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    Deutscher Bundestag 170. Sitzung Bonn, den 10. März 1965 Inhalt: Nachruf auf den Präsidenten der Bundesre- publik Osterreich Dr. Adolf Schärf . . 8503 A Erweiterung der Tagesordnung 8504 A Glückwunsch zum Geburtstag des Abg Busch 8516 B Fragestunde (Drucksachen IV/3152, IV/3160) Frage des Abg. Dr. Kohut: Entscheidungen der Bundesregierung ohne Anhörung des Parlaments . . . 8504 B Frage des Abg. Fritsch: Förderungswürdiges Gebiet Dr. Langer, Staatssekretär . . . 8504 C Fritsch (SPD) 8504 C Dr. Dittrich (CDU/CSU) 8504 C Frage des Abg. Fritsch: Ausländisches Zellstoffwerk im bayerischen Grenzland Dr. Langer, Staatssekretär . . . 8504 D Fritsch (SPD) 8505 B Dr. Dittrich (CDU/CSU) 8505 C Frage des Abg. Regling: Befreiung von Altenheimen usw. von Ton- und Fernsehrundfunkgebühren Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . . 8505 C Regling (SPD) ... . . . . . . . 8505 D Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Inbetriebnahme von Fernsehfrequenzumsetzern Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . 8506 A Dröscher (SPD) 8506 A Frage des Abg. Schmidt (Kempten) : Hilfe für junge Familien Dr. Heck, Bundesminister . . . . 8506 C Frage des Abg. Kahn-Ackermann: Ferienverschickungsaktion Dr. Schröder, Bundesminister . . . 8506 C Kahn-Ackermann (SPD) . . . . . 8507 A Frage des Abg. Kahn-Ackermann: Lehrer an deutschen Schulen in Argentinien Dr. Schröder, Bundesminister . . . 8507 B Kahn-Ackermann (SPD) 8507 C Frage des Abg. Dr. Mommer: Begrüßung Ulbrichts durch Schiffe der Bundesrepublik im Hafen von Alexandria Dr. Schröder, Bundesminister . . . 8507 D Dr. Mommer (SPD) 8507 D II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. März 1965 Frage des Abg. Dr. Kohut: Hallstein-Doktrin Dr. Schröder, Bundesminister . . . 8508 A Dr. Kohut (FDP) 8508 B Vogt (CDU/CSU) 8508 C Frage des Abg. Dr. Kohut: Anspruch der Bundesregierung auf Alleinvertretung des deutschen Volkes Dr. Schröder, Bundesminister . . . 8508 D Dr. Kohut (FDP) 8509 A Frage des Abg. Unertl: Eigene Fahrpraxis von Richtern in Verkehrsstrafsachen Dr. Bucher, Bundesminister . . . 8509 B Unertl (CDU/CSU) 8509 C Frage des Abg. Kaffka: Feststellungsgesetz Dr. Bucher, Bundesminister . . . . 8509 D Kaffka (SPD) . . . . . . . . . 8510 A Frage des Abg. Dr. Wahl: Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten Dr. Bucher, Bundesminister . . . . 8510 A Fragen des Abg. Langebeck: Gefährdung des Waldbestandes und des Wasserhaushalts im Gebiet um Schweinfurt Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 8510 B Langebeck (SPD) . . . . . . . 8510 C Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Wahlmöglichkeit von steuerpflichtigen Vertriebenen bei der Wiederbeschaffung von Hausrat Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 8511 A Frage des Abg. Schultz: Prämienberechtigte Bausparverträge Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 8511 B Schultz (FDP) 8511 D Dröscher (SPD) . . . . . . . 8512 A Strohmayr (SPD) 8512 B Frage des Abg. Dr. Schmidt (Wuppertal) : Einheitliche . Bewertung halbfertiger Bauten Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 8512 B Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) . 8512 C Frage des Abg. Unertl: Zollbehandlung privater Warensendungen Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 8513 A Unertl (CDU/CSU) . . . . . . . 8513 B Fragen des Abg. Glüsing (Dithmarschen) : Erweiterung der dänischen Hoheitsgewässer — Regelung für Krabbenfischer Schwarz, Bundesminister . . . . . 8513 D Frage des Abg. Varelmann: Arzthonorare und Krankenhauspflegesätze 8514 A Frage des Abg. Folger: Arbeitskräftepolitik als Mittel zur Förderung des Wirtschaftswachstums . . 8514 B Frage des Abg. Fritsch: Einmalige Sonderzuwendungen an über 90 Jahre alte Rentenempfänger Dr. Claussen, Staatssekretär . . . 8514 C Fritsch (SPD) . . . . . . . . . 8514 C Fragen des Abg. Dr. Hauser: Bekämpfung der Raubüberfälle auf Kreditinstitute 8514 D Frage des Abg. Dröscher: Verzögerung bei der Neuberechnung der Berufsschadensrente Dr, Claussen, Staatssekretär . . . 