Rede von
Dr.
Hans Georg
Emde
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Grundlage unserer Beratung sind der Nachtragshaushalt 1964 und der Bericht des Haushaltsausschusses, in dem die Annahme dieses Nachtragshaushalts empfohlen wird. In »der gestrigen Debatte im Haushaltsausschuß hat die Opposition nichts gesagt, woraus sich ergeben könnte, daß sie den Nachtragshaushalt heute im Plenum ablehnen würde. Im Gegenteil ergab sich aus ihren Fragen und aus ihrer Reaktion auf die Antworten des Herrn Finanzministers, daß sie im Prinzip mit dem Inhalt des Nachtragshaushalts einverstanden war.
Worum geht es in diesem Nachtragshaushalt? Wie ist er politisch zu bewerten? Was bedeutet er für die weitere Finanzpolitik der Regierung? Ich glaube, das sind die »drei Fragen, über die wir uns hier heute zu unterhalten haben.
In dem Nachtragshaushalt sind eine Reihe kleinerer Korrekturen verschiedener Einzelpläne enthalten, über die wir uns hier nicht näher zu unterhalten brauchen, weil im Haushaltsausschuß und auch im Plenum im Prinzip Einverständnis über diese Ausgaben besteht. Ich nenne nur einige Zahlen, um die im Verhältnis zum Gesamthaushalt geringe Bedeutung dieser Ausgaben darzustellen: 600 000 DM mehr für das Auswärtige Amt, 3 Millionen DM mehr für das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen, 50 Millionen DM mehr für Grunderwerb im Einzelplan 35. Über diese »Positionen gab und gibt es keine Meinungsunterschiede. Zum Teil sind die politischen Entscheidungen, die zu diesen Mehrausgaben führen, hier bereits im Laufe des Haushaltsjahres gefallen. Dies trifft z. B. für die Beamtenbesoldung zu. Hier ist eine Verstärkung der Mittel um 30 Millionen DM veranschlagt. Die Zahlung ist »ausgelöst worden durch den Beschluß des Bundestages, die Beamtenbesoldung zum 1. Oktober dieses Jahres zu erhöhen. Eine Reihe anderer Ausgaben sind zwangsläufig in den Nachtragshaushalt „hineingewandert".
Ein zweiter größerer Komplex von Ausgaben wird verursacht durch Maßnahmen, die ich als Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur bezeichnen möchte. So sind 307 Millionen DM Mehrausgaben zugunsten der Deutschen Bundesbahn und 183 Millionen DM Mehrausgaben für den Straßenbau veranschlagt, zwei Maßnahmen, die für die allgemeine Entwicklung der deutschen Wirtschaft von erheblicher Bedeutung sind und die sicherlich auch im Sinne des gesamten Hauses liegen.
Mit den 307 Millionen DM, die wir für die Bundesbahn geben, haben wir nahezu die »gesamte Belastung durch den Fehlbetrag aus dem Jahre 1963 abgedeckt, der ja 340 Millionen DM betrug und die Bundesbahn im Laufe dieses Jahres in eine Liquiditätskrise hineingeführt hat.
Auf die Bereitstellung der zusätzlichen 183 Millionen DM für den Straßenbau während des Haushaltsjahres werde ich im weiteren Verlauf meiner Rede noch zu sprechen kommen.
Der dritte Komplex von Ausgaben, die in diesem Nachtragshaushalt vorgesehen sind, umfaßt Ausgaben, die finanzpolitisch von Bedeutung sind: »die Zahlung von 400 Millionen DM an die Deutsche Bundesbank und die Abdeckung des Defizits aus dem Haushaltsjahr 1963 in Höhe von 511 Millionen DM. Ich möchte noch einmal die Diskussion während der dritten Lesung dm April dieses Jahres in die Erinnerung zurückrufen. Damals ist hier das Problem des Schattenhaushalts behandelt worden, und ich habe für meine Fraktion ausgeführt, daß ich gerade die Tatsache der nicht erfolgten Tilgung der Schulden gegenüber der Bundesbank in Höhe von 400 Millionen DM und die Nichteinstellung des Defizits aus dem Jahre 1963 in Höhe von 511 Millionen DM als eine erhebliche Belastung für das Haushaltsjahr 1964 ansähe. Ich habe damals für meine Fraktion den Wunsch geäußert, daß diese Probleme im Laufe des Jahres bereinigt würden, und Gott sei Dank ist es uns gelungen, diese Bereinigung hier jetzt durchzuführen.
