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    Deutscher Bundestag 15 2. Sitzung Bonn, den 10. Dezember 1964 Inhalt: Glückwunsch zum Geburtstag des Abg. Wittmer-Eigenbrodt . . . . . . . 7509 A Erweiterung der Tagesordnung 7509 A Fragestunde (Drucksachen IV/2810, IV/2824) Frage des Abg. Jahn: Verwandtenbesuche in der SBZ — Zwangsgeldumtausch Dr. Mende, Bundesminister . . . 7509 D Jahn (SPD) 7509 D Fragen des Abg. Stingl: Durchsuchungen des Echo-Verlages, Berlin, und weiterer Stellen durch die Berliner Polizei Dr. Bucher, Bundesminister 7510 A, B, C, D, 3511 A, B, C, 7512 A, B, C Stingl (CDU/CSU) . . 7510 A, 7511 A, B Müller (Berlin) (CDU/CSU) . . . . 7510 C Liehr (SPD) 7510 C, 7512 C Benda (CDU/CSU) . . 7510 D, 7512 A, B Memmel (CDU/CSU) . 7511 C, D, 7512 A Vizepräsident Dr. Dehler . 7511 D, 7512 C Jahn (SPD) . . . . . . . . . 7512B, C Frage des Abg. Dröscher: Benachteiligung alter Mitbürger durch vorzeitige Auszahlung ihrer Lebensversicherung Dr. Bucher, Bundesminister . . . . 7512 D, 7513 A, B, C Dröscher (SPD) 7513 A Könen (Düsseldorf) (SPD) . . . 7513 B Dr. Hamm (Kaiserslautern) (FDP) . 7513 C Fragen des Abg. Dr. Kohut: Kaufkraft der Deutschen Mark Dr. Langer, Staatssekretär . . . . 7513 D, 7514 A, B, C, D, 7515 A, B, D, 7516A, B, C Dr. Kohut (FDP) . . . . 7513 D, 7514 A, 7515 A, B, D Schmidt (Braunschweig) (SPD) . . . 7514 A Vogt (CDU/CSU) . . . . 7514 B, 7516 A Könen (Düsseldorf) (SPD) . . 7514 C, D Wehner (SPD) 7516 B Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) . 7516 C Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Verbesserung des Schutzes der Versicherungsnehmer Dr. Langer, Staatssekretär . . . . 7516 D, 7517 A, B Dr. Müller-Emmert (SPD) . . . . 7517 A, B Frage des Abg. Dr. Rinderspacher: Strukturwandel der südbadischen Landwirtschaft Schwarz, Bundesminister . . . . 7517 C, D, 7518 A, B, C Dr. Hauser (CDU/CSU) . 7517D, 7518 A Geiger (SPD) . . . . . . . . . 7518 A Reichmann (FDP) . . . . . . . . 7518 B Dr. Rinderspacher (SPD) . . . . . 7518 C II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 152. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1964 Frage des Abg. Dr. Rinderspacher: Landwirtschaft in der oberrheinischen Tiefebene Schwarz, Bundesminister . . . . 7518 C, D, 7519 A, B Dr. Rinderspacher (SPD) . . . . . 7518 D Dr. Hauser (CDU/CSU) . 7518 D, 7519 A Reichmann (FDP) 7519 B Frage des Abg. Fritsch: Gesamtwirtschaftliche Erschließung des Bayerischen Waldes Schwarz, Bundesminister . . . . 7519 C, D, 7520 A, B, C Fritsch (SPD) 7519 D, 7520 A Balkenhol (CDU/CSU) . . . . . 7520 A Sander (FDP) . . . . . . . . 7520 B Lautenschlager (SPD) . . . . .7520 C Frage des Abg. Dröscher: Landwirtschaftliche Familienbetriebe in Rheinland-Pfalz — Winzerverein Merxheim-Meddersheim Schwarz, Bundesminister 7520 D, 7521 B, C Dröscher (SPD) . . . . . . . 7521 A, B Gibbert (CDU/CSU) . . . . . . . 7521 C Frage des Abg. Dröscher: Ausbildungsbeihilfen für Studierende an den Höheren Landbau- und Weinbauschulen in Rheinland-Pfalz Schwarz, Bundesminister . 7521 D, 7522 A Dröscher (SPD) . . . . 7521 D, 7522 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1964 (Nachtragshaushaltsgesetz 1964) (Drucksache IV/2755) ; Schriftlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksache IV/2829) — Zweite und dritte Beratung — Schoettle (SPD) 7522 B Dr. Conring (CDU/CSU) 7524 C Dr. Emde (FDP) . . . . . . . 7527 A Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 7529 C Leicht (CDU/CSU) 7535 A Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 7537 A Entwurf eines Vierten Umstellungsergänzungsgesetzes (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache IV/2808) ; Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen IV/2831, zu IV/2831) — Zweite und dritte Beratung — 7539 C Schriftlicher Bericht des Außenhandelsaus- , schusses über die von der Bundesregierung beschlossene Einhundertundzweite Verordnung zur Änderung des deutschen Zolltarifs 1963 usw. (Drucksachen IV/2816, IV/2833) 7539 D Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung vom 2. Dezember 1964 Struve (CDU/CSU) 7540 A Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . 7544 A Schmücker, Bundesminister 7552 B 7564 B Ertl (FDP) 7554 D Bauer (Wasserburg) (CDU/CSU) . . 7559 B Schwarz, Bundesminister . . . . . 7561 C Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 7563 B Bauknecht (CDU/CSU) 7565 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zuckersteuergesetzes (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache IV/2413) ; Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 GO (Drucksache IV/2838) ; Mündlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache IV/2832) — Zweite und dritte Beratung — 7565 A Persönliche Erklärung nach § 35 GO Memmel (CDU/CSU) 7565 C Nächste Sitzung 7565 D Anlagen 7567 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 152. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1964 7509 152. Sitzung Bonn, den 10. Dezember 1964 Stenographischer Bericht Beginn: 14.02 Uhr
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    7566 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 152. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1964 Berichtigungen Es ist zu lesen: 151. Sitzung Seite 7478 B Zeile 13 statt „renseignement" : enseignement; Seite 7478 D Zeile 9 statt „durch": auf; Zeile 19 bis 21 statt „Gelehrtenrepublik entwickelt im Hinblick auf überschaubare kleinere Universitäten stabile Verhältnisse. Sie hat den Nachteil," : Gelehrtenrepublik, entwickelt im Hinblick auf überschaubare kleinere Universitäten und stabile Verhältnisse, hat den Nachteil, . Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 152. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1964 7567 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Achenbach 11. 12. Dr. Aigner * 11. 12. Frau Albertz 10. 12. Arendt (Wattenscheid) 10. 12. Dr. Atzenroth 31. 12. Bading * 11. 12. Bazille 15. 12. Dr. Besold 31. 12. Dr. Bieringer 11. 12. Blachstein 31. 12. Blumenfeld 11. 12. Dr. Dittrich 19. 12. Dopatka 11. 12. Frau Dr. Elsner * 12. 12. Etzel 10. 12. Faller 11. 12. Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) 11. 12. Dr. Dr. h. c. Friedensburg * 11. 12. Dr. Fritz (Ludwigshafen) 10. 12. Dr. Furler 12. 12. Gaßmann 31.12. Gedat 15. 12. Gewandt 10. 12. Glombig 11. 12. Gontrum 11. 12. Dr. Gossel 19. 12. Gscheidle 10. 12. Hahn (Bielefeld) 31. 12. Hammersen 30.1. Hellenbrock 10. 12. Dr. Hellige 11. 12. Hesemann 11. 12. Kalbitzer 11. 12. Klinker 10. 12. Kraus 11. 12. Dr. Kreyssig * 18. 12. Kriedemann 18. 12. Freiherr von Kühlmann-Stumm 15.1. Leber 11. 12. Lenz (Bremerhaven) 11. 12. Dr. Lohmar 11. 12. Frau Lösche 11. 12. Lücker (München) 10. 12. Maier (Mannheim) 11. 12. Mattick 11. 12. Mauk * 15. 12. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 11. 12. Metzger * 11. 12. Freiherr von Mühlen 11. 12. Müller (Remscheid) 11. 12. Dr. Müller-Hermann * 12. 12. Peters (Poppenbüll) 19. 12. Rademacher 11. 12. Reichardt 17. 12. */ Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Richarts * 12. 12. Schlüter 11. 12. Dr. Sinn 11. 12. Dr. Starke 11. 12. Dr. Stoltenberg 11. 12. Storch * 11. 12. Frau Strobel * 13. 12. Theis 10. 12. Unertl 11. 12. Zühlke 11. 12. b) Urlaubsanträge Ritzel 16. 12. Anlage 2 Umdruck 531 Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur Erklärung der Bundesregierung vom 2. Dezember 1964 betreffend Harmonisierung der EWG-Getreidepreise Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, bei den Beratungen zur Harmonisierung der Agrarpolitik lin Ministerrat der EWG folgende Beschlüsse und Feststellungen zu berücksichtigen: 1. Bei der vom Jahre 1967 ab durch die Bundesregierung zugesagten Harmonisierung des europäischen Getreidepreises sind die in der Entschließung vom 19. März 1963 der Fraktionen der CDU/CSU, FDP aufgestellten Kriterien als Grundlage der kommenden Verhandlungen und Entscheidungen zu berücksichtigen. 2. Bei der Festsetzung des europäischen Getreidepreises muß eine Revisionsklausel die Kaufkraftentwicklung berücksichtigen. 3. Die Erzeugerpreise zwischen Brot- und Futtergetreide müssen unverändert in der Relation 100 : 91 : 85 verbleiben. 4. Der Getreidepreis muß in Rechnungseinheiten ausgedrückt werden. Dabei muß ein besonderer Interventionszuschlag für Braugerste und Qualitätsweizen sichergestellt werden. 