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ID0417017200

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    Deutscher Bundestag 170. Sitzung Bonn, den 10. März 1965 Inhalt: Nachruf auf den Präsidenten der Bundesre- publik Osterreich Dr. Adolf Schärf . . 8503 A Erweiterung der Tagesordnung 8504 A Glückwunsch zum Geburtstag des Abg Busch 8516 B Fragestunde (Drucksachen IV/3152, IV/3160) Frage des Abg. Dr. Kohut: Entscheidungen der Bundesregierung ohne Anhörung des Parlaments . . . 8504 B Frage des Abg. Fritsch: Förderungswürdiges Gebiet Dr. Langer, Staatssekretär . . . 8504 C Fritsch (SPD) 8504 C Dr. Dittrich (CDU/CSU) 8504 C Frage des Abg. Fritsch: Ausländisches Zellstoffwerk im bayerischen Grenzland Dr. Langer, Staatssekretär . . . 8504 D Fritsch (SPD) 8505 B Dr. Dittrich (CDU/CSU) 8505 C Frage des Abg. Regling: Befreiung von Altenheimen usw. von Ton- und Fernsehrundfunkgebühren Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . . 8505 C Regling (SPD) ... . . . . . . . 8505 D Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Inbetriebnahme von Fernsehfrequenzumsetzern Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . 8506 A Dröscher (SPD) 8506 A Frage des Abg. Schmidt (Kempten) : Hilfe für junge Familien Dr. Heck, Bundesminister . . . . 8506 C Frage des Abg. Kahn-Ackermann: Ferienverschickungsaktion Dr. Schröder, Bundesminister . . . 8506 C Kahn-Ackermann (SPD) . . . . . 8507 A Frage des Abg. Kahn-Ackermann: Lehrer an deutschen Schulen in Argentinien Dr. Schröder, Bundesminister . . . 8507 B Kahn-Ackermann (SPD) 8507 C Frage des Abg. Dr. Mommer: Begrüßung Ulbrichts durch Schiffe der Bundesrepublik im Hafen von Alexandria Dr. Schröder, Bundesminister . . . 8507 D Dr. Mommer (SPD) 8507 D II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. März 1965 Frage des Abg. Dr. Kohut: Hallstein-Doktrin Dr. Schröder, Bundesminister . . . 8508 A Dr. Kohut (FDP) 8508 B Vogt (CDU/CSU) 8508 C Frage des Abg. Dr. Kohut: Anspruch der Bundesregierung auf Alleinvertretung des deutschen Volkes Dr. Schröder, Bundesminister . . . 8508 D Dr. Kohut (FDP) 8509 A Frage des Abg. Unertl: Eigene Fahrpraxis von Richtern in Verkehrsstrafsachen Dr. Bucher, Bundesminister . . . 8509 B Unertl (CDU/CSU) 8509 C Frage des Abg. Kaffka: Feststellungsgesetz Dr. Bucher, Bundesminister . . . . 8509 D Kaffka (SPD) . . . . . . . . . 8510 A Frage des Abg. Dr. Wahl: Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten Dr. Bucher, Bundesminister . . . . 8510 A Fragen des Abg. Langebeck: Gefährdung des Waldbestandes und des Wasserhaushalts im Gebiet um Schweinfurt Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 8510 B Langebeck (SPD) . . . . . . . 8510 C Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Wahlmöglichkeit von steuerpflichtigen Vertriebenen bei der Wiederbeschaffung von Hausrat Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 8511 A Frage des Abg. Schultz: Prämienberechtigte Bausparverträge Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 8511 B Schultz (FDP) 8511 D Dröscher (SPD) . . . . . . . 8512 A Strohmayr (SPD) 8512 B Frage des Abg. Dr. Schmidt (Wuppertal) : Einheitliche . Bewertung halbfertiger Bauten Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 8512 B Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) . 8512 C Frage des Abg. Unertl: Zollbehandlung privater Warensendungen Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 8513 A Unertl (CDU/CSU) . . . . . . . 8513 B Fragen des Abg. Glüsing (Dithmarschen) : Erweiterung der dänischen Hoheitsgewässer — Regelung für Krabbenfischer Schwarz, Bundesminister . . . . . 8513 D Frage des Abg. Varelmann: Arzthonorare und Krankenhauspflegesätze 8514 A Frage des Abg. Folger: Arbeitskräftepolitik als Mittel zur Förderung des Wirtschaftswachstums . . 8514 B Frage des Abg. Fritsch: Einmalige Sonderzuwendungen an über 90 Jahre alte Rentenempfänger Dr. Claussen, Staatssekretär . . . 8514 C Fritsch (SPD) . . . . . . . . . 8514 C Fragen des Abg. Dr. Hauser: Bekämpfung der Raubüberfälle auf Kreditinstitute 8514 D Frage des Abg. Dröscher: Verzögerung bei der Neuberechnung der Berufsschadensrente Dr, Claussen, Staatssekretär . . . 8514 D Dröscher (SPD) . . . . . . . . 8515 A Frage des Abg. Kaffka: Zunahme der Berufsdermatozoen in der metallverarbeitenden Industrie Dr. Claussen, Staatssekretär . . . 8515 B Kaffka (SPD) . . . . . . . . . 8515 C Fragen des Abg. Deneke: Förderung der beruflichen Fortbildung der Angehörigen freier Berufe Dr. Claussen, Staatssekretär . . . 8516 A Bericht des Bundesministers der Justiz über die Verfolgung nationalsozialistischer Straftaten (Drucksache IV/3124) ; in Verbindung mit Entwurf eines Achten Strafrechtsänderungsgesetzes (Abg. Benda, Dr. Wilhelmi, Stingl u. Gen. (Drucksache IV/2965 [neu]) — Erste Beratung —; mit Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. März 1965 III Entwurf eines Gesetzes zur Einfügung eines Artikels 102 a in das Grundgesetz (SPD) (Drucksache IV/3161) — Erste Beratung — und mit Entwurf eines Achten Strafrechtsänderungsgesetzes (SPD) (Drucksache IV/3162) — Erste Beratung — Dr. Bucher, Bundesminister . . . 8516 C Benda (CDU/CSU) 8519 B Dr. Dehler, Vizepräsident . . . 8523 D Hirsch (SPD) . . . . . . . . 8526 D Dr. Barzel (CDU/CSU) 8530 C Jahn (SPD) . . . . . . . . . 8537 C Dr. Dehler (FDP) . . . . . . 8541 C Dr. Dittrich (CDU/CSU) . . . . 8545 B Dr. Arndt (Berlin) (SPD) . . . . 8547 B D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . 8553 B Dr. Dr. h. c. Friedensburg (CDU/CSU) 8553 C Metzger (SPD) . . . . . . . 8556 A Memmel (CDU/CSU) . . . . . 8558 B Busse (FDP) . . . . . . . . 8562 C Dr. von Merkatz (CDU/CSU) . . 8564 C Dr. h. c. Güde (CDU/CSU) . . . 8566 B Erler (SPD) . . . . . . . . 8568 D Antrag betr. Bildung eines Sonderausschusses „Parteiengesetz" (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/3164) Wagner (CDU/CSU) . . . . . . 8571 C Dr. Schäfer (SPD) . . . . . • . 8572 A Entwurf eines Gesetzes über die politischen Parteien (Parteiengesetz) (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/2853) — Erste Beratung — in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes über die politischen Parteien (Parteiengesetz) (SPD) (Drucksache IV/3112) — Erste Beratung — Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . . 8572 C Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 8578 B Schoettle, Vizepräsident 8583 C Dr. Zimmermann (München) (CDU/ CSU) 8583 D Dr. Lohmar (SPD) . . . . . . 8585 D Dorn (FDP) 8588 D Nächste Sitzung 8592 Anlagen 8593 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. März 1965 8503 170. Sitzung Bonn, den 10. März 1965 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr
