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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 170. Sitzung Bonn, den 10. März 1965 Inhalt: Nachruf auf den Präsidenten der Bundesre- publik Osterreich Dr. Adolf Schärf . . 8503 A Erweiterung der Tagesordnung 8504 A Glückwunsch zum Geburtstag des Abg Busch 8516 B Fragestunde (Drucksachen IV/3152, IV/3160) Frage des Abg. Dr. Kohut: Entscheidungen der Bundesregierung ohne Anhörung des Parlaments . . . 8504 B Frage des Abg. Fritsch: Förderungswürdiges Gebiet Dr. Langer, Staatssekretär . . . 8504 C Fritsch (SPD) 8504 C Dr. Dittrich (CDU/CSU) 8504 C Frage des Abg. Fritsch: Ausländisches Zellstoffwerk im bayerischen Grenzland Dr. Langer, Staatssekretär . . . 8504 D Fritsch (SPD) 8505 B Dr. Dittrich (CDU/CSU) 8505 C Frage des Abg. Regling: Befreiung von Altenheimen usw. von Ton- und Fernsehrundfunkgebühren Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . . 8505 C Regling (SPD) ... . . . . . . . 8505 D Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Inbetriebnahme von Fernsehfrequenzumsetzern Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . 8506 A Dröscher (SPD) 8506 A Frage des Abg. Schmidt (Kempten) : Hilfe für junge Familien Dr. Heck, Bundesminister . . . . 8506 C Frage des Abg. Kahn-Ackermann: Ferienverschickungsaktion Dr. Schröder, Bundesminister . . . 8506 C Kahn-Ackermann (SPD) . . . . . 8507 A Frage des Abg. Kahn-Ackermann: Lehrer an deutschen Schulen in Argentinien Dr. Schröder, Bundesminister . . . 8507 B Kahn-Ackermann (SPD) 8507 C Frage des Abg. Dr. Mommer: Begrüßung Ulbrichts durch Schiffe der Bundesrepublik im Hafen von Alexandria Dr. Schröder, Bundesminister . . . 8507 D Dr. Mommer (SPD) 8507 D II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. März 1965 Frage des Abg. Dr. Kohut: Hallstein-Doktrin Dr. Schröder, Bundesminister . . . 8508 A Dr. Kohut (FDP) 8508 B Vogt (CDU/CSU) 8508 C Frage des Abg. Dr. Kohut: Anspruch der Bundesregierung auf Alleinvertretung des deutschen Volkes Dr. Schröder, Bundesminister . . . 8508 D Dr. Kohut (FDP) 8509 A Frage des Abg. Unertl: Eigene Fahrpraxis von Richtern in Verkehrsstrafsachen Dr. Bucher, Bundesminister . . . 8509 B Unertl (CDU/CSU) 8509 C Frage des Abg. Kaffka: Feststellungsgesetz Dr. Bucher, Bundesminister . . . . 8509 D Kaffka (SPD) . . . . . . . . . 8510 A Frage des Abg. Dr. Wahl: Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten Dr. Bucher, Bundesminister . . . . 8510 A Fragen des Abg. Langebeck: Gefährdung des Waldbestandes und des Wasserhaushalts im Gebiet um Schweinfurt Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 8510 B Langebeck (SPD) . . . . . . . 8510 C Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Wahlmöglichkeit von steuerpflichtigen Vertriebenen bei der Wiederbeschaffung von Hausrat Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 8511 A Frage des Abg. Schultz: Prämienberechtigte Bausparverträge Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 8511 B Schultz (FDP) 8511 D Dröscher (SPD) . . . . . . . 8512 A Strohmayr (SPD) 8512 B Frage des Abg. Dr. Schmidt (Wuppertal) : Einheitliche . Bewertung halbfertiger Bauten Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 8512 B Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) . 8512 C Frage des Abg. Unertl: Zollbehandlung privater Warensendungen Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 8513 A Unertl (CDU/CSU) . . . . . . . 8513 B Fragen des Abg. Glüsing (Dithmarschen) : Erweiterung der dänischen Hoheitsgewässer — Regelung für Krabbenfischer Schwarz, Bundesminister . . . . . 8513 D Frage des Abg. Varelmann: Arzthonorare und Krankenhauspflegesätze 8514 A Frage des Abg. Folger: Arbeitskräftepolitik als Mittel zur Förderung des Wirtschaftswachstums . . 8514 B Frage des Abg. Fritsch: Einmalige Sonderzuwendungen an über 90 Jahre alte Rentenempfänger Dr. Claussen, Staatssekretär . . . 8514 C Fritsch (SPD) . . . . . . . . . 8514 C Fragen des Abg. Dr. Hauser: Bekämpfung der Raubüberfälle auf Kreditinstitute 8514 D Frage des Abg. Dröscher: Verzögerung bei der Neuberechnung der Berufsschadensrente Dr, Claussen, Staatssekretär . . . 8514 D Dröscher (SPD) . . . . . . . . 8515 A Frage des Abg. Kaffka: Zunahme der Berufsdermatozoen in der metallverarbeitenden Industrie Dr. Claussen, Staatssekretär . . . 8515 B Kaffka (SPD) . . . . . . . . . 8515 C Fragen des Abg. Deneke: Förderung der beruflichen Fortbildung der Angehörigen freier Berufe Dr. Claussen, Staatssekretär . . . 8516 A Bericht des Bundesministers der Justiz über die Verfolgung nationalsozialistischer Straftaten (Drucksache IV/3124) ; in Verbindung mit Entwurf eines Achten Strafrechtsänderungsgesetzes (Abg. Benda, Dr. Wilhelmi, Stingl u. Gen. (Drucksache IV/2965 [neu]) — Erste Beratung —; mit Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. März 1965 III Entwurf eines Gesetzes zur Einfügung eines Artikels 102 a in das Grundgesetz (SPD) (Drucksache IV/3161) — Erste Beratung — und mit Entwurf eines Achten Strafrechtsänderungsgesetzes (SPD) (Drucksache IV/3162) — Erste Beratung — Dr. Bucher, Bundesminister . . . 8516 C Benda (CDU/CSU) 8519 B Dr. Dehler, Vizepräsident . . . 8523 D Hirsch (SPD) . . . . . . . . 8526 D Dr. Barzel (CDU/CSU) 8530 C Jahn (SPD) . . . . . . . . . 8537 C Dr. Dehler (FDP) . . . . . . 8541 C Dr. Dittrich (CDU/CSU) . . . . 8545 B Dr. Arndt (Berlin) (SPD) . . . . 8547 B D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . 8553 B Dr. Dr. h. c. Friedensburg (CDU/CSU) 8553 C Metzger (SPD) . . . . . . . 