5. Bei der Festsetzung der Preise für die tierischen Veredelungsprodukte sowie für Zuckerrüben und Ölsaaten sind die Kriterien, welche maßgeblich die Kosten des Getreidepreises bestimmen, zu berücksichtigen. 6. Bei der Verwirklichung des Gemeinsamen Agrarmarktes dürfen marktferne landwirtschaftliche Erzeugungsgebiete nicht benachteiligt werden. Dabei ist besonders die schwierige Situation in den Zonenrandgebieten, in den benachteiligten Mittelgebirgs- und Bergbauerngebieten zu berücksichtigen. 7. Das Landwirtschaftsgesetz ist entsprechend dem Antrag der FDP verpflichtender zu gestalten. 7568 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 152. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1964 8. Die Bundesregierung wird aufgefordert, ein EWG-Anpassungsgeisetz für die deutsche Landwirtschaft mit folgender Zielsetzung vorzulegen: a) Ein langfristiges Investitionisförderungsprogramm zu Zinssätzen, die entsprechend der Einkommenslage der deutschen Landwirtschaft tragbar sind. Hierzu gehören als vordringliche Maßnahmen Konsolidierung der Altschulden und Belastungen, die sich aus langfristigen Strukturmaßnahmen ergeben; b) Verbesserung der landwirtschaftlichen Qualitätsproduktion und Absatzsicherung sowie Vermarktung; c) ein langfristiges Strukturprogramm, welches sicherstellt, daß die landwirtschaftliche Produktion durch leistungsfähige Familienbetriebe auch für die Zukunft gesichert wird. 9. Außerdem wird eine gesetzliche Regelung zur Förderung der bäuerlichen Veredelungswirtschaft und zur Vermeidung einer Überproduktion an Veredelungserzeugnissen als Folge eines harmonisierten Getreidepreises durch gewerbliche Veredelungsbetriebe, wobei auf die französische Regelung hingewiesen wird, gefordert. 10. Die vorgenannten gesetzlichen Maßnahmen müssen, wie es für andere Länder bereits geschehen ist, als EWG-konform durch die EWG anerkannt werden. 11. Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag rechtzeitig über das Ergebnis der Verhandlungen in Brüssel zu berichten. Bonn, den 10. Dezember 1964 Mischnick und Fraktion Anlage 3 Umdruck 532 Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur Erklärung der Bundesregierung vom 2. Dezember 1964 betreffend Verhandlungen der Bundesregierung über Harmonisierung der Getreidepreise im EWG-Ministerrat. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, bei den Verhandlungen im EWG-Ministerrat über die vorzeitige Preisangleichung von Getreide in einem Zuge nachfolgende Grundsätze zu beachten: 1. Die zu beschließenden gemeinsamen Getreidepreise sind im Hinblick auf die allgemeine Preis-und Kostenentwicklung in der Landwirtschaft seit dem Basisjahr des Mansholt-Plans (1962/63) auf einen aktuellen Stand zu bringen. Das entspricht einem derzeitigen Grundrichtpreis für Weichweizen von mindestens 440 DM/t. 2. Der Zeitpunkt der Anwendung der gemeinsamen Getreidepreise darf frühestens auf den 1. Juli 1967 festgelegt werden. 3. Bei der Festsetzung der gemeinsamen Getreidepreise muß eine Revisionsklausel beschlossen werden, nach der eine spätere Anpassung der jetzt beschlossenen Preise entsprechend der allgemeinen Preis- und Kaufkraftentwicklung vorzunehmen ist. Eine solche Anpassung wird um so mehr erforderlich sein, weil jetzt Getreidepreise festgelegt werden, die erst am 1. Juli 1967 zur Anwendung gelangen. 4. Die von der Kommission vorgeschlagenen Preisrelationen zwischen Brotgetreide und Futtergetreide von 100 : 85 muß bestehenbleiben. Die Preisrelationen zwischen Weich- und Hartweizen sind bei 100 : 105 und die Preisrelation zwischen Weichweizen und Roggen bei 100 : 91 festzulegen. Bei der Intervention von Braugerste sollte ein Qualitätszuschlag von 45 DM/t vorgesehen werden. 5. Die einheitliche Durchführung der Regionalisierung und der Markttechnik muß in allen Mitgliedstaaten der EWG sichergestellt sein. Dabei sollte angestrebt werden, eine Anhebung der abgeleiteten Interventionspreise vor allem in den marktfernen Gebieten der Bundesrepublik zu ermöglichen. Die Beförderungkosten sind nach der Herstellung eines gemeinsamen Getreidepreisniveaus ein wesentliches Element zur Berechnung der abgeleiteten Preise.. Es sollte angestrebt werden, bis zum Zeitpunkt der Anwendung der gemeinsamen Preise eine volle Wettbewerbsgleichheit auf dem Gebiet der gemeinsamen Verkehrspolitik für alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse zu erreichen. 6. Es muß sichergestellt sein, daß die deutsche Landwirtschaft die mit der vorzeitigen Getreidepreisharmonisierung verbundenen Einnahmeverluste aus Gemeinschaftsmitteln bis zum Ende der Übergangszeit ohne Degression ersetzt erhält. Hinsichtlich der Höhe der Ausgleichszahlungen müßte von den Berechnungen der Bundesregierung ausgegangen werden. Außerdem muß die Bundesregierung die Möglichkeit behalten, in eigener Zuständigkeit geeignete Maßnahmen für die Landwirtschaft zu treffen, um einen Ausgleich einkommenswirksamer Maßnahmen anderer Mitgliedstaaten, insbesondere auf sozialpolitischem Gebiet, herbeizuführen und um damit die in der Bundesrepublik bestehende Disparität des Einkommens der in der Landwirtschaft tätigen Menschen zu verringern. 7. Es muß sichergestellt werden, daß alle im Zusammenhang mit der vorzeitigen Getreidepreisangleichung getroffenen Beschlüsse ein Ganzes bilden und nicht durch spätere Mehrheitsentscheidungen des Ministerrates wieder geändert werden. Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 152. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1964 7569 8. Es muß vermieden werden, daß die einmal festgelegten gemeinsamen Getreidepreise infolge von währungspolitischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten wieder gefährdet werden. Daher sollte die von der Kommission vorgeschlagene Regelung, die gemeinsamen Getreidepreise in Rechnungseinheiten festzusetzen, uneingeschränkt übernommen werden. Bonn, den 10. Dezember 1964 Struve und Fraktion Anlage 4 Schriftlicher Bericht des Abgeordneten Stooß zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zuckersteuergesetzes (Drucksache IV/2413). Der interfraktionelle Antrag Drucksache IV/2413 wurde in der heutigen Vormittagssitzung des Finanzausschusses behandelt. Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als mitberatender Ausschuß hat in seiner Sitzung am 7. Oktober 1964 den Antrag beraten. Das Votum dieses Ausschusses lautete auf Zustimmung. Es ist Ziel und Zweck dieses Antrags bzw. Gesetzentwurfs, über eine Zuckersteuersenkung die Voraussetzung für eine Rübenpreisanhebung zu schaffen, ohne daß der Zuckerpreis erhöht wird. Der Antrag sieht eine Zuckersteuersenkung von 10,— DM auf 6,— DM pro dz Zucker vor. Diese Steuersenkung soll eine Rübenpreiserhöhung von 6,75 DM auf 7,25 DM pro dz Zuckerrüben bei 15,5 % Zuckergehalt ermöglichen. Auf eine grundsätzliche Erörterung des ganzen Fragenkomplexes konnte der Ausschuß verzichten, da die Zusammenhänge des Antrags hinreichend bekannt sind, zumal auch in der ersten Lesung grundsätzliche Ausführungen zudem Antrag bereits gemacht wurden. Von der Regierung wurde zu Art. 2 Abs. 1 des Antrags ein Änderungs- bzw. Ergänzungsvorschlag gemacht. Sinn und Zweck dieses Antrags ist, daß Steuerrückerstattung nur auf Zucker, der aus der inländischen Ernte 1964 hergestellt ist oder wird, gewährt wird. Außerdem soll die Ergänzung verhindern, daß die Steuersenkung auch Anwendung findet auf Zuckervorräte früherer Ernten. Dieser Ergänzungsantrag fand die einstimmige Annahme des Finanzausschusses. Schließlich soll das Gesetz mit dem 1. Januar 1965 in Kraft treten. Der Finanzausschuß empfiehlt dem Hohen Hause, den vom ihm mit großer Mehrheit angenommenen Gesetzentwurf in der Fassung, wie dem Hohen Hause mit Drucksache IV/2832 unterbreitet, zuzustimmen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Kurt Schmücker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Schmidt, ich hoffe, Sie sind damit einverstanden, daß auf die fachlichen Fragen nachher der Kollege Schwarz antworten wird.
    Ich möchte zu einigen Anmerkungen, die Sie über die Brüsseler Situation gemacht haben, jetzt sofort Stellung nehmen.
    Daß Sie eine Vielzahl von Vorwürfen erhoben haben, die Sie so geschickt in Nebensätze gekleidet haben, daß Sie einem Ordnungsruf entgehen konnten, nun, das ist Ihre alte Kunst. Hätten Sie diese Vorwürfe in die Form der direkten Rede gekleidet,
    dann müßte ich sagen: Es wimmelte von Beleidigungen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