8514 D Dröscher (SPD) . . . . . . . . 8515 A Frage des Abg. Kaffka: Zunahme der Berufsdermatozoen in der metallverarbeitenden Industrie Dr. Claussen, Staatssekretär . . . 8515 B Kaffka (SPD) . . . . . . . . . 8515 C Fragen des Abg. Deneke: Förderung der beruflichen Fortbildung der Angehörigen freier Berufe Dr. Claussen, Staatssekretär . . . 8516 A Bericht des Bundesministers der Justiz über die Verfolgung nationalsozialistischer Straftaten (Drucksache IV/3124) ; in Verbindung mit Entwurf eines Achten Strafrechtsänderungsgesetzes (Abg. Benda, Dr. Wilhelmi, Stingl u. Gen. (Drucksache IV/2965 [neu]) — Erste Beratung —; mit Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. März 1965 III Entwurf eines Gesetzes zur Einfügung eines Artikels 102 a in das Grundgesetz (SPD) (Drucksache IV/3161) — Erste Beratung — und mit Entwurf eines Achten Strafrechtsänderungsgesetzes (SPD) (Drucksache IV/3162) — Erste Beratung — Dr. Bucher, Bundesminister . . . 8516 C Benda (CDU/CSU) 8519 B Dr. Dehler, Vizepräsident . . . 8523 D Hirsch (SPD) . . . . . . . . 8526 D Dr. Barzel (CDU/CSU) 8530 C Jahn (SPD) . . . . . . . . . 8537 C Dr. Dehler (FDP) . . . . . . 8541 C Dr. Dittrich (CDU/CSU) . . . . 8545 B Dr. Arndt (Berlin) (SPD) . . . . 8547 B D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . 8553 B Dr. Dr. h. c. Friedensburg (CDU/CSU) 8553 C Metzger (SPD) . . . . . . . 8556 A Memmel (CDU/CSU) . . . . . 8558 B Busse (FDP) . . . . . . . . 8562 C Dr. von Merkatz (CDU/CSU) . . 8564 C Dr. h. c. Güde (CDU/CSU) . . . 8566 B Erler (SPD) . . . . . . . . 8568 D Antrag betr. Bildung eines Sonderausschusses „Parteiengesetz" (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/3164) Wagner (CDU/CSU) . . . . . . 8571 C Dr. Schäfer (SPD) . . . . . • . 8572 A Entwurf eines Gesetzes über die politischen Parteien (Parteiengesetz) (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/2853) — Erste Beratung — in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes über die politischen Parteien (Parteiengesetz) (SPD) (Drucksache IV/3112) — Erste Beratung — Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . . 8572 C Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 8578 B Schoettle, Vizepräsident 8583 C Dr. Zimmermann (München) (CDU/ CSU) 8583 D Dr. Lohmar (SPD) . . . . . . 8585 D Dorn (FDP) 8588 D Nächste Sitzung 8592 Anlagen 8593 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. März 1965 8503 170. Sitzung Bonn, den 10. März 1965 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr
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    Berichtigungen Es ist zu lesen: 169. Sitzung Seite 8474 A Zeile 1 statt „würden": können; Zeile 3 statt „Es empfiehlt" : Ich empfehle. Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. März 1965 8593 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete() beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Bading * 12. 3. Bazille 12. 3. Berlin 19. 3. Berkhan 12. 3. Blachstein 10. 4. Biechele 15. 3. Dr. Bieringer 12. 3. Dr. Birrenbach 10. 3. Dr. Dr. h. c. Dresbach 15. 3. Felder 12. 3. Dr. Franz 12. 3. Gaßmann 12. 3. Gräfin vom Hagen 12. 3. Hammersen 12. 3. Dr. Kempfler 13. 3. Dr. Kliesing (Honnef) * 12. 3. Klinker * 11. 3. Kriedemann * 12. 3. Dr. Krümmer 12. 3. Krug 10. 3. Kulawig 15. 4. Kuntscher 12. 3. Lenz (Bremerhaven) 29. 3. Leukert 12. 3. Dr. Löhr * 11.3. Lücker (München) * 10. 3. Dr. Löbe 12. 3. Maier (Mannheim) 12. 3. Mauk * 12. 3. Mick 12. 3. Müller (Worms) 12. 3. Dr. Preiß 10. 3. Sander 10. 3. Seidl (München) ' 11. 3. Schlick 12. 3. Dr. Schneider (Saarbrücken) 21. 3. Dr. Schwörer 12. 3. Dr. Starke 12. 3. Strauß 12. 3. Weber (Georgenau) 10. 3. Wehner 20. 3. Weinkamm 13. 3. Wienand 12. 3. b) Urlaubsanträge Dr.-Ing. Balke 31. 3. Bäumer 3. 4. Dr. Dr. Heinemann 26. 3. Marx 26. 3. Ritzel 23. 3. Spitzmüller 27. 3. Dr. Stoltenberg 15. 3. Wilhelm 10. 