Wie groß das Ausmaß des Verbrechens war und 'ist, kann wohl nur derjenige ermessen, der täglich im Ausschuß mit diesen Dingen konfrontiert wird.
    Daß Art. 134 Abs. 4 des Grundgesetzes dem Bundesgesetzgeber zur Abwicklung dieses Bankrotts weitgespannte Regelungsbefugnisse eingeräumt hat, ja, einräumen mußte, hat das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen eindrucksvoll herausgestellt. Bundesregierung und CDU/CSU haben sich immer wieder nachdrücklich dazu bekannt, daß den durch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft verursachten Schäden in der Rangordnung der gesamten Schadenstatbestände schon aus der besonderen Natur dieser Schäden heraus eine besondere Stellung gebührt. Das ändert aber nichts daran, daß die Größe gerade auch dieser Schäden zwangsläufige, wenn auch für die Betroffenen vielfach schmerzliche Grenzen setzen muß.
    Auf die vertraglichen Grundlagen der gesetzlichen Regelung brauche ich in diesem Zusammenhang nicht einzugehen. Der Bundesfinanzminister hat bereits darauf hingewiesen. Ich muß aber darauf hinweisen, daß wir nur in der Lage waren, eine nach Art und Umfang beschränkte Wiedergutmachung vorzunehmen, weil eine volle Wiedergutmachung all der angerichteten Schäden die finanzielle Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik um ein Vielfaches übersteigen würde. Daß es trotzdem möglich war, auch für die Wiedergutmachung ständig höhere Leistungen zu erbringen, als ursprünglich in Ansatz gebracht war, zeugt meines Erachtens mit für den guten Willen aller Beteiligten in der Bundesrepublik,



    Böhme (Hildesheim)

    auf dem Gebiet der Liquidation der Schäden des NS-Regimes keine engherzigen und fiskalischen Erwägungen gelten zu lassen.
    Wir betrachten, wie auch Bundeskanzler Professor Erhard in seiner Regierungserklärung betonte, die Wiedergutmachung als eine bindende Verpflichtung. Ich glaube im übrigen, wir haben in den letzten Jahrzehnten auch danach gehandelt. Wir waren uns von vornherein darüber im klaren, daß die Wiedergutmachung im Grunde eine Rechtspflicht war, die zwar aus den verschiedensten Gründen erst formell durch Gesetze noch besonders geregelt werden mußte, aber nicht erst durch diese Gesetze geschaffen worden ist. Was wir damit meinen, hat der damalige Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer im September 1951 in seiner Erklärung vor diesem Hohen Hause umrissen.
    Gestatten Sie mir, ganz kurz auf wesentliche Verbesserungen einzugehen, die die Ihnen vorliegende Schlußnovelle bringt. Wie ich bereits betonte, hält die Novelle an der bisherigen Grundstruktur des Gesetzes fest. Wir waren uns zwar im Ausschuß darüber im klaren, daß es an sich wünschenswert gewesen wäre, das gesamte Entschädigungsrecht für die Opfer der NS-Verfolgung neu zu gestalten. Aber nunmehr, rund 20 Jahre nach Kriegsende, ist es dafür zu spät. Durch diese Novelle ist die Beseitigung konkreter Härten und die Einführung zahlreicher weitgehender Verbesserungen und insbesondere zahlreicher sachlicher Verbesserungen erfolgt. Ich brauche nicht auf all die Dinge einzugehen, die hier im einzelnen vorgesehen sind.
    Ich möchte aber darauf hinweisen, daß nunmehr durch einen besonderen Artikel des Änderungsgesetzes auch die Möglichkeit gegeben ist, bisher rechtskräftig entschiedene Fälle an. die neue Rechtsprechung oder die neue Verwaltungspraxis anzugleichen. Das gilt in erster Linie für die Fälle, in denen nach bisheriger medizinischer Auffassung ein Rentenanspruch wegen Gesundheitsschadens abgelehnt worden ist, während die heutige medizinische Begutachtung zu einer positiven Entscheidung führen würde. Das gleiche gilt auch für die Frage der deutschen Veranlassung bei Lebens- und Gesundheitsschäden, die während einer Freiheitsentziehung durch einen ausländischen Staat verursacht wurden.