    Es wimmelte von Beleidigungen!.

    (Weitere Zurufe von der SPD.)

    — Ich will es gern wiederholen: Hätten Sie die Vorwürfe in die Form der direkten Rede gekleidet, dann wimmelte Ihr Vortrag von unverschämten Beleidigungen.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU. — Lebhafte Zurufe von der SPD.)

    — Ich habe erst einen Satz gesprochen und möchte zu Ende kommen.

    (Abg. Frehse: Wer schreit, hat unrecht!)

    Meine Damen und Herren, ich will gar nicht alle Beispiele herauspicken,

    (Zuruf des Abg. Hermsdorf)

    sondern nur ein Beispiel, Herr Kollege Hermsdorf,

    (fortgesetzte Zurufe von der SPD)

    das Sie in aller Seelenruhe — in Ruhe, nicht in der Lautstärke, die Sie jetzt an den Tag legen — überdenken können,
    Sie behaupten, der Herr Bundeskanzler werfe mit den Millionen um sich. Meine Damen und Herren, wer die Milliardenanträge in diesem Hause stellt, wissen Sie wohl besser als wir.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD)

    Sollen wir Ihnen jedesmal die Rechnung aufmachen, wenn Sie hierherkommen und Anträge ohne Dekkung stellen?
    Im übrigen erheben Sie den Vorwurf, wir seien diejenigen, die draußen in der Öffentlichkeit

    (Zurufe von der SPD.)

    dieses unsinnige Gerede stützten, als würde den Bauern alles in den Hals geworfen. Sie, Herr Schmidt, haben in Ihrem Beitrag mit dem Ausdruck „mit Millionen um sich herumwerfen" dafür gesorgt, daß dieser Tratsch neuen Boden gefunden hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Anhaltende Zurufe von der SPD.)

    Ich möchte ausdrücklich sagen, und ich habe das auch in der vorigen Woche hier schon erklärt: Wir sind verpflichtet, unserer Landwirtschaft bei dem ungeheuer schwierigen Strukturwandel zu helfen, und wir müssen bei der Wirtschaftskraft, die wir haben, dafür auch die notwendigen Mittel aufbringen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das Nächste, meine Damen und Herren. Herr Schmidt hat es für richtig gehalten — das ist die alte Taktik der Sozialdemokraten seit der Veröffentlichung des Godesberger Programms, seitdem man nicht mehr den Mut zur Alternative hat,

    (Lachen und Zurufe bei der SPD)

    Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 152. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1964 7553
    Bundesminister Schmücker
    und Herr Schmidt hat diese Taktik fortgesetzt —, das, was an neuen Aufgaben vor uns steht, als Versäumnisse hinzustellen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, ich möchte Sie nur darauf hinweisen, daß wir uns in der Tat mit vielen Dingen nicht abzuplagen brauchten, wenn Sie 15 Jahre etwas zu sagen gehabt hätten; aber Gott sei Dank war das nicht der Fall, und so haben wir uns mit diesen Konsequenzen auseinanderzusetzen.
    Dann stellen Sie die Behauptung ,auf — ein Adjektiv zu dem Wort „Behauptung" suchen Sie sich bitte selber —, daß wir in Brüssel allein stünden. Haben Sie einmal die Güte und fragen Sie Ihre Frau Kollegin Elsner, die auf Straßburger Boden den Versuch machte, die deutsche Bundesregierung anzugreifen, wie dann nach meiner Erwiderung auch die Sozialisten der anderen Länder — die übrigens noch den Mut haben, sich Sozialisten zu nennen —

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD)

    auftraten.

    (Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

    — Nein, Herr Schmidt, ich spreche jetzt zu Ende, genau wie Sie. — Die Sozialisten der anderen Länder sind dann aufgetreten und haben gegen Frau Kollegin Elsner Stellung genommen.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

    I) Ich kann schlecht das wiederholen, was sich dort abgespielt hat. Wenn das „Isolierung" ist, meine Damen und Herren, dann kann ich Ihnen nur empfehlen: kaufen Sie sich einen neuen Duden!

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien. — Fortgesetzte Zurufe von der SPD.)