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    Berichtigungen Es ist zu lesen: 169. Sitzung Seite 8474 A Zeile 1 statt „würden": können; Zeile 3 statt „Es empfiehlt" : Ich empfehle. Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. März 1965 8593 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete() beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Bading * 12. 3. Bazille 12. 3. Berlin 19. 3. Berkhan 12. 3. Blachstein 10. 4. Biechele 15. 3. Dr. Bieringer 12. 3. Dr. Birrenbach 10. 3. Dr. Dr. h. c. Dresbach 15. 3. Felder 12. 3. Dr. Franz 12. 3. Gaßmann 12. 3. Gräfin vom Hagen 12. 3. Hammersen 12. 3. Dr. Kempfler 13. 3. Dr. Kliesing (Honnef) * 12. 3. Klinker * 11. 3. Kriedemann * 12. 3. Dr. Krümmer 12. 3. Krug 10. 3. Kulawig 15. 4. Kuntscher 12. 3. Lenz (Bremerhaven) 29. 3. Leukert 12. 3. Dr. Löhr * 11.3. Lücker (München) * 10. 3. Dr. Löbe 12. 3. Maier (Mannheim) 12. 3. Mauk * 12. 3. Mick 12. 3. Müller (Worms) 12. 3. Dr. Preiß 10. 3. Sander 10. 3. Seidl (München) ' 11. 3. Schlick 12. 3. Dr. Schneider (Saarbrücken) 21. 3. Dr. Schwörer 12. 3. Dr. Starke 12. 3. Strauß 12. 3. Weber (Georgenau) 10. 3. Wehner 20. 3. Weinkamm 13. 3. Wienand 12. 3. b) Urlaubsanträge Dr.-Ing. Balke 31. 3. Bäumer 3. 4. Dr. Dr. Heinemann 26. 3. Marx 26. 3. Ritzel 23. 3. Spitzmüller 27. 3. Dr. Stoltenberg 15. 3. Wilhelm 10. 4. t) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlamentes Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Der Präsident des Bundesrates Abschrift 53 Bonn a. Rh., 5. März 1965 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Bundeskanzleramt Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Bundesrat in seiner 279. Sitzung am 5. März 1965 beschlossen hat, dem vom Deutschen Bundestag am 10. Februar 1965 verabschiedeten Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Bundeskindergeldgesetzes gemäß Artikel 84 Abs. 1 des Grundgesetzes zuzustimmen. Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung gefaßt: „Der Bundesrat begrüßt, daß die Einkommensgrenze für das Zweitkindergeld in Familien mit mehr als zwei Kindern nach diesem Gesetz entfallen wird. Er hält es jedoch für sozialpolitisch unbefriedigend, daß die Einkommensgrenze für den Bezug von Zweitkindergeld für Familien mit zwei Kindern nur unzureichend angehoben wird. Besonders unbefriedigend erscheinen ihm die in der Novelle gesetzten sozialpolitischen Akzente: Einerseits begnügt sich das Gesetz mit einer unzureichenden Anhebung der Einkommensgrenze auf 7800 DM, während andererseits die Ausbildungszulage von monatlich 40 DM ohne Rücksicht auf Einkommensgrenzen gezahlt werden soll. Die weitere Anhebung der Einkommensgrenze für das Zweitkindergeld ist vor allem auch deshalb als Sofortmaßnahme erforderlich, weil Familien mit einem niedrigen Einkommen in der Regel ihre Kinder nur mit Ausbildungshilfen weiterführende Schulen, Fachschulen oder Hochschulen besuchen lassen können. Für viele dieser Familien bringt die Ausbildungszulage nach § 14 a des Gesetzes keine nennenswerte Verbesserung, weil diese Ausbildungszulage auf die Ausbildungsbeihilfen z. B. nach dem Bundesversorgungsgesetz, dem Lastenausgleichsgesetz oder dem Honnefer Modell angerechnet werden muß. Wirtschaftlich besser gestellten Familien jedoch, die für die Ausbildung ihrer Kinder nicht auf Ausbildungsbeihilfen öffentlich-rechtlicher Träger angewiesen sind, werden nach diesem Gesetz für jedes in Ausbildung befindliche Kind zusätzlich monatlich 40 DM gezahlt. Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, das Ausmaß dieser Anrechnungen zu prüfen und in einer Novelle zum Bundeskindergeldgesetz im Rahmen der an anderer Stelle eingesparten Beträge eine weitere Anhebung der Einkommensgrenze für das 8594 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. März 1965 Zweitkindergeld in Familien mit zwei Kindern einzuleiten." Dr. Lemke Vizepräsident Bonn, den 5. März 1965 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 12. Februar 1965 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Dr. Lemke Vizepräsident Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers Höcherl vom 4. März 1965 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Rollmann (Drucksache IV/3101, Fragen VI/1 und VI/2) : Welche Staaten haben bisher das Brüsseler Abkommen über blinde Passagiere vom 10. Oktober 1957 ratifiziert? Beabsichtigt die Bundesregierung dem in Frage VI/1 genannten Abkommen beizutreten? Nach Fühlungnahme mit dem Auswärtigen Amt und dem Herrn Bundesminister für Verkehr, Abteilung Seeverkehr, beantworte ich Ihre Fragen wie folgt: 1. Das internationale Übereinkommen über blinde Passagiere vom 10. Oktober 1957 ist von folgenden Staaten ratifiziert worden: Peru am 23. November 1961, Norwegen am 24. Mai 1962, Schweden am 27. Juni 1962, Italien am 24. Mai 1963, Dänemark am 16. Dezember 1963. Außerdem ist das Königreich Marokko dem Abkommen am 22. Januar 1959 beigetreten. 2. Die Bundesregierung hat ebenso wie eine Reihe anderer Staaten das Abkommen lediglich mit dem Vorbehalt „ad referendum" gezeichnet und damit Bedenken gegen einige Bestimmungen des Abkommens zum Ausdruck gebracht. Zum Inkrafttreten des Abkommens sind 10 Ratifikationen erforderlich. Bislang haben jedoch nur 5 Staaten das Abkommen ratifiziert. Einige der großen Schiffahrt treibenden Nationen haben sich bislang nicht zur Ratifikation entschlossen. Bei dieser Sachlage halte ich es nicht für angebracht, z. Z. dem Bundestag ein Zustimmungsgesetz zum Abkommen vorzulegen. M. E. sollten zunächst die Entschließungen der Mehrzahl der anderen Signatarstaaten abgewartet werden. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 3. März 1965 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Felder (Drucksache IV/3101, Frage XI/9) : Ist der Bundesverkehrsminister bereit, mit der Automobil industrie die obligatorische Ausstattung aller neu zu liefernder Personenkraftwagen zu besprechen? Es werden bereits mit der Automobilindustrie Verhandlungen geführt, die darauf abzielen, alle neu zu liefernden Personenkraftwagen mit den Halterungen zum Anbringen von Sicherheitsgurten für alle Sitzplätze auszurüsten. Eine gesetzliche Pflicht zur Benutzung von Sicherheitsgurten in Personenkraftwagen ist nicht vorgesehen. Anlage 5 Schriftliche 'Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 5. März 1965 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Börner (Drucksache IV/3101, Fragen XI/10, XI/11 und XI/12): Kann die Bundesregierung die Vorwürfe entkräften, die in dem Artikel „Ist Fliegen Glücksache?" in der Zeitschrift „Kristall", Heft 4 1965, gegen die Flugsicherung in der Bundesrepublik erhoben worden sind? Sind die in dem in Frage XI/10 erwähnten Artikel gemachten Angaben über die Besetzung der Radarkontrollen Frankfurt (Main), Hannover und München richtig? Was ist unternommen worden, um ähnliche Vorfälle, wie sie am Schluß des in Frage XI/10 erwähnten Artikels im Hinblick auf Gefährdung von Passagierflugzeugen durch Militärflugzeuge geschildert werden, künftig zu verhindern? Herr Kollege Börner, bevor ich auf die Vorwürfe gegen die Flugsicherung in *dem Artikel „Ist Fliegen Glücksache" in Nr. 4 der Illustrierten „Kristall" eingehe, erscheint mir ein Hinweis auf die Aufmachung der Bildseite vor dem Textteil dieses Artikels wichtig. Sie zeigt unter der Überschrift „Die Flugsicherung ist ihrer Aufgabe nicht gewachsen" drei unbesetzte Radar-Arbeitsplätze der Flugsicherung in Frankfurt und darüber, jedem leeren Radarschirm zugeordnet, eine Phase eines Flugzeugzusammenstoßes. Daß diese Radargeräte im Zeitpunkt der Aufnahme unbesetzt waren, bestreite ich nicht; sie waren nämlich, wie die Abbildung bei näherem Hinsehen zeigt, noch im Aufbau. Diese unsachliche und dazu wahrheitswidrige Montage ist meiner Auffassung nach für den anschließenden Textteil kennzeichnend. Inzwischen habe ich die neue Anflugkontrolle