4. t) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlamentes Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Der Präsident des Bundesrates Abschrift 53 Bonn a. Rh., 5. März 1965 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Bundeskanzleramt Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Bundesrat in seiner 279. Sitzung am 5. März 1965 beschlossen hat, dem vom Deutschen Bundestag am 10. Februar 1965 verabschiedeten Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Bundeskindergeldgesetzes gemäß Artikel 84 Abs. 1 des Grundgesetzes zuzustimmen. Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung gefaßt: „Der Bundesrat begrüßt, daß die Einkommensgrenze für das Zweitkindergeld in Familien mit mehr als zwei Kindern nach diesem Gesetz entfallen wird. Er hält es jedoch für sozialpolitisch unbefriedigend, daß die Einkommensgrenze für den Bezug von Zweitkindergeld für Familien mit zwei Kindern nur unzureichend angehoben wird. Besonders unbefriedigend erscheinen ihm die in der Novelle gesetzten sozialpolitischen Akzente: Einerseits begnügt sich das Gesetz mit einer unzureichenden Anhebung der Einkommensgrenze auf 7800 DM, während andererseits die Ausbildungszulage von monatlich 40 DM ohne Rücksicht auf Einkommensgrenzen gezahlt werden soll. Die weitere Anhebung der Einkommensgrenze für das Zweitkindergeld ist vor allem auch deshalb als Sofortmaßnahme erforderlich, weil Familien mit einem niedrigen Einkommen in der Regel ihre Kinder nur mit Ausbildungshilfen weiterführende Schulen, Fachschulen oder Hochschulen besuchen lassen können. Für viele dieser Familien bringt die Ausbildungszulage nach § 14 a des Gesetzes keine nennenswerte Verbesserung, weil diese Ausbildungszulage auf die Ausbildungsbeihilfen z. B. nach dem Bundesversorgungsgesetz, dem Lastenausgleichsgesetz oder dem Honnefer Modell angerechnet werden muß. Wirtschaftlich besser gestellten Familien jedoch, die für die Ausbildung ihrer Kinder nicht auf Ausbildungsbeihilfen öffentlich-rechtlicher Träger angewiesen sind, werden nach diesem Gesetz für jedes in Ausbildung befindliche Kind zusätzlich monatlich 40 DM gezahlt. Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, das Ausmaß dieser Anrechnungen zu prüfen und in einer Novelle zum Bundeskindergeldgesetz im Rahmen der an anderer Stelle eingesparten Beträge eine weitere Anhebung der Einkommensgrenze für das 8594 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. März 1965 Zweitkindergeld in Familien mit zwei Kindern einzuleiten." Dr. Lemke Vizepräsident Bonn, den 5. März 1965 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 12. Februar 1965 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Dr. Lemke Vizepräsident Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers Höcherl vom 4. März 1965 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Rollmann (Drucksache IV/3101, Fragen VI/1 und VI/2) : Welche Staaten haben bisher das Brüsseler Abkommen über blinde Passagiere vom 10. Oktober 1957 ratifiziert? Beabsichtigt die Bundesregierung dem in Frage VI/1 genannten Abkommen beizutreten? Nach Fühlungnahme mit dem Auswärtigen Amt und dem Herrn Bundesminister für Verkehr, Abteilung Seeverkehr, beantworte ich Ihre Fragen wie folgt: 1. Das internationale Übereinkommen über blinde Passagiere vom 10. Oktober 1957 ist von folgenden Staaten ratifiziert worden: Peru am 23. November 1961, Norwegen am 24. Mai 1962, Schweden am 27. Juni 1962, Italien am 24. Mai 1963, Dänemark am 16. Dezember 1963. Außerdem ist das Königreich Marokko dem Abkommen am 22. Januar 1959 beigetreten. 2. Die Bundesregierung hat ebenso wie eine Reihe anderer Staaten das Abkommen lediglich mit dem Vorbehalt „ad referendum" gezeichnet und damit Bedenken gegen einige Bestimmungen des Abkommens zum Ausdruck gebracht. Zum Inkrafttreten des Abkommens sind 10 Ratifikationen erforderlich. Bislang haben jedoch nur 5 Staaten das Abkommen ratifiziert. Einige der großen Schiffahrt treibenden Nationen haben sich bislang nicht zur Ratifikation entschlossen. Bei dieser Sachlage halte ich es nicht für angebracht, z. Z. dem Bundestag ein Zustimmungsgesetz zum Abkommen vorzulegen. M. E. sollten zunächst die Entschließungen der Mehrzahl der anderen Signatarstaaten abgewartet werden. