Rede von
Dr.
Hermann
Conring
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Nun zu den Einzelbemerkungen, die Herr Schoettle machte.
Sie sagten, man sei weitestgehend den Wünschen der Sozialdemokratie gefolgt. Sie sehen daraus, daß die Regierungsparteien immer gewillt sind, der Opposition zu folgen, wenn sie gute Gedanken hat.
Aber wir widerstreben der Opposition, wenn sie Gedanken zur Unzeit hat.
Als Sie damals den Antrag stellten, die Mittel für die Studentenförderung zu erhöhen, ist eine Erhöhung im Haushaltsplan tatsächlich nicht vorgesehen gewesen; es war damals aber auch das Verwaltungsabkommen mit den Ländern, das erst die Grundlage für eine Erhöhung bildet, noch gar nicht vorhanden.
Das kam erst im Juni 1964. Die finanziellen Folgerungen aus diesem Verwaltungsabkommen werden in dem jetzigen Nachtragshaushalt gezogen. Das ist ordnungsgemäß, und es ist kein Nachziehen auf Grund sozialdemokratischer Wünsche oder Anträge, sondern es ist eine notwendige Folgerung aus den Verhandlungen mit den Ländern.
Herr Schoettle hat sich dann darüber gewundert, daß für die Landwirtschaft vorgesehene Mittel zur Deckung herangezogen werden. Es handelt sich in Wirklichkeit um Ausgaben für die Landwirtschaft im Haushaltsjahr 1964, die kassenmäßig in diesem Jahr nicht getätigt werden können, weil die Durchführung der Strukturmaßnahmen viel längere Zeit beansprucht, als wir alle miteinander wünschen können. Infolgedessen vollzieht sich der Abfluß dieser für Strukturmaßnahmen der Landwirtschaft vorgesehenen Mittel aus dem Bundeshaushaltsplan 1964 nicht so rasch, wie wir es wünschten. Damit werden der Landwirtschaft aber durchaus keine Mittel entzogen. Sie haben vielleicht übersehen, daß in demselben Titel zum Ausdruck gebracht ist, daß die Bindungsermächtigung um 70 Millionen DM erhöht worden ist, um der Bundesregierung die Möglichkeit zu geben, Verpflichtungen in der gleichen Höhe einzugehen, die kassenmäßig im Haushaltsjahr nicht mehr abfließen. Wenn der große europäische Durchbruch und damit eine Ausgleichszahlung an die Landwirtschaft notwendig wird, können Sie von Ihrer Seite nicht gleichzeitig sagen, das seien „Wahlgeschenke", und hier Tränen vergießen, wenn Ausgaben für die Landwirtschaft effektiv nicht geleistet, aber durch Bindungsermächtigung gleichwohl ermöglicht werden. Das ist ein Widerspruch, auf den ich aufmerksam gemacht haben wollte.
Dann haben Sie — das soll die letzte Bemerkung sein, die ich machen möchte — gefragt, wie das eigentlich mit den Steuereinnahmen sei, wo sie im Nachtragshaushalt zu sehen seien. Sie sind gar nicht zu sehen. Insofern haben Sie formal recht. Aber es wird Ihnen nicht unbekannt sein, daß wir zuvor die Ausgabenbegrenzung in den öffentlichen Haushalten nach dem realen Zuwachs des Bruttosozialprodukts vornehmen, während die Einnahmen so genommen werden müssen, wie sie effektiv kommen, nämlich nach dem nominellen Bruttosozialprodukt.
Daß das gewisse Schwierigkeiten haben kann, ist uns im Haushaltsausschuß durchaus geläufig. Aber Sie sollten doch nicht übersehen, daß die Einnahmeseite des Haushalts nicht nur diese Steuermehreinnahmen, sondern ein außerordentlicher Haushalt
7526 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 152. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1964
Dr. Conring
auch Einnahmen aus Anleihen ausweist. Der Anleihemarkt gibt aber im Augenblick die Mittel, die wir aus ihm zur Deckung der Ausgaben entnehmen wollen, nicht in vollem Umfang her.