    Nun zu den Verhandlungen selbst.

    (Zuruf von der SPD: Und so etwas ist Minister!)

    — Sie möchten es wohl gerne werden? Aber Sie werden nicht das Glück haben.

    (Lachen bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD.)

    Meine Damen und Herren, es ist hier gesagt worden, wir stünden isoliert da.

    (Zuruf von der SPD: Das stimmt auch!)

    Als diese Debatte angesetzt wurde, habe ich mit dem Kollegen Schwarz überlegt, in welchem Ausmaß wir würden antworten können. Denn es ist doch immer eine mißliche Sache, während laufender Verhandlungen eine Parlamentsdebatte zu führen. Hätten wir es beim Ministerrat in Brüssel mit einem Parlament zu tun, dann wäre dagegen nichts einzuwenden. Aber es ist doch nun einmal so, wie Sie selber auch dargestellt haben, daß man mit einem gewissen Verhandlungsgeschick — das Sie uns selbstverständlich absprechen — arbeiten muß. Dazu gehört, daß es nicht möglich ist, jede Position von
    vornherein offenzulegen. Man kann nicht mit jeder Verhandlung auf den Markt gehen.
    Ich möchte aber doch soviel sagen: Jeder hat gewußt, wie schwer uns allen die Entscheidung in der Frage des Getreidepreises gefallen ist, weil es sich um eine unerhört schwere Entscheidung. für einen bedeutenden Berufsstand handelt.

    (Zuruf von der Mitte: Sehr wahr!)

    Und wenn bei der Mitteilung in Brüssel nicht ein großes Hosianna ausgebrochen ist, so ganz einfach deswegen, weil die Mitteilung als solche ja seit Tagen bekannt war und es ganz natürlich war, daß die Debatte sofort ins Materielle ging und bei der Erwähnung des Materiellen — —

    (Zuruf von der SPD.)

    — Natürlich war sie bekannt!

    (Abg. Sänger: Das Hosianna ist doch nicht deswegen unterblieben, weil es bekannt war, sondern weil man über die Art erstaunt war!)

    — Sie müssen es ja wissen; Sie sind ja Journalist. Aber ich war dabei und Präsident des Rates; vielleicht weiß ich es ebensogut wie Sie.
    Meine Damen und Herren, ich habe Zustimmung von den einzelnen Delegationen bekommen, als ich feststellte, daß ich gar nicht überrascht sei, daß nach drei, vier äußerst freundlichen Worten — die Sie nachlesen können — sofort die Debatte en detail, im einzelnen, begonnen habe. Denn jeder wollte doch sofort seine Position aufbauen. Wenn ich es unter diesem Gesichtspunkt sehe, kann ich nur hocherfreut sein über die erste Debatte. Ich habe heute nachmittag einen Besuch gehabt, der mir Bericht über den Fortgang der Beratungen erstattet hat. Danach habe ich gar keinen Zweifel, daß wir in verhältnismäßig sehr kurzer Zeit zu einem Abschluß, und zwar zu einem guten Abschluß, kommen werden.
    Nun fragen Sie uns: Warum haben Sie so lange gezögert? Was ist bis dahin getan worden? Meine Damen und Herren, glauben Sie sich tatsächlich berechtigt, nur die agrarpolitische Seite von Brüssel ins Auge zu fassen? Haben Sie nichts gehört und gelesen — oder sogar daran mitgearbeitet — über das, was sich hinsichtlich der sogenannten Kennedy-Runde getan hat? Haben Sie nicht verfolgt, wie die Ausnahmeliste gebildet worden ist? Haben Sie gar nicht gemerkt, welche Debatten wir über die Konjunkturpolitik geführt haben bis hin zu Maßnahmen in den einzelnen Ländern, die auf deutsche Anregung getroffen worden sind, bis hin zur Währungspolitik?

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir sind heute in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft so weit, daß, ohne daß eine bindende Verpflichtigung besteht, in weiten Bereichen bereits eine Bereitschaft zu gemeinsamem Handeln, nein, die Tatsache des gemeinsamen Handelns registriert werden kann.
    Nun noch einmal zu dem Getreidepreis! Ich habe in jeder Sitzung darauf hingewiesen, daß aus europäischen Gründen ein gemeinsamer Getreidepreis
    7554 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 152. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1964
    Bundesminister Schmücker
    notwendig ist, daß wir aber nicht der Argumentation zustimmen — und ich bleibe auch heute dabei —, daß etwa, weil die Kennedy-Runde beginnt, schon jetzt eine Entscheidung fallen müßte. Ich bin deswegen auch eigens drüben in den Vereinigten Staaten gewesen und habe mit den Herren darüber verhandelt. Man ist uns immer mit diesem Argument entgegengetreten, das falsch war.
    Inzwischen sind die Verhandlungen — ich zähle gleich noch einige Einzelpositionen auf — so weit fortgeschritten, daß es an der Zeit war, hier eine Entscheidung zu fällen. Diese Entscheidung liegt heute zwar ziffernmäßig vor uns. Aber die vielen Konsequenzen, die noch überdacht werden müssen, sind doch von ungeheurer Tragweite.
    Herr Kollege Schmidt bemängelt z. B., daß wir uns noch nicht über den Sozialplan klar sind. Meine Damen und Herren, Sie müssen sich einmal ansehen, welche Konsequenzen das für die deutsche Sozialpolitik haben könnte,

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    wenn wir einfach auf das einstiegen, was die anderen haben und was für die Kostenberechnung der Landwirtschaften anderer Staaten von eminenter, von ausschlaggebender Bedeutung ist.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Sie mögen den Mut haben, ohne Berücksichtigung der Tatbestände von heute auf morgen zu entscheiden, — vermutlich deswegen, weil Sie so wenig Bauern hinter sich haben. Wir haben diesen Mut nicht. Wir kümmern uns um die Einzelfragen und I nehmen uns, auch wenn wir gedrängt werden, die Zeit dazu, diese Einzelfragen zu diskutieren.
    Sie haben die Geldfrage angeschnitten. Nun, auch sie wird noch einige Debatten in Brüssel erfordern. Ich glaube aber, sagen zu können, daß die deutschen Maßnahmen als EWG-konform angesehen werden können.
    Der Hauptgrund der sogenannten Verzögerung ist folgender. Es war unser Bemühen, entsprechend der guten Verbindung, die wir zur deutschen Landwirtschaft haben, auf jeden Fall ein Entscheidung mit den deutschen Bauern zu finden und nicht gegen ihren Willen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Und, meine Damen und Herren von der SPD, das, was Sie niemals für möglich gehalten haben — und das ist der Grund Ihres Ärgers, Herr Schmidt —,