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 3. März 1965 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Felder (Drucksache IV/3101, Frage XI/9) : Ist der Bundesverkehrsminister bereit, mit der Automobil industrie die obligatorische Ausstattung aller neu zu liefernder Personenkraftwagen zu besprechen? Es werden bereits mit der Automobilindustrie Verhandlungen geführt, die darauf abzielen, alle neu zu liefernden Personenkraftwagen mit den Halterungen zum Anbringen von Sicherheitsgurten für alle Sitzplätze auszurüsten. Eine gesetzliche Pflicht zur Benutzung von Sicherheitsgurten in Personenkraftwagen ist nicht vorgesehen. Anlage 5 Schriftliche 'Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 5. März 1965 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Börner (Drucksache IV/3101, Fragen XI/10, XI/11 und XI/12): Kann die Bundesregierung die Vorwürfe entkräften, die in dem Artikel „Ist Fliegen Glücksache?" in der Zeitschrift „Kristall", Heft 4 1965, gegen die Flugsicherung in der Bundesrepublik erhoben worden sind? Sind die in dem in Frage XI/10 erwähnten Artikel gemachten Angaben über die Besetzung der Radarkontrollen Frankfurt (Main), Hannover und München richtig? Was ist unternommen worden, um ähnliche Vorfälle, wie sie am Schluß des in Frage XI/10 erwähnten Artikels im Hinblick auf Gefährdung von Passagierflugzeugen durch Militärflugzeuge geschildert werden, künftig zu verhindern? Herr Kollege Börner, bevor ich auf die Vorwürfe gegen die Flugsicherung in *dem Artikel „Ist Fliegen Glücksache" in Nr. 4 der Illustrierten „Kristall" eingehe, erscheint mir ein Hinweis auf die Aufmachung der Bildseite vor dem Textteil dieses Artikels wichtig. Sie zeigt unter der Überschrift „Die Flugsicherung ist ihrer Aufgabe nicht gewachsen" drei unbesetzte Radar-Arbeitsplätze der Flugsicherung in Frankfurt und darüber, jedem leeren Radarschirm zugeordnet, eine Phase eines Flugzeugzusammenstoßes. Daß diese Radargeräte im Zeitpunkt der Aufnahme unbesetzt waren, bestreite ich nicht; sie waren nämlich, wie die Abbildung bei näherem Hinsehen zeigt, noch im Aufbau. Diese unsachliche und dazu wahrheitswidrige Montage ist meiner Auffassung nach für den anschließenden Textteil kennzeichnend. Inzwischen habe ich die neue Anflugkontrolle Frankfurt, zu der diese Geräte gehören und die mit den modernsten Einrichtungen ausgestattet ist, am 12. November 1964 dem Betrieb übergeben — und seit dem 2. Dezem- Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. März 1965 8595 ber 1964 sind diese Geräte besetzt. Die Entwicklung der Flugsicherung ist also bereits über die gezeigte Darstellung hinweggegangen. Das gleiche gilt auch für den anschließenden Bericht über das angebliche Chaos am deutschen Himmel. Die einzelnen Vorwürfe gegen die Flugsicherung in dem Artikel „Ist Fliegen Glücksache" sind genau die gleichen wie in dem Artikel „Ist Fliegen bei uns gefährlich", den die „Frankfurter Rundschau" am 21. April 1964 gebracht hat. Ich habe seinerzeit ausführlich im Bulletin der Bundesregierung vom 29. April 1964 dazu Stellung genommen. Auch in meiner Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP vom 29. April 1964 zu den Behauptungen in dem gleichen Artikel habe ich die Lage der Flugsicherung eingehend dargelegt. Ich darf dazu auf Bundestagsdrucksache IV/2264 verweisen. Schließlich habe ich in der Fragestunde in der 128. Sitzung dieses Hohen Hauses am 4. Juni 1964 Fragen zu Vorwürfen beantwortet, die in dem vorliegenden Artikel wiederholt werden. In dem Artikel werden u. a. auch Differenzen mit der DAG erwähnt. Diese sind in einem vor mir mit Herrn Spaethen am 19. August 1964 geführten Gespräche bereinigt. Der Inhalt des Artikels ist also veraltet. Ich habe auch die Frage der Radar-Besetzungszeiten in der Vergangenheit bereits mehrfach beantwortet. Bei geringem Verkehrsanfall bzw. zur Nachtzeit, wenn nur wenige Luftfahrzeuge das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland überfliegen, das von den drei Bezirkskontrollstellen Frankfurt, Hannover und München kontrolliert wird, ist die Besetzung sämtlicher Radar-Arbeitsplätze betrieblich nicht notwendig. Zu