Rede von
Josef
Bauer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß, daß es zur Ordnung dieses Hauses gehört, nicht mit einem vorbereiteten Konzept hier heraufzugehen. Hätte ich heute eines, dann würde ich Ihnen, Herr Präsident, die Rede übergeben, um Sie endlich zu erläsen, damit diese Debatte zu Ende wäre.
Aber ich habe leider kein vorbereitetes Konzept. Infolgedessen erlauben Sie mir, daß ich so schnell, wie das überhaupt nur möglich ist, noch ein paar Dinge sage.
Herr Kollege Schmidt, was glauben sie eigentlich, wird man in der deutschen Landwirtschaft denken, wenn man 'dort die Rede, die Sie heute gehalten haben, einmal in Ruhe nachliest? Sie wird sich dann fragen: Ist das der konstruktive Beitrag der deutschen 'Sozialdemokratie zur deutschen und europäischen 'Landwirtschaftspolitik?
Wissen Sie, warum ich Ihnen diese Frage stelle? Ich stelle Ihnen die Frage deshalb, weil Sie in ,einen großen Aufwand von Worten und tragisch gefüllten Ausführungen zwei Dinge eingepackt haben, die schlicht und einfach nichts anderes bedeuten als praktisch die Zustimmung Ihrer Fraktion zu der von der Bundesregierung gefundenen Vereinbarung.
Sie sagten einmal, Herr Kollege Schmidt — ich habe es mir genau notiert —: „Der Steuerzahler wird sicher bereit sein, das Seinige zum Ausgleich beizutragen." Das war die eine Aussage. Das ist positiv, und ich danke Ihnen dafür.
Es gibt eine zweite Aussage: Die SPD macht der Bundesregierung und der Koalition keinen Vorwurf ob dieser Einigung.
Herr Schmidt, das sind eigentlich die beiden einzigen Kernsätze. Wenn man sie aus Ihrer Rede herausschält, sind sie die versteckte und verdeckte Zustimmung zu einer Einigung, .die allerdings von uns herbeigeführt worden ist. Ihr ganzer Ärger muß offensichtlich nur .daraus ,entstanden sein, daß Sie sehr spät geschaltet und nicht gemerkt haben, daß der Zug mit dieser Angelegenheit für Sie abgefahren war.
Herr Kollege Schmidt, über die ganze Tragikomödie des ersten Teils Ihrer Rede will ich nichts mehr sagen. Ich habe heute nacht einmal eine Stunde nicht geschlafen. Da habe ich mir gedacht, — —
— Ich bin bald 50, Herr Kollege, und da kommt das manchmal vor. Herr Kollege Schmidt, da habe ich darüber nachgedacht: Was wird der Kollege Schmidt heute zum besten geben? Ich habe mir überlegt, womit beginne .ich nun die Erwiderung auf seine Rede. Und wissen Sie, was mir da eingefallen ist? Etwas viel Freundlicheres als eine Grabrede oder .etwas Ähnliches. Ich bin zu Lehar gekommen. Sie kennen doch die Operette in der es heißt: immer nur lächeln und immer vergnügt. Bei ihnen müßte man sagen: immer nur grollen und niemals vergnügt; und wenn ich an Ihr Bauernherz .appelliere, dann müßte ich noch ,den Schlußsatz hinzufügen: doch niemals zeigen, wie's drinnen aussieht.
Denn fin Wahrheit, lieber Kollege Schmidt — ich kenne Sie nun seit elf Jahren —, sind die zwei vorhin herausgepickten Sätze Ihr Bekenntnis zu dieser Vereinbarung, und es paßt weder zu Godesberg noch zu Karlsruhe, daß plötzlich in so kurzer Zeit dieser Bundeskanzler und diese Bundesregierung eine solche Vereinbarung hier auf den Tisch legen konnte.
Eine weitere Konsequenz werden die deutschen Bauern aus Ihrer Rede herauslesen. Ich bin der festen 'Überzeugung, sie werden zu dem Schluß kommen, daß es um die deutsche Landwirtschaft nicht allzu schlecht bestellt sein wird, im Gegenteil, daß für diese deutsche Landwirtschaft und ihre Zukunft gesorgt ist, wenn diese unsere Agrarpolitik auch über das Jahr 1965 fortgesetzt werden kann. Das ist eine weitere Konsequenz, die man daraus herauslesen kann.
7560 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 152. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1964
Bauer
Herr Kollege Schmidt, eines habe ich auch nicht verstanden. Wen wollten Sie denn eigentlich bei Ihren Ausführungen, die nach Brüssel gerichtet waren, ermuntern? Die anderen, uns das Leben dort noch schwerer zu machen?
Besteht die sozialdemokratische Agrarpolitik nur darin, Wasser auf die Mühlen der anderen zu gießen, oder ist es nicht so, daß Sie auch ein bißchen an die deutsche Position denken sollten?
