Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige agrarpolitische Debatte steht unter einem ganz besonderen Vorzeichen. Wir müssen über die Agrarpolitik diskutieren, weil wir Europa wollen. In der letzten Zeit war die europäische Situation sehr schwierig geworden. Die wirtschaftlichen Notwendigkeiten wurden überlagert durch politische Vorstellungen, die sich gegenseitig auszuschließen drohten. Das große Werk der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft geriet in eine äußerst bedenkliche Gefahrenzone. Der Herr Bundeskanzler hat diesen Knoten mutig durchschlagen.
— Ist es etwa nicht so? Seine Initiative, der meine politischen Freunde und ich unsere große Anerkennung nicht versagen, hat den Weg frei gemacht für die unumgänglichen Entscheidungen, die die Zeit fordert. Niemand unter uns wird daran zweifeln, daß die europäische Einigung einen kräftigen Auftrieb bekommen hat. Wir kennen alle die Schwierigkeiten, die diese notwendige Entwicklung hemmen.
Jedes Land hat seine eigenen Sorgen; jede Regierung ist darauf bedacht, diese zunächst mit den eigenen Mitteln zu bannen.
Die supranationale Idee des EWG-Vertrages ist noch weit davon entfernt, Wirklichkeit zu sein. Die schwierigen Verhältnisse haben im Gegenteil den nationalen Überlegungen zusätzlich Impulse gegeben, und wir dürfen die Berechtigung dieser Tendenz nicht einmal ohne weiteres bestreiten. Immerhin
gelang es in ihrem Zeichen, die Währungsschwierigkeiten in Frankreich und Italien spürbar zu mildern. Die aktive Solidarität der Partner ist dabei allerdings nicht wegzudenken. Deshalb ist die optimistische Folgerung erlaubt, daß die jüngste Entwicklung auch ihre guten Seiten hatte. Sie bestätigte zu ihrem Teil die Notwendigkeit der Gemeinsamkeit und schuf damit eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen der nächsten Schritte, über die in diesen Tagen und Wochen in Brüssel entschieden wird. Die Beratungen im Ministerrat können und müssen gepflogen werden im 'Bewußtsein der Erfahrung, daß es sich lohnt, füreinander einzustehen, auch wenn es Opfer fordert. Das, meine ich, ist das Überzeugende im europäischen Sinne an der großartigen Initiative unseres 'Herrn Bundeskanzlers Erhard.
— Diese schnelle und mutige Entscheidung hat Sie wohl sehr überrascht. Das paßt Ihnen wohl gar nicht.
— Ich habe Verständnis dafür, wenn Sie aus Verlegenheit lachen.
Die Bundesregierung hat sich mit der Annahme seiner Vorschläge dazu bereit erklärt, beträchtliche Lasten zu übernehmen, um den weiteren europäischen Weg zu ermöglichen. Ich wage zu unterstellen, daß das Hohe Haus auch in dieser 'Debatte dieser bedeutungsvollen Absicht seine Zustimmung nicht versagen wird.
Das schließt allerdings nicht verschiedene Auffassungen über Einzelheiten aus. Bei der europäischen Diskussion der letzten Monate, um nicht zu sagen, der letzten Jahre, spielte die Agrarpolitik eine ungewöhnlich große und — ich füge hinzu — auch eine ungerechtfertigte Rolle. Es mußte der Eindruck entstehen, als ob es nur die Landwirtschaft sei, die Europa noch im Wege stünde. Daß die Dinge in Wahrheit sehr viel anders liegen, wurde und wird leider auch heute noch mancherorts verschwiegen. Aber es ist einfach nicht wahr, daß die Ungleichheiten, die die europäische Gemeinsamkeit bisher verhinderten, allein im Bereich der Landwirtschaft zu suchen sind. Die Stichworte Konjunktur-, Währungs-, Steuer-, Sozial- und Verkehrspolitik genügen, um erkennen zu lassen, welche großen und umfassenden Aufgabenbereiche noch zu bewältigen sind.