Frankfurt, zu der diese Geräte gehören und die mit den modernsten Einrichtungen ausgestattet ist, am 12. November 1964 dem Betrieb übergeben — und seit dem 2. Dezem- Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. März 1965 8595 ber 1964 sind diese Geräte besetzt. Die Entwicklung der Flugsicherung ist also bereits über die gezeigte Darstellung hinweggegangen. Das gleiche gilt auch für den anschließenden Bericht über das angebliche Chaos am deutschen Himmel. Die einzelnen Vorwürfe gegen die Flugsicherung in dem Artikel „Ist Fliegen Glücksache" sind genau die gleichen wie in dem Artikel „Ist Fliegen bei uns gefährlich", den die „Frankfurter Rundschau" am 21. April 1964 gebracht hat. Ich habe seinerzeit ausführlich im Bulletin der Bundesregierung vom 29. April 1964 dazu Stellung genommen. Auch in meiner Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP vom 29. April 1964 zu den Behauptungen in dem gleichen Artikel habe ich die Lage der Flugsicherung eingehend dargelegt. Ich darf dazu auf Bundestagsdrucksache IV/2264 verweisen. Schließlich habe ich in der Fragestunde in der 128. Sitzung dieses Hohen Hauses am 4. Juni 1964 Fragen zu Vorwürfen beantwortet, die in dem vorliegenden Artikel wiederholt werden. In dem Artikel werden u. a. auch Differenzen mit der DAG erwähnt. Diese sind in einem vor mir mit Herrn Spaethen am 19. August 1964 geführten Gespräche bereinigt. Der Inhalt des Artikels ist also veraltet. Ich habe auch die Frage der Radar-Besetzungszeiten in der Vergangenheit bereits mehrfach beantwortet. Bei geringem Verkehrsanfall bzw. zur Nachtzeit, wenn nur wenige Luftfahrzeuge das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland überfliegen, das von den drei Bezirkskontrollstellen Frankfurt, Hannover und München kontrolliert wird, ist die Besetzung sämtlicher Radar-Arbeitsplätze betrieblich nicht notwendig. Zu diesen Zeiten geringer Verkehrsdichte ist die erforderliche Flugsicherheit durch Anwendung der herkömmlichen Kontrollverfahren ebenso gewährleistet. Die technische Wartung der Anlagen erfolgt planmäßig in den betriebsschwachen Zeiten. Um den oft gegensätzlichen Forderungen des zivilen und des militärischen Luftverkehrs zu genügen, wurde das Konzept einer gemeinsamen zivil/ militärischen Luftraumnutzung entwickelt, wobei die Verkehrskontrolle bei der Bundesanstalt für Flugsicherung liegt. Heute wird bereits die Anflugkontrolle von mehr als 1/3 der militärischen Flugplätze von der Bundesanstalt für Flugsicherung wahrgenommen. Die Integrierung schreitet in allen Teilen der Bundesrepublik Deutschland planmäßig fort. Sie wird noch in diesem Jahre für den süddeutschen Raum durch Inbetriebnahme einer im Aufbau befindlichen integrierten Anflugkontrolle in München verwirklicht. Die bei der Bundesanstalt für Flugsicherung errichtete Verbindungsstelle der Bundeswehr hat bei der Planung und Durchführung der zivil/militärischen Integrierung erfolgreich mitgewirkt und sich hervorragend bewährt. In der Zwischenzeit ist von allen dazu berufenen Stellen hart gearbeitet worden, um die deutsche Flugsicherung auf allen ihren Teilgebieten fortzuentwickeln und zu verbessern. Die Bundesanstalt für Flugsicherung hat in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr einen 10-Jahresplan für den weiteren Ausbau der Flugsicherung aufgestellt, der von mir in Kürze dem Kabinett vorgelegt werden wird. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Ernst vom 5. März 1965 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Fritsch (Drucksache IV/3101, Frage XII/4) : Wie beurteilt die Bundesregierung den Sachverhalt, daß trotz des Rundschreibens des Bundeswohnungsbauministeriums vom 28. März 1963 betreffend die Anwendung des § 35 des Bundesbaugesetzes an die zuständigen Länderminister die Bautätigkeit im niederbayerischen Raum durch die häufig zu enge Auslegung des Bundesbaugesetzes erheblich eingeschränkt wird? Dem Bundesministerium für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung ist nicht bekannt, daß die Bautätigkeit in Niederbayern auch heute noch durch eine zu enge Auslegung der Vorschrift des § 35 des Bundesbaugesetzes behindert wird. Nach den vorliegenden Berichten sind sowohl durch mein Rundschreiben vom 28. März 1963 als auch durch die von mehreren Ländern, auch von Bayern, veröffentlichten Runderlasse die anfänglich verschiedentlich aufgetretenen Schwierigkeiten immer mehr verringert worden. Das gilt nach Auskunft der Bayerischen Obersten Baubehörde auch für Niederbayern. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Dollinger vom 26. Februar 1965 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dorn (Drucksache IV/3101, Frage XIII/4): Wie hoch sind die haushaltsmäßigen Belastungen, die auf den Bund zukommen, wenn alle Forderungen erfüllt werden müssen, die die Stadt Bonn in mittelbarem und unmittelbarem Zusammenhang mit dem Verkauf des Gronau-Stadions für die geplanten Parlamentsneubauten genannt hat? Die Frage kann ich heute noch nicht beantworten. Die vom Bundesschatzministerium im letzten Jahr mit der Stadt Bonn im Zusammenhang mit der Errichtung eines Bürogebäudes für den Deutschen Bundestag in der Gronau geführten Verhandlungen wurden durch die Kommunalwahlen des vergangenen Herbstes und den Wechsel im Amt des Oberstadtdirektors unterbrochen. Sie sollen nunmehr wieder aufgenommen werden. Auf Wunsch des Herrn Oberstadtdirektors Dr. Hesse habe ich den Herrn Bundesminister der Finanzen und den Herrn Bundesminister des Innern zu einem Gespräch eingeladen, bei dem Oberstadtdirektor Dr. Hesse selbst die Bedingungen darlegen will, unter denen die Stadt Bonn zum Verkauf des vom Bund in der Gronau benötigten Baugeländes bereit ist.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ewald Bucher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wiederhole, was ich bei meinen ersten Ausführungen gesagt habe: daß ich jetzt an dieser Stelle nicht namens der Bundesregierung spreche, sondern meine eigenen Gedanken vortrage.
    Ich gebe zunächst meiner Freude darüber Ausdruck, daß diese Debatte bis jetzt in einer so äußerst sachlichen und vornehmen Atmosphäre verlaufen ist. Sie können mir glauben, daß mir das wohltut, nachdem ich außerhalb dieses Hauses ganz erheblich mit Dreck beworfen worden bin. Aber es ist tatsächlich, wie Herr Kollege Barzel sagte, ein Gebot für dieses Haus, daß wir uns in dieser Sache gegenseitig gelten lassen und keiner dem anderen einen Vorwurf macht.
    Ich möchte das auch für mich in Anspruch nehmen. Ich habe von Anfang an erklärt, daß ich die Motive derer, die anderer Ansicht sind, würdige und daß ich diese Motive für genauso edle Motive halte wie die meinen und die meiner Freunde. Gerade deshalb habe ich auch immer zum Ausdruck gebracht, daß die Entscheidung dieses Hauses, gleich wie sie ausfallen möge, hingenommen und die von ihm beschlossene Regelung durchgeführt werden muß. Wenn es nach mir ginge, sollte man nach dem 8. Mai dieses Jahres — gleichgültig wie die Entscheidung ausfällt — über dieses Thema, jedenfalls für das nächste halbe Jahr, nicht mehr reden.
    Herr Kollege Benda hat mir, um das noch vorwegzunehmen, ein etwas zweifelhaftes Kompliment gemacht, indem er sagte, er bekomme Zuschriften, in denen es heiße: Wenn der Bundesjusitzminister