    (Beifall bei den Regierungsparteien — Zurufe von der SPD)

    hat der Herr Bundeskanzler in seinen Gesprächen fertiggebracht: mit dem Verband hier zu einer gemeinsamen Auffassung zu kommen, also diese Maßnahme mit den Bauern durchzuführen.
    So werte ich das, was sich hier soeben abgespielt hat, als eine entsprechende Reaktion des Überspielten. Sie haben es sehr geschickt gemacht, Herr Schmidt, das will ich nicht bestreiten. Aber ich möchte Ihnen sagen: Auch dieses Störfeuer kann uns nicht hindern, in Brüssel weiterzuarbeiten, weil
    wir aus der Zusammenarbeit wissen, das die bisherigen deutschen Initiativen von allen Verhandlungspartnern nicht nur akzeptiert, sondern als Motor für die Arbeit begrüßt und anerkannt worden sind. Wir wollen daran weiterarbeiten, daß wir in allen Bereichen in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu einer Harmonie gelangen. Weil wir wissen, daß dazu sehr viel Bereitschaft gehört, auch einmal über die Hürden zu springen, daß aber genauso dazugehört, wichtige Fragen vorher zu klären, deshalb haben wir die bekannten neun Fragen gestellt, die erst einmal beantwortet werden mußten. Ich halte es verhandlungstechnisch für einen unerhörten Erfolg, daß wir diese Antworten auf dem Tisch liegen haben, und das ist die Zeitspanne wert, die Sie heute hier so stark kritisieren.
    Wir dürfen — das möchte ich abschließend feststellen — als Deutsche sagen, daß wir froh und glücklich darüber, ja, dankbar dafür sind, mit unseren befreundeten Partnern in dieser Harmonie zusammenzuarbeiten. Wenn andere uns hin und wieder das Lob spenden, daß wir es gewesen sind, die die Europapolitik immer wieder aus der Stagnation herausgerissen haben, so würde ich das für mich als Argument nicht übernehmen; aber ich muß es übernehmen in Abwehr gegen Ihre ungerechtfertigten Vorwürfe,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    gegen Ihre Vorwürfe, als hätten wir nicht sauber und mutig gearbeitet. Wir sind davon überzeugt, daß allem Störfeuer zum Trotz die europäische Arbeit weitergehen wird. Wenn dieser Erfolg da sein wird, dann sind neue Aufgaben da, und ich bin sicher, diese neuen Aufgaben werden Sie dann jeweils wieder als Versäumnis interpretieren.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ertl.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Josef Ertl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es scheint an der Zeit, daß ich Ihnen entsprechend der Empfehlung des Ersatzpastors Schmidt in Nachahmung zu Wehner Matthäus 3 Vers 2 verlese: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe."

    (Große Heiterkeit.)

    Aber, meine verehrter Herr Kollege Schmidt, wir haben hier Agrarpolitik zu machen und uns nicht mit Eschatologie zu beschäftigen. Die dürfen Sie machen, wenn Sie an der Regierung sind; dann wird das Volk das Himmelreich erleben.

    (Zuruf von der SPD: Ihr Wort in Gottes Ohr!)

    — Ich bedanke mich .— Als ich das Ergebnis von Karlsruhe las und die schönen Bilder sah, dachte ich immer wieder, mein Freund Schmidt wird einmal ein sehr tüchtiger SPD-Landwirtschaftsminister, mit dem ich gern zusammenarbeiten würde. Ich würde nicht so scharf die Klingen kreuzen, aber ich würde dann konstruktive Opposition machen. Und dann dachte ich mir: Warum ist er eigentlich nur Schattenberater geworden? Heute weiß ich es, Kollege
    Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 152. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1964 7555
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    Schmidt. Es ist Ihre Vielseitigkeit; von der Grabrede bis zur Lustbarkeit — das ist natürlich so vielseitig, daß es für ein Ministerium nicht ausreicht.

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Nun, mein sehr verehrter Kollege Schmidt, von der heiteren zur ernsten Seite! Sie haben von der Bahre gesprochen. Ich möchte mich nicht auch als Ersatzpastor betätigen. Außerdem bin ich ja Katholik; ich müßte mich also zuvor scheiden lassen, es sei denn, das Konzil führt bald eine Änderung herbei. — Sie haben von der Bahre gesprochen, vor der wir stünden. Verehrter Herr Kollege Schmidt, die Forderungen, die Sie zum Getreidepreis hier in Bonn und in Straßburg seit Jahren mit Mansholt auf gleicher Ebene vertreten haben, hätten die Angleichung um fünf Jahre vorverlegt. Daß wir das auf das Jahr 1967 hinausgeschoben haben, darauf sind wir Freien Demokraten außerordentlich stolz, und ich glaube, mit uns ist die deutsche Landwirtschaft hierfür dankbar.

    (Beifall bei der FDP.)

    Nun, darüber werden wir noch zu reden haben.
    Es ist heute auch über die deutsche Verhandlungsposition in Brüssel gesprochen worden. Ich möchte nicht auf Einzelheiten eingehen. Aber, verehrter Herr Kollege Schmidt: Der Bundesregierung haben Sie heute nicht den Rücken gestärkt; Herrn Mansholt haben Sie wieder viele Argumente geliefert.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Ihre Verhandlungstaktik!)

    — Last not least — auch das sei hier betont —: Es ist sicherlich sehr gut, Kritik zu üben, und das ist das hohe Recht der Opposition — manchmal beneiden wir Sie darum; wir sind da ganz ehrlich, Kollege Schmidt —; aber Opposition ohne Alternative ist auch keine gute parlamentarische Arbeit.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Nun zu dem Kapitel: Überstimmung der Bundesrepublik". Wir haben immerhin die Aussage des Herrn de Gaulle, der erklärt hat: „Ein Überstimmen im Jahre 1966 gibt es nicht". Wir vertrauen auf die partnerschaftliche Zusage.
    Wir haben manche Kritik an dem bisherigen Weg zu üben, wie Sie wissen; wir scheuen auch nicht davor zurück. Ich betone aber: Hätte die Opposition viel früher mit uns Freien Demokraten — auch in der Zeit, wo wir gemeinsam in der Opposition waren — an der deutschen Agrarpolitik festgehalten, hätte sie mit uns den Weg 1956 im Landwirtschaftsgesetz mit beschritten — wir wären in vielen Dingen in eine bessere Verhandlungsposition gekommen. Sie haben immer mitgeholfen, in Brüssel die deutsche Position in der Getreidepreisfrage zu schwächen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Im Protokoll der 224. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages ist der Bericht des Kollegen Lücker über die Landwirtschaft im Vertrag zur Gründung der
    Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft festgehalten. Darin heißt es:
    Das vorgesehene System von Mindestpreisen soll jedem Mitgliedstaat während der Übergangszeit, die bekanntlich auf zwölf bis fünfzehn Jahre berechnet ist, in nicht diskriminierender Weise die Möglichkeit geben, Schwierigkeiten zu überwinden, die durch den Abbau von Zöllen und Kontingenten entstehen können.
    In dem Bericht wird ferner wiederholt festgestellt, daß jedem Partner der EWG gleiche Chancen eingeräumt werden sollen. — Diese rückschauende Feststellung mache ich deshalb, weil in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden ist, daß die deutsche Landwirtschaft und die deutschen Agrarpolitiker die Realitäten des Gemeinsamen Marktes nicht rechtzeitig erkannt hätten. Tatsächlich muß dazu festgestellt werden, daß die Entwicklung in der Zwischenzeit weit über das in dem Vertrag vorgesehene Maß und Ziel hinausgegangen ist. Der Ausbau eines gemeinsamen Agrarmarktes hat dabei größere Fortschritte gemacht als die Harmonisierung im Bereich der Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik.
    Daher muß hier die Frage gestellt werden, ob es überhaupt möglich ist, den Agrarmarkt isoliert von den übrigen Bereichen der Volkswirtschaft zu harmonisieren, oder ob nicht eine Gesamtharmonisierung mit dem Ziel einer politischen Vereinigung herbeigeführt werden muß. Die kommenden Verhandlungen in Brüssel werden beweisen, inwieweit die deutschen Zuggeständnisse für die Harmonisierung des europäischen Agrarmarktes sich tatsächlich auch auf die politische Einigung Europas fördernd auswirken werden.
    In diesem Zusammenhang sei noch einmal kurz auf die Problematik der Getreidepreisharmonisierung hingewiesen. Man konnte in letzter Zeit immer wieder das Argument hören, ,der deutsche Getreidepreis sei eben einfach überhöht. Das kann nur jemand behaupten, 'der die Entwicklung der letzten zehn Jahre nicht kennt. Der deutsche Getreidepreis ist seit dem Jahre 1951 nicht verändert worden. Der französische Weizenpreis lag dagegen im Durchschnitt der Wirtschaftsjahre von 1953 bis 1956 unter dem deutschen Weizenpreis. Bei Vertragsschluß im Jahre 1956 übertraf der ,französische Weizenpreis mit rund 450 DM pro Tonne den deutschen sogar um 46 DM je Tonne. Durch die Abwertung des Franc und durch die Aufwertung der D-Mark entstand das große .Preisgefälle zwischen dem deutschen und dem französischen Getreidepreis.
    Dazu muß noch die tatsächliche Entwicklung des Handelsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten berücksichtigt werden, der sich von 1958 bis 1963 um 132 % erhöhte. Am größten war der Exportzuwachs in Italien mit 195 % und in Frankreich mit 172 %, während in der Bundesrepublik nureine Exportzunahme um 127 % und in Belgien und Luxemburg eine solche um 114% festzustellen war und die Niederlande mit 98 % unter dem Durchschnitt der EWG lagen.
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    Die französische Agrarausfuhr in die EWG-Länder hat sich von 1958 bis 1963 nahezu vervierfacht, und zwar von rund 500 Millionen DM im Jahre 1958 auf 1,9 Milliarden DM 1963. Der Wert der französischen Agrarausfuhr in die Bundesrepublik hat im gleichen Zeitraum von rund 290 Millionen DM 'auf über 1 Milliarde DM, also um mehr als ,das Dreifache, zugenommen. Der Export der französischen Industriegüter nahm von rund 4 Milliarden DM im Jahre 1958 auf mehr als 10 Milliarden DM im Jahre 1963, also um das Zweieinhalbfache, zu. Im gleichen Zeitraum hat der gewerbliche Export 'aus Frankreich in die Bundesrepublik von rund 1,8 Milliarden DM auf etwa 4,3 Milliarden DM, also um mehr als das Doppelte, zugenommen. Diese Zahlen zeigen eindeutig, wie sehr die wirtschaftliche Integration fortgeschritten ist und wie auch unsere Partner hier einen beachtlichen Vorteil in Anspruch nehmen konnten.
    Wenn die Bundesregierung mit Zustimmung des Bauernverbandes nun bereit ist, den Getreidepreis vorzeitig zu harmonisieren, so kann man wohl mit Recht behaupten, daß damit deutscherseits ein Höchstmaß an europäischem Verständigungswillen bewiesen wird, der wohl auch durch eine ebenso große Bereitschaft zu einer echten Partnerschaft in der gesamten EWG honoriert werden muß.