Herr Kollege Schoettle hat sich über das Problem der Minderausgaben nicht allzu positiv geäußert. Er hat gesagt, da sei eine Zahl von 1,7 Milliarden DM, nicht weiter aufgegliedert im Haushalt, als Zunahme der Minderausgaben eingebracht. Nun, Herr Kollege, der Bundesfinanzminister hat gestern im Haushaltsausschuß schon eine gewisse Voraufgliederung dieser Zahl vorgetragen, aus der sich ergibt, daß die Masse der Minderausgaben im Verteidigungshaushalt anfallen wird und daß sich zwei weitere Einzelpläne auch mit Minderausgaben an dem Ausgleich dieses Nachtragshaushalts beteiligen werden. Er hat weiter ausgeführt, daß die endgültigen Zahlen erst in einigen Wochen vorliegen werden und daß erst dann die Aufgliederung der Minderausgaben auf die Einzelpläne erfolgen kann, ein Vortrag des Bundesfinanzministers, der im Haushaltsausschuß mit allem Ernst entgegengenommen wurde und an dem wir auch heute hier nichts aussetzen können. Ich glaube, der Vorwurf, die Minderausgaben seien
7528 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 152. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1964
Dr. Emde
nicht entsprechend aufgegliedert, ist mehr in der theoretischen Diskussion zu suchen als im sachlichen Inhalt.
Das ist in dürren Worten der Inhalt des Nachtragshaushalts, eines Nachtragshaushalts, dessen allgemeine und finanzpolitische Bewertung ohne Zweifel zu positiven Ergebnissen führt. Es ist gelungen, die erforderlichen Umstellungen vorzunehmen, ohne das Volumen des Gesamthaushalts zu verändern. Die sogenannte magische Zahl von 60,3 Milliarden DM hat sich also zum Ende dieses Jahres als eine reale Zahl herausgestellt. Durch eine disziplinierte Ausgabenpolitik und eine glückliche Zusammenarbeit aller Beteiligten ist erreicht worden, was sehr viele Skeptiker zu Beginn des Jahres für unwahrscheinlich gehalten und was viele Kritiker als unmöglich dargestellt hatten. Es hat sich somit gezeigt, daß es finanzpolitisch richtig sein kann, eine äußerste Grenze festzulegen und politische Maßnahmen im Rahmen dieser Grenze zu planen.
Es hat sich weiter ergeben, daß notwendige Forderungen zur Verbesserung der Infrastruktur im Rahmen dieser Grenze erfüllt werden konnten. Die Tatsache, daß wir allein für das Verkehrswesen 490 Millionen DM gesetzlich bereitgestellt haben, ist ein deutlicher Beweis für die Entschlossenheit dieser Regierung, den großen Sektor der Gemeinschaftsaufgaben in der erforderlichen Weise finanziell auszugestalten.
Als im Sommer deutlich wurde, daß infolge der raschen Baufortschritte, die sich aus der günstigen Wetterlage ergaben, die Straßenbaumittel nicht ausreichten, hat der Bundesfinanzminister bereits nach einer ganz kurzen Verhandlungsphase von wenigen Tagen die geforderten Finanzmittel in voller Höhe zur Verfügung gestellt. Dieses positive Verhalten läßt uns manch anderer in Zukunft zu lösender Frage mit Vertrauen und Ruhe entgegensehen.
