Rede von
Dr.
Kurt
Schmücker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Schmidt, ich hoffe, Sie sind damit einverstanden, daß auf die fachlichen Fragen nachher der Kollege Schwarz antworten wird.
Ich möchte zu einigen Anmerkungen, die Sie über die Brüsseler Situation gemacht haben, jetzt sofort Stellung nehmen.
Daß Sie eine Vielzahl von Vorwürfen erhoben haben, die Sie so geschickt in Nebensätze gekleidet haben, daß Sie einem Ordnungsruf entgehen konnten, nun, das ist Ihre alte Kunst. Hätten Sie diese Vorwürfe in die Form der direkten Rede gekleidet,
dann müßte ich sagen: Es wimmelte von Beleidigungen.
Es wimmelte von Beleidigungen!.
— Ich will es gern wiederholen: Hätten Sie die Vorwürfe in die Form der direkten Rede gekleidet, dann wimmelte Ihr Vortrag von unverschämten Beleidigungen.
— Ich habe erst einen Satz gesprochen und möchte zu Ende kommen.
Meine Damen und Herren, ich will gar nicht alle Beispiele herauspicken,
sondern nur ein Beispiel, Herr Kollege Hermsdorf,
das Sie in aller Seelenruhe — in Ruhe, nicht in der Lautstärke, die Sie jetzt an den Tag legen — überdenken können,
Sie behaupten, der Herr Bundeskanzler werfe mit den Millionen um sich. Meine Damen und Herren, wer die Milliardenanträge in diesem Hause stellt, wissen Sie wohl besser als wir.
Sollen wir Ihnen jedesmal die Rechnung aufmachen, wenn Sie hierherkommen und Anträge ohne Dekkung stellen?
Im übrigen erheben Sie den Vorwurf, wir seien diejenigen, die draußen in der Öffentlichkeit
dieses unsinnige Gerede stützten, als würde den Bauern alles in den Hals geworfen. Sie, Herr Schmidt, haben in Ihrem Beitrag mit dem Ausdruck „mit Millionen um sich herumwerfen" dafür gesorgt, daß dieser Tratsch neuen Boden gefunden hat.
Ich möchte ausdrücklich sagen, und ich habe das auch in der vorigen Woche hier schon erklärt: Wir sind verpflichtet, unserer Landwirtschaft bei dem ungeheuer schwierigen Strukturwandel zu helfen, und wir müssen bei der Wirtschaftskraft, die wir haben, dafür auch die notwendigen Mittel aufbringen.
Das Nächste, meine Damen und Herren. Herr Schmidt hat es für richtig gehalten — das ist die alte Taktik der Sozialdemokraten seit der Veröffentlichung des Godesberger Programms, seitdem man nicht mehr den Mut zur Alternative hat,
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 152. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1964 7553
Bundesminister Schmücker
und Herr Schmidt hat diese Taktik fortgesetzt —, das, was an neuen Aufgaben vor uns steht, als Versäumnisse hinzustellen.
Meine Damen und Herren, ich möchte Sie nur darauf hinweisen, daß wir uns in der Tat mit vielen Dingen nicht abzuplagen brauchten, wenn Sie 15 Jahre etwas zu sagen gehabt hätten; aber Gott sei Dank war das nicht der Fall, und so haben wir uns mit diesen Konsequenzen auseinanderzusetzen.
Dann stellen Sie die Behauptung ,auf — ein Adjektiv zu dem Wort „Behauptung" suchen Sie sich bitte selber —, daß wir in Brüssel allein stünden. Haben Sie einmal die Güte und fragen Sie Ihre Frau Kollegin Elsner, die auf Straßburger Boden den Versuch machte, die deutsche Bundesregierung anzugreifen, wie dann nach meiner Erwiderung auch die Sozialisten der anderen Länder — die übrigens noch den Mut haben, sich Sozialisten zu nennen —
auftraten.
— Nein, Herr Schmidt, ich spreche jetzt zu Ende, genau wie Sie. — Die Sozialisten der anderen Länder sind dann aufgetreten und haben gegen Frau Kollegin Elsner Stellung genommen.
I) Ich kann schlecht das wiederholen, was sich dort abgespielt hat. Wenn das „Isolierung" ist, meine Damen und Herren, dann kann ich Ihnen nur empfehlen: kaufen Sie sich einen neuen Duden!