    (Beifall bei der FDP.)

    Unser Kollege Dr. Starke hat eingehend zu der Grundsatzfrage des Beschlusses der Bundesregierung Stellung genommen und dabei auf unsere Bedenken hinsichtlich der künftigen Gestaltung der Einkommenslage der deutschen Landwirtschaft hingewiesen. Wir Freien Demokraten sind nach wie vor der Auffassung, daß auch in einem Industriestaat der Landwirtschaft die Möglichkeit gegeben werden sollte, auf der Basis kostendeckender Preise ein entsprechendes Einkommen zu erzielen. Dieser Weg erscheint uns volkswirtschaftlich nach wie vor richtiger, als über Einkommens- und Sozialsubventionen den Weg der Umverteilung über Steuermittel zu gehen.
    Leider zwingen gerade die Zusagen der letzten Woche zu neuen Subventionen. Soweit solche Mittel als Anpassungshilfen mit vorübergehendem Charakter, insbesondere zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, gewährt werden, findet 'die Gewährung solcher Beihilfen unsere Zustimmung. Auf lange Sicht muß es auch das Ziel der EWG-Agrarpolitik sein, den Erzeugern einen gerechten Preis zuteil werden zu lassen; damit 'befindet man sich dann in Übereinstimmung mit den entsprechenden Bestimmungen des EWG-Vertrages. Dieser Weg ist für die Verbraucher und die Erzeuger der bessere und der zweckmäßigere.
    In der Öffentlichkeit wurde gerade in den letzten Wochen wiederholt der Versuch gemacht, den Freien Demokraten vorzuwerfen, sie steuerten im Hinblick auf die deutsche Agrarpolitik einen protektionistischen Kurs auf eine angebliche Bauernfängerei. Herr Kollege Schmidt hat uns hier apostrophiert, deshalb sei es mir gestattet, hierzu ein paar Worte zu sagen. Herr Kollege Schmidt, wir Freien Demokraten sind in der glücklichen Lage, nicht ständig Programmänderungen vornehmen zu müssen.
    Im Berliner Programm können Sie genau unsere Stellungnahme zur Agrarpolitik nachlesen. Ich möchte Ihnen das sehr empfehlen. Sie würden dann feststellen, daß wir uns bis heute bemüht haben, auf der Basis unseres Berliner Programms einen agrarpolitischen Kurs zur Erhaltung der Landwirtschaft zu steuern.
    Wenn es um die Erhaltung einer leistungsfähigen deutschen Landwirtschaft geht, muß auch in einem Industriestaat eine ähnliche Rücksichtnahme im Rahmen der Gesamtwirtschaft geübt werden, wie sie z. B. beim Kohlenbergbau als selbstverständlich gilt. Bei der Eingliederung in den europäischen Markt, in dem die deutsche Landwirtschaft einer Konkurrenz der anderen Partnerstaaten ausgesetzt ist, die durch staatliche Hilfsmaßnahmen in der Produktion, auch im Absatz und in der Exportförderung stärkstens begünstigt sind, muß bedacht werden, daß die deutsche Landwirtschaft ohne ähnliche Staatshilfen in den Wettbewerb gehen muß. So waren wir immer wieder gezwungen — und sind das wohl auch heute noch —, darauf hinzuweisen, daß von einem echten europäischen Markt erst gesprochen werden kann, wenn die Kosten ebenso harmonisiert wie die Wettbewerbsverzerrungen beseitigt sind und wenn 'die Marktmonopole in gewissen Partnerländer echt europäisiert werden.
    In der letzten Woche ist das Wort vom „europäischen Frühling" gefallen, den wir uns alle wünschen und brauchen. Wir können nur wünschen, daß diese Hoffnung sich erfüllt. Dabei kommt es auf echte politische Verständigung an und nicht nur auf eine Verständigung in Form von wirtschaftlicher Integration, in welcher ein Teil erhebliche Vorteile hat, während der andere ständig erhebliche Opfer bringen soll.

    (Beifall bei der FDP.)

    Wir möchten auch nicht hoffen, daß dieser „europäische Frühling" nur in Form eines Wintermärchens stattfindet. Als Landwirt möchte ich hinzufügen: dem Frühling geht voraus der Winter mit Frost. Wir möchten nicht hoffen, daß die Entwicklung im europäischen Markt nur dadurch gefördert wird, daß ähnlich den Frostschäden zunächst unsere deutsche Landwirtschaft erheblichen Benachteiligungen ausgesetzt ist. Dabei sind wir uns durchaus bewußt, daß die kommende Entwicklung manchen Umwandlungsprozeß für die deutsche Landwirtschaft nach sich ziehen muß, wie er sich ja bereits seit einem Jahrzehnt abzeichnet.
    Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und europäische Politik bedarf natürlich insgesamt einer Fortentwicklung. Nachdem wir nun wiederum seitens der Bundesregierung eine beachtliche Vorleistung erbracht haben, ist es nun an der Zeit, nochmals daran zu erinnern, daß bis heute keine Fortschritte hinsichtlich einer echten parlamentarischen Kontrolle in Brüssel erreicht worden sind. Hier appellieren wir ganz besonders an die Opposition, einmal mitzuhelfen, daß dort überhaupt erst demokratischer Geist einzieht. Können wir es uns wirklich leisten, in diesem Bundestag nur noch Voll-
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    zugsorgan der Brüsseler Exekutive zu sein? Dürfen wir heute in unserem Land nur noch das tun, was in den Brüsseler Amtsstuben beschlossen worden ist? Es wäre ein schlechtes Zeichen für ein kommendes demokratisches Europa, wenn die Grundfunktion des demokratischen Staates, nämlich die Gewaltenteilung in Legislative und Exekutive, laufend beiseite geschoben wird und die nationalen Parlamente in ihrer Beschlußfähigkeit so weitgehend eingeschränkt werden, daß sie praktisch nur noch die Vollzugsorgane einer Exekutive in Brüssel sind.
    Zusammenfassend darf ich noch einmal betonen: Wir sagen ja zu einer politischen Einigung in Europa. Sie muß aber aufbauen auf der Basis gleicher Chancen, gleicher Pflichten und Rechte.