Demgegenüber ist die europäische Landwirtschaft heute schon geradezu ein Idealfall der Annäherung. Immerhin gelang es bisher, die gesetzlichen Voraussetzungen für einen gemeinsamen europäischen Markt zu etwa 85 % der landwirtschaftlichen Erzeugnisse zu verwirklichen. Das schwierigste Kapitel steht allerdings noch bevor. Erst mit der Angleichung der Agrarpreise und der Lösung der damit unmittelbar verbundenen Probleme wird es abgeschlossen sein.
Unser Bundeskanzler hat nie einen Zweifel daran gelassen, daß kein Anlaß dazu besteht, den deutschen Getreidepreis von der Kostenseite her zu
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diskutieren. Die Bundesregierung hat stets ebenso unzweideutig zum Ausdruck gebracht, daß der Landwirtschaft deshalb Einkommenseinbußen nicht zugemutet werden dürften, wenn es zu einer Verminderung der Preise käme. In dieser Verpflichtung stehen die Vorschläge unseres Bundeskanzlers Erhard. Aus politischen Gründen hat er sich zu einer Konzession in der Preisfrage bereitgefunden, und aus wirtschaftlichene Gründen und um der Gerechtigkeit willen sollen der Landwirtschaft die finanziellen Folgen ferngehalten werden.
Die Kritik hat an den Vorschlägen bemängelt, daß sie ohne agrarpolitische Konzeption seien. Man beanstandet nicht nur die Höhe der vorgesehenen Mittel, sondern äußert auch Bedenken gegen ihre Verwendung. Dabei geht es zunächst um jene 840 Millionen DM aus den Mitteln des Bundeshaushalts 1965. Sie sind in Verbindung mit zusätzlichen 260 Millionen DM ab 1966 als Ausgleich für die bestehenden Wettbewerbsverzerrungen hinsichtlich der Kosten, Lasten und Sozialleistungen in der EWG und für das Vorziehen der Getreidepreisangleichung gedacht. Diese Summe wird allerdings auch unter dem Gesichtspunkt der Deckung im Haushalt zunehmend diskutiert. Zu diesem Problem hat sich soeben unser Kollege Leicht geäußert. Er hat keinen Zweifel darüber gelassen, daß die Koalitionsfraktionen einen Vorschlag unterbreiten werden, in dem die 840 Millionen DM für 1965 berücksichtigt sind.
Die Auskehrung dieser Mittel an die Landwirtschaft ist aber auch die unabdingbare Voraussetzung dafür, daß diese die Senkung des Getreidepreises verkraftet und sie darüber hinaus auch wirtschaftlich ohne Schaden übersteht. Es ist eine völlig falsche Vokabel, wenn hier und da das ominöse Wort verwendet wird, es handle sich dabei um ein Geschenk an die Landwirtschaft. Noch unberechtigter ist es, in diesem Zusammenhang davon zu sprechen, daß diese Summe der Preis sei, mit dem man dem Bauernverband die Zustimmung zur Herabsetzung des deutschen Getreidepreises abgekauft habe. Die vorgeschlagenen 840 Millionen DM für 1965 und ihre Aufstockung um 260 Millionen DM im Jahre 1966 sind eine absolute wirtschaftliche Notwendigkeit, für die der Herr Bundeskanzler selber in seiner Erklärung vor diesem Hohen Hause am Mittwoch der vergangenen Woche die Begründung gegeben hat. Mit der Anerkennung für die ungewöhnliche Investitionsbereitschaft der deutschen Landwirtschaft verband er die Feststellung, daß es ihre finanzielle Kraft übersteige, wenn sie den verstärkten Investitionsdruck der verkürzten Übergangsfrist ohne staatliche Hilfe überstehen müßte.
Diese Formulierung müßte eigentlich jeden überzeugen. Es ist ein sehr großer Unterschied, ob der Bauer fünf Jahre oder nur noch zwei Jahre vor sich hat bis zu dem Augenblick, wo über die Wirtschaftlichkeit seines Betriebes in der freien Konkurrenz entschieden wird. Dennoch hakt die inzwischen geäußerte Kritik schon an diesem Punkte ein mit der Behauptung, an der Verkürzung der Übergangsfrist sei unsere Bundesregierung schuld; sie hätte sich bereits längst in der Frage des Getreidepreises entscheiden müssen; das wäre politisch besser gewesen, und vor allem hätte es die Bauern eher mit der Wahrheit bekanntgemacht, die man ihnen statt dessen vorenthalten habe.