diesen Zeiten geringer Verkehrsdichte ist die erforderliche Flugsicherheit durch Anwendung der herkömmlichen Kontrollverfahren ebenso gewährleistet. Die technische Wartung der Anlagen erfolgt planmäßig in den betriebsschwachen Zeiten. Um den oft gegensätzlichen Forderungen des zivilen und des militärischen Luftverkehrs zu genügen, wurde das Konzept einer gemeinsamen zivil/ militärischen Luftraumnutzung entwickelt, wobei die Verkehrskontrolle bei der Bundesanstalt für Flugsicherung liegt. Heute wird bereits die Anflugkontrolle von mehr als 1/3 der militärischen Flugplätze von der Bundesanstalt für Flugsicherung wahrgenommen. Die Integrierung schreitet in allen Teilen der Bundesrepublik Deutschland planmäßig fort. Sie wird noch in diesem Jahre für den süddeutschen Raum durch Inbetriebnahme einer im Aufbau befindlichen integrierten Anflugkontrolle in München verwirklicht. Die bei der Bundesanstalt für Flugsicherung errichtete Verbindungsstelle der Bundeswehr hat bei der Planung und Durchführung der zivil/militärischen Integrierung erfolgreich mitgewirkt und sich hervorragend bewährt. In der Zwischenzeit ist von allen dazu berufenen Stellen hart gearbeitet worden, um die deutsche Flugsicherung auf allen ihren Teilgebieten fortzuentwickeln und zu verbessern. Die Bundesanstalt für Flugsicherung hat in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr einen 10-Jahresplan für den weiteren Ausbau der Flugsicherung aufgestellt, der von mir in Kürze dem Kabinett vorgelegt werden wird. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Ernst vom 5. März 1965 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Fritsch (Drucksache IV/3101, Frage XII/4) : Wie beurteilt die Bundesregierung den Sachverhalt, daß trotz des Rundschreibens des Bundeswohnungsbauministeriums vom 28. März 1963 betreffend die Anwendung des § 35 des Bundesbaugesetzes an die zuständigen Länderminister die Bautätigkeit im niederbayerischen Raum durch die häufig zu enge Auslegung des Bundesbaugesetzes erheblich eingeschränkt wird? Dem Bundesministerium für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung ist nicht bekannt, daß die Bautätigkeit in Niederbayern auch heute noch durch eine zu enge Auslegung der Vorschrift des § 35 des Bundesbaugesetzes behindert wird. Nach den vorliegenden Berichten sind sowohl durch mein Rundschreiben vom 28. März 1963 als auch durch die von mehreren Ländern, auch von Bayern, veröffentlichten Runderlasse die anfänglich verschiedentlich aufgetretenen Schwierigkeiten immer mehr verringert worden. Das gilt nach Auskunft der Bayerischen Obersten Baubehörde auch für Niederbayern. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Dollinger vom 26. Februar 1965 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dorn (Drucksache IV/3101, Frage XIII/4): Wie hoch sind die haushaltsmäßigen Belastungen, die auf den Bund zukommen, wenn alle Forderungen erfüllt werden müssen, die die Stadt Bonn in mittelbarem und unmittelbarem Zusammenhang mit dem Verkauf des Gronau-Stadions für die geplanten Parlamentsneubauten genannt hat? Die Frage kann ich heute noch nicht beantworten. Die vom Bundesschatzministerium im letzten Jahr mit der Stadt Bonn im Zusammenhang mit der Errichtung eines Bürogebäudes für den Deutschen Bundestag in der Gronau geführten Verhandlungen wurden durch die Kommunalwahlen des vergangenen Herbstes und den Wechsel im Amt des Oberstadtdirektors unterbrochen. Sie sollen nunmehr wieder aufgenommen werden. Auf Wunsch des Herrn Oberstadtdirektors Dr. Hesse habe ich den Herrn Bundesminister der Finanzen und den Herrn Bundesminister des Innern zu einem Gespräch eingeladen, bei dem Oberstadtdirektor Dr. Hesse selbst die Bedingungen darlegen will, unter denen die Stadt Bonn zum Verkauf des vom Bund in der Gronau benötigten Baugeländes bereit ist.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hermann Busse


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Ja, Herr Kollege, da gehen unsere Meinungen über Sinn und Zweck zumindest eines irdischen Strafverfahrens anscheinend doch sehr auseinander.