    Ich möchte weiterhin den Sonderfonds erwähnen, der für die Verfolgten geschaffen wurde, die keinen Anspruch nach dem BEG haben, weil sie die Wohnsitz- und Stichtagsvoraussetzungen nicht erfüllen und auch nicht zu einem Personenkreis gehören, zu dessen Gunsten globale Wiedergutmachungsabkommen abgeschlossen sind, die Gruppe der sogenannten Post-Fifty-Three. Der vorgeschlagene Fondsbetrag wurde nunmehr durch die interfraktionelle Vereinbarung auf 1,2 Milliarden DM erhöht. Unter diese Fondsregelung fallen besonderes diejenigen jüdischen Emigranten aus Polen, Ungarn und Rumänien, die diese Staaten erst nach dem 1. Oktober 1953 verlassen haben. Aus diesem Fonds werden in Form von Grundbeträgen und Steigerungsbeträgen Beihilfen an die Witwen getöteter Verfolgter sowie an solche Verfolgte gezahlt, denen die Freiheit auf die Dauer von mindestens sechs Monaten entzogen worden ist oder die in ihrer Erwerbsfähigkeit um mindestens 80 v. H. gemindert sind. Durch diesen interfraktionellen Änderungsantrag sind nun auch noch die Verfolgten, immerhin eine große Gruppe von rund 90 000 Betroffenen, die auf die Dauer von sechs Monaten den Judenstern getragen haben oder unter menschenunwürdigen Bedingungen in der Illegalität gelebt haben, wenigstens bescheiden mit in die Entschädigungsregelung einbezogen worden. Wir waren uns im klaren darüber, daß aus finanziellen wie aber auch verwaltungstechnischen Gründen nicht von der vorgeschlagenen Fondsregelung abgewichen werden kann. Insbesondere haben wir es im Ausschuß für zweckmäßig gehalten, auch gleich die konkrete Fondsregelung mit in das Gesetz einzubauen und diese nicht einer künftigen Rechtsverordnung der Regierung vorzubehalten.
    Es war jedoch nicht möglich, den oben angeführten Personenkreis in vollem Umfang, wie es in der letzten Zeit doch verstärkt gefordert wurde, in diese Entschädigungsregelung des Gesetzes einzubeziehen. Der Hinweis, daß auch im Rehmen des Lastenausgleichs die bisherige Stichtagsregelung durch die Verschiebung des Stichtages auf den 31. Dezember 1961 geändert worden sei, geht fehl. Durch das 16. Änderungsgesetz zum LAG vom 23. Mai 1963 wurde nur für einen ganz konkreten Tatbestand eine Stichtagsänderung vorgenommen. Es wurden nämlich diejenigen Personen einem anerkannten Sowjetzonenflüchtling gleichgestellt, die aus der Sowjetisch besetzten Zone oder aus dem Ostsektor von Berlin im Wege der Notaufnahme oder eines vergleichbaren Verfahrens zugezogen sind und am 31. Dezember 1961 ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet oder Westberlin gehabt haben. Diese Regelung haben wir in. vollem Umfange auch für die aus der sowjetisch besetzten Zone oder aus dem sowjetisch besetzten Sektor von Berlin zugezogenen Verfolgten übernommen. Ich darf insoweit auf die Neufassung des § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe f des Änderungsgesetzes verweisen. Bei dem Stichtag des 1. Oktober 1953 in § 160 BEG handelt es sich jedoch demgegenüber um eine ganz andere Regelung. Er hat weder etwas mit der Teilung Deutschlands und demnach mit der Übersiedlung von deutschen Verfolgten aus dem östlichen Teil unseres Vaterlandes in die Bundesrepublik zu tun, noch ist er überhaupt ein Wohnsitz- oder ein Anwesenheitsstichtag, sondern er ist vielmehr ein Status-Stichtag. Ebensowenig wie man aus der Stichtagsneuregelung des 16. Änderungsgesetzes zum LAG den Schluß ziehen kann, daß nunmehr auch alle anderen Stichtage im Rahmen der gesamten Kriegsfolgenschlußgesetzgebung geändert werden müßten, kann man aus einer Erweiterung der Stichtagsregelung zugunsten deis Personenkreises der aus der sowjetisch besetzten Zone zugewanderten Verfolgten die Notwendigkeit herleiten, nunmehr auch alle Verfolgten aus den kommunistisch regierten Ländern des Ostblocks in die Entschädigungsgesetzgebung einzubeziehen, wenn sie ihren Heimatstaat erst nach Inkrafttreten des BEG verlassen haben. Dies gilt um so mehr, als dieser Stichtag einen der wesentlichen Grundsätze der Wieder-



    Böhme (Hildesheim)

    gutmachungsvereinbarungen aus dem Jahre 1952 beinhaltet. Als man seinerzeit die Verpflichtung in § 160 übernahm, war man der Auffassung, daß es sich nur um einen ganz kleinen Kreis handelte. An Stelle der ursprünglich angenommenen 100 biss 200 Milionen DM sind bisher allein an diesen Verfolgtenkreis rund 6 Milliarden DM gezahlt worden.
    Um der Novelle zum BEG den Charakter eines echten Schlußgesetzes zu geben, ist in einem besonderen Artikel des Änderungsgesetzes bestimmt, daß ab 1. Januar 1970 keine entschädigungsrechtlichen Ansprüche mehr geltend gemacht werden können. Das gilt jedoch nicht für Heilverfahren und für Ansprüche auf Versorgung der Hinterbliebenen.