    (Beifall bei der FDP.)

    Es muß ein gleiches Recht für alle herrschen, damit wir zu einer demokratischen Ordnung im gesamten Europa kommen.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Freien Demokraten haben Ihnen einen Entschließungsantrag auf Umdruck 531 *) vorgelegt, der sich in zwei Teile gliedert. Im ersten Teil wollen wir die Bundesregierung noch einmal ersuchen, bei den Beratungen zur Harmonisierung der Agrarpolitik folgende Mindestforderungen zu berücksichtigen:
    Bei der Festsetzung des europäischen Getreidepreises zum 1. Juli 1967 muß unbedingt durch eine Revisionsklausel die allgemeine Kaufkraftentwicklung berücksichtigt werden.
    Ferner müssen die Erzeugerpreise zwischen Brot-und Futtergetreide unverändert in der Relation 100 : 91 : 85 verbleiben.
    Um die Gefahr auszuschalten, daß es bei veränderten Verrechnungskursen zu erneuten Schwierigkeiten kommt, soll der Getreidepreis in Zukunft lediglich in Rechnungseinheiten ausgedrückt werden. Dabei ist besonders zu berücksichtigen, daß die Voraussetzungen für einen dauernden Interventionszuschlag für Braugerste und Qualitätsweizen geschaffen werden. Gerade im Hinblick auf eine Erzeugungs-Schwerpunktbildung im kommenden europäischen Markt sollten der deutschen Landwirtschaft die Möglichkeiten, die sie durch eine erhebliche Vereinheitlichung in den Erzeugungsgebieten bei Braugerste und Qualitätsweizen erreicht hat, auch künftig erhalten werden.
    Neben der Festsetzung der Preise für Getreide dürfte es dringend erforderlich sein, daß nun auch insgesamt die Preise für tierische Veredelungsprodukte harmonisiert werden, sei es für Rinder, sei es für Schweine und Geflügel, wobei auch hier berücksichtigt werden muß, daß die Kriterien, die maßgeblich die Kosten des Getreidepreises bestimmen, berücksichtigt werden müssen. Ähnliches gilt für die noch festzusetzenden Erzeugerpreise für Zuckerrüben und Ölsaaten.
    Für die Bundesrepublik ist außerdem von besonderer Bedeutung die Gestaltung der landwirtschaftlichen Produktion in den marktfernen Gebieten, sei
    *) Siehe Anlage 2
    es in Schleswig-Holstein, sei es in den deutschen Mittelgebirgslagen, in den Zonenrandgebieten oder im bayerischen Bergbauerngebiet. Die Regionalisierung im bisherigen Umfang muß beibehalten werden. Dabei sind besonders die Probleme der einseitigen Frachtbelastungen und der Benachteiligungen durch Boden und Klima zu berücksichtigen. Im Zuge einer koordinierten Struktur- und Raumplanung muß ferner dafür Sorge getragen werden, daß auch in diesen Gebieten in Zukunft eine leistungsfähige bäuerliche Landwirtschaft erhalten bleibt, und zwar nicht nur wegen der Sicherung der landwirtschaftlichen Produktion, sondern auch wegen der Erhaltung unserer alten Kulturlandschaft.
    Im zweiten Teil unserer Entschließung befassen wir uns mit den Maßnahmen, die wir angesichts der von der Bundesregierung gefaßten Beschlüsse für dringend notwendig halten. Denn auch wir haben uns Gedanken gemacht, wie der Weg in Zukunft weitergehen soll. Vordringlich erscheint uns dabei die Ergänzung des Landwirtschaftsgesetzes in verpflichtender Form, wie es in einem Antrag meiner Fraktion klar zum Ausdruck kommt. Hierbei muß noch einmal auf das Problem der Preise und Subventionen hingewiesen werden. Wie ich bereits eingangs betont habe, halten wir eine Preis-Politik für die Einkommensgestaltung der Landwirtschaft für wesentlich sinnvoller als den Einkommensausgleich über Subventionen.
    Zu den Sozialmaßnahmen ist folgendes zu sagen. Der französische Landwirtschaftsminister Pisani hat in einem Interview kürzlich der deutschen Bundesregierung geraten, ähnliche umfassende Sozialmaßnahmen einzuführen, wie sie Frankreich für die eigene Landwirtschaft durchführt. Dazu möchten wir Freien Demokraten ganz klar Stellung nehmen. Sozialmaßnahmen als Ersatz für Einkommen lehnen wir generell ab. Sozialmaßnahmen in der gewährten Form der Altershilfe, eines Zuschusses zur Berufsgenossenschaft, des Ausbaus der ländlichen Krankenversicherung, der Förderung des Betriebshelfer-und Dorfhelferinneneinsatzes werden auch von uns vollauf befürwortet. Sozialmaßnahmen sind Maßnahmen, die der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsfürsorge dienen sollen. Sie können aber niemals — und das sei noch einmal in aller Deutlichkeit gesagt — Einkommensersatz sein.
    Maßnahmen, die zur beschleunigten Anpassung an den EWG-Markt erforderlich sind, müssen nach unserer Auffassung in einem EWG-Anpassungsgesetz festgelegt werden. Dieses EWG-Anpassungsgesetz soll sich in drei Teile gliedern: 1. Investition, 2. Qualitätsverbesserung, Absatzförderung und Marktstruktur, 3. Verbesserung der Struktur.
    Wir kommen dabei zurück auf unsere früheren Vorstellungen zur Entwicklung eines langfristigen Investitionsprogramms. Dieses Programm soll mit einer Laufzeit von zehn Jahren veranschlagt werden. Dabei müssen sich die Investitionen der Landwirtschaft in die Formen der Strukturinvestitionen, der Gebäudeinvestitionen, der technischen Investitionen und der Rationalisierungsinvestitionen gliedern. Die einzelnen Kreditarten müssen je nach Laufzeit und entsprechend der Belastbarkeit zinsgünstig gegeben
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    werden. Dabei muß besonders berücksichtigt werden, daß durch die Strukturmaßnahmen erhebliche langfristige Belastungen auf vielen Betrieben ruhen. Inwieweit hier überhaupt Zinsen angebracht sind, muß noch eingehend untersucht werden. Im Zusammenhang mit diesem langfristigen Investitions- und Technisierungsprogramm muß die Bereinigung der hochverzinslichen Altschulden gesehen werden.
    Ein Wort noch zu den Gebäude- und technischen Investitionen: Auch in Zukunft wird noch ein erheblicher Bedarf an Modernisierung bei Gebäuden und bei der Anschaffung von Maschinen sein. Angesichts der schwierigen Einkommenssituation in der Landwirtschaft muß die Zinshöhe so gestaltet werden, daß die Tilgung auch bewältigt werden kann. Strukturmaßnahmen müssen im Hinblick auf den allgemeinen Charakter weitgehend in Form von Zuschüssen und zinslosen Darlehen gegeben werden. Im Rahmen des Investitionsprogramms müssen vor allem auch Forschungsvorhaben für Technisierung, Modernisierung und Rationalisierung nachhaltig gefordert werden, denn nach wie vor ist in vielen Fragen noch keine Endphase abzusehen. Im Rahmen des Investitionsprogramms muß auch die Last der Altschulden bei jenen Betrieben, die frühzeitig investiert haben, berücksichtigt werden.
    Die Förderung der Produktion bedarf einer sinnvollen Konstruktion von Erzeugung, Absatzförderung und 'Vermarktung. Entsprechend den bäuerlichen Gegebenheiten wird es notwendig sein, Erzeugungsschwerpunkte zu bilden. Das gilt sowohl für die Bodenproduktion — wie schon erwähnt, beispielsweise in Form von Qualitätsgerste und Qualitätsweizen — als auch für die. Veredelungsproduktion, also für Milch, Mast oder ähnliches mehr. Dazu ist wiederum sowohl die Förderung von Erzeugergemeinschaften als auch die Absatzförderung und Marktregulierung mit dem Ziel eines ständig gesicherten Absatzes und Marktes notwendig. Das erfordert einerseits die Regelung der Marktstruktur, wird aber nur dann wirksam sein können, wenn auf lange Sicht die 'Marktstruktur verbessert wird und wirksam gemacht werden kann durch einen entsprechenden Marktfonds. Daß dabei Rücksicht zu nehmen 'ist auf die bestehenden Wettbewerbsverhältnisse in der Vermarktung und daß durch staatliche Förderungsmaßnahmen nicht neue Wettbewerbsverzerrungen entstehen dürfen, versteht sich von selbst. Bei den 'Maßnahmen zur Stärkung des Absatzes spielen Werbung und Agrarexport eine bedeutende Rolle und verdienen daher unser ganzes Augenmerk.
    Der dritte Teil unseres Anpassungsgesetzes soll eine langfristige 'Strukturplanung auf der Basis eines langfristigen Strukturprogramms ermöglichen. Auch hier haben wir, Herr Kollege Schmidt, solange ich FDP-Debatten zum Grünen Plan und Grünen Bericht kenne, immer wieder daran erinnert, daß wir ein langfristiges Strukturprogramm befürworten. Sie hätten es schon lange duchgesetzt, wenn Sie unseren Anträgen zugestimmt hätten. Offensichtlich haben Sie dieses Problem verschlafen.