Ich halte diesen Einwand für unberechtigt. Was politisch besser gewesen wäre, mag diskutiert werden, wenn es um die Außenpolitik geht. Ich möchte mich auf die Bemerkung beschränken, daß auch in der Politik alles seine Zeit braucht.
Dabei darf ich noch einmal auf die wirtschaftliche Entwicklung und nicht zuletzt auf die großen Schwierigkeiten in einzelnen Partnerländern verweisen. Die Bereitschaft zum Entgegenkommen auf allen Seiten dürfte inzwischen zum mindesten nicht geringer geworden sein.
Was aber die Agrarpolitik angeht, möchte ich glauben, daß diese Kritik vor der Wirklichkeit versagt. Wäre es nach dem Vizepräsidenten Mansholt gegangen, dann hätten wir bereits seit einem Jahr den ermäßigten Getreidepreis. Das hätte bedeutet, daß die deutsche Landwirtschaft nach den Schätzungen unseres eigenen Bundesernährungsministers schon in diesem Wirtschaftsjahr eine runde Milliarde DM weniger eingenommen hätte. Eine entsprechende Summe hätte zum Ausgleich den Bundeshaushalt 1964 belastet. Wer da glaubt oder gar wie die SPD behauptet, die Aufschiebung der Getreidepreisentscheidung habe bei unseren Bauern falsche Vorstellungen über die agrarpolitischen Möglichkeiten am Leben erhalten, sollte seine Aufmerksamkeit lieber dem letzten Grünen Bericht der Bundesregierung zuwenden. Aus ihm ergeben sich Feststellungen, die nicht mißverstanden werden können. Sie lassen nämlich ganz deutlich erkennen, daß die Bauern in ihrer großen Masse immer den Augenblick vor Augen haben, wo die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft mit ihrem größeren Markt uneingeschränkte Wirklichkeit ist. Nicht nur der inzwischen erreichte Technisierungsgrad und die ungewöhnlichen Bauaufwendungen beweisen das; in allen Bereichen, die die Produktion verbilligen und die Absatzchancen verbessern, regt es sich, von der Strukturverbesserung ganz zu schweigen. Die Dörfer verwandeln ihr Gesicht. Die Fluren werden zusammengelegt zu Flächen, wie sie die Technik erfordert. Milliarden sind von der Landwirtschaft, aber auch von der Bundesregierung und von den Ländern dafür aufgewendet worden. Alles nur zu dem einen Zweck: konkurrenzfähig zu sein.
Es ist einfach eine Feststellung wider die Wahrheit, wenn behauptet wird, die Agrarpolitik der Bundesregierung habe die Landwirtschaft zu falschen Vorstellungen über ihre Zukunft kommen lassen. Die harte Wirklichkeit wurde längst begriffen und durch mutige und kostspielige Taten beantwortet.
Es gibt wohl auch kaum einen verantwortungsbewußten Bauern, der sich nicht wieder und wieder ausrechnet, was eine Senkung der Getreidepreise und damit auch der Preise der Veredelungsprodukte für seinen Betrieb ausmachen würde. Er überlegt auch, was er wohl gegen diese Minderung seines
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Einkommens unternehmen kann und wie er sich darauf einzustellen hat, mit immer weniger Arbeitskraft und verstärktem Kapitaleinsatz seinen Betrieb in Ordnung zu halten. Die erreichte Arbeitsproduktivität des deutschen Bauern wird in keinem Land der westlichen Welt übertroffen.
Was aber den deutschen Bauern so belastet, ist die Tatsache, daß sein Einkommen durch die EWG nicht etwa über den Preis bestimmt wird. Nein, sein Einkommen soll nach der Konstruktion des Vertrages durch erhöhte Subventionen bestimmt werden.