8556 A Memmel (CDU/CSU) . . . . . 8558 B Busse (FDP) . . . . . . . . 8562 C Dr. von Merkatz (CDU/CSU) . . 8564 C Dr. h. c. Güde (CDU/CSU) . . . 8566 B Erler (SPD) . . . . . . . . 8568 D Antrag betr. Bildung eines Sonderausschusses „Parteiengesetz" (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/3164) Wagner (CDU/CSU) . . . . . . 8571 C Dr. Schäfer (SPD) . . . . . • . 8572 A Entwurf eines Gesetzes über die politischen Parteien (Parteiengesetz) (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/2853) — Erste Beratung — in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes über die politischen Parteien (Parteiengesetz) (SPD) (Drucksache IV/3112) — Erste Beratung — Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . . 8572 C Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 8578 B Schoettle, Vizepräsident 8583 C Dr. Zimmermann (München) (CDU/ CSU) 8583 D Dr. Lohmar (SPD) . . . . . . 8585 D Dorn (FDP) 8588 D Nächste Sitzung 8592 Anlagen 8593 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. März 1965 8503 170. Sitzung Bonn, den 10. März 1965 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr
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    Berichtigungen Es ist zu lesen: 169. Sitzung Seite 8474 A Zeile 1 statt „würden": können; Zeile 3 statt „Es empfiehlt" : Ich empfehle. Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. März 1965 8593 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete() beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Bading * 12. 3. Bazille 12. 3. Berlin 19. 3. Berkhan 12. 3. Blachstein 10. 4. Biechele 15. 3. Dr. Bieringer 12. 3. Dr. Birrenbach 10. 3. Dr. Dr. h. c. Dresbach 15. 3. Felder 12. 3. Dr. Franz 12. 3. Gaßmann 12. 3. Gräfin vom Hagen 12. 3. Hammersen 12. 3. Dr. Kempfler 13. 3. Dr. Kliesing (Honnef) * 12. 3. Klinker * 11. 3. Kriedemann * 12. 3. Dr. Krümmer 12. 3. Krug 10. 3. Kulawig 15. 4. Kuntscher 12. 3. Lenz (Bremerhaven) 29. 3. Leukert 12. 3. Dr. Löhr * 11.3. Lücker (München) * 10. 3. Dr. Löbe 12. 3. Maier (Mannheim) 12. 3. Mauk * 12. 3. Mick 12. 3. Müller (Worms) 12. 3. Dr. Preiß 10. 3. Sander 10. 3. Seidl (München) ' 11. 3. Schlick 12. 3. Dr. Schneider (Saarbrücken) 21. 3. Dr. Schwörer 12. 3. Dr. Starke 12. 3. Strauß 12. 3. Weber (Georgenau) 10. 3. Wehner 20. 3. Weinkamm 13. 3. Wienand 12. 3. b) Urlaubsanträge Dr.-Ing. Balke 31. 3. Bäumer 3. 4. Dr. Dr. Heinemann 26. 3. Marx 26. 3. Ritzel 23. 3. Spitzmüller 27. 3. Dr. Stoltenberg 15. 3. Wilhelm 10. 4. t) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlamentes Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Der Präsident des Bundesrates Abschrift 53 Bonn a. Rh., 5. März 1965 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Bundeskanzleramt Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Bundesrat in seiner 279. Sitzung am 5. März 1965 beschlossen hat, dem vom Deutschen Bundestag am 10. Februar 1965 verabschiedeten Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Bundeskindergeldgesetzes gemäß Artikel 84 Abs. 1 des Grundgesetzes zuzustimmen. Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung gefaßt: „Der Bundesrat begrüßt, daß die Einkommensgrenze für das Zweitkindergeld in Familien mit mehr als zwei Kindern nach diesem Gesetz entfallen wird. Er hält es jedoch für sozialpolitisch unbefriedigend, daß die Einkommensgrenze für den Bezug von Zweitkindergeld für Familien mit zwei Kindern nur unzureichend angehoben wird. Besonders unbefriedigend erscheinen ihm die in der Novelle gesetzten sozialpolitischen Akzente: Einerseits begnügt sich das Gesetz mit einer unzureichenden Anhebung der Einkommensgrenze auf 7800 DM, während andererseits die Ausbildungszulage von monatlich 40 DM ohne Rücksicht auf Einkommensgrenzen gezahlt werden soll. Die weitere Anhebung der Einkommensgrenze für das Zweitkindergeld ist vor allem auch deshalb als Sofortmaßnahme erforderlich, weil Familien mit einem niedrigen Einkommen in der Regel ihre Kinder nur mit Ausbildungshilfen weiterführende Schulen, Fachschulen oder Hochschulen besuchen lassen können. Für viele dieser Familien bringt die Ausbildungszulage nach § 14 a des Gesetzes keine nennenswerte Verbesserung, weil diese Ausbildungszulage auf die Ausbildungsbeihilfen z. B. nach dem Bundesversorgungsgesetz, dem Lastenausgleichsgesetz oder dem Honnefer Modell angerechnet werden muß. Wirtschaftlich besser gestellten Familien jedoch, die für die Ausbildung ihrer Kinder nicht auf Ausbildungsbeihilfen öffentlich-rechtlicher Träger angewiesen sind, werden nach diesem Gesetz für jedes in Ausbildung befindliche Kind zusätzlich monatlich 40 DM gezahlt. Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, das Ausmaß dieser Anrechnungen zu prüfen und in einer Novelle zum Bundeskindergeldgesetz im Rahmen der an anderer Stelle eingesparten Beträge eine weitere Anhebung der Einkommensgrenze für das 8594 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. März 1965 Zweitkindergeld in Familien mit zwei Kindern einzuleiten." Dr. Lemke Vizepräsident Bonn, den 5. März 1965 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 12. Februar 1965 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Dr. Lemke Vizepräsident Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers Höcherl vom 4. März 1965 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Rollmann (Drucksache IV/3101, Fragen VI/1 und VI/2) : Welche Staaten haben bisher das Brüsseler Abkommen über blinde Passagiere vom 10. Oktober 1957 ratifiziert? Beabsichtigt die Bundesregierung dem in Frage VI/1 genannten Abkommen beizutreten? Nach Fühlungnahme mit dem Auswärtigen Amt und dem Herrn Bundesminister für Verkehr, Abteilung Seeverkehr, beantworte ich Ihre Fragen wie folgt: 1. Das internationale Übereinkommen über blinde Passagiere vom 10. Oktober 1957 ist von folgenden Staaten ratifiziert worden: Peru am 23. November 1961, Norwegen am 24. Mai 1962, Schweden am 27. Juni 1962, Italien am 24. Mai 1963, Dänemark am 16. Dezember 1963. Außerdem ist das Königreich Marokko dem Abkommen am 22. Januar 1959 beigetreten. 