    (Zurufe von der SPD: Die Regierungspartei! — Wo sind denn die Anträge?)

    Ich würde einmal die Protokolle der letzten Debatten zum Grünen Plan und Grünen Bericht nachlesen; Sie dürfen sogar die Protokolle der letzten drei Jahre nachlesen.

    (Abg. Dröscher: Sie haben Angst vor der eigenen Courage!)

    — Nein, wir hätten uns gefreut, wenn uns die Opposition unterstützt hätte, dann hätte wahrscheinlich die CDU auch noch mitgemacht, dann hätten wir schon längst erreicht, was wir wollten, aber offensichtlich haben Sie es nicht mitbekommen.
    Die Strukturmaßnahmen müssen mit der Raumordnung eng gekoppelt werden. Hoffentlich müssen wir dabei mit der Raumordnung nicht dieselbe Erfahrung machen wie mit dem Bundesbaugesetz, das auf dem Lande oft geradezu ein Bauverhinderungsgesetz geworden ist. Zu der Entwicklung der Agrarstruktur ist grundsätzlich zu sagen: in den letzten 50 Jahren mußte die deutsche Landwirtschaft ohne Rücksicht auf Betriebsgröße, Boden und Klimaverhältnisse um jeden Preis produzieren. Dadurch wurde die Struktur erheblich konserviert. Der Strukturwandel ist nicht nur ein Problem des Betriebes und seiner Größe, sondern auch ein Problem der Menschen und Generationen in der Landwirtschaft. Der Strukturwandel kann daher, wenn es nicht zu gesellschaftspolitischen Schwierigkeiten kommen soll, nur kontinuierlich und langfristig betrieben werden. Das Ziel muß die Erhaltung eines leistungsfähigen bäuerlichen Betriebes sein. Das Kriterium kann dabei nicht allein die Fläche sein, sondern ebenso das Können und Wollen des Bauern und seiner Familie. Wir denken zunächst an jene Betriebe, die für die Zukunft erhalten bleiben wollen, weil die bäuerliche Familie ja sagt. Hier müssen durch die staatliche Hilfe die Voraussetzungen zu einer modernen Bewirtschaftung geschaffen werden. Zweitens denken wir an jene Personen, die, aus was für Gründen auch immer — nicht durch staatlichen Zwang — von sich aus aus dem landwirtschaftlichen Produktionsprozeß ausscheiden wollen. Hier bedarf es einer sinnvollen Koordinierung aller möglichen Maßnahmen: Weiterbildung, Umschulung und Fortbildung. Besonders wichtig erscheint aber hier die Raumordnung; jenen Menschen muß auch ihr Wohnsitz auf dem Lande erhalten bleiben können, und sie müssen ihr Zusatzeinkommen dann eben in einer industriellen oder gewerblichen Beschäftigung finden. Das dritte Problem ist die Mobilisierung von frei werdendem Boden.
    Die Gefahren einer deutschen Getreidepreissenkung liegen darin, daß die industriellen Veredelungsproduzenten die bäuerlichen zum Erliegen bringen. Daher muß die bäuerliche Veredelungswirtschaft am Boden gebunden bleiben. In diesem Zusammenhang muß auf die Gefahren einer Überproduktion von Veredelungserzeugnissen hingewiesen werden. Getreideüberschüsse werden heute in der hungernden Welt überall gern abgenommen. Anders ist es dagegen mit der Veredelungsproduktion. Oder ist es etwa das Ziel, durch eine Überproduktion in der Veredelungswirtschaft die deutsche Landwirtschaft in Schwierigkeiten zu bringen? Ich frage deshalb, meine sehr verehrten Kollegen
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    von der Opposition, weil unsere verehrte Frau Kollegin Strobel und manche ihrer Kollegen von der Opposition immer so sehr von der Notwendigkeit einer verstärkten Veredelungsproduktion in der Bundesrepublik reden. Die Überfüllung des Agrarmarktes mit Veredelungsprodukten könnte das gefährlichste Experiment für die deutsche Landwirtschaft werden.
    Abschließend ein Wort zu den Anpassungshilfen. Ich möchte auf die Ausführungen des Kollegen Struve nicht näher eingehen. Wir werden im Ernährungsausschuß über die Einzelheiten zu sprechen haben. Wir möchten uns heute mit grundsätzlichen Bemerkungen zufrieden geben. Staatliche Anpassungshilfen müssen so gegeben werden, daß sie gerecht und wirksam verteilt werden, daß niemand bevorzugt und auch niemand benachteiligt wird. Keinesfalls wollen wir sie nach dem Motto, das jüngst in der Öffentlichkeit verkündet worden ist, nämlich die Reichen reicher zu machen und die Armen ärmer, verwendet sehen. Unbedingt muß die Leistung der in der Landwirtschaft tätigen Menschen berücksichtigt werden.
    Die Freien Demokraten haben sich wiederholt für die Erhaltung einer leistungsfähigen bäuerlichen Landwirtschaft ausgesprochen. Seit der Beratung des Landwirtschaftsgesetzes im Jahre 1956 haben wir leidenschaftlich darum gerungen, die deutsche Landwirtschaft in den Rahmen der industriellen Entwicklung gerecht einzugliedern. Was in den letzten Jahren für die deutsche Agrarpolitik national bedeutsam war, ist jetzt besonders für die europäische Agrarpolitik notwendig und zu bejahen. Es geht um die Schicksalsfrage im Rahmen einer gerechten Gesellschaftsordnung. Ein gesundes Europa ist ohne ein gesundes Bauerntum nicht denkbar.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU.)


    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Jaeger.)