Es ist aber auch völlig verfehlt, die Vorschläge des Herrn Bundeskanzlers als ein Wahlgeschenk zu diffamieren. Eine solche Behauptung ist übrigens auch sehr billig.
Ich kann mir schon in diesem Augenblick die Frage nicht versagen, was denn wohl die Kritiker in der bedrängenden und beunruhigenden Situation dieses Herbstes gemacht hätten, die ganz einfach zum Handeln zwang.
Auch ein anderer kritischer Einwand, die Vorschläge der Bundesregierung kämen nur den Großen zugute und vernachlässigten die Kleinen, hat mit der Wirklichkeit nicht das geringste zu tun.
Wer sind denn eigentlich diese Großen und diese Kleinen? Es gibt in der Bundesrepublik etwa 16 000 Betriebe über 50 Hektar, über 100 Hektar nur noch etwa 2600. — Sie lachen bei den 16 000 über 50 Hektar.
— Meine Herren von der SPD, darf ich Ihnen die Frage vorlegen: Ist Ihnen denn nicht bekannt, daß in diesen Betrieben Mann und Frau mit ihren eigenen Kindern — ohne jede fremde Arbeitskraft — schon heute allein wirtschaften? Sind das denn die Großen? Das sind die Familienbetriebe! Ich erinnere an diesen unseren Grundsatz, den wir in der Agrarpolitik immer wieder vertreten haben und zu dem wir uns immer wieder bekennen.
Der Strukturwandel hin zu leistungsfähigen Betrieben auf der Grundlage gesunder Familienexistenzen vollzieht sich in einem Tempo, wie man es nicht für möglich halten konnte. Ich möchte denjenigen sehen, der in der Lage ist, hier zu entscheiden, ob einer der staatlichen Hilfe bedarf oder nicht.
Die deutsche Landwirtschaft muß als Ganzes gesehen werden. Im Vergleich zu der übrigen Wirtschaft ist festzustellen, daß die Grünen Berichte über die Lage der Landwirtschaft alljährlich eine klare Aussage geben. Es wäre daher besser und entspräche zudem der Wirklichkeit, wenn künstliche und konstruierte Unterschiede aus der öffentlichen Debatte verschwänden. Statt dessen sind ganz andere Maßstäbe nötig, um die Berechtigung der von der Bundesregierung gemachten Vorschläge zu beurteilen.
Dabei möchte ich, wenn ich mir das Bukett dieser Vorschläge ansehe, die Aufbesserung der Zuckerrübenpreise an erster Stelle nennen. Das ist Agrarpolitik, die den wirtschaftlichen Grundsätzen folgt. Die erhöhten Kosten werden durch einen entsprechenden Preis aufgefangen. Also: bessere Rentabilität über bessere 'Preise. Auf den Verbraucher schlägt der erhöhte Erzeugerpreis nicht durch, weil wir die Zuckersteuer senken.
Auch die weitere Verbilligung des Dieselöls gehört in diesen Zusammenhang. Sie verdient .die gleiche Anerkennung.
Der Preiserhöhung gleichwertig ist die Kostensenkung. Sie ist die andere wesentliche Voraussetzung, um der Landwirtschaft zu rentablen Verhältnissen zu verhelfen. Die Ausdehnung der Zinsverbilligung 'auf die alten Schulden liegt in der gleichen guten Linie. Aber leider reichen die Möglichkeiten in dieser Richtung nicht aus, um die notwendige Stärkung der Finanzkraft für 'die großen vor uns liegenden Investitionen zu erreichen. Das gilt ganz besonders für die vor uns liegenden Jahre bis zu dem Augenblick, wo die uneingeschränkte Konkurrenzfähigkeit in der EWG gegeben sein wird.