    Auf die eindrucksvollen Leistungen und insbesondere das Zahlenmaterial hat der Herr Bundesfinanzminister heute bereits hingewiesen. Ich glaube, mit der Gesamtsumme von rund 45 Milliarden DM können wir uns durchaus sehen lassen. Es sind doch recht beachtliche Zahlen. Im übrigen glaube ich sagen zu dürfen, daß diese hohen Wiedergutmachungsleistungen, die wir in der Vergangenheit erbracht haben und in der Zukunft noch erbringen werden, nur möglich waren, weil eine gute Außen- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung auch hier die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen hat.
    Wir haben jedoch seit Jahren immer wieder feststellen müssen, daß man versucht, diese Leistungen der Bundesrepublik herabzusetzen und zu verkleinern. Trotz unseres redlichen Bemühens, unter sorgfältiger Beachtung der anderen Aufgaben und Verbindlichkeiten des Staates der Wiedergutmachung die Priorität einzuräumen und bis an die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit zu gehen — wir haben dies heute wieder bewiesen —, werden wir wahrscheinlich nicht alle an uns gerichteten Wünsche erfüllen können. Wir werden daher auch heute wieder darauf hinweisen müssen, daß nur die Bundesrepublik Deutschland als einzige politische Gewalt auf dem Gebiet des früheren Reichs die Übernahme der Haftung für die Schuld übernommen hat, die millionenfach angehäuft ist.
    Die Welt hat sich so sehr daran gewöhnt, daß diese Bundesrepublik überall bemüht ist, die Schäden des Unrechts auszugleichen, daß man darüber hinwegsieht, daß der sowjetisch besetzte Teil Deutschlands, der sich überall mit Lautstärke als Nachfolgestaat des Deutschen Reiches ausgibt, sich überhaupt nicht an der Erfüllung dieser Verpflichtung der Vergangenheit beteiligt. Man hat zwar erst in diesen Tagen eine Verordnung über die Ehrenpensionen für die Kämpfer gegen den Faschismus und für Verfolgte des Faschismus erlassen. Diese Leistungen werden aber — das ist uns allen bekannt — nur gewährt, wenn der Verfolgte dort drüben sein gesellschaftspolitisches Soll erfüllt. Nach § 2 dieser Verordnung des sowjetzonalen Ministerrates können die Funktionäre der Bezirksverwaltungen den Anspruch versagen, wenn z. B. Hinterbliebene gröblichst gegen die Moral und die Gesetze der sozialistischen Gesellschaft verstoßen haben. Den Zehntausenden besonders von rassisch Verfolgten, die auf dem Gebiete der heutigen sogenannten DDR früher geschädigt worden sind, versagt man jeden Anspruch. Diese Last hat die Bundesrepublik mit auf ihre Schultern genommen. Zur Zeit versucht man sogar, uns mit unseren Wiedergutmachungsleistungen im Nahen Osten noch anzuschwärzen und zu diffamieren.
    Wen man heute unsere Wiedergutmachung teilweise kritisiert, sollte man einmal daran denken, wie viele Millionen von Ansprüchen vorbildlich erfüllt worden sind. Ich selber habe im Laufe der letzten Jahre Gelegenheit gehabt, mich im Ausland mit den Betroffenen zu unterhalten und festzustellen, daß sie glauben, sie haben hier ihr Recht gefunden. Ich meine, das vorliegende Gesetz wird mit dazu beitragen, auch die noch anstehenden Verfahren gut und vorbildlich abzuwickeln. Selbstverständlich ergibt sich immer wieder, daß in einigen Fällen nicht die erwarteten Leistungen erbracht werden können. Aber dann sollte man doch einmal sachlich prüfen, ehe man unberechtigt Kritik übt, ob in diesem Fall die vom Gesetzgeber gesetzten Voraussetzungen überhaupt erfüllt sind.
    Ich möchte diese Gelegenheit dazu benutzen, von dieser Stelle aus im Namen unserer Fraktion den Tausenden von Beamten und Angestellten, Richtern und Ärzten in Bund und Ländern dafür zu danken, daß sie seit Jahren durch ihre Mitarbeit zu einer guten und schnellen Durchführung der Wiedergutmachungbeitragen. Sehr oft wird auch in den betreffenden Behörden die Arbeit dieser Bediensteten nicht entsprechend geachtet, weil sie nun einmal nicht den Tätigkeitsmerkmalen einer klassischen Verwaltung entspricht.
    Meine Damen und Herren, ich habe mich bemüht, Ihnen vor der letzten Abstimmung über dieses Gesetz einen Überblick über unsere Haltung zur Wiedergutmachung zu geben, und bin der Meinung, daß dieses Bundesentschädigungsgesetz, welches nun nach dem Bundesrückerstattungsgesetz als zweites der Schlußgesetze heute verabschiedet wird, in Form und Inhalt einen würdigen Schlußpunkt unter unser Bemühen um die Abtragung der wohl schwersten Last aus der Hinterlassenschaft des Nationalsozialismus setzt. CDU und CSU in diesem Hause stimmen daher dem Gesetz zu.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)