    Sie haben für sich in Anspruch genommen, daß Sie mit Leidenschaft für Ihren Standpunkt eintreten. Wir bitten um Ihr Verständnis dafür, daß wir mit gleicher, ja wohl sogar mit größerer Leidenschaft dafür eintreten, daß in unserem Staate die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit strengstens gewahrt werden. Ich möchte jetzt nicht mißverstanden werden und bitte um wohlwollende Beurteilung, wenn ich es nicht mehr in langen .Ausführungen sage: Vieles von dem, was ich heute hier gehört habe, angefangen von dem wenig schönen Wort des Herrn Kollegen Metzger über .die Schärfung des Gewissens bei unseren Richtern — ich will jetzt keine weiteren Zitate bringen —, habe ich früher zur Begründung anderer Dinge gehört, .als ich noch unter .dem Unrechtsstaat des Nationalsozialismus leben mußte. Das ist das, was wir nicht wollen. Niemand .gewährleistet uns, daß wir immer von gleichem Bemühen um rechtsstaatliches Leben und Denken beseelt sind, so wie es glücklicherweise dieser Bundestag heute ist. Eine verfassungsmäßige Regelung muß über den Tag hinausdenken, muß Grundlagen für weitere, für andere mögliche Situationen legen, .die kommen können. Daß diese Grundlagen die Klarheit behalten — wie Herr Dehler ausgeführt hat —, das ist unser leidenschaftliches Anliegen. Darum habe ich bereits Anfang Dezember des vergangenen Jahres erklärt, daß es in dieser grundlegenden Frage für uns kein Wenn und Aber gilbt. Das war ganz eindeutig. Wir werden weder eine Verfassungsänderung noch einem normalen Gesetz zustimmen.
    Darum, Herr Kollege Barzel, bitte ich um Verständnis. Bei dieser eindeutigen Einstellung gibt es für uns nur eines: alle bereits gestellten Anträge abzulehnen; ihre Annahme ist für uns bei unserer Grundeinstellung nicht weiter diskutabel. Wir werden daher auch einem Antrag auf Ausschußüberweisung nicht zustimmen können.

    (Beifall bei der FDP.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete von Merkatz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans-Joachim von Merkatz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es hat, glaube ich, wenig Debatten in diesem Hause gegeben, die so an die Wurzel unserer moralischen politischen Existenz greifen, in der wir uns, die wir diese Zeit noch miterlebt haben, selber zu verstehen suchen. Irgendwie ist die Debatte — ich sehe die große Verantwortung, die wir alle haben, in ihrem tiefen Ernst — auch ein Gericht über uns selber.
    Hier ist nicht der Ort — das ist auch nicht das Angemessene und auch nicht der Stil einer solchen Aussprache —, mit Worten des Pathos zu sprechen. Aber eines darf ich doch wohl sagen: die Toten, die zu Unrecht Gequälten sind in unserem Leben wirklich existent. Irgendwie geht durch uns ein tiefer Unfriede. Es ist wahrhaft ein Unrecht geschehen. Da schließe ich allerdings auch die Vertreibung, die Kriegsverbrechen und all diese Geschehnisse mit ein. Es ist ein Unrecht geschehen, das wahrhaft zum Himmel schreit, und es geschieht unentwegt weiter Unrecht; man denke nur an Vietnam, man denke an das, was in Algerien geschehen ist, was sonst in der Welt geschehen ist und was droht, weiterhin zu geschehen.
    Die Unrast und der Unfriede, der in unserer Gesellschaft doch in Wahrheit umgeht, der Mangel an Lebensfreude und das Isoliertsein der Menschen sind eine ganz unmittelbare Folge dieses Geschehens. Sehen Sie nur einmal in die Literatur der Zeit vor dem Nationalsozialismus, welche Gedankensünden sich die Menschen damals schon zuschulden kommen ließen. Ich erinnere an Otto Julius Bierbaum und an ähnliche Literaten, die schon vor dem ersten Weltkrieg geschrieben haben. Da wurde dieses Unheil vorbereitet, und die Seelen wurden vergiftet. Gerade weil es so ist, sind wir alle verstrickt, nicht in eine kriminelle Schuld, in eine Art, wie soll ich mich ausdrücken, metaphysische Schuld, wir alle miteinander. Auch dazu bekenne ich mich.
    Wenn das so ist, glaube ich, daß wir — jedenfalls bekenne ich mich dazu — heute zu ganz klaren Lösungen kommen müssen. Es fällt mir schwer, das Maß der Rede zu finden. Ich möchte ganz schlicht sagen: ich bin gegen jeden Versuch, in der Frage der Verjährung von dem bestehenden Recht abzugehen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP.)

    In der Diskussion, die wir gestern in der Fraktion gehabt haben, sind zwei Gedanken vorgebracht worden: Was hat den höheren Rang, was muß gegeneinander abgewogen werden, die Gerechtigkeit oder der Rechtsfrieden, d. h. welches Prinzip Rechtsfrieden oder — man kann auch sagen — Rechtssicherheit? Da war eine sehr starke Gruppe, die sagte: Die Gerechtigkeit hat den Vorrang. Ich



    Dr. von Merkatz
    muß diesem Gedanken widersprechen. Gerechtigkeit auf dieser Erde ist etwas, was man suchen muß, was mit der Reife des Menschen und dem Bewußtsein der Menschen in der Gesellschaft wächst. Wir müssen uns jedoch der Grenzen irdischer Gerechtigkeit vor allen Dingen dann klar werden, wenn es gilt, einen Frevel zu sühnen.