    Bundesminister Dr. Bucher
    das sagt, wird das schon stimmen. Ich versichere Ihnen, Herr Kollege Benda, ich habe meinerseits nichts dazu getan, einen solchen Eindruck zu erwekken. Wenn ich vielleicht etwas zu apodiktisch meinen Rechtsstandpunkt vertreten habe, so stehe ich nicht an, zu erklären — und ich habe das auch in der letzten Zeit öfter erklärt; ich bin mir bewußt, daß viele, auch prominente Juristen diesen Standpunkt nicht teilen —, daß er ,sehr umstritten ist. Aber ich glaube, es hat wenig Sinn, wenn wir gegenseitig unsere juristischen oder sonstigen Hilfstruppen aufmarschieren lassen, d. h. der Ausdruck „Hilfstruppen" ist etwas unwürdig für akademische Professoren. Als Mitstreiter möchte ich nur solche für mich in Anspruch nehmen, die wirklich selber sich mit den Dingen befaßt und dazu Artikel geschrieben oder Vorträge gehalten haben.
    Aber ich halte wenig davon, wenn z. B. an den Herrn Bundestagspräsidenten, an den Bundeskanzler, an mich und an den ganzen Bundestag ein offener Brief versandt wird, der von über 100 Professoren unterzeichnet ist, wenn ich in diesem offenen Brief folgendes sehe. Der zweite Satz lautet in dem maschinengeschriebenen Text: „Der Gedanke, daß von diesem Zeitpunkt an alles Furchtbare, das vor 1945 geschehen ist, ungeahndet bleiben soll". Diese Stelle ist mit Tinte verbessert worden, und es heißt dann in der endgültigen Fassung: „Der Gedanke, daß von diesem Zeitpunkt an Furchtbares, das vor 1945 geschehen ist, ungeahndet bleiben soll." Ich weiß nicht, in welchem Moment und nach wieviel Unterschriften die Korrektur vorgenommen
    » wurde. Sie sehen daraus, von wie falschen Vorstellungen solche Petenten oft ausgehen.
    Oder: ich habe gelesen, daß im Storting, dem norwegischen Parlament, eine Petition in dem Sinne eingebracht worden ist, man möge auf die Bundesregierung einwirken, daß sie sich gegen den Eintritt der Verjährung ausspricht, und zur Begründung hat ein Abgeordneter wieder den alten Satz gebracht, es wäre unerträglich, wenn Bormann nach dem 8. Mai bei uns auftauchte.
    Deshalb sage ich: ich möchte mich nur auf Äußerungen von Personen berufen, die sich wirklich eingehend mit der Sache befaßt haben. Im übrigen enthebt uns auch die Zustimmung oder die Ablehnung noch so prominenter Juristen oder Politiker nicht der Verpflichtung, uns selber in eigener Veranwortung, wie Herr Kollege Barzel gesagt hat, uns unsere Meinung zu bilden.
    Die Gründe meiner Ablehnung einer Verlängerung durch ein rückwirkendes Gesetz wurzeln in Grundfragen des Rechts überhaupt. Wir müssen uns entscheiden, ob wir dem verständlichen Ruf nach lückenloser Sühne für die verabscheuungswürdigen Verbrechen der NS-Zeit folgen oder ob wir dem alten rechtsstaatlichen Satz treu bleiben wollen, daß jedes rückwirkende Gesetz auf dem Gebiete des Strafrechts von Übel ist. Beide Grundsätze, die Rechtssicherheit einerseits und die materielle Gerechtigkeit andererseits, haben Verfassungsrang. Darin stimme ich mit Herrn Benda vollkommen überein. Ich bezweifle zwar, ob man davon sprechen kann, daß unser heutiger Rechtsstaat im Unterschied
    zum Rechtsstaat des 19. Jahrhunderts so ein Rechtsstaat neuer Art sei. Aber im Ergebnis, daß beide Grundsätze — Rechtssicherheit und materielle Gerechtigkeit — Verfassungsrang haben, sind wir, glaube ich, einig.
    Das Bundesverfassungsgericht hat das wiederholt ausgesprochen und dabei idem Gesetzgeber die Freiheit zuerkannt, sich im Einzelfall zwischen diesen beiden Postulaten zu entscheiden und innerhalb gewisser Grenzen die materielle Gerechtigkeit oder die Rechtssicherheit zurücktreten zu lassen. Der materiellen Gerechtigkeit, also dem Bedürfnis nach Sühne ,den Vorrang einzuräumen, kann aber nur dann sinnvoll sein, wenn wir 'der Überzeugung sein dürften, daß die Verlängerung der geltenden Verjährungsfrist wirklich der Gerechtigkeit zu einem überzeugenden Sieg verhelfen würde. 'Gerade diese Überzeugung habe ich nicht.
    Ich 'sehe mit Sorge, wie die NS-Verfahren alle Beteiligten, vor allem aber die Gerichte, vor immer unlösbarere Aufgaben stellen. Die Wahrheitssuche wird schon durch den zunehmenden Ausfall von Zeugen, aber auch durch das nachlassende Erinnerungsvermögen der Zeugen wie der Angeklagten immer schwieriger. Anklage wie Verteidigung sind in einem sonst unbekannten Ausmaß dadurch erschwert, daß wichtige Belastungs- und Entlastungszeugen nicht mehr auffindbar sind, nicht mehr bereit oder in der Lage sind, sich zu erinnern. Die Urkundenbeweise sind oft fragmentarischer .Art und erlauben kein umfassendes Bild. Für 'das 'Schwurgericht mit seinen drei Berufsrichtern und sechs Geschworenen wind es immer schwieriger, sich in erforderlichem Maße in die Einzelheiten eines furchtbaren Zeitgeschehens völlig anomaler Art hineinzuversetzen. Hohe Anerkennung gebührt den Richtern, Staatsanwälten und Verteidigern, die sich diesen ungeheuren Anforderungen stellen. Aber die geschilderten Schwierigkeiten werden in immer steigendem Maße dazu fuhren, daß Angeklagte freigesprochen werden, weil das Gericht die verbliebenen Beweise nicht für ausreichend hält, um sich von einer Mordschuld zu überzeugen.
    Mit wachsendem Unbehagen bemerkt die Öffentlichkeit, wie selbst in den Fällen, in denen das Gericht zu einem Schuldspruch kommt, das Strafmaß in einem für das Gerechtigkeitsgefühl fast unerträglichen Mißverhältnis zu der Schwere der Beschuldigung steht. Aber gerade diese Erscheinung beruht nicht zuletzt darauf, daß, wie ich vorhin betonte, auch für die Verteidigung die .Situation erschwert ist. Wenn einem Angeklagten in klaren Tatsachen vorgehalten wird, er habe die und die Morde auf dem Gewissen, so kann der Angeklagte einwenden: „Aber ich habe auch sehr vieles getan, um z. B. andere Menschenleben zu retten. Das müßt ihr mir zugute halten. Aber ich kann es heute nicht mehr beweisen." Aus diesem Beweisnotstand kommen wir, ob man das idem Angeklagten nun glaubt oder nicht, dann zu solchen, oft befremdlich erscheinenden milden Urteilen.
    Es ist primitiv und ungerecht, in solchen Fällen einfach die Schwurgerichte mit Vorwürfen zu belasten. 'Die Gerichte können und dürfen einen Ange-