Der Herr Bundeskanzler zog daraus nur eine selbstverständliche Konsequenz, als er mit den 300 Millionen DM für die verschiedenen sozialen Hilfen und mit den 380 Millionen DM für die Investitionsförderung die Agrarpolitik- des Bundes in zwei Bereichen erweiterte. Beides setzt 'an der richtigen Stelle an. Die sozialen Hilfen sind eine absolute Notwendigkeit. Die Heraufsetzung des Altersgeldes fördert — auch über das bisher schon festzustellende erfreulich große Ausmaß hinaus — den Generationswechsel in unseren landwirtschaftlichen Betrieben. Die Notwendigkeit dieser agrarpolitischen Aufgabe wird niemand bestreiten wollen.
Auch die Zuschüsse im Bereich der Unfallversicherung stehen damit in- engem Zusammenhang. Ich darf dabei auf ein zentrales Problem hinweisen: Die Zahl der Beitragspflichtigen nimmt alljährlich ab, während die Zahl der Rentenberechtigten, die aus der Landwirtschaft in andere Berufe abwandern, zunimmt.
Der andere große Bereich, der durch die jetzt vorgeschlagenen Maßnahmen erfaßt werden soll, ist die Investitionsförderung. Der Höhe nach muß sie am jährlichen Bedarf gemessen werden. Nach den Grünen Berichten investierte die deutsche Landwirtschaft 'im Durchschnitt der letzten Jahre etwa 3,5 Milliarden DM jährlich. Wer die Verhältnisse in der Landwirtschaft kennt, weiß, wie notwendig diese Hilfe ist. Alle Vorschläge, diese Mittel gezielt zusätzlich der Strukturverbesserung zuzuführen, gehen an dieser Lage vorbei. Der zusätzliche Investitionsdruck ist nämlich 'auf allen Höfen gleichermaßen gegeben. Dabei geht es im einzelnen um sehr verschiedene Aufgaben. Der eine mag in der Technisierung noch manches nachholen müssen, und der andere muß dringende Bauvorhaben bewältigen. Ein
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dritter schließlich braucht noch erhebliche Gelder für die Dränage seiner flurbereinigten Äcker, und der vierte muß für die Anpassung seiner Veredelungswirtschaft an den Markt mehr aufwenden, ,als er aus seinen Erträgen herauswirtschaften kann. Aktuelle Aufgaben, die im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit schnellstens abgeschlossen werden müssen, gibt es in jedem landwirtschaftlichen Betrieb.
Die von der Bundesregierung beschlossene Investitionsförderung findet daher die besondere Unterstützung meiner Fraktion. Sie ergänzt die großen Aufwendungen für das Agrarstrukturprogramm, die schon eingesetzt sind und weiter eingesetzt werden müssen. Die Vielseitigkeit der Investitionsaufgaben schließt eine gezielte Verwendung der vorgesehenen Investitionsförderungsmittel aus. Jeder auf Einzelmaßnahmen beschränkte Vorschlag müßte erstens bei den nach Größen, Bodenarten und Kulturmöglichkeiten unterschiedlichen Betrieben zwangsläufig unvollständig bleiben. Außerdem würde eine solche Regelung zu Fehlinvestitionen geradezu herausfordern, von dem damit verbundenen Verwaltungsaufwand ganz zu schweigen.
Darum ist es aber auch nötig, für die 380 Millionen DM einen Schlüssel zu finden, der der ganzen Landwirtschaft zugute kommt. Persönlich glaubte ich, daß die Zahlungen für den Lastenausgleich und für die Grundsteuer dafür den besten Schlüssel abgeben würden; nicht, um diese Steuern zu ersetzen, sondern weil sie vor allem der Landwirtschaft Mittel entzogen haben, die sie für die Erreichung ihrer Konkurrenzfähigkeit gebraucht hätte.
Man macht verfassungsrechtliche Bedenken dagegen geltend; zu ihrer Beurteilung fehlt mir die Sachkenntnis. Aber wenn sie nicht ausgeräumt werden können, sollte man sich eines einfachen Schlüssels ohne viel Verwaltungsarbeit bedienen. Hier bietet sich z. B. die landwirtschaftliche Nutzfläche an. Es gibt nach meiner Meinung nur diese Alternative, wenn der Zweck erreicht werden soll. Ich hoffe, daß die Entscheidung schnell getroffen wird. Es kann nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, daß die Landwirtschaft einen Getreidepreiskompromiß nur dann wirtschaftlich durchstehen kann, wenn die bewilligten Mittel sehr schnell zur Auszahlung kommen.