    Hier ist heute viel vom Rechtsstaat gesprochen worden. Auch der Rechtsstaat ist ein Begriff, ist ein Bewußtsein, das sich mit der Zeit entwickelt hat. Vielleicht darf man sagen: die Schweiz und die Vereinigten Staaten von Amerika haben die moderne Demokratie geschaffen, England den Parlamentarismus; der Gedanke des Rechtsstaates entspringt einer preußisch-deutschen Tradition. Er ist bei uns gewachsen, aus der Zeit des 18. Jahrhunderts, vor der französischen Revolution, und er ist immer weiter gewachsen. Sein Kern scheint mir die Frage der Rechtsgewißheit zu sein. Von diesem Standpunkt aus betrachte ich die Dinge. Ich brauche die Gedanken nicht zu wiederholen. Herr Kollege Dehler hat sie vorgetragen, und ich unterschreibe die Analyse, die er vorgenommen hat, Wort für Wort.
    Die Einrichtung der Verjährung ist, wie hier festgestellt wurde, eine Frage des materiellen Rechts und des formellen Rechts, ist beides. Wie soll nach dem Ablauf einer gewissen Zeit das wirkliche Schuldmaß noch festgestellt werden? Man kann das Regimeverbrechen als solches feststellen, den historischen Tatbestand. Aber wie kann bei dem einzelnen kriminellen Täter ein Richter hier wirklich noch gerecht urteilen? Man kann sagen: irdische Gerechtigkeit ist immer etwas Unvollkommenes, das muß man in Kauf nehmen; der Richter muß die Dinge abwägen. Aber sehr oft kommt dann doch der Grundsatz zum Zuge, den wir nicht verlassen können, dann, wenn man die Belastungszeugen und die Entlastungszeugen nicht mehr zur Hand hat und wenn auch die Belastungszeugen, z. B. wenn sie aus dem Ausland kommen, nicht ganz frei in dem sind, was sie wirklich aussagen. Dazu kommt der Gedächtnisschwund. Soll der Richter hier nicht doch letzthin auf den Satz „in dubio pro reo" ausweichen müssen?
    Hier ist niemand, der einem anderen Kollegen unterschiebt, daß er, sagen wir, entweder Rache nehmen oder aber einen Verbrecher decken wolle. Das liegt doch völlig außerhalb der Moralität dieses Hauses und auch unserer Erfahrung. Aber die Bestimmung des Verbots der Rückwirkung muß hier sehr, sehr ernst genommen werden. Die Achtung vor dem bestehenden Recht scheint mir eines der Fundamente der Rechtsgewißheit und damit des Rechtsstaates zu sein.
    Es handelt sich bei der Verjährung nicht nur um eine einfache Ordnungs- und Verfahrensvorschrift, sondern es handelt sich wesentlich um materielles Recht, dessen Grundlage ist, daß einmal das Schuldmaß nicht mehr feststellbar ist und daß mit dem Zeitablauf die Fähigkeit des Menschen nachläßt, Gerechtigkeit und auch die richtige Beurteilung der Person des Täters zu finden, nicht mehr in dem erforderlichen Maße gegeben ist.
    Hier ist das Wort von dem moralischen Erbe, das wir zu tragen 'haben, gefallen. Es wurde befürchtet, durch eine Befolgung des Grundsatzes, den ich und andere Kollegen hier vertreten haben — keine Verlängerung der Verjährungsfrist —,könne eine korrumpierende Wirkung auf die Gesellschaft ausgeübt werden. Das ist etwas, was man sich sehr sorgfältig überlegen muß. Eine falsche Milde oder auch Lässigkeit gerade auf diesem empfindlichen Gebiet des Strafrechts könnte angesichts der Taten, die begangen worden sind, eine laxe Auffassung zur Folge haben.
    Dennoch glaube ich, daß uns die Forderung der Rechtsgewißheit hier leiten muß. Eine reinigende Wirkung geht, meine Damen und Herren, aus den Prozessen allein ganz bestimmt nicht hervor;

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    dort liegt nicht die reinigende Wirkung. Die reinigende Wirkung ist, glaube ich, im Blick auf die Zukunft, auf die Schaffung gewisser Grundbewußtseinsinhalte in unserem politischen Leben notwendig.