    Bundesminister Dr. Bucher
    klagten nur mit der Strafe belegen, ,die dem nachgewiesenen Tatbeitrag und dem nachgewiesenen Maß seiner Schuld entspricht.

    (Beifall bei der FDP.)

    Aus dieser Situation heraus kommt das ominöse Wort: Wir müssen mit Mördern leben. Ein Wort eines Kollegen aus diesem Hause, dem ich ungewollt zu Weltgeltung verholfen habe, aber beileibe nicht in dem fahrlässigen Sinne, der mir offenbar auch von Herrn Jaspers unterstellt wird, war, ich hätte einfach leichthin gesagt: Es macht doch nichts aus, mit einigen Mördern mehr oder weniger zu leben. Der Nachdruck lag vielmehr auf dem „müssen" ; wir mass e n es.
    Einmal ist — das ist heute schon gesagt worden — alles verjährt, was nicht Mord ist. Ich habe mich bisher die ganze Zeit mit diesem Komplex befaßt und viele Berichte gelesen, u. a. die entsetzliche Schilderung aus dem Warschauer Getto: Ein Kind hat sich ein Stück Brot verschafft. Der Bewacher sieht das. Das Kind bettelt um sein Leiben. Der Bewacher sagt zu ihm: „Du wirst dein Leben behalten. Aber du wirst nicht mehr schmuggeln." Daraufhin schießt er dem Kind beide Füße ab. — Ist so etwas besser als ein Mörder? Und das können wir heute auch nicht mehr verfolgen.
    Zweitens. Es ist eine Tatsache, daß viele Mörder von alliierten Gerichten abgeurteilt und nach sehr kurzer Zeit wieder freigelassen worden sind. Ich verzichte hier darauf, Namen zu nennen. Sie kennen diese Namen. Aber einen muß ich doch nennen, Herrn Veesenmayer, der in dem Prozeß gegen Hunsche und Krumey als Zeuge auftrat, obwohl er wahrscheinlich größere Schuld auf sich geladen hat als die beiden dort Angeklagten. Das gleiche gilt auch für deutsche Gerichte. In Hessen wurde ein Euthanasiearzt Gorgass verurteilt und nach verhältnismäßig sehr kurzer Zeit wieder begnadigt. Mit diesen Mördern leben wir auch zusammen.
    Schließlich: Ich habe schon auf die Schwierigkeit der Gerichte hingewiesen, mit diesen Dingen fertig zu werden. In der „Stuttgarter Zeitung" vom 15. Februar — die „Stuttgarter Zeitung" ist bestimmt nicht dafür bekannt, verjährungssüchtig zu sein — findet sich ein Bericht über den Treblinka-Prozeß, und es wird dort sehr eindringlich und bildhaft geschildert, wie die Zeugen, diese bedauernswerten Menschen, die das Entsetzliche, das sie erlebt haben, vor Gericht wieder auspacken müssen, nicht in der Lage sind, dem Richter zu antworten, wenn er sagt: Ich möchte Einzelheiten haben; ich möchte wissen: War das derjenige, der geschossen hat, den man Frankenstein hieß? Darauf sagen die Zeugen: Ja, das können doch wir nicht sagen, ob der geschossen hat; das könnten die sagen, die er umgebracht hat; wir sind ja durch eine glückliche Fügung dem Schicksal entgangen, wir leben noch, wir haben nicht gesehen, was der hinter seiner Wand getrieben hat. Am Schluß wird hier dann angedeutet, daß auch einige der Treblinka-Angeklagten dem Urteilsspruch gelassen entgegensahen.
    Schließlich viertens: Können wir uns damit begnügen, einfach zu sagen: Das sind die Mörder, die
    jetzt hier auf der Anklagebank sitzen und dann verurteilt werden? Als ich in München studierte, gab es einen Professor — doppelter Doktor, der Rechtswissenschaft und der Theologie —, der Staatsrecht las und der uns Studenten in jeder Stunde vom „Charisma" des Führers vorschwatzte. Man wird nicht sagen können, daß er das unter Druck getan habe; denn Griechisch zu reden, haben die Nazis niemanden gezwungen. Nun, Charisma, das bedeutet allerhand. Ein Mann, der mit Charisma begabt ist, der hat es natürlich auch in der Hand, Todesurteile auszusprechen. Und nun überlege man sich: nun kam die Euthanasie, und das nächste Glied in der Kette ist ein Film, der damals lief, ein nicht nur raffiniert, sondern ein auch künstlerisch gemachter Film mit dem Titel „Ich klage an". Dieser Film war eindeutige Propaganda dafür, daß lebensunwertes Leben doch besser vernichtet würde. Jetzt sitzen diejenigen, die sich an diesen Aktionen als ausführende Tabletten- oder Spritzengeber beteiligt haben, auf der Anklagebank, und wir sagen — vorausgesetzt, daß sie verurteilt werden —: Mit diesen Mördern oder Mörderinnen wollen wir nicht zusammenleben. Aber mit dem Herrn Professor, dem wir heute noch begegnen können, führen wir ein interessantes Fachgespräch, und mit dem Herrn Regisseur, der heute noch existiert, unterhalten wir uns bei einem Cocktail in angenehmer Weise. Mit Mördern jedoch wollen wir nicht leben. Ich meine, diese Haltung ist das, was Thielicke als die Unbußfertigkeit des eigenen Gewissens bezeichnete.

    (Beifall bei der FDP.)

    Ich kann dem Herrn Kollegen Unertl nicht so ganz unrecht geben, wenn er sagt, daß die Befürchtung bestehe, daß wir wieder eine Art Entnazifizierung betrieben. Sicherlich, das heutige Thema hat mit Entnazifizierung selbstverständlich nichts zu tun. Aber was hat es dann für einen Sinn, wenn im „Spiegel" in drei Nummern hintereinander erwähnt ist, daß der als Bundesrichter vorgeschlagene Herr Loesdau SA-Mann — nicht mehr und nicht weniger — war? Oder war es sehr angebracht, daß wir uns ernsthaft darüber unterhielten, ob Herr Schüle deshalb als Leiter der Ludwigsburger Stelle weiterhin tragbar sei, weil er einfacher Parteigenosse und SA-Mann gewesen sei? Es drängt mich wirklich, an dieser Stelle zu sagen: Ist denn das alles nichts wert, was dieser Mann in sechseinhalb Jahren getan hat?

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Ist das alles deshalb nichts wert, weil er SA-Mann und Parteigenosse war? Ich glaube, so viele Morddrohungen wie Herr Schüle hat keiner von uns ins Haus geschickt bekommen. Und er hat das, was er getan hat, sicher nicht nur getan, um etwa ein früheres Nazitum zu tarnen.
    Das erinnert mich manchmal an das bekannte Wort von Lenin, der ja von den revolutionären Fähigkeiten der Deutschen nicht viel hielt und sagte, wenn man deutsche Revolutionäre beauftrage, einen Bahnhof zu stürmen, dann lösten sie zuerst eine Bahnsteigkarte. Aber auch Lenin hat nicht daran gedacht, daß man mit dieser Bahnsteig-



    Bundesminister Dr. Bucher
    karte noch nach zwanzig Jahren sich Zugang zum Bahnhof verschaffen wollte.

    (Zurufe.)

    Natürlich würde es mir sehr schlecht anstehen, hier zu sagen: „Es ist schade, daß wir keine Revolution gehabt haben." Denn eine Revolution ist ja ein höchst ungerechter Vorgang.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Bitte etwas mehr Niveau, Herr Minister!)