Die Landwirtschaft braucht das Geld für den großen und immer größer werdenden Umstellungsprozeß. Darum empfindet sie aber auch jeden Versuch, diese Mittel in Verbindung mit einer Wahl zu bringen, als ein Zumutung, ja als ein Kränkung. Diese Verbindung bedeutet doch im Grunde nichts anderes als den Versuch, diese Hilfen in Zweifel zu ziehen.
Gerade unser Vertrauen, das Vertrauen des Parlaments und der Bundesregierung braucht die Landwirtschaft, um selbst mit Vertrauen ihrer Zukunft entgegensehen zu können,
einer Zukunft, die so stark von der EWG beeinflußt wird.
Gerade darum begrüßen wir auch die klaren und präzisen Äußerungen, mit denen der Bundesernährungsminister Schwarz in der vergangenen Woche das deutsche Angebot in Brüssel den Partnern unterbreitete. Er hat die deutsche Bereitschaft zur Preisangleichung mit einer Reihe von Bedingungen versehen, die wir in der CDU/CSU-Fraktion ohne Einschränkung bejahen. Der Kollege Bauer wird noch auf diese einzelnen Fragen eingehen. Doch schon die ersten Beratungen dieser Woche in Brüssel haben erkennen lassen, daß die Einschränkungen in Verbindung mit dem deutschen Preisvorschlag und den deutschen Vorstellungen über den Ausgleich der Preissenkung bei unseren Partnern nicht gerade auf sehr großes Verständnis stoßen. Das ist wohl auch nicht weiter verwunderlich. Jeder versucht zunächst einmal, seine Position so gut zu verteidigen, wie es geht. Aber fest steht auf alle Fälle, daß es zunächst einmal die Bundesrepublik war, die entgegenkam. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ist eigentlich eine ideale Konstruktion, allerdings unter der Voraussetzung, daß alle Partner ihren Teil beitragen zu dem gemeinsamen Nenner übereinstimmender wirtschaftlicher Verhältnisse. In den vergangenen Jahren ist auch schon mancher gute und überzeugende Beweis dafür erbracht worden — trotz aller großen Unzulänglichkeiten, die noch übriggeblieben sind.
Die europäische Agrarpolitik steht unter den Früchten der bisherigen EWG-Entwicklung ganz gewiß nicht an letzter Stelle. Ich meine sogar, wir sollten sie sehr hoch bewerten. Wäre das nicht der Fall, würden sich die bedeutungsvollen Beschlüsse der Bundesregierung nicht rechtfertigen lassen. Sie sind vielmehr ein Ausdruck berechtigter Zuversicht, den wir in unserer heutigen Aussprache alle miteinander bestätigen sollten.
Die CDU/CSU-Fraktion steht geschlossen zu dieser großen politischen Entscheidung der Bundesregierung. Es kommt in diesem Augenblick nicht entscheidend darauf an, ob das eine oder andere besser so oder anders gemacht werden könnte. Es kommt vielmehr an auf die Klarheit und Unzweideutigkeit unserer Entscheidung. Je einmütiger wir heute in diesem Hohen Hause hinter die Vorschläge der Bundesregierung treten, desto überzeugender wird die Wirkung sein, die von unseren Beratungen auf die Brüsseler Verhandlungen und Entscheidungen ausstrahlt.
Die Landwirtschaft in der Bundesrepublik und deren Zukunft stehen in diesen Tagen wieder einmal im Mittelpunkt der Brüsseler Verhandlungen. Aber alles, was wir dazu sagen und beschließen, steht in einem größeren europäischen Zusammenhang. In dieser Verantwortung bejahen wir die vorgeschlagenen Hilfen für die Übergangsjahre als einen konstruktiven agrarpolitischen Beitrag. In dieser Verantwortung erfüllt uns die Hoffnung, daß auf der Grundlage des deutschen Entgegenkommens in Brüssel Entscheidungen fallen, die Europas Zukunft nützlich sind.