2. Die Bundesregierung hat ebenso wie eine Reihe anderer Staaten das Abkommen lediglich mit dem Vorbehalt „ad referendum" gezeichnet und damit Bedenken gegen einige Bestimmungen des Abkommens zum Ausdruck gebracht. Zum Inkrafttreten des Abkommens sind 10 Ratifikationen erforderlich. Bislang haben jedoch nur 5 Staaten das Abkommen ratifiziert. Einige der großen Schiffahrt treibenden Nationen haben sich bislang nicht zur Ratifikation entschlossen. Bei dieser Sachlage halte ich es nicht für angebracht, z. Z. dem Bundestag ein Zustimmungsgesetz zum Abkommen vorzulegen. M. E. sollten zunächst die Entschließungen der Mehrzahl der anderen Signatarstaaten abgewartet werden. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 3. März 1965 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Felder (Drucksache IV/3101, Frage XI/9) : Ist der Bundesverkehrsminister bereit, mit der Automobil industrie die obligatorische Ausstattung aller neu zu liefernder Personenkraftwagen zu besprechen? Es werden bereits mit der Automobilindustrie Verhandlungen geführt, die darauf abzielen, alle neu zu liefernden Personenkraftwagen mit den Halterungen zum Anbringen von Sicherheitsgurten für alle Sitzplätze auszurüsten. Eine gesetzliche Pflicht zur Benutzung von Sicherheitsgurten in Personenkraftwagen ist nicht vorgesehen. Anlage 5 Schriftliche 'Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 5. März 1965 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Börner (Drucksache IV/3101, Fragen XI/10, XI/11 und XI/12): Kann die Bundesregierung die Vorwürfe entkräften, die in dem Artikel „Ist Fliegen Glücksache?" in der Zeitschrift „Kristall", Heft 4 1965, gegen die Flugsicherung in der Bundesrepublik erhoben worden sind? Sind die in dem in Frage XI/10 erwähnten Artikel gemachten Angaben über die Besetzung der Radarkontrollen Frankfurt (Main), Hannover und München richtig? Was ist unternommen worden, um ähnliche Vorfälle, wie sie am Schluß des in Frage XI/10 erwähnten Artikels im Hinblick auf Gefährdung von Passagierflugzeugen durch Militärflugzeuge geschildert werden, künftig zu verhindern? Herr Kollege Börner, bevor ich auf die Vorwürfe gegen die Flugsicherung in *dem Artikel „Ist Fliegen Glücksache" in Nr. 4 der Illustrierten „Kristall" eingehe, erscheint mir ein Hinweis auf die Aufmachung der Bildseite vor dem Textteil dieses Artikels wichtig. Sie zeigt unter der Überschrift „Die Flugsicherung ist ihrer Aufgabe nicht gewachsen" drei unbesetzte Radar-Arbeitsplätze der Flugsicherung in Frankfurt und darüber, jedem leeren Radarschirm zugeordnet, eine Phase eines Flugzeugzusammenstoßes. Daß diese Radargeräte im Zeitpunkt der Aufnahme unbesetzt waren, bestreite ich nicht; sie waren nämlich, wie die Abbildung bei näherem Hinsehen zeigt, noch im Aufbau. Diese unsachliche und dazu wahrheitswidrige Montage ist meiner Auffassung nach für den anschließenden Textteil kennzeichnend. Inzwischen habe ich die neue Anflugkontrolle Frankfurt, zu der diese Geräte gehören und die mit den modernsten Einrichtungen ausgestattet ist, am 12. November 1964 dem Betrieb übergeben — und seit dem 2. Dezem- Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. März 1965 8595 ber 1964 sind diese Geräte besetzt. Die Entwicklung der Flugsicherung ist also bereits über die gezeigte Darstellung hinweggegangen. Das gleiche gilt auch für den anschließenden Bericht über das angebliche Chaos am deutschen Himmel. Die einzelnen Vorwürfe gegen die Flugsicherung in dem Artikel „Ist Fliegen Glücksache" sind genau die gleichen wie in dem Artikel „Ist Fliegen bei uns gefährlich", den die „Frankfurter Rundschau" am 21. April 1964 gebracht hat. Ich habe seinerzeit ausführlich im Bulletin der Bundesregierung vom 29. April 1964 dazu Stellung genommen. Auch in meiner Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP vom 29. April 1964 zu den Behauptungen in dem gleichen Artikel habe ich die Lage der Flugsicherung eingehend dargelegt. Ich darf dazu auf Bundestagsdrucksache IV/2264 verweisen. Schließlich habe ich in der Fragestunde in der 128. Sitzung dieses Hohen Hauses am 4. Juni 1964 Fragen zu Vorwürfen beantwortet, die in dem vorliegenden Artikel wiederholt werden. In dem Artikel werden u. a. auch Differenzen mit der DAG erwähnt. Diese sind in einem vor mir mit Herrn Spaethen am 19. August 1964 geführten Gespräche bereinigt. Der Inhalt des Artikels ist also veraltet. Ich habe auch die Frage der Radar-Besetzungszeiten in der Vergangenheit bereits mehrfach beantwortet. Bei geringem Verkehrsanfall bzw. zur Nachtzeit, wenn nur wenige Luftfahrzeuge das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland überfliegen, das von den drei Bezirkskontrollstellen Frankfurt, Hannover und München kontrolliert wird, ist die Besetzung sämtlicher Radar-Arbeitsplätze betrieblich nicht notwendig. Zu diesen Zeiten geringer Verkehrsdichte ist die erforderliche Flugsicherheit durch Anwendung der herkömmlichen Kontrollverfahren ebenso gewährleistet. Die technische Wartung der