Von besonderer Bedeutung aber ist das konjunkturpolitisch richtige Verhalten der Regierung im Rahmen dieses Nachtragshaushalts. Die Abdeckung des Haushaltsdefizits und die bisher nicht eingeplante Tilgungsleistung an die Bundesbank bedeuten konjunkturpolitisch die Stillegung von 911 Millionen DM. Natürlich hätte es Möglichkeiten genug gegeben, diese 911 Millionen DM in anderer Weise auszugeben. Genügend Wünsche, nicht nur von sogenannten Interessentengruppen, sondern genügend, im einzelnen sachlich fundierte Wünsche lagen vor. Das Problem der meisten dieser Wünsche aber war darin zu sehen, daß es sich um Wünsche handelt, die sich als jährlich wiederkehrende Dauerleistung finanziell auswirken, während der hier im Nachtrag als Deckung zur Verfügung stehende Betrag von 1,7 Milliarden DM doch nur durch Restebildung, also durch momentanes Nichtausgeben von Geld, entstanden ist, wobei jedermann weiß, daß die Geldausgabe in Wirklichkeit ja nur um einige Monate, vielleicht um ein Jahr oder zwei Jahre verschoben worden ist. So war es logisch, zum mindesten einen erheblichen Teil der entstandenen Reste konjunkturdämpfend zur Tilgung von Schulden und alten Verpflichtungen einzusetzen.
Diese richtige Planung muß klar und deutlich begrüßt werden. Noch mehr aber ist zu begrüßen, daß es Regierung und Koalition gelungen ist, diese Planung in die Tat umzusetzen und gegenüber allen Anfechtungen bis zum erfolgreichen Abschluß durchzuhalten.
Konjunkturell richtiges Verhalten ist die Basis für Stabilität der Währung und damit für Stabilität des Preisgefüges, Dinge, an denen die Gesamtheit der Bevölkerung in höchstem Maße interessiert ist. Das muß auch die Forderung für das weitere Verhalten aller politisch entscheidenden Kräfte im . nächsten Jahr sein. Es ist hier nicht der Platz und die Stunde, eine finanz- und haushaltspolitische Vorschau auf den Haushalt des Jahres 1965 zu geben. Es ist aber erforderlich, einige Vorstellungen für die weitere gesetzgeberische Arbeit zu entwickeln, für eine gesetzgeberische Arbeit, die nicht ohne Auswirkung auf den Haushalt des Jahres 1965 bleiben wird. Die Fraktion der FDP ist entschlossen, die finanzpolitisch bewährte Politik der letzten Jahre, die sich so deutlich in diesem Nachtragshaushalt darstellt, auch in der Zukunft fortzusetzen. In dieser Politik sind die währungspolitischen Ziele mit der Forderung ausgedrückt: Stabilität der Währung und Stabilität des Preisgefüges und Sicherung gleichbleibender Zuwachsraten des Sozialprodukts. Die FDP ist überzeugt, daß eine Politik der Wahlgeschenke im Endeffekt niemand nützt, weder denen, die sich im Augenblick darüber freuen, zusätzliche Leistungen zu erhalten, noch der Allgemeinheit, die über ihre Steuerleistung diese Wahlgeschenke bezahlt. Das heißt nicht, daß die FDP sich gegen eine Weiterentwicklung der Sozialgesetzgebung oder sonstiger Gesetzgebungsbereiche wendet Im Gegenteil, unser Verhalten in den letzten Jahren hat deutlich gemacht, daß wir auf der einen Seite bereit sind, alle sinnvollen sozialpolitischen Initiativen zu unterstützen, daß wir zum anderen durch eine erhebliche Ausdehnung des steuerbegünstigten Sparens verstärkten Anreiz zur Vermögensbildung bieten wollen. Aber die FDP ist überzeugt, daß alle diese Vorhaben nur dann sinnvoll sind, wenn sie in den Rahmen der allgemeinen Wirtschafts- und Sozialpolitik eingegliedert beschlossen werden und wenn nicht durch die Summierung von Vorhaben eine Entwicklung ausgelöst wird, an deren Ende eine Zerstörung der deutschen Währung stehen würde.