Damit, lieber Herr Kollege Schmidt, will ich zum Ernst des Problems und zu dem Ernst, der diesem Hause angemessen ist, zurückkehren. Ich will Gesagtes nicht mehr wiederholen. Ich will nur für meine Freunde von der Landesgruppe nochmals besonders betonen, daß wir die erfolgreichen Bemühungen des Bundeskanzlers im Zusammenwirken mit der Koalition und dem Berufsstand auf einem wichtigen Teilgebiet der europäischen Politik begrüßen. Wir sehen von uns aus darin einen erneuten Beweis deutscher Bemühungen um ein politisch und wirtschaftlich zu einigendes Europa. Dieser deutsche Beitrag, um nicht sagen zu müssen: dieses große Opfer, das insbesondere unserer Landwirtschaft hier zugemutet wird — jetzt passen Sie gut auf, Herr Kollege Schmidt, wir kritisieren auch, wir, die CSU —, ist uns deshalb so schwer geworden, weil wir glauben, daß der uns hier aufgezwungene agrar- und wirtschaftspolitische Weg falsch ist. Wir halten jede Umwandlung von bisherigen echten Einkommen in Hilfen der öffentlichen Hand dort, wo sie irgend vermeidbar sind, für verhängnisvoll. Diese Politik allerdings, meine sehr verehrten Kollegen, kann in diesem Hause nur kritisiert werden. Die Weichen für sie werden in erster Linie von der Kommission in Brüssel und vom Ministerrat in Brüssel gestellt. Deshalb sprechen wir es aber hier in diesem Hause an.
Lassen Sie mich etwas Weiteres hinzufügen. Wenn wir unsere Landwirte als freie und selbständige Unternehmer erhalten wollen, müssen wir uns darum bemühen, in erster Linie über Kosten- und Preisgestaltung zu helfen, statt sie immer stärker in die Abhängigkeit der öffentlichen Hand zu drängen.
Dies gilt allerdings, Herr Kollege Schmidt, auch für manche übertriebenen sozialpolitischen Vorstellungen. Ich habe schon im März dieses Jahres darauf hingewiesen, daß nach unseren Vorstellungen Sozialhilfen in der Landwirtschaft und bei den Selbständigen schlechthin dort ihre Grenze haben, wo sie die Unabhängigkeit und die Selbständigkeit des bäuerlichen Betriebs zu gefährden beginnen. Dies gilt selbstverständlich nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für den übrigen Wirtschaftsbereich.
Wir haben es bisher in unserer nationalen Agrarpolitik fertig gebracht, ein günstiges Verhältnis — das sage ich auch an die Adresse dieses Landwirtschaftsministers, der heute so kritisiert und so angegriffen worden ist — von echtem Einkommen zu öffentlichen Hilfen zu erhalten. Wir möchten deshalb
die Bundesregierung und unsere Kollegen im EWG-Parlament um so mehr bitten, dafür zu sorgen, daß auch die europäische Agrarpolitik auf diesen Kurs unserer bisherigen politischen Vorstellungen gebracht wird.
Die CDU/CSU hat Ihnen eine Entschließung auf Umdruck 532 *) vorgelegt, die eine Dokumentation unserer Vorstellungen für die laufenden Verhandlungen in Brüssel darstellt. Mit Rücksicht auf die Zeit erspare ich mir, darauf einzugehen. Sie liegt Ihnen vor und wird zu Protokoll genommen. Ich glaube auch, der Großteil der Kollegen, die jetzt hier sitzen, kennen unsere Vorstellungen; ich brauche sie nicht noch einmal vorzutragen. Sie reichen von der Aktualisierung der Getreidepreise bei ihrem Inkrafttreten im Jahre 1967 bis hin zu der Vorstellung — bezüglich der Regionalisierung —, daß schließlich und endlich das Verhältnis der einzelnen Getreidesorten untereinander und daß eine entsprechend harmonisierte Verkehrspolitik entscheidende Voraussetzungen für das Inkrafttreten eines gemeinsamen Preises sind.
Aber so sehr uns die Verhandlungen um den Getreidepreis zur Zeit bewegen, möchte ich doch darauf hinweisen — ich glaube, auch Sie, Herr Kollege Schmidt, haben in Ihrem SPD-Pressedienst darauf hingewiesen —, daß es nach den vorliegenden Äußerungen von den verschiedensten Seiten nicht ausgeschlossen erscheint, daß auch andere Produktenpreise auf den Verhandlungstisch kommen. Die Rede ist da von allem möglichen, von Milch und Fleisch. Ich brauche wohl nicht zu betonen, daß damit Einkommensteile für unsere Landwirtschaft angesprochen sind, die in weiten Gebieten der Bundesrepublik 80 und 90% des gesamten landwirtschaftlichen Einkommens überhaupt darstellen.
Deshalb sei die — hoffentlich unbegründete — Sorge ausgesprochen, daß es auf diesem Feld nicht zu weiteren schwerwiegenden Problemen für unsere Landwirtschaft kommt. Sollte dennoch ein umfangreicheres Verhandlungspaket in Brüssel zustandekommen, so sei nur am Rande daran erinnert, daß es dann auch deutsche Wünsche gibt, die wir gern auf dem Tisch sehen. Ich darf etwa nur auf die marktgerechte Festsetzung des Orientierungpreises für die Rinder, auf die Absicherung des Erzeugermilchpreises, insbesondere durch die Fortgewährung des Förderungszuschlages, und schließlich auf die bisher fehlende Bereitschaft der Kommission verweisen, eine gewisse Ordnung und Regelung etwa des Hopfenmarktes in Angriff zu nehmen. Ähnlich liegen die Dinge bei der noch bevorstehenden Zuckermarktordnung und bei der Regelung des Zuckerrübenpreises.