Anlagen erfolgt planmäßig in den betriebsschwachen Zeiten. Um den oft gegensätzlichen Forderungen des zivilen und des militärischen Luftverkehrs zu genügen, wurde das Konzept einer gemeinsamen zivil/ militärischen Luftraumnutzung entwickelt, wobei die Verkehrskontrolle bei der Bundesanstalt für Flugsicherung liegt. Heute wird bereits die Anflugkontrolle von mehr als 1/3 der militärischen Flugplätze von der Bundesanstalt für Flugsicherung wahrgenommen. Die Integrierung schreitet in allen Teilen der Bundesrepublik Deutschland planmäßig fort. Sie wird noch in diesem Jahre für den süddeutschen Raum durch Inbetriebnahme einer im Aufbau befindlichen integrierten Anflugkontrolle in München verwirklicht. Die bei der Bundesanstalt für Flugsicherung errichtete Verbindungsstelle der Bundeswehr hat bei der Planung und Durchführung der zivil/militärischen Integrierung erfolgreich mitgewirkt und sich hervorragend bewährt. In der Zwischenzeit ist von allen dazu berufenen Stellen hart gearbeitet worden, um die deutsche Flugsicherung auf allen ihren Teilgebieten fortzuentwickeln und zu verbessern. Die Bundesanstalt für Flugsicherung hat in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr einen 10-Jahresplan für den weiteren Ausbau der Flugsicherung aufgestellt, der von mir in Kürze dem Kabinett vorgelegt werden wird. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Ernst vom 5. März 1965 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Fritsch (Drucksache IV/3101, Frage XII/4) : Wie beurteilt die Bundesregierung den Sachverhalt, daß trotz des Rundschreibens des Bundeswohnungsbauministeriums vom 28. März 1963 betreffend die Anwendung des § 35 des Bundesbaugesetzes an die zuständigen Länderminister die Bautätigkeit im niederbayerischen Raum durch die häufig zu enge Auslegung des Bundesbaugesetzes erheblich eingeschränkt wird? Dem Bundesministerium für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung ist nicht bekannt, daß die Bautätigkeit in Niederbayern auch heute noch durch eine zu enge Auslegung der Vorschrift des § 35 des Bundesbaugesetzes behindert wird. Nach den vorliegenden Berichten sind sowohl durch mein Rundschreiben vom 28. März 1963 als auch durch die von mehreren Ländern, auch von Bayern, veröffentlichten Runderlasse die anfänglich verschiedentlich aufgetretenen Schwierigkeiten immer mehr verringert worden. Das gilt nach Auskunft der Bayerischen Obersten Baubehörde auch für Niederbayern. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Dollinger vom 26. Februar 1965 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dorn (Drucksache IV/3101, Frage XIII/4): Wie hoch sind die haushaltsmäßigen Belastungen, die auf den Bund zukommen, wenn alle Forderungen erfüllt werden müssen, die die Stadt Bonn in mittelbarem und unmittelbarem Zusammenhang mit dem Verkauf des Gronau-Stadions für die geplanten Parlamentsneubauten genannt hat? Die Frage kann ich heute noch nicht beantworten. Die vom Bundesschatzministerium im letzten Jahr mit der Stadt Bonn im Zusammenhang mit der Errichtung eines Bürogebäudes für den Deutschen Bundestag in der Gronau geführten Verhandlungen wurden durch die Kommunalwahlen des vergangenen Herbstes und den Wechsel im Amt des Oberstadtdirektors unterbrochen. Sie sollen nunmehr wieder aufgenommen werden. Auf Wunsch des Herrn Oberstadtdirektors Dr. Hesse habe ich den Herrn Bundesminister der Finanzen und den Herrn Bundesminister des Innern zu einem Gespräch eingeladen, bei dem Oberstadtdirektor Dr. Hesse selbst die Bedingungen darlegen will, unter denen die Stadt Bonn zum Verkauf des vom Bund in der Gronau benötigten Baugeländes bereit ist.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Carlo Schmid


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren, auf meiner Liste stehen noch sieben Redner. Ich schlage Ihnen vor, daß wir jetzt die Mittagspause eintreten lassen, jedoch schon um 14.30 Uhr wieder beginnen. — Es ist so beschlossen.
    Die Sitzung ist unterbrochen bis 14.30 Uhr.

    (Unterbrechung der Sitzung von 12.55 Uhr bis 15.03 Uhr.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Dehler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Thomas Dehler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jeder von uns steht in der Qual seines Gewissens, unter dem Druck einer fürchterlichen Erbschaft dieser verbrecherischen nationalsozialistischen Zeit, die als Schuld und als Scham auf uns allen lastet, und unter der Verantwortung vor dem Recht, vor unserem Recht.
    Müssen wir sagen, daß wir in der Abscheu vor dem Geschehenen mit der Welt einig sind? Fast meine ich, unsere Empörung ist größer, tiefer, peinigender. Am Ende sind wir uns doch der Schuld bewußt, jeder von uns, der damals Verantwortung getragen hat. — Wenn ich an die bisherigen Redner denke, dann stelle ich fest, daß sie das Glück hatten, nicht dazu zu gehören. Das ist aber auch der Grund, daß sie diese bittere Erfahrung nicht gemacht haben, was es bedeutet, in einem Staate des Unrechts leben zu müssen. Ich sage: Jeder von uns, der damals Verantwortung getragen hat, hat das Empfinden, daß er zuwenig für das Recht gekämpft hat, daß er zuwenig Mut zur Wahrheit gehabt hat, nicht stark genug war in der Abwehr des Bösen.
    So ist das Schlimme über uns gekommen und hat Menschen, hat unser Volk in Not gebracht. Fast, möchte ich meinen, ist es insgeheim ein Vorwurf, daß unsereiner noch da ist, daß ich mit Frau und Kind der Hölle des Unrechts entronnen bin, in der viele geliebte Menschen geblieben sind.