— Herr Möller, Sie haben ja seinerzeit Ausführungen darüber gemacht, daß wir den Bedarf der öffentlichen Haushalte, der sich auf mehrere Jahrzehnte verteilt, zweckmäßigerweise durch Anleihen befriedigen sollten. Gut, wir sind dazu bereit. Nur haben wir Ihnen damals schon erwidert: Der Anleihemarkt ist nicht beliebig groß und für öffentliche Anleihen nicht in beliebigem Umfang verfügbar. Das Volumen der für öffentliche Anleihen verfügbaren Geldmittel ist eben nicht unbegrenzt.
Inwieweit Ihre damalige Behauptung zutrifft oder nicht zutrifft, das wird im Augenblick durch die Einnahmeseite im außerordentlichen Bundeshaushalt jedermann deutlich vor Augen geführt. Wenn ich die Zahlen richtig in der Erinnerung habe, sind dort etwa 700 Millionen DM im außerordentlichen Haushalt als Einnahmen ausgefallen, Ausfälle, deren Deckung dann die nominellen Steuermehreinnahmen übernommen haben.
Ich meine, es wäre gut, wenn die Opposition, die diese Dinge aus dem Haushaltsausschuß genau so gut kennt wie wir, nicht den Eindruck erweckte, daß Steuermehreinnahmen irgendwohin verschwänden oder zu irgendwelchen unbekannten Zwecken verwendet würden. Es wäre gut, wenn sie hier klar und deutlich zum Ausdruck brächte, daß die Steuermehreinnahmen des Jahres 1964 zur Deckung der Ausgaben herangezogen werden, die im Etat stehen, sowie zur Deckung der Einnahmelücke, die im außerordentlichen Etat auf dem Anleihemarkt entstanden ist.
Im übrigen möchte ich noch eine Schlußbemerkung machen. Im Augenblick wird ja in der Öffentlichkeit sehr viel von „Wahlgeschenken" gesprochen. Das ist Mode geworden. Es ist nur natürlich, daß dann, wenn davon die Rede ist, ein Chor vorhanden ist, der gern darin einstimmt. Ich möchte aber doch einmal die Frage an Sie richten: Was sind denn diese Wahlgeschenke? Worin bestehen sie eigentlich? Sie werden sich doch wahrscheinlich einmal mit dem Begriff der Wahlgeschenke auseinandersetzen müssen
Gemeint ist damit unterschwellig offenbar der Vorwurf, die Bundesregierung und die sie tragenden Regierungsparteien seien bereit, für irgendwelche Zwecke Geld zur Verfügung zu stellen, das sie, wenn keine Wahl wäre, sicher nicht ausgeben würden.
— Es freut mich, daß die Opposition mir darin zustimmt.
Ich bitte Sie aber, einmal folgendes zu überlegen. In der vorigen Woche, als der Durchbruch in Richtung Europa — so darf ich es einmal bezeichnen — erfolgte und daraufhin in einer Regierungserklärung Ausgleichszahlungen für die Landwirtschaft angekündigt wurden, hatte Ihre Partei doch nichts anderes zu tun, als zu rufen: „Wahlgeschenke".
— Glaubten Sie denn wirklich, daß die Ausgleichszahlungen an die Landwirtschaft, die selbstverständlich auch in Ihrem Parteiprogramm mit untergebracht würden, „Wahlgeschenke" waren? Glauben Sie nicht, daß das eine notwendige wirtschaftliche Maßnahme war?
Ich glaube, Sie machen es sich zu leicht, wenn Sie Ihrerseits 'bei jeder passenden Gelegenheit — oder richtiger, bei jeder unpassenden Gelegenheit — von Wahlgeschenken sprechen, wo wirtschaftlichen oder sozialen Notwendigkeiten Rechnung getragen wird.