Nun zu den Verhandlungen selbst.
— Sie möchten es wohl gerne werden? Aber Sie werden nicht das Glück haben.
Meine Damen und Herren, es ist hier gesagt worden, wir stünden isoliert da.
Als diese Debatte angesetzt wurde, habe ich mit dem Kollegen Schwarz überlegt, in welchem Ausmaß wir würden antworten können. Denn es ist doch immer eine mißliche Sache, während laufender Verhandlungen eine Parlamentsdebatte zu führen. Hätten wir es beim Ministerrat in Brüssel mit einem Parlament zu tun, dann wäre dagegen nichts einzuwenden. Aber es ist doch nun einmal so, wie Sie selber auch dargestellt haben, daß man mit einem gewissen Verhandlungsgeschick — das Sie uns selbstverständlich absprechen — arbeiten muß. Dazu gehört, daß es nicht möglich ist, jede Position von
vornherein offenzulegen. Man kann nicht mit jeder Verhandlung auf den Markt gehen.
Ich möchte aber doch soviel sagen: Jeder hat gewußt, wie schwer uns allen die Entscheidung in der Frage des Getreidepreises gefallen ist, weil es sich um eine unerhört schwere Entscheidung. für einen bedeutenden Berufsstand handelt.
Und wenn bei der Mitteilung in Brüssel nicht ein großes Hosianna ausgebrochen ist, so ganz einfach deswegen, weil die Mitteilung als solche ja seit Tagen bekannt war und es ganz natürlich war, daß die Debatte sofort ins Materielle ging und bei der Erwähnung des Materiellen — —
— Natürlich war sie bekannt!
— Sie müssen es ja wissen; Sie sind ja Journalist. Aber ich war dabei und Präsident des Rates; vielleicht weiß ich es ebensogut wie Sie.
Meine Damen und Herren, ich habe Zustimmung von den einzelnen Delegationen bekommen, als ich feststellte, daß ich gar nicht überrascht sei, daß nach drei, vier äußerst freundlichen Worten — die Sie nachlesen können — sofort die Debatte en detail, im einzelnen, begonnen habe. Denn jeder wollte doch sofort seine Position aufbauen. Wenn ich es unter diesem Gesichtspunkt sehe, kann ich nur hocherfreut sein über die erste Debatte. Ich habe heute nachmittag einen Besuch gehabt, der mir Bericht über den Fortgang der Beratungen erstattet hat. Danach habe ich gar keinen Zweifel, daß wir in verhältnismäßig sehr kurzer Zeit zu einem Abschluß, und zwar zu einem guten Abschluß, kommen werden.
Nun fragen Sie uns: Warum haben Sie so lange gezögert? Was ist bis dahin getan worden? Meine Damen und Herren, glauben Sie sich tatsächlich berechtigt, nur die agrarpolitische Seite von Brüssel ins Auge zu fassen? Haben Sie nichts gehört und gelesen — oder sogar daran mitgearbeitet — über das, was sich hinsichtlich der sogenannten Kennedy-Runde getan hat? Haben Sie nicht verfolgt, wie die Ausnahmeliste gebildet worden ist? Haben Sie gar nicht gemerkt, welche Debatten wir über die Konjunkturpolitik geführt haben bis hin zu Maßnahmen in den einzelnen Ländern, die auf deutsche Anregung getroffen worden sind, bis hin zur Währungspolitik?
Wir sind heute in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft so weit, daß, ohne daß eine bindende Verpflichtigung besteht, in weiten Bereichen bereits eine Bereitschaft zu gemeinsamem Handeln, nein, die Tatsache des gemeinsamen Handelns registriert werden kann.
Nun noch einmal zu dem Getreidepreis! Ich habe in jeder Sitzung darauf hingewiesen, daß aus europäischen Gründen ein gemeinsamer Getreidepreis
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notwendig ist, daß wir aber nicht der Argumentation zustimmen — und ich bleibe auch heute dabei —, daß etwa, weil die Kennedy-Runde beginnt, schon jetzt eine Entscheidung fallen müßte. Ich bin deswegen auch eigens drüben in den Vereinigten Staaten gewesen und habe mit den Herren darüber verhandelt. Man ist uns immer mit diesem Argument entgegengetreten, das falsch war.