    Was können wir tun, um im Einklang mit der Stimmung, mit dem Willen der Welt zu sein? Sollen wir mit ihr hassen, verfluchen, Schuld und Sühne verewigen? Können wir dadurch Schaden von unserem Volke wenden? Nein, wir können der Welt nur schlicht und fest unseren Willen zum Recht dartun. Ein Mehr gibt es nicht.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Zum Recht, zu unserem Recht gehört auch, daß Schuld, daß jede Schuld verjährt.
    Auch das gehört zu den Erfahrungen meines Lebens, daß der Mangel an Recht, der Mangel an Rechtsstaatlichkeit Schaden bringt. Der Weg zum



    Dr. Dehler
    Staat des Unrechts ist dadurch gebahnt worden, daß der Wille zur unbedingten Rechtsstaatlichkeit nicht lebendig genug war.

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal]: Sehr gut!)

    Weil das Recht, weil der Wille zum Recht in unserem Volke schwanden, kam die Macht über uns in die Hand eines rechtlosen, eines ruchlosen Mannes. Und als wir dann 1945 wiederbegannen, in den Ländern, hier in der Bundesrepublik die deutsche Staatlichkeit zu erneuern, da konnten wir ihr doch nichts geben als den Gehalt des Rechtes, der großen Menschenrechte, der Grund- und Freiheitsrechte, der Rechtsstaatlichkeit. Haben wir ein anderes Fundament, auf dem wir stehen können? Das Recht ist nicht nur eine Form, ist keine wertneutrale Ordnung. Es ist nicht so, daß der Inhalt des Rechtes nach dem Willen des Gesetzgebers bestimmt werden könne, daß der jeweilige Gesetzgeber umschreibe, was Recht oder was gar gerecht ist. Der Gesetzgeber ist gebunden — das ist unser Wille — an die Grundregeln der Verfassung, ist gebunden durch die auf Grund der Verfassung geschaffene Rechtsordnung; sie ist Maß und Schranke. Rechtsstaatlichkeit ist doch viel mehr als die Garantie der Gesetzmäßigkeit von Justiz und Verwaltung, mehr als der Schutz des Bürgers vor staatlicher Willkür. Wir haben die Grund- und Freiheitsrechte an die Spitze unseres Grundgesetzes gestellt, weil sie zusammen mit der Rechtsordnung bestimmen, was Recht, und am Ende auch, was gerecht ist, und sie tragen schon die Spannung zwischen dem Gebot der Rechtssicherheit und dem der Gerechtigkeit in sich aus, sie nehmen dem Gesetzgeber die Möglichkeit, im Widerspruch zu dem gesetzten Rechte nachträglich für „Gerechtigkeit" sorgen zu wollen.
    Unser Kollege Arndt hat klassisch schöne Worte für diesen Standpunkt gefunden. Der Staat und auch der Gesetzgeber sind unter das Recht und unter das Gesetz gestellt. Daran kann keine Rechtsstaatsklausel, und — Herr Kollege Benda — daran kann keine materielle Rechtsstaatsklausel etwas ändern. Der Wert der Rechtssicherheit als eines wesentlichen Rechtsstaatsbegriffes liegt nicht nur in dem Vertrauen des Bürgers auf die bestehende Rechtsordnung, liegt doch viel mehr in der Achtung des Staates, des Gesetzgebers vor der Rechtsordnung. Der rechtsstaatliche Gleichheitsgrundsatz und das Verbot der Willkür schließen jedes Ausnahmegesetz aus, jede Regelung, die sich gegen einen bestimmten Personenkreis wenden will oder aus einem bestimmten Anlaß heraus die Rechtsfolgen für einen bereits abgeschlossenen Tatbestand ändern will. An diesem Grundsatz scheitert der Versuch, die Verjährungsfrist für den Mord der nationalsozialistischen Zeit, für die Beihilfe hierzu, für den Versuch des Mordes mit rückwirkender Kraft zu ändern. Das ist die entscheidende Frage.
    Diese Frage, ob es zulässig ist, nachträglich mit Rückwirkung für die Vergangenheit die Verjährungsfristen zu ändern, zu verlängern, also die in den Gesetzen getroffene Regelung zu variieren, ist eine Rechtsfrage und nur eine Rechtsfrage, das ist keine politische Frage. Herr Kollege Jahn hat heute vormittag gesagt: „Soll das Fürchterliche nur nach
    dem Recht beurteilt werden, oder sollen wir eine politische, moralische, eine politisch-moralische Entscheidung treffen?" Ich glaube, diese Frage trifft in den Kern unserer Auseinandersetzung. „Nur" das Recht? Ich sage: N u r das Recht.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Es gibt keinen höheren Maßstab für die Entscheidung unserer Frage: die Frage, ob eine Frist, die im Gesetz für den Ablauf der Strafbarkeit bestimmt ist, aufgehoben oder auch nur verlängert werden kann, ist doch eine Rechtsfrage.
    Meine Damen und Herren, auch das ist eine Erfahrung, die ich in langen Jahren hier in diesem Hause gesammelt habe: Wenn da einer sagt, etwas sei zwar wirtschaftlich falsch oder auch sittlich fragwürdig oder rechtlich falsch, es sei aber politisch notwendig, dann war es immer auch politisch falsch.

    (Beifall bei der FDP und einem Teil der CDU/CSU.)

    Gestatten Sie mir den bösen Hinweis, der vielleicht schmerzlich ist: Es gehört zum Wesen — sagen Sie: zum Unwesen — der totalitären Staaten, der totalitären Rechtsverächter, politische Zweckmäßigkeit über das Recht zu stellen.
    Noch einmal: wir alle sind tief beeindruckt von der Erregung, die der Gedanke, diese schauerlichen nationalsozialistischen Mordtaten könnten verjähren, in der Welt, auch bei vielen unserer Menschen, ausgelöst hat. Alle, die sich mit der Materie befaßt haben, Juristen, Parlamentarier, Schriftsteller, Journalisten, wußten seit vielen Jahren von dieser Rechtsfolge. Wir haben vor fünf Jahren hier in diesem Hause, als der Ablauf der 15jährigen Verjährungsfrist für alle Straftaten, die nicht mit lebenslangem Zuchthaus bedroht sind, zur Diskussion stand, über die Verlängerung der Verjährungsfrist eingehend verhandelt, nach sehr gründlichen und wertvollen Beratungen des Rechtsausschusses, und haben am Ende überwiegend aus rechtsstaatlichen und verfassungsrechtlichen Gründen die Möglichkeit einer Verlängerung verneint. Seitdem sind keine neuen Gesichtspunkte zutage getreten.