    Gewiß, ich erkenne an, wir leben nicht nur in einer politischen Interdependenz der Staaten, wir leben auch in einer moralischen Interdependenz. Die Überzeugung, die Rechtsüberzeugungen, die moralischen Bewußtseinsinhalte in Europa und in der Welt, die uns kulturell und zivilisatorisch am nächsten steht, können wir nicht einfach übergehen. Aber, meine Damen und Herren, die Frage ist: Sind hier wirklich einheitliche Überzeugungen, und ist es nicht gerade unsere Aufgabe, in der Erkenntnis der Tatbestände, die geschehen sind, in der psychologischen Grundlage hier etwas Neues zu schaffen, wodurch in unserer europäischen Rechtsgemeinschaft ein gemeinsamer neuer Bewußtseinsinhalt gebildet wird?
    Ich glaube, daß die Vorschrift des § 220 a des Strafgesetzbuches, die beschlossen wurde im Zusammenhang mit der Ratifikation der Konvention gegen Völkermord, nicht ganz ausreicht, um den Erfahrungen Rechnung zu tragen, die gerade diese Prozesse für eine rechtspolitische Fortentwicklung des Strafrechts gebracht haben.
    Ich sehe hier vor allen Dingen zwei Tatbestände, die in der Diskussion schon genannt wurden und auch unterschieden wurden. Es sind einmal die Regimeverbrechen oder, wie es Jaspers genannt hat, die Verwaltungsmassenmorde, die kaltherzig, berechnend, planmäßig vollzogen werden, und zum anderen die Verbrechen, die aus Revolutionen und Ausnahmezuständen hervorgehen.
    Meine Damen und Herren, was mich bei den Verbrechen im Namen ,des Staates immer am meisten berührt hat, ist der kollektiv erzeugte Wahn, der Menschen aufgedrückt wurde, deren Rechtsbewußtsein durchaus das Unrecht begriff. Aber man sagte ihnen: Du hast Herr über dich selbst zu sein, einer höheren Idee zu dienen. Und man rief, was ja gerade bei primitiven Geistern und bei Leuten, die seelisch etwas „unterbemittelt" sind, oft sosehr zieht, einen falschen Idealismus hoch, der dann zu



    Dr. von Merkatz
    Taten führt, die, nüchtern betrachtet, für den Menschen überhaupt kaum verständlich sind.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU.)

    Haben wir diese kollektive Vergiftung durch den Haß heute nicht auch noch in der Welt? Was. geschieht im Kongo? Was redet man den Menschen ein, bis sie zu Wahnsinnstaten schreiten? Hier, meine ich, sollte es doch eine strafrechtliche Therapie für die Zukunft geben. Rückwirkend kann man das alles nicht machen. Aber die Zeit ist reif, unser Gewissen ist geschärft, unser Bewußtsein ist vertieft, uns mit solchen Tatbeständen zu befassen.
    Etwas anderes sind die Revolutionsverbrechen. Sie sind Folge einer Anarchie. Und eines tritt doch ganz tief in das Bewußtsein unserer Zeit. Ich erinnere mich hier eines Ausspruchs meines alten Lehrers Professor Gerland aus Jena, der zu Beginn seiner Strafrechtsvorlesung sagte: „Bedenken Sie, daß all diese Kultur und Zivilisation ja nur ein kleiner Firnis über den Menschen sind. Darunter sind die unberechenbaren Triebe". Die Schuld, die tiefe Schuld, die bei Regimeverbrechern besteht, liegt darin, daß der Staat selber der eigentliche Anstifter des Verbrechens ist. Wenn man diese zivilisatorische Schicht hinwegräumt, sieht man, daß in der Tiefe des Menschen — jeder prüfe sich, auch Goethe hat darüber einiges gesagt — eine Hölle ist. Es ist die große Führungsaufgabe, die Ordnung des Rechts, gegen diese Tiefennatur des Menschen, da, wo die Hölle ist, wo die Anarchie ist, die jederzeit ausbrechen kann, wenn sie draußen gewisse Gelegenheiten dazu findet, anzugehen und diese Gefahr zu bannen.
    Das ist unsere Aufgabe, das ist unser Erbe, das ist die Schlußfolgerung, die wir aus der Zeit des Regimeverbrechens des Unrechtsstaates zu ziehen haben. Wir haben weitgehend gesühnt, die, die die Heimat verloren haben, die, die liebste Menschen verloren haben, die, die für ihr Leben lang zertreten worden sind. Denn es gibt Verletzungen der Seele, über die der Mensch nicht hinwegkommt. Hier im Hause sitzen viele — ich wage eigentlich kaum, es zu sagen, weil das eigene Erleben nicht so schrecklich gewesen ist —, die das, von dem ich eben sprach, durchgemacht haben. Daraus müssen wir eine Folgerung für die Zukunft ziehen, wir müssen unser seelisches Leben gesunden lassen. Aber das alles ist nicht mit rückwirkender Kraft und nicht zurückgespiegelt auf die andere Zeit zu machen, sondern nur im Schritt nach vorn.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)