Inzwischen sind die Verhandlungen — ich zähle gleich noch einige Einzelpositionen auf — so weit fortgeschritten, daß es an der Zeit war, hier eine Entscheidung zu fällen. Diese Entscheidung liegt heute zwar ziffernmäßig vor uns. Aber die vielen Konsequenzen, die noch überdacht werden müssen, sind doch von ungeheurer Tragweite.
Herr Kollege Schmidt bemängelt z. B., daß wir uns noch nicht über den Sozialplan klar sind. Meine Damen und Herren, Sie müssen sich einmal ansehen, welche Konsequenzen das für die deutsche Sozialpolitik haben könnte,
wenn wir einfach auf das einstiegen, was die anderen haben und was für die Kostenberechnung der Landwirtschaften anderer Staaten von eminenter, von ausschlaggebender Bedeutung ist.
Sie mögen den Mut haben, ohne Berücksichtigung der Tatbestände von heute auf morgen zu entscheiden, — vermutlich deswegen, weil Sie so wenig Bauern hinter sich haben. Wir haben diesen Mut nicht. Wir kümmern uns um die Einzelfragen und I nehmen uns, auch wenn wir gedrängt werden, die Zeit dazu, diese Einzelfragen zu diskutieren.
Sie haben die Geldfrage angeschnitten. Nun, auch sie wird noch einige Debatten in Brüssel erfordern. Ich glaube aber, sagen zu können, daß die deutschen Maßnahmen als EWG-konform angesehen werden können.
Der Hauptgrund der sogenannten Verzögerung ist folgender. Es war unser Bemühen, entsprechend der guten Verbindung, die wir zur deutschen Landwirtschaft haben, auf jeden Fall ein Entscheidung mit den deutschen Bauern zu finden und nicht gegen ihren Willen.
Und, meine Damen und Herren von der SPD, das, was Sie niemals für möglich gehalten haben — und das ist der Grund Ihres Ärgers, Herr Schmidt —,
hat der Herr Bundeskanzler in seinen Gesprächen fertiggebracht: mit dem Verband hier zu einer gemeinsamen Auffassung zu kommen, also diese Maßnahme mit den Bauern durchzuführen.
So werte ich das, was sich hier soeben abgespielt hat, als eine entsprechende Reaktion des Überspielten. Sie haben es sehr geschickt gemacht, Herr Schmidt, das will ich nicht bestreiten. Aber ich möchte Ihnen sagen: Auch dieses Störfeuer kann uns nicht hindern, in Brüssel weiterzuarbeiten, weil
wir aus der Zusammenarbeit wissen, das die bisherigen deutschen Initiativen von allen Verhandlungspartnern nicht nur akzeptiert, sondern als Motor für die Arbeit begrüßt und anerkannt worden sind. Wir wollen daran weiterarbeiten, daß wir in allen Bereichen in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu einer Harmonie gelangen. Weil wir wissen, daß dazu sehr viel Bereitschaft gehört, auch einmal über die Hürden zu springen, daß aber genauso dazugehört, wichtige Fragen vorher zu klären, deshalb haben wir die bekannten neun Fragen gestellt, die erst einmal beantwortet werden mußten. Ich halte es verhandlungstechnisch für einen unerhörten Erfolg, daß wir diese Antworten auf dem Tisch liegen haben, und das ist die Zeitspanne wert, die Sie heute hier so stark kritisieren.
Wir dürfen — das möchte ich abschließend feststellen — als Deutsche sagen, daß wir froh und glücklich darüber, ja, dankbar dafür sind, mit unseren befreundeten Partnern in dieser Harmonie zusammenzuarbeiten. Wenn andere uns hin und wieder das Lob spenden, daß wir es gewesen sind, die die Europapolitik immer wieder aus der Stagnation herausgerissen haben, so würde ich das für mich als Argument nicht übernehmen; aber ich muß es übernehmen in Abwehr gegen Ihre ungerechtfertigten Vorwürfe,
gegen Ihre Vorwürfe, als hätten wir nicht sauber und mutig gearbeitet. Wir sind davon überzeugt, daß allem Störfeuer zum Trotz die europäische Arbeit weitergehen wird. Wenn dieser Erfolg da sein wird, dann sind neue Aufgaben da, und ich bin sicher, diese neuen Aufgaben werden Sie dann jeweils wieder als Versäumnis interpretieren.