    Also noch einmal: Die staatliche Strafgewalt ist begrenzt. Auch insoweit ist der Staat nicht Herr des Rechts, sondern an das gesetzte Recht gebunden, auch wenn es peinvoll ist, auch wenn es unserem Gefühl widerstrebt. Der Staat kann seine Strafgewalt — so unser Kollege Arndt — nicht nachträglich auf abgeschlossene Tatbestände ausweiten.
    Die Verjährung hat einen tiefen rechtspolitischen Sinn, auch bei den Straftaten, die wir hier im Auge haben. Die Verjährung verzichtet der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens wegen auf die letzte Gerechtigkeit. Ich brauche Ihnen das nicht im einzelnen zu sagen. Mit dem Zeitablauf steigen die Beweisschwierigkeiten für die belastenden und auch für die entlastenden Tatsachen. Die Erinnerung der Zeugen wird unscharf. Und bedenken wir doch: Gerade in unserer Zeit so rascher und so tiefgreifender geschichtlicher Wandlungen — noch niemals in der Weltgeschichte hat es solche politischen, geistigen, wirtschaftlichen, sozialen Änderungen gegeben wie



    Dr. Dehler
    in den letzten 30 Jahren in unserem Lande — wird es für die Richter, besonders für die Laienrichter, immer schwerer, sich in die Umwelt der Zeit der Tat zu versetzen. Die Verjährung schützt ja — der Herr Bundesjustizminister hat es heute vormittag mit Recht gesagt — nicht nur den Schuldigen, sondern schützt jeden Staatsbürger; jeder, auch der Unschuldige, kann beschuldigt werden und kann nach langer Zeit mit der Widerlegung eines Verdachts in Beweisnot kommen. Im Falle der Bejahung der Schuld ist es doch schier unmöglich, eine Strafe zu finden, die zugleich der Tat und dem Täter angemessen ist und die auf der anderen Seite von dem Rechtsgefühl unseres Volkes als notwendige, als gerechte Sühne erachtet wird. — Das Verlangen der Allgemeinheit nach Bestrafung klingt mit der Zeit ab; in unserem Falle ist diese Frage besonders schwierig, ich will noch ein Wort darüber sagen. In der langen Zeit, die seit dem Begehen einer Straftat verstrichen ist — jetzt können es schon 32 Jahre sein —, ist die Persönlichkeit des Täters eine andere geworden, sie hat sich gewandelt. Es ist zu fragen: Was hat ein Beschuldigter heute noch mit der Tat zu tun, die vor 25 Jahren unter ganz exzeptionellen Verhältnissen geschehen ist, — damals vielleicht ein verhältnismäßig junger Mann, der jetzt ein gereifter Mann geworden ist?
    Man sagt, die Verjährungsbestimmungen unseres Strafrechts seien veraltet. Ich sage im Gegenteil, sie sind bewährt. Sie bestehen an sich schon seit 1851, seit Einführung des Preußischen Strafgesetzbuchs, und sind 1871 in das deutsche Strafrecht übergegangen. Sie beruhen auf einer bewährten deutschen Rechtstradition. Wir hätten sie ändern können. Wir haben sie nicht geändert. Wir haben niemals daran gedacht, auch nicht als nach der Aufnahme der deutschen Staatlichkeit die Möglichkeit dazu bestanden hätte. Im Gegenteil, diese Bestimmungen sind nach 1945 nicht nur durch Kontrollratsgesetze der Besatzungsmächte — die doch weitgehend von uns mitbestimmt waren —, sondern auch durch die Gesetze der Länder und dann durch die Gesetze des Bundes aufrechterhalten worden. Noch einmal vor fünf Jahren sind wir auch in diesem Haus zu der Entscheidung gekommen, daß kein Anlaß besteht, sie zu ändern. Wenn man also jetzt ein rückwirkendes Ausnahmegesetz damit begründen will, daß unser Strafrecht Verbrechen solchen Ausmaßes nicht vorausgesehen habe, so trifft das insofern nicht zu, als wir sie schon seit 1945/46 genau gekannt und doch keinen Anlaß gesehen haben, unsere einschlägigen strafrechtlichen Bestimmungen zu ändern.
    Der Hinweis — das ist .das Entscheidende — auf den Ausnahmecharakter dieser Straftaten, auf das Ungeheuerliche, was damals geschehen ist, auf die großen Vernichtungsaktionen, die so unsägliches Unglück über Millionen von Menschen gebracht und so schwere Schuld auf unser Volk geladen haben, — alle diese Erwägungen treffen den objektiven Tatbestand. Aber in jedem Strafverfahren geht es ja um die Schuld des einzelnen, um die Einsicht des Angeklagten, um seine Schuldfähigkeit, um seine Erkenntnis der Rechtswidrigkeit seines Tuns, um seine strafrechtliche Verantwortung. Sie werden
    der Frage, die uns jetzt quält, nur gerecht, wenn Sie an die Schuld des einzelnen denken. Ist die Tatsache nicht bewegend, daß die meisten von denen, die jetzt schwerster Verbrechen beschuldigt werden, vor jener Zeit unauffällige Menschen waren und daß sie nach jener Zeit wieder als Bürger ordentlich gelebt haben? Ich will einmal von denen absehen, bei denen schauerlicher Sadismus in jener Zeit lebendig geworden ist.
    Es ist so billig, zu sagen, das seien menschliche Bestien. Ich muß empfehlen, die Hannah Arendt nachzulesen, die den Eichmann-Prozeß auf das genaueste verfolgt hat, die 3600 Protokollseiten nachgelesen und uns gesagt hat, hier und da habe sie — es ist makaber — hell auflachen müssen über die Dummheit, über die Einfalt dieses Menschen; Eichmann sei ein Hanswurst gewesen.

    (Zuruf des Abg. Metzger.)