Mein Kollege Struve hat über die zusätzlichen Maßnahmen des Jahres 1965 gesprochen. Sie wissen, daß es auch Vorstellungen für das Jahr 1966 gibt, wonach eine weitere Aufstockung, Herr Kollege Schmidt, hoffentlich mit Ihrem und mit unserem
*) Siehe Anlage 3
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 152. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1964 7561
Bauer
Zutun, erfolgen soll. Auch über den Einsatz dieser Mittel gibt es bereits erste Überlegungen.
Für die CDU/CSU möchte ich hier schon erklären, daß wir diese Mittel im wesentlichen in Richtung Agrar- und Marktstruktur eingesetzt wissen wollen. Aus den vier in der Zwischenzeit bekanntgewordenen Vorschlägen zur Verbesserung der Marktstruktur oder zu einem Marktstrukturfondsgesetz wird hoffentlich ein von allen Kreisen der Wirtschaft gutgeheißener und .von uns verabschiedeter Gesetzesvorschlag werden, der uns die Möglichkeit gibt, diesen Fonds aufzubauen und in Richtung Marktstruktur einzusetzen und zu nutzen.
Auf dem Feld der Agrarstruktur möchte ich neben der Verstärkung der bisherigen Maßnahmen insbesondere die Mittel hervorheben, die wir bisher für die von der Natur benachteiligten Gebiete ausgegeben haben. Auf diesem Gebiet stellen wir uns ein Mehr vor.
Gleichzeitig darf ich bei dieser Gelegenheit neue Initiativen meiner Fraktion auf dem Gebiet der Strukturpolitik, der Agrarstrukturpolitik ankündigen.
Alles Entgegenkommen aber, alles Bemühen zur Vereinheitlichung der Preissysteme in Brüssel bleibt nach unserer Auffassung Stückwerk, wenn nicht in der Harmonisierung der Kostenelemente Fortschritte erzielt werden. Der Klimmzug, den wir jetzt machen müssen, wäre unnötig, wenn in dieser Richtung mehr erreicht worden wäre. Wir möchten deshalb die Kommisison erneut ermuntern, ihre so oft überschäumende Aktivität in dieser Richtung einzusetzen. Denn ohne Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen und ohne Angleichung der Kosten wären gemeinsame Preise ein Dach ohne soliden Unterbau.
Als die sich anbahnende Einigung über einen deutschen Beitrag zur Angleichung der Getreidepreise bekannt wurde, fehlte es nicht an Anerkennung für den Bundeskanzler, die Koalition und die deutsche Landwirtschaft. Bald aber meldeten sich die Kritiker, die Zweifler und die Besserwisser zu Wort. Meine Damen und Herren, darunter sind sehr viele, die vorher nicht oft und laut genug sagen konnten: Macht endlich voran mit dieser Preisharmonisierung! Jetzt, wo der Vorschlag da ist, kommen ihnen plötzlich die Bedenken und die Zweifel, und sie würden am liebsten rückwärts wieder aus dem Geschirr herausgehen. Das sei diesen Kreisen einmal ins Tagebuch geschrieben. .
Meine Damen und Herren, angesichts der politischen Bedeutung dieses Schrittes für die europäische Einigungspolitik und in Abwägung des Spielraums, den die weit fortgeschrittene Integration in der europäischen Landwirtschaft überhaupt noch ließ, halten wir die erreichte Lösung trotz der geäußerten grundsätzlichen Bedenken für eine optimale Lösung.
Lassen Sie mich noch ein Wort hinzufügen: Sie ist nach unserer Auffassung weder zu früh noch zu spät gekommen, sondern, wie wir meinen, im richtigen Augenblick, sowohl was die Wirkung nach innen als auch was die Wirkung nach außen anlangt. Bezüglich der Wirkung nach innen insofern, als
endlich die Verdächtigungen ausgeräumt sind, als wollten wir Entscheidungen ausweichen oder sie über bestimmte Termine hinausschieben oder als fehlte es uns, der Koalition, an dem Mut zu schweren Entschlüssen. Regierung und Bauernstand haben sich, so meine ich, der Bedeutung dieses Beschlusses gewachsen gezeigt. Und wir danken beiden dafür.
Was die Wirkung nach außen betrifft, so konnten wir insbesondere unseren Partnern in der EWG auf diese Weise wieder einmal beweisen, daß die Bundesrepublik in Gesinnung und Tat europäisch denkt und europäisch handelt. Wir haben den sehnlichen Wunsch, daß dieser mutige Schritt und dieses erneute Opfer der deutschen Land- und Volkswirtschaft von den anderen EWG-Staaten gewürdigt wird und zu konstruktiven, in eine gute gemeinsame Zukunft gerichteten Beschlüsse führt.