    Aber ich glaube, wir müssen uns an das Wort erinnern, das Theodor Heuss geprägt hat, der die Kollektivschuld des deutschen Volkes abgelehnt, aber gesagt hat, man müsse von einer „Kollektivscham" sprechen. Das, glaube ich, ist die richtige Haltung, von der wir ausgehen müssen, von der wir auch bei diesen Fragen ausgehen müssen. Wir können nicht dahin kommen, daß, wie es Golo Mann formulierte, eine Hälfte der Nation über die andere Hälfte der Nation zu Gericht sitzt.
    Ich bitte das Hohe Haus, mich richtig zu verstehen. Ich rede nicht denen das Wort, die überhaupt Schluß machen wollen mit diesen Verfahren. Ich gehe davon aus, daß die Gerichte sich den schweren Aufgaben stellen, die das geltende Recht ihnen vorschreibt. Ich will aber verhindern, daß ein die Verjährung verlängerndes Gesetz diese Belastungen der Gerichte noch vermehrt.
    Es ist meine Überzeugung, daß man dadurch, daß man den geltenden Gesetzen ihren Lauf läßt, letzten Endes auch der Gerechtigkeit am besten dient.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Aus diesen Erwägungen glaube ich nicht daran, daß eine rückwirkende Verlängerung der laufenden Verjährungsfristen ein eindeutiges Gebot der Gerechtigkeit ist.
    Ich komme nun zu einem weiteren Punkt, der die Entscheidung so besonders schwer macht. Ich sehe ihn darin, daß nach meiner rechtlichen Überzeugung, die von vielen geteilt wird, eine Grundgesetzänderung nötig ist, wenn man die Fristen rückwirkend verlängern will. Ich möchte versuchen, in aller Kürze den wesentlichen Stand der verfassungsrechtlichen Diskussion wiederzugeben.
    Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes hat dem alten Rechtsgrundsatz „Nulla poena sine lege" Verfassungsrang gegeben. Über ,die Auslegung dieser Vorschrift haben sich vor allem drei Auffassungen gebildet.
    Die eine Auffassung, die am profiliertesten wohl von Herrn Kollegen Dr. Arndt vertreten wird oder vertreten worden ist, entnimmt dem Art. 103 Abs. 2 ein besonders strenges Verbot. Nach ihr soll jede der Tat nachfolgende Kompetenzerweiterung, jede Vermehrung der Staatsgewalt und des staatlichen Strafanspruchs im besonderen verboten sein. Es liegt auf der Hand, daß hierunter auch die Verlängerung laufender Verjährungsfristen fällt.
    Nach dieser Auffassung, die das Rechtsstaatprinzip des Grundgesetzes besonders ernst nimmt, wäre
    also eine Verlängerung der laufenden Verjährungsfristen durch den einfachen Gesetzgeber auf jeden Fall unzulässig.
    Diese Auffassung hat aber noch eine weiterreichende Konsequenz, auf die, glaube ich, der Kollege Benda schon hingewiesen hat. Wenn man nämlich in dem Art. 103 Abs. 2 einen Sonderfall des in Art. 20 verankerten Rechtsstaatsprinzips erblickt, so wird es zweifelhaft, ob diese Bestimmung angesichts der Garantie für das Rechtsstaatsprinzip in Art. 79 des Grundgesetzes durch eine Grundgesetzänderung überhaupt durchbrochen werden darf.
    Im äußersten Gegensatz zu dieser Meinung steht die Auffassung, Art. 103 Abs. 2 fordere nur, daß vor der Tat ein bestimmter Straftatbestand mit einer bestimmten Strafdrohung ausgesprochen sein müsse; kurz, nur das Ob und Wie der Strafbarkeit müsse vor der Tat gesetzlich festliegen.
    Diese Auslegung läßt eine Verlängerung der Verjährungsfrist durch den einfachen Gesetzgeber. zu. Sie beruft sich auf einen Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 18. September 1952. Dort hat das Bundesverfassungsgericht dargelegt, daß Art. 103 Abs. 2 dem hessischen Ahndungsgesetz nicht entgegenstand, das lediglich die Vorschriften über die Hemmung der Verjährung nachträglich ergänzte — Vorschriften über die Hemmung der Verjährung währung des Dritten Reiches, über die unter Politikern oder Juristen noch nie eine Meinungsverschiedenheit bestanden hat. Für unsere Frage ist dieser Beschluß nicht unbedingt von abschließender Bedeutung.
    Ich muß in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, daß das frühere Reichsgericht bis 1942 immer den anderen Standpunkt, also die sogenannte materiell-rechtliche Auffassung, vertreten hat und daß es erst 1942 — es wird behauptet, unter dem Einfluß Freislers; das kann ich nicht nachprüfen, aber die Zeit und der Anlaß sprechen schon dafür — anläßlich einer Entscheidung über die Verbrauchsregelungsstrafverordnung, wo das „Bedürfnis" bestand, die Verjährungsfrist rückwirkend zu verlängern, sich zu der prozessualen Theorie bekannt hat. Ich will beileibe nicht unserem Bundesgerichtshof oder unserem Bundesverfassungsgericht vorwerfen, sie würden nationalsozialistische Rechtsprechung fortsetzen, sondern ich will nur sagen, daß es bei dieser Entstehungsgeschichte und diesem Verlauf durchaus möglich ist, daß die Rechtsprechung entsprechend der überwiegenden Auffassung der Rechtslehre wieder zur materiell-rechtlichen oder zum mindesten zur gemischten Theorie zurückkehrt.
    Nach einer dritten Auffassung schließlich erstreckt sich das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot auf sämtliche materiell-rechtlichen Vorschriften des Strafrechts. Nach dieser Lehre wäre eine Verlängerung laufender Verjährungsfristen durch den einfachen Gesetzgeber verfassungswidrig, wenn die Verjährung zum materiellen Strafrecht zu rechnen ist.
    Diese Frage nun ist umstritten, und man kann für sie auch nicht, wie der Herr Abgeordnete Hirsch



    Bundesminister Dr. Bucher
    getan hat, .aus der Begründung zum Strafrechtsentwurf etwas entnehmen. Dieser Entwurf stellt sich auf den Boden der gemischten Theorie. Man wollte bewußt die Verjährungsvorschriften in das materielle Strafrecht bringen und hatte dies damit begründet, daß auf jeden Fall das ausgeschlossen werden soll, was man im Dritten Reich auch zu tun bereit war, nämlich eine bereits abgelaufene Verjährungsfrist wieder in Gang zu setzen. Aus diesem Passus kann aber nicht gefolgert werden, daß der Entwurf des Strafgesetzbuchs auf dem Standpunkt stehe, eine rückwirkende Verlängerung einer noch nicht abgelaufenen Frist sei möglich. Es war vielmehr von vornherein vorgesehen, das Gegenteil davon im Einführungsgesetz zum Ausdruck zu bringen. Im übrigen gibt es den § 2 Abs. 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs, der bestimmt, daß bei Verschiedenheit der Gesetze von ,der Tat bis zur Aburteilung das jeweils mildere Gesetz ,anzuwenden ist. Daß in diesem Sinne das Gesetz mit der kürzeren Verjährung das mildere ist, darüber dürfte kein Zweifel bestehen.
    Ich will aber das Hohe Haus nicht weiter mit juristischen Einzelheiten belasten, mit denen ja das Plenum zum Teil sicher überfordert ist, vor allem in der ersten Lesung. Gleichviel, welcher der dargelegten Auslegungen man folgt, — sicher scheint mir jedenfalls nach dem heutigen Stande der verfassungsrechtlichen Diskussion folgendes zu sein: Nachdem so bedeutsame Stimmen sowohl von Gegnern als auch von Anhängern der Verlängerung eine Grundgesetzänderung für 'erforderlich gehalten haben,- wäre es ein erhebliches verfassungsrechtliches Risiko, die Frist durch ein einfaches Gesetz zu verlängern.
    Lassen Sie mich diese verfassungsrechtlichen Ausführungen mit einem Hinweis beschließen, der für meine ablehnende Haltung von großem Gewicht ist. Wenn man sich schon entschließen würde, die Bedenken gegen die Verlängerung um der materiellen Gerechtigkeit willen zurückzustellen, und wenn man sich weiter entschließen würde, zu diesem Zweck auch das Grundgesetz zu ändern, so bleibt die gravierende Tatsache, daß diese Änderung einen besonders empfindsamen Punkt unserer Verfassung betreffen würde. Es ist nun einmal ein Unterschied, ob man die Gesetzgebungskompetenz des Bundes erweitert, ob man diese oder jene Verwaltungs- oder Gerichtszuständigkeit in dieser oder jener Richtung verschiebt oder ob die Grundgesetzänderung die Reichweite des Satzes „nulla poena sine lege" betrifft. Dieser Satz ist nämlich zutiefst im allgemeinen Rechtsbewußtsein verwurzelt. Er blickt auf eine große Tradition in .der Rechtsentwicklung zurück und hat in den Verfassungen fast aller deutschen Länder ebenso wie in der Menschenrechtskonvention seinen Niederschlag gefunden.
    Der Sinn dieses Satzes ist nicht, wie manchmal obenhin gesagt wird, eine Magna Charta des Verbrechers darzustellen. Auch das hat Herr Kollege Benda in dankenswerter Weise bereits richtiggestellt. Ich möchte aber nochmals darauf eingehen, weil oft gesagt wird: Der Verbrecher hat doch keinen Anspruch darauf, daß ihm die Verjährungsfrist, die bestand, als er seinen Mord beging, auf
    jeden Fall erhalten bleibt. Selbstverständlich hat der Verbrecher keinen Anspruch darauf. Aber vor Gericht und vor dem Staatsanwalt und vor der Polizei steht zunächst einmal nicht ein Verbrecher, sondern ein Bürger, gegen den ermittelt und der dann eventuell angeklagt wird. Es ist ebenso ein alter Rechtsgrundsatz, ein Verfassungsgrundsatz, daß sich jeder Bürger so lange als unbestraft fühlen und bezeichnen kann, solange er nicht rechtskräftig verurteilt ist.