    — Hannah Arendt; ich gebe ja nur wieder, Herr
    Metzger. Das darf ich doch noch? — Das ist eine
    Frau, der diese Dinge wirklich nahe gegangen sind.
    Es gibt eine moderne Rechtslehre, die gerade von sehr verantwortungsbewußten Persönlichkeiten der SPD vertreten wird, die sagt, die Willensfreiheit des einzelnen sei sehr zweifelhaft, und die folgert, es gebe kein Schuldstrafrecht, ,der Täter könne nicht bestraft, er müsse geheilt werden, er müsse resozialisiert werden. Wenn Sie diesen Standpunkt zugrunde legten, dann wären Maßnahmen überhaupt nicht möglich; denn eine Wiederholung jener Ausnahmezustände des verbrecherischen Staates, in der diese Schuldiggewordenen wieder schuldig werden könnten, ist doch nicht vorstellbar. Ich bin anderer Meinung. Ich bejahe die Schuld nach unserem Sittengesetz, nach dem Dekalog, nach unserem Strafrecht. Keiner kann sich auf den Befehlsnotstand berufen. Aber ich plädiere doch wahrlich nicht für Naziuntäter, wenn ich das sage, sondern für unser Recht und dafür, daß jeder Täter, daß die Schuld des einzelnen gewertet werden muß auf dem Hintergrund jener Zeit. Der Rechtsstaat war zum Erliegen gekommen; vielleicht wird die Schuld derer, die daran ihren Anteil haben, zu gering bemessen, die Schuld an der Entwicklung zum Jahre 1933, die Schuld am Niedergang der Weimarer Demokratie. Aber der Staat, der dann kam, war ein Verbrecherstaat. Wollen wir das vergessen? Es war ein Staat, an dessen Spitze verbrecherischer Wille am Werke war. Dieser Staat hat Millionen von Menschen für vogelfrei erklärt, die Juden und Schichten der Ostvölker, der Polen, der Russen. Er hat das Todesurteil gesprochen, das dann die Schergen ausgeführt haben. Der Staat hat Verbrechen beschlossen und betrieben. Das müssen wir doch wissen, und nur daran können wir die Schuld der einzelnen messen. Wie kompliziert die psychologischen Verhältnisse lagen, weiß nur, wer damals erlebt hat, wie klein der Schritt war vom Weg des Rechtes zur Bahn 'des Unrechtes, wie rasch einer in die Verstrickung dieses verbrecherischen Staates gekommen ist, wie Menschen, die leben wollten, die mit den Ihren leben wollten, dann auf die abschüssige Bahn schwerster Schuld gekommen sind. Bei allzu vielen waren unsere sittlichen, unsere religiösen, unsere rechtlichen



    Dr. Dehler
    Vorstellungen zurückgedrängt, verdrängt. Die Kirchen schienen mit dem Regime zu paktieren; für viele Gläubige hatten sie ,aufgehört, Maßstab und Halt zu geben. Wer verlangt, daß für die Verfolgung der nationalsozialistischen Verbrechen schärfere Gesetze geschaffen und schärfere gesetzliche Bestimmungen eingeführt werden, wer verlangt, daß der bevorstehende Ablauf der Verjährungsfrist für unbekannt gebliebene Mordfälle hinausgeschoben der aufgehoben wird, übersieht diese unselige Verstrickung, in die eine verbrecherische Staatsführung jene Menschen gebracht hat. Jeder Richter steht vor dieser Frage. Jeder Richter, der verpflichtet ist, das Maß der Schuld des einzelnen zu bestimmen, die gerechte Strafe auszusprechen, kommt in die schwere rechtliche Verlegenheit, die wir kennen. Die häufige Urteilsschelte beruht doch auf dem Unvermögen, hinter der unermeßlichen Schuld des verbrecherischen Regimes das Maß der Schuld des einzelnen Täters, der ohne jenes nie so schuldig geworden wäre, gerecht zu bemessen.
    Ein Gesichtspunkt, der noch nicht vorgetragen worden ist! Für alle in der nationalsozialistischen Zeit begangenen Straftaten mit Ausnahme. dieser Mordfälle, also auch für die ganz schweren Verbrechen des Totschlages, des Raubes, der räuberischen Erpressung und viele andere, gilt das Strafgesetzbuch, gelten die im Strafgesetzbuch festgelegten Verjährungsfristen und die im übrigen durch Ländergesetze in den Jahren 1946 und 1947 festgelegten Zeitpunkte des Beginns der Fristen. Für die Strafverfolgung dieser Taten haben die gleichen Erschwernisse, die gleichen Erwägungen gegolten, die wir heute für die Mordfälle anstellen. Noch einmal: der Bundestag hat eine Änderung vor fünf Jahren abgelehnt. Jetzt allein für die Mordfälle eine Änderung des Strafgesetzbuches schaffen zu wollen, würde nach meiner Überzeugung dem Grundsatz der Gleichheit 'widerstreiten.
    Ich gehe so weit, zu sagen: es ist ein elementarer Grundsatz unseres Strafrechts, daß bei Verschiedenheit des anwendbaren Rechts während der Zeit von der Begehung der Tat bis zur Aburteilung das mildeste Gesetz anzuwenden ist, niedergelegt auch im Strafgesetzbuch in § 2; er gilt auch für die Verjährung. Daran scheitert der Versuch, die Verjährungsvorschriften mit rückwirkender Kraft zu ändern. Der Richter könnte solch eine beschlossene Änderung nicht 'berücksichtigen. In praeteritum non vivitur! Der Richter kann niemals die Tatsache ausschließen, daß in einer bestimmten Zeit, die zwischen Tat und Aburteilung liegt, ein milderes Gesetz gegolten hat, das wegen der Verjährung zur Einstellung des Verfahrens führt. Das kann man nicht nachträglich aus der Welt schaffen. Aus diesem übergeordneten rechtsstaatlichen Grundsatz wäre also der Richter verpflichtet, eine von Ihnen beschlossene Änderung der Verjährungsbestimmungen nicht zu beachten und das frühere, mildere 'Strafgesetz anzuwenden.