Das bedeutet, daß die Festlegung einer Haushaltsgrenze auch für das Jahr 1965 beibehalten werden muß, einer Haushaltsgrenze, die aufgebaut ist auf der Zuwachsquote des Sozialprodukts und berechnet ist mit einem Endbetrag von 63,9 Milliarden DM.
Wir sind gewillt, die sicherlich notwendigen Korrekturen im Haushalt im Rahmen dieser finanziellen Gegebenheiten vorzunehmen.
Das setzt Umstellungen im bestehenden Volumen des Haushalts voraus und wirft natürlich die Dekkungsfrage auf, da die Summe der Anforderungen
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 152. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1964 7529
Dr. Emde
ja ohne Zweifel — je nachdem, was man heute addiert — erhebliche Beträge ausmacht. Es wird notwendig sein, um vernünftige Entschlüsse zu fassen, das Abschlußergebnis des Haushaltsjahres 1964 abzuwarten. Der Bundesfinanzminister hat gestern im Haushaltsausschuß erklärt, daß er sich um eine möglichst rasche Zurverfügungstellung der Abschlußzahlen bemüht und daß vorläufige Abschlußzahlen dem Haushaltsausschuß bereits in den letzten Tagen des Januars zugehen werden.
Aus diesen Abschlußzahlen wird klarwerden, in welchen Bereichen die Entwurfszahlen den tatsächlichen Gegebenheiten angepaßt werden können. Es unterliegt dabei keinem Zweifel, daß der Einzelplan des Verteidigungsministeriums auch im nächsten Jahr größere Beträge als Reste anbieten wird.
Wir sollten aber dabei das Verhalten der zuständigen Minister, des Bundesverteidigungs- und des Bundesfinanzministers, besonders positiv würdigen. Es ist nicht immer so gewesen, daß entstehende Reste in dieser Form klar ausgewiesen wurden. In der Vergangenheit ist mehrfach versucht worden, zum Teil mit Erfolg, durch Umschichtungen und sogenannte Vorauszahlungen das Entstehen größerer Restbestände zu umgehen. In diesem Jahr ist strikt nach den Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung nur dann eine Zahlung erfolgt, wenn die rechtlichen und vertraglichen Verpflichtungen tatsächlich geschaffen waren. Das ist ein erheblicher Fortschritt, und ich möchte im Namen meiner Fraktion dem Herrn Bundesverteidigungsminister und dem Herrn Bundesfinanzminister zu diesem Verhalten unsere besondere Zustimmung ausdrücken.
Neben dem Verteidigungshaushalt werden sich auch in anderen Einzelplänen Einsparungsmöglichkeiten ergeben. Es ist aber natürlich, daß derartige Umschichtungsmöglichkeiten des Gesamthaushalts 1965 nicht in unbegrenztem Umfang bestehen. Ebenso natürlich ist es, daß die Verpflichtungen und Zusagen, die von der Regierung gegeben wurden, und daß die Beschlüsse des Parlaments in den Veränderungen voll enthalten sein werden. In welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt darüber hinausgehende Wünsche befriedigt werden können, wird eine Frage zukünftiger Entscheidung sein.
Aus der Verhandlung im Haushaltsausschuß vom gestrigen Tage und dem Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses ergibt sich keine Kritik am Verhalten der Regierung und der Koalition in Sachen Nachtragshaushalt 1964;
das muß einmal ganz deutlich gesagt werden.
Die Probleme des Jahres 1965 sind zu lösen, wenn die gesunden und klaren Grundzüge der Politik unbeirrt fortgesetz werden. Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei ist dazu bereit. Sie stimmt diesem Nachtragshaushalt in der klaren Erkenntnis zu, daß er ein Stück auf dem Wege einer richtigen Politik ist, die auch im Jahre 1965 fortgesetzt werden wird.