    (Abg. Dr. Schäfer: Sie reden zu einer ganz anderen Sache!)

    — Ich rede dazu, daß es sich hier nicht 'um eine Magna Charta des Verbrechers 'handelt, sondern um eine Magna Charta des Staatsbürgers.

    (Abg. Metzger: Aber Sie verhindern auch, daß festgestellt wird, ob er ein Verbrecher ist!)

    — Um das geht es ja. Der Staatsbürger wird vor Gericht gestellt, und da wird es festgestellt.

    (Abg. Metzger: Nein, Sie verhindern es mit der Verjährung!)

    — Das ist das Wesen jeder Verjährung. Dann müssen Sie das Institut der Verjährung überhaupt abschaffen, wenn Sie auf diesem ;Standpunkt stehen.
    Nehmen Sie doch allein die Zahlen, die auch der Bericht gibt! Hier ergibt sich, daß bei 12 000 erhobenen Anklagen etwa in der Hälfte der Fälle
    — 6100 — verurteilt worden ist. Damit ist festgestellt, daß sich bei vielen nachher herausgestellt hat, daß es keine Verbrecher waren, und für die gilt diese Magna Charta mindestens genauso, wie für den, der sich nachher als Verbrecher herausstellt.
    Besonders eindrucksvoll hat diesen rechtlichen Sachverhalt Herr Professor Grünwald ,aus Bonn in einer Stellungnahme wiedergegeben. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten möchte ich diese paar Sätze zitieren:
    Art. 103 Abs. 2 hindert den Gesetzgeber, für Taten, die zur Tatzeit zwar verboten, nicht aber von einem Strafgesetz erfaßt waren, rückwirkend Bestrafung anzuordnen; das ist ,unbestritten. Das Rückwirkungsverbot hindert den Gesetzgeber weiter — das ist fast einhellige Meinung —, die Strafe nachträglich zu verschärfen.
    — Ich kann also nicht sagen, wenn eine Straftat mit höchstens fünf Jahren Zuchthaus bedroht ist: Ich verschärfe sie für eine bereits begangene Tat auf zehn Jahre. —
    Man wird schwerlich behaupten können, daß die rückwirkende Erhöhung einer Höchststrafe für ein Verbrechen von fünf auf zehn Jahre Zuchthaus deshalb verboten sei, weil damit das Vertrauen des Verbrechers bei seiner Tat darauf, daß es nach spätestens fünf Jahren wieder frei sei, mißachtet würde. In der Stellungnahme der Hamburger Strafrechtslehrer ist erklärt, daß wir keinen Grund hätten, den Mörder, der auf die Verjährung vertraue, in seiner Kalkulation nicht zu enttäuschen. Ebenso aber ließe sich sagen, daß wir unbedenklich die Kalkula-



    Bundesminister Dr. Bucher
    tion dessen, der meint, er werde ,sich durch sein Verbrechen nicht mehr als fünf Jahre Zuchthaus „einhandeln", durchkreuzen können.
    Man ist sich also darüber einig, daß man die Strafe nicht nachträglich verschärfen kann. Da muß ich doch fragen: Soll es dann möglich sein, nachträglich die Strafbarkeit überhaupt wieder zu bestimmen, wenn sie nach der Gesetzeslage, die zur Zeit der Begehung der Tat bestand, nicht mehr vorhanden gewesen wäre? Nach Grünwald ist der Sinn des Rückwirkungsverbots vor allem, „den Gesetzgeber zu hindern, seine Gesetze unter dem Eindruck geschehener Taten aufzustellen". Ich glaube, das ist wirklich der hauptsächliche, der maßgebende Gesichtspunkt.
    Ich habe Ihnen meine rechtspolitischen und verfassungsrechtlichen Sorgen gegen eine Verlängerung der laufenden Verjährungsfristen vorgetragen. Sie gelten nach meiner Auffassung genau in dem gleichen Umfang auch gegen eine nachträgliche Hemmung. Ich kann mir Ausführungen dazu sparen.
    Aber noch ein grundsätzliches Wort zum Schluß! Professor Jaspers sagt in seinem Interview: „Das Recht ist überall in der Welt begründet auf einen politisçhen Willen." Ich möchte umgekehrt sagen: Das Recht ist der Politik vorgegeben.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Das Recht kann nicht von politischen Erwägungen bestimmt werden, weder von innen- noch von außenpolitischen. Wir hatten einen verbrecherischen Staat. Dessen sind wir uns bewußt. Wir können nicht leichthin sagen, so etwas werde nie wieder vorkommen, sondern wir müssen dafür sorgen, daß das nie wieder vorkommt. Um das alber zu erreichen, sind die geeigneten Instrumente nicht die Gerichte, nicht die Tribunale. Vor dem Tribunal steht der einzelne Täter. Das Gericht muß feststellen: Hat dieser einzelne Täter das getan, was damals von Staats wegen in entsetzlichen Befehlen angeordnet worden ist? — Ein Staat und ein Volk selber können nicht vor dem Tribunal Recht nehmen. Das Volk kann nur vor dem Tribunal der Geschichte sein Recht nehmen. Das kann es aber nur, wenn es sich streng an die Grundlagen seines Rechts hält.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Jahn.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Gerhard Jahn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß meiner tiefen Enttäuschung über das Ausdruck geben, was der Herr Bundesjustizminister in der letzten halben Stunde zur Debatte beigetragen hat.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Nicht nur, daß wir weit von den überzeugenden
    und ausgezeichneten Worten der Begründung abgekommen sind, die der Kollege Benda heute morgen zum Thema gefunden hat, sondern, Herr Minister, nachdem ich bis heute morgen noch der Meinung war, ungefähr zu ahnen, welches die Gründe dafür sind, daß Sie gegen eine Verlängerung der Verjährungsfristen sind, ist es Ihnen jetzt gelungen, mir restlos unklar zu machen, wo Ihre waren Motive und Ihre wahren Begründungen liegen.

    (Abg. Dr. Schäfer: Sehr richtig!)

    Damit haben Sie der Debatte und damit haben Sie der Sache keinen Dienst geleistet.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Abg. Dorn: Jetzt warten wir auf Ihren Dienst!)

    — Seien Sie nicht so ungeduldig!
    Ich glaube nicht, daß mit der Fülle von möglichen Argumenten, die der Herr Bundesjustizminister hier zusammengetragen hat, in dieser Frage die Antwort und die Entscheidung gefunden werden kann, die dieses Haus zu finden und zu treffen hat. Ich bin in Sorge darüber, daß manches von dem, was hier an sogenannten rechtspolitischen Gründen angeführt worden ist, die gegen eine Verlängerung der Verjährungsfristen sprächen, auch manches von den Argumenten — ich werde mich damit noch auseinanderzusetzen haben —, die vorher hier vorgebracht worden sind, uns doch sehr nahe in den gefährlichen Bereich jener Überlegungen bringt, von denen bisher alle hier gesagt haben, daß das nicht die Grundlage unserer Entscheidung sein soll, nämlich das Bemühen, etwa eine zweite Entnazifizierung einzuführen oder eine zweite Entnazifizierung vorzunehmen. Um die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten, die vorhandenen Schwierigkeiten, die einzelnen Fälle aufzuklären, die Schwierigkeiten, die Wahrheit im Einzelfalle zu erforschen, wissen wir wohl. Aber wir sollten sie nicht in solcher Weise in den Vordergrund der Überlegungen stellen, wie der Herr Bundesjustizminister es hier getan hat, aus dem einfachen Grunde, weil wir sonst Gefahr laufen, die entscheidende Frage aus dem Auge zu verlieren, und der Herr Minister hat doch ein lebendiges Beispiel dafür geliefert.
    Die entscheidende Frage ist doch: Soll das ungeheuerliche Ausmaß an Verbrechen, wie sie in dieser Form, in dieser Größenordnung, in dieser Grausamkeit in der Geschichte einmalig sind, einfach mit nur juristischen Erwägungen beantwortet werden, oder sind wir aufgefordert, hier auch und in erster Linie eine politisch-moralische Entscheidung zu treffen?

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, um diese politisch-moralische Entscheidung kommen wir nicht dadurch herum, daß wir hier sagen, der Rechtsstaat sei den politischen Entscheidungen vorgegeben. Das ist, wie einer meiner Kollegen soeben mit Recht gesagt hat, auch ein schillerndes Wort. Niemand von uns möchte eine Lösung und strebt eine Lösung an, die die Grundsätze des Rechtsstaates außer acht läßt, im Gegenteil. Aber ich fürchte, wir würden die Rolle der Juristen in dieser Auseinandersetzung verkennen, wenn es nicht ihr Auftrag wäre, dabei zu hel-



    Jahn
    fen, eine Lösung zu finden, und nicht das Gegenteil zu tun.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Wir haben uns bemüht, zu dieser Debatte und zu dieser Auseinandersetzung unseren Beitrag zu leisten, indem wir eine solche Hilfe Ihnen mit unseren beiden Anträgen vorgelegt haben. Meine Damen und Herren, ich meine — darüber kann in den Einzelheiten nicht hier gesprochen werden, aber darüber wird in diesem Haus, in seinen Ausschüssen und darüber hinaus, zu sprechen sein —, wenn es richtig ist, daß es ernsthafte verfassungsrechtliche Bedenken gibt, dann sollte allein die Tatsache, daß es solche Bedenken gibt, uns zu der Antwort nötigen: Dann müssen wir sie nicht nur achten, sondern nach Wegen suchen, wie man trotz dieser Bedenken zu einer Lösung findet. Wir meinen, unser Vorschlag, das Grundgesetz in dieser oder meinetwegen — lassen Sie uns darüber sprechen! — anderer Form zu ändern, so zu ändern, daß es diesen Bedenken Rechnung trägt und sie ausräumt, ist ein Ausweg. Er soll — das ist unser Wille — auch all denjenigen hier im Hause helfen, ihre Bedenken zu überwinden, die sie aus solchen rechtsstaatlichen Erwägungen haben.
    Meine Damen und Herren, ich hoffe sehr, daß das zutrifft, was Herr Kollege Dr. Barzel zu diesem Thema vorhin gesagt hat: daß niemand in diesem Hause ist, aber auch wirklich niemand, der das Bedürfnis hat, sich hinter rechtsstaatlichen Bedenken etwa mit anderen Motiven zu verstecken.
    Einige Bemerkungen zu dem, was Herr Kollege Barzel hier gesagt hat, scheinen mir notwendig zu sein. Ich stimme in vollem Umfang mit ihm überein, wenn er sagt: In dieser Frage hat das Parlament in besonderem Maße — so wie auch sonst — seine politische Führungsrolle zu übernehmen und zu erfüllen. Es ist die Aufgabe dieses Hauses — und ich glaube, heute ist ein besonderer Tag, an dem wir es in besonderem Maße deutlich machen können —, in einer Frage von so hohem politischem und moralischem Rang den Weg zu weisen und die Überzeugungskraft auch im eigenen Volke wirksam werden zu lassen, die notwendig ist, um die allseitige Einsicht in die Notwendigkeiten der hier geforderten Entscheidungen herbeizuführen und zu fördern. Ich würde es aber für gefährlich halten, wenn wir uns in dieser Debatte mit Sätzen begnügten, die in solcher Form nicht stehenbleiben dürfen. Sicherlich ist es richtig, wenn Herr Dr. Barzel sagt, daß Hitler das deutsche Volk mißbrauchte. Aber dieser Satz ist nur eine Hälfte der Wahrheit.

    (Abg. Dr. Barzel: Herr Kollege Jahn, zitieren Sie in dieser schwierigen Situation bitte ganz korrekt! Ich habe gesagt: Er hat auch große Schuld vor dem deutschen Volk. Das ist etwas anderes als das, was Sie soeben gesagt haben. Bleiben Sie bitte ganz korrekt, Herr Kollege!)

    — Auch große Schuld vor dem deutschen Volk, und er hat es mißbraucht.

    (Abg. Dr. Barzel :Er hat ein Stück Idealismus und vaterländischer Gesinnung mißbraucht; das ist mein Wortlaut!)

    — Das Wort von dem Mißbrauch des deutschen Volkes ist auch dabeigewesen, nicht nur mit den Einschränkungen, die Sie jetzt machen.

    (Abg. Dr. Barzel: Vielleicht machen wir nachher eine pädagogische Stunde, damit klar ist, was das sprachlich bedeutet! — Abg. Dr. Schäfer: Wenn Sie eine brauchen, Herr Barzel, können wir es gern machen!)

    Mir geht es darum, hier deutlich zu machen, daß wir mit solchen Formulierungen nicht etwa — ich will das Herrn Kollegen Dr. Barzel gar nicht unterstellen, sondern ich möchte einen Beitrag zur Klärung dieser Frage leisten — —

    (Abg. Dr. Dittrich: Dann nehmen Sie es doch genau; Sie zitieren ihn doch! — Abg. Dr. Barzel: Fangen Sie doch an zu klären! Jetzt sind Sie beim Polemisieren, Herr Jahn!)

    — Ich möchte einen Beitrag dazu leisten, daß diese Dinge einmal klar ausgesprochen werden, daß nämlich dieser Mißbrauch nicht möglich gewesen wäre, ohne daß sich eine allzu große Zahl von einzelnen ihrer Verantwortung nicht mehr bewußt gewesen wären, und daß wir nicht nur an die Verantwortlichkeit und den Mißbrauch durch einen einzelnen erinnern dürfen, sondern daß wir die Verantwortlichkeit jedes einzelnen in diesem Zusammenhang nicht übersehen dürfen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es ist auch gefährlich, hier von dem Recht auf politischen Irrtum zu sprechen. Gewiß, das Recht auf politischen Irrtum wird man jederzeit aufrechterhalten müssen, auch — und da stimme ich durchaus mit Ihnen überein — als einen Bestandteil unserer Freiheit. Aber wir haben es hier gar nicht mit dem Recht auf politischen Irrtum zu tun. Diejenigen, mit denen wir uns hier zu beschäftigen haben, sind Mörder gewesen, sie sind Mörder in der einfachen Form des Kriminellen gewesen, wie wir sie nach unserer Strafrechtsordnung kennen, und für sie kann doch dieses Wort von dem Recht auf den politischen Irrtum nicht gelten; denn es gibt Dinge, über die man sich nicht irren kann. Wer mordet — ob er es unmittelbar tut oder ob er es vom Schreibtisch aus getan hat, Herr Kollege Dr. Barzel —, der kann dabei nicht irren, der kann sich über das, was er getan hat, nicht im unklaren gewesen sein.