    Mit Recht hat Herr Kollege Benda heute darauf hingewiesen, daß dann, wenn man diesen Standpunkt vertritt, aus rechtsstaatlichen Gründen eine rückwirkende Änderung der Verjährungsvorschriften nicht möglich ist. Die Schranke der Artikel 20
    und 79 Absatz 3 des Grundgesetzes ist gegeben, so daß also eine Änderung unseres Grundgesetzes, die in den Anträgen der Fraktion der SPD begehrt wird, nicht möglich ist.
    Es liegt mir auf der Seele, Ihnen diese wesentliche Erwägung nahezubringen, daß es um einen rechtsstaatlichen Grundsatz geht. Dieser rechtsstaatliche Grundsatz hat im Grundgesetz in Artikel 103 Absatz 2 seinen Ausdruck gefunden, der rechtsstaatliche Grundsatz, daß der Gesetzgeber verhindern soll, Gesetze unter dem Eindruck von bereits abgeschlossenen Vorgängen zu erlassen oder zu ändern, also Gesetze auf vorliegende Tatbestände — dieses Wort soll keine abwertende Bedeutung haben — „zuzuschneiden". Das ist die eigentliche Ratio des rechtsstaatlichen Grundsatzes, daß rückwirkende Strafrechtsgesetze nicht möglich sind; das führt dazu, daß die Änderung des Grundgesetzes wegen dieses Verbotes nicht möglich ist.
    Noch ein Wort zu dem Problem, wenn man von Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes ausgeht: Das Verbot der Rückwirkung betrifft bestimmt nicht Regeln des Verfahrens, aber alle anderen Bestimmungen, alle Bestimmungen über die Strafbarkeit, über die Strafandrohung, auch alle Bestimmungen über die gesetzlichen Voraussetzungen eines Strafverfahrens und damit der Strafbarkeit überhaupt. Der Gesetzgeber kann nicht gehindert werden, Bestimmungen zu ändern, die das Wie des Verfahrens betreffen: Voraussetzungen des Haftbefehls, Stellung des Angeklagten im Verfahren, Stellung des Verteidigers im Verfahren, die Beweisregeln. Aber er ist gehindert, Bestimmungen zu ändern, die das Ob des Strafverfahrens ändern, also z. B. das Fehlen eines Strafantrags oder den Grundsatz „ne bis in idem", das ein einmal mit Rechtskraft abgeschlossenes Verfahren nicht wiederholt werden kann, daß nicht noch einmal eine Anklage gegen den Beschuldigten wegen des gleichen Tatbestandes möglich ist. Dazu gehört auch die Bestimmung der Verjährung. Das möchten Sie einmal einem nüchternen Mann plausibel machen: daß der Gesetzgeber zwar gehindert sein soll, auch die geringste Änderung einer Nebenstrafe in einem Gesetz vorzunehmen, daß er aber die Frage, ob ein Strafverfahren durchgeführt wird, ob eine Verurteilung möglich ist, nachträglich ändern darf! Früher waren diese Fragen unbestritten. Noch mein Strafrechtslehrer Beling in München hat den Standpunkt vertreten, daß selbstverständlich Verjährungsfristen materiellrechtlichen Charakters sind, auch im Strafgesetzbuch enthalten sind. Kollege Bucher hat heute vormittag darauf hingewiesen, wann die Wandlung in der Rechtsprechung erfolgt ist: 1942 — eine trübe Erinnerung — bei der Änderung aus Anlaß der Verbrauchsregelungs-Strafverordnung. Wir haben keinen Anlaß, uns daran anzuklammern. Richtig ist der Grundsatz, daß Verjährungsvorschriften sowohl materiellrechtlichen wie prozessualen Charakter haben. Aber mit dieser Schlußfolgerung ist eben der Versuch einer nachträglichen Änderung ausgeschlossen.
    Es trifft auch nicht zu, daß das Bundesverfassungsgericht einen anderen Standpunkt eingenom-



    Dr. Dehler
    men hat. Wenn man die einzelnen Beschlüsse genau überprüft — den Beschluß aus dem Jahre 1951 in Verbindung mit dem hessischen Ahndungsgesetz vor allem —, kommt man dazu, daß dort dieses Problem in Wirklichkeit nicht erörtert worden ist, daß die Zulässigkeit der Verlängerung der Verjährungsfrist überhaupt nicht zur Debatte stand. Die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts neigt sich deutlich dem von mir vertretenen Standpunkt zu. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in einer Entscheidung vom 4. Juni 1957 ausgesprochen, daß die presserechtlichen Verjährungsvorschriften im Sinne der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung zum Gebiet der allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse gehören, also materiellrechtlich sind. Der gleiche Senat hat in einer Entscheidung am 13. November 1962 ausgedrückt, daß die Verjährungsvorschriften im Disziplinarrecht dem materiellen Rechte zugeordnet sind.
    Also meine Meinung: Die Rechtslage ist eindeutig, die Bestimmungen liegen fest. Die Verjährungsfrist für die Strafverfolgung beginnt hier, in der früheren britisch besetzten Zone, am 8. Mai 1945, ebenso in der französisch besetzen Zone. In der amerikanisch besetzten Zone läuft sie am 1. Juli 1965 ab. Wir haben keine Möglichkeit, legitim diese Rechtsfolge zu ändern.
    Es ist die Frage aufgeworfen worden, inwieweit das Völkerrecht für unsere Entscheidung von Bedeutung ist. Es gibt keine Regelung, es gibt kein Abkommen, daß nationalsozialistische Verbrechen von der Verjährung ausgeschlossen werden können. Wir haben im Jahre 1954 nach dem Beitritt der Bundesrepublik zur Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes eine Strafbestimmung in unser Strafgesetzbuch eingeführt, aber nicht mit rückwirkender Kraft, nicht mit Änderung der übrigen strafrechtlichen Bestimmungen, also auch nicht mit Änderung der Verjährungsvorschriften.
    Meine Damen und Herren, man hat heute und hier gesagt, bei dieser unserer Entscheidung offenbare sich die Gesinnungsgrundlage unseres Staates, unserer Menschen, auch dieses Hauses. Müssen wir wirklich beweisen, daß wir das Unrecht einer verbrecherischen Zeit verurteilen? Was können wir beweisen? — Bloß unseren Willen zum Recht, zum Recht, das feststeht, das alle, das auch uns bindet. Ich meine, das ist viel.

